Rechtssache C‑544/07
Uwe Rüffler
gegen
Dyrektor Izby Skarbowej we Wrocławiu Ośrodek Zamiejscowy w Wałbrzychu
(Vorabentscheidungsersuchen des
Wojewódzki Sąd Administracyjny we Wrocławiu)
„Art. 18 EG – Einkommensteuerrecht – Ermäßigung der Einkommensteuer nach Maßgabe der im Mitgliedstaat der Besteuerung gezahlten Krankenversicherungsbeiträge – Verweigerung des Abzugs der in anderen Mitgliedstaaten gezahlten Beiträge“
Leitsätze des Urteils
1. Freizügigkeit – Arbeitnehmer – Bestimmungen des Vertrags – Persönlicher Geltungsbereich
(Art. 39 EG)
2. Unionsbürgerschaft – Bestimmungen des Vertrags – Persönlicher Geltungsbereich
(Art. 17 Abs. 1 EG und Art. 18 Abs. 1 EG)
3. Unionsbürgerschaft – Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten – Steuerrecht
(Art. 18 EG; Verordnung Nr. 1408/71 des Rates)
1. Wer seine gesamte Berufstätigkeit in dem Mitgliedstaat, dem er angehört, ausgeübt und vom Recht zum Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat erst nach seinem Eintritt in den Ruhestand und ohne jede Absicht, dort einer Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis nachzugehen, Gebrauch gemacht hat, kann sich nicht auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer berufen.
(vgl. Randnr. 52)
2. Wer nach Eintritt in den Ruhestand den Mitgliedstaat verlässt, dessen Staatsangehöriger er ist und in dem er sein gesamtes Berufsleben verbracht hat, um seinen ständigen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat zu nehmen, hat den in Art. 17 Abs. 1 EG verankerten Status eines Unionsbürgers und kann sich daher auf die mit diesem Status verbundenen Rechte berufen. Er übt nämlich das mit Art. 18 Abs. 1 EG jedem Unionsbürger verliehene Recht aus, sich in den Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.
(vgl. Randnrn. 55-56)
3. Art. 18 Abs. 1 EG steht einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die das Recht auf Abzug der entrichteten Krankenversicherungsbeiträge von der Einkommensteuer an die Bedingung knüpft, dass diese Beiträge nach den Vorschriften des nationalen Rechts in dem betreffenden Mitgliedstaat gezahlt worden sind, und dazu führt, dass diese Steuervergünstigung verwehrt wird, wenn die Beiträge, die für den Abzug von der in diesem Mitgliedstaat geschuldeten Einkommensteuer in Betracht kommen, im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung eines anderen Mitgliedstaats entrichtet werden.
Eine solche Regelung nimmt eine Ungleichbehandlung gebietsansässiger Steuerpflichtiger vor, da nur die Steuerpflichtigen, deren Krankenversicherungsbeiträge im Mitgliedstaat der Besteuerung entrichtet werden, das streitige Recht auf Steuerabzug haben. Was die Besteuerung ihres Einkommens in dem betreffenden Mitgliedstaat angeht, befinden sich gebietsansässige Steuerpflichtige, die Beiträge an das Krankenversicherungssystem dieses Staats entrichten, und solche, die unter die gesetzliche Krankenversicherung eines anderen Mitgliedstaats fallen, nicht in objektiv unterschiedlichen Situationen, die diese Ungleichbehandlung nach dem Ort, an dem die Beiträge gezahlt werden, erklären könnten, da sie im Mitgliedstaat der Besteuerung unbeschränkt steuerpflichtig sind. Eine solche nationale Regelung, die Steuerpflichtige benachteiligt, die ihr Recht auf Freizügigkeit wahrgenommen haben, indem sie den Mitgliedstaat, in dem sie ihr gesamtes Berufsleben verbracht haben, verlassen haben, um sich in dem betroffenen Mitgliedstaat niederzulassen, stellt eine Beschränkung der Freiheiten dar, die durch Art. 18 Abs. 1 EG jedem Unionsbürger zuerkannt werden.
Der Umstand, dass der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung des anderen Mitgliedstaats nur die Kosten der Leistungen trägt, die dem Steuerpflichtigen, der seine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung bei diesem Träger entrichtet, tatsächlich erbracht worden sind, und dass, wenn dieser Steuerpflichtige keine Leistungen bei Krankheit erhält, seine Beiträge nicht zur Finanzierung des Krankenversicherungssystems des betroffenen Mitgliedstaats beitragen, kann eine solche Beschränkung nicht rechtfertigen. Soweit unmittelbar in der Verordnung Nr. 1408/71 festgelegt wird, welche Regelungen sowohl für den Anschluss der über das Recht auf Freizügigkeit verfügenden Bürger an ein bestimmtes Sozialversicherungssystem als auch für die Zahlung der zugehörigen Sozialversicherungsbeiträge gelten, ist nämlich festzustellen, dass ein Mitgliedstaat den Aufenthalt und die Besteuerung gebietsansässiger Steuerpflichtiger, die auf der Grundlage dieser Verordnung Beiträge an ein Sozialversicherungssystem eines anderen Mitgliedstaats entrichten, nicht weniger günstig behandeln darf.
(vgl. Randnrn. 67-69, 72-73, 78, 85, 87 und Tenor)
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
23. April 2009(*)
„Art. 18 EG – Einkommensteuerrecht – Ermäßigung der Einkommensteuer nach Maßgabe der im Mitgliedstaat der Besteuerung gezahlten Krankenversicherungsbeiträge – Verweigerung des Abzugs der in anderen Mitgliedstaaten gezahlten Beiträge“
In der Rechtssache C‑544/07
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Wojewódzki Sąd Administracyjny we Wrocławiu (Polen) mit Entscheidung vom 3. November 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Dezember 2007, in dem Verfahren
Uwe Rüffler
gegen
Dyrektor Izby Skarbowej we Wrocławiu Ośrodek Zamiejscowy w Wałbrzychu
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas (Berichterstatter), der Richter J. Klučka und U. Lõhmus, der Richterin P. Lindh sowie des Richters A. Arabadjiev,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– von Herrn Rüffler selbst,
– der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz als Bevollmächtigten,
– der griechischen Regierung, vertreten durch K. Georgiadis sowie durch S. Alexandriou und M. Tassopoulou als Bevollmächtigte,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und K. Herrmann als Bevollmächtigte,
– der EFTA‑Überwachungsbehörde, vertreten durch P. Bjørgan und L. Young als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 12 EG und Art. 39 EG.
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Rüffler, einem deutschen Staatsangehörigen, der in Polen lebt, und dem Dyrektor Izby Skarbowej we Wrocławiu Ośrodek Zamiejscowy w Wałbrzychu (Direktor der Finanzkammer Wrocław [Breslau], Außenstelle Wałbrzych [Waldenburg], im Folgenden: Dyrektor) wegen der Weigerung der polnischen Steuerverwaltung, ihm den Abzug der in einem anderen Mitgliedstaat gezahlten Krankenversicherungsbeiträge von der Einkommensteuer zu gestatten, obwohl einem Steuerpflichtigen, der seine Krankenversicherungsbeiträge in Polen entrichtet, ein solcher Abzug gewährt wird.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) bringt den Grundsatz der Gleichbehandlung zum Ausdruck und lautet:
„Die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt, haben die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, soweit besondere Bestimmungen dieser Verordnung nichts anderes vorsehen.“
4 Art. 28 („Rentenanspruch auf Grund der Rechtsvorschriften eines einzigen oder mehrerer Staaten, falls ein Anspruch auf Sachleistungen im Wohnland nicht besteht“) der Verordnung Nr. 1408/71sieht vor:
„(1) Ein Rentner, der nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zum Bezug einer Rente oder nach den Rechtsvorschriften von zwei oder mehr Mitgliedstaaten zum Bezug von Renten berechtigt ist und keinen Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats hat, in dessen Gebiet er wohnt, erhält dennoch diese Leistungen für sich und seine Familienangehörigen, sofern – gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Artikel 18 und Anhang VI – nach den Rechtsvorschriften des Staates, aufgrund deren die Renten geschuldet wird, oder zumindest eines der Mitgliedstaaten, nach deren Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, Anspruch auf Leistungen bestünde, wenn er im Gebiet des betreffenden Staates wohnte. Diese Leistungen werden wie folgt gewährt:
a) Die Sachleistungen gewährt der Träger des Wohnorts für Rechnung des in Absatz 2 bezeichneten Trägers, als ob der Rentner nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dessen Gebiet er wohnt, zum Bezug einer Rente berechtigt wäre und Anspruch auf Sachleistungen hätte;
b) die Geldleistungen gewährt gegebenenfalls der gemäß Absatz 2 bestimmte zuständige Träger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften. Im Einvernehmen zwischen dem zuständigen Träger und dem Träger des Wohnorts können diese Leistungen jedoch auch von diesem Träger nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates für die Rechnung des zuständigen Trägers gewährt werden.
(2) In den in Absatz 1 genannten Fällen wird der Träger, zu dessen Lasten die Sachleistungen gehen, wie folgt bestimmt:
a) Hat der Rentner Anspruch auf diese Sachleistungen auf Grund der Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats, so übernimmt der zuständige Träger dieses Staates die Kosten;
…“
5 Art. 28a („Rentenanspruch auf Grund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten mit Ausnahme des Wohnlands, falls ein Anspruch auf Leistungen im Wohnland besteht“) dieser Verordnung legt fest:
„Wohnt ein Rentner, der nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten zum Bezug von Rente berechtigt ist, im Gebiet eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Anspruch auf Sachleistungen nicht von Versicherungs- oder Beschäftigungsbedingungen abhängig ist und nach dessen Rechtsvorschriften keine Rente geschuldet wird, so werden die Sachleistungen, die dem Rentner sowie seinen Familienangehörigen gewährt werden, von dem Träger eines der für Renten zuständigen Mitgliedstaaten übernommen, der nach Artikel 28 Absatz 2 bestimmt wird, sofern der Rentner und seine Familienangehörigen nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften Anspruch auf diese Leistungen hätten, wenn sie im Gebiet des Staates wohnten, in dem sich der Träger befindet.“
6 In Art. 95 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 in ihrer durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung heißt es:
„Die zuständigen Träger erstatten den Trägern, die die Sachleistungen gemäß Artikel 28 Absatz 1 … der Verordnung [Nr. 1408/71] gewährt haben, den Betrag dieser Sachleistungen auf der Grundlage eines Pauschbetrags, der den tatsächlichen Ausgaben möglichst nahekommt.“
Völkervertragsrecht
7 Art. 18 Abs. 1 und 2 des Abkommens vom 14. Mai 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (gebilligt mit Gesetz vom 15. September 2004, BGBl. II S. 1304, im Folgenden: Doppelbesteuerungsabkommen) lautet:
„(1) Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen oder Renten, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Personen aus dem anderen Vertragsstaat erhält, können nur im erstgenannten Staat besteuert werden.
(2) Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, können abweichend von Absatz 1 nur in diesem anderen Staat besteuert werden.“
Nationales Recht
8 Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes vom 26. Juli 1991 über die Einkommensteuer (ustawa z dnia 26 lipca 1991 r. o podatku dochodowym od osób fizycznych, Dz. U. 2000, Nr. 14, Pos. 176, im Folgenden: Einkommensteuergesetz) sieht vor:
„Natürliche Personen, die ihren Wohnsitz in der Republik Polen haben, unterliegen unabhängig vom Entstehungsort der Einkünfte mit ihrem gesamten Einkommen der Steuerpflicht …“
9 In Art. 21 Abs. 1 Nr. 58 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes heißt es:
„Von der Einkommensteuer befreit sind … Leistungen … an ein Mitglied aus Mitteln, die im Rahmen eines Arbeitnehmerrentenprogramms gesammelt wurden …“
10 Art. 27b des Einkommensteuergesetzes bestimmt:
„(1) Von der … Steuer wird in erster Linie der Betrag der Beiträge zu der im Gesetz über die aus öffentlichen Mitteln finanzierten Leistungen der Gesundheitsfürsorge [ustawa z dnia 27 sierpnia 2004 r. o świadczeniach opieki zdrowotnej finansowanych ze środków publicznych, Dz. U. Nr. 210, Pos. 2135] genannten Krankenversicherung abgezogen,
1. die im Steuerjahr unmittelbar von dem Steuerpflichtigen gemäß den Vorschriften des Gesetzes über die aus öffentlichen Mitteln finanzierten Leistungen der Gesundheitsfürsorge gezahlt worden sind,
2. die im Steuerjahr von einem Zahlungspflichtigen gemäß den Vorschriften des Gesetzes über die aus öffentlichen Mitteln finanzierten Leistungen der Gesundheitsfürsorge eingezogen worden sind.
Der Abzug gilt nicht für Beiträge, deren Bemessensgrundlage ein nach den Art. 21 … steuerfreies Einkommen (Einkünfte) ist, sowie für Beiträge, deren Bemessungsgrundlage ein Einkommen ist, bei dem nach den Vorschriften der Abgabenordnung von der Steuererhebung abgesehen worden ist.
(2) Der Betrag der Krankenversicherungsbeiträge, der von der [Einkommen-]Steuer [im Sinne von Abs. 1] abgezogen wird, darf 7,75 % der Bemessungsgrundlage dieser Beiträge nicht überschreiten.
(3) Die Höhe der Ausgaben für die in Abs. 1 bezeichneten Zwecke wird auf der Grundlage der Belege für diese Ausgaben bestimmt.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
11 Herr Rüffler hatte in Deutschland gelebt, wo er eine nichtselbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hatte. Er zog dann nach Polen, wo er seit 2005 mit seiner Ehefrau seinen ständigen Wohnsitz hat. Den Akten, die dem Gerichtshof vorliegen, ist nicht zu entnehmen, dass er seit seinem Umzug in Polen einer Erwerbstätigkeit nachgegangen wäre.
12 Zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt bezog Herr Rüffler als einziges Einkommen zwei Renten aus Deutschland, und zwar:
– eine von der Landesversicherungsanstalt gezahlte Erwerbsminderungsrente wegen 70 %‑iger Erwerbsminderung, bei der es sich um eine Leistung der deutschen gesetzlichen Sozialversicherung handelt;
– eine von der Volkswagen AG gezahlte Betriebsrente.
13 Beide Leistungen werden auf ein Bankkonto von Herrn Rüffler in Deutschland gezahlt, wo auch die entsprechenden Beiträge, u. a. zur Krankenversicherung, abgeführt werden.
14 Der Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung, den Herr Rüffler auf die von ihm in Deutschland bezogene Betriebsrente entrichtet, wird zum Satz von 14,3 % an den deutschen Krankenversicherungsträger, die Deutsche BKK-West in Wolfsburg, abgeführt. Nach Art. 28 der Verordnung Nr. 1408/71 haben Herr und Frau Rüffler, wie vom Narodowy Fundusz Zdrowia (polnischer Nationaler Gesundheitsfonds) bestätigt, in Polen Anspruch auf Leistungen der Gesundheitsfürsorge. Diese Leistungen werden in Polen zu Lasten des deutschen Krankenversicherungsträgers erbracht.
15 Gemäß Art. 3 Abs. 1 des polnischen Einkommensteuergesetzes ist Herr Rüffler in Polen unbeschränkt steuerpflichtig.
16 Nach Art. 18 Abs. 2 des Doppelbesteuerungsabkommens wird die Erwerbsminderungsrente, die er in Deutschland von der Landesversicherungsanstalt bezieht, in Deutschland besteuert. Demgegenüber wird gemäß Art. 18 Abs. 1 dieses Abkommens die in Deutschland von Volkswagen gezahlte Betriebsrente nur in Polen besteuert.
17 Im Lauf des Jahres 2006 stellte Herr Rüffler bei der polnischen Steuerverwaltung den Antrag, von der Einkommensteuer, die er in Polen auf die in Deutschland bezogene Betriebsrente schulde, die in Deutschland entrichteten Krankenversicherungsbeiträge abziehen zu dürfen.
18 Mit Bescheid vom 28. November 2006 lehnte die polnische Steuerverwaltung seinen Antrag ab und führte zur Begründung aus, dass nach Art. 27b des Einkommensteuergesetzes nur Krankenversicherungsbeiträge, die aufgrund des polnischen Gesetzes über die aus öffentlichen Mitteln finanzierten Leistungen der Gesundheitsfürsorge gezahlt worden seien, von der Einkommensteuer abgezogen werden. Herr Rüffler entrichte jedoch keine Krankenversicherungsbeiträge in Polen.
19 Mit Schreiben vom 2. Februar 2007 legte Herr Rüffler gegen den Ablehnungsbescheid beim Dyrektor Beschwerde ein, in der er der Steuerverwaltung eine selektive Anwendung des polnischen Steuerrechts und einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vorwarf.
20 Mit Entscheidung vom 23. Februar 2007 lehnte der Dyrektor eine Änderung des Bescheids der Steuerverwaltung vom 28. November 2006 über eine Auslegung des polnischen Steuerrechts hinsichtlich seines Anwendungsbereichs und der Art seiner Anwendung, soweit danach der Abzug von in einem anderen Mitgliedstaat gezahlten Krankenversicherungsbeiträgen von der in Polen gezahlten Steuer nicht möglich ist, ab. Er vertrat die Auffassung, dass für die Steuerverwaltung, die auf der Grundlage von Rechtsvorschriften entscheiden müsse, insbesondere bei Vergünstigungen und Abzügen, eine erweiternde Auslegung von Art. 27b des Einkommensteuergesetzes unzulässig sei, und bestätigte damit die Auslegung dieser Vorschrift durch die Steuerverwaltung.
21 Herr Rüffler hatte in seiner Beschwerde beim Dyrektor ferner die Ansicht vertreten, dass seine Betriebsrente nach Art. 21 Abs. 1 Nr. 58 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes von der Einkommensteuer befreit werden müsse. Auch dieses Vorbringen wurde zurückgewiesen, wobei zur Begründung ausgeführt wurde, dass die betreffende Vorschrift keine Anwendung finde, da sie nur Personen betreffe, die an einem Arbeitnehmerrentenprogramm gemäß den Vorschriften des Gesetzes über Arbeitnehmerrentenprogramme teilnähmen, also „Arbeitnehmer“ im Sinne des polnischen Rechts seien.
22 Herr Rüffler erhob daraufhin beim Wojewódzki Sąd Administracyjny we Wrocławiu (Verwaltungsgericht Breslau) Klage gegen die Entscheidung vom 23. Februar 2007, mit der er rügt, dass die Entscheidung gegen Art. 27b des Einkommensteuergesetzes verstoße. Er beantragt, sowohl diese Entscheidung als auch den Bescheid der Steuerverwaltung vom 28. November 2006 aufzuheben, soweit danach ein Abzug der in einem anderen Mitgliedstaat entrichteten Krankenversicherungsbeiträge von der in Polen geschuldeten Einkommensteuer nicht möglich ist.
23 Eine solche Beschränkung des Rechts auf Abzug von der Einkommensteuer, in deren Folge diese Steuervergünstigung letztlich nur denjenigen Steuerpflichtigen gewährt werde, die ihre Krankenversicherungsbeiträge an einen polnischen Versicherungsträger entrichtet hätten, differenziere bei Personen, die in Polen Einkommensteuer zahlten, in diskriminierender Weise danach, wo sie Beiträge für eine gesetzliche Krankenversicherung zahlten.
24 Darüber hinaus macht Herr Rüffler geltend, dass die Auslegung der nationalen Steuervorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht und insbesondere dem Grundsatz der Freizügigkeit in Art. 39 EG unvereinbar sei. Zur Untermauerung dieser These führt er das Urteil des Gerichtshofs vom 30. Januar 2007, Kommission/Dänemark (C‑150/04, Slg. 2007, I‑1163), an.
25 Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts entspricht der Krankenversicherungsbeitrag, den Herr Rüffler auf der Grundlage der deutschen Rechtsvorschriften zahle, nach Art und Zweck dem Beitrag, den polnische Steuerpflichtige auf der Grundlage des polnischen Gesetzes zahlten. Sowohl im deutschen als auch im polnischen Recht seien Rentenempfänger zur Zahlung eines solchen Beitrags verpflichtet. Der Unterschied bestehe in der Höhe des Krankenversicherungsbeitrags, der in Deutschland 14,30 % und in Polen 9 % betrage, und in der Rechtsgrundlage, aus der sich die Zahlungspflicht ergebe.
26 Das vorlegende Gericht stellt sich die Frage, ob in dem Fall, dass ein gebietsansässiger Steuerpflichtiger auf eine in Deutschland bezogene Rente in Polen Einkommensteuer zu entrichten hat, die bloße Tatsache, dass dieser Beitrag nicht nach nationalem polnischen Recht gezahlt wurde und unter das deutsche Krankenversicherungssystem fällt, es rechtfertigt, den Abzug des in Deutschland gezahlten Krankenversicherungsbeitrags von der Einkommensteuer zu verweigern.
27 Das Gericht fragt sich, ob diese Auslegung des Art. 27b des Einkommensteuergesetzes nicht eine Diskriminierung von Steuerpflichtigen darstellt, die von der Freizügigkeit Gebrauch machen und denen dabei im Mitgliedstaat der Besteuerung die Möglichkeit genommen wird, in einem anderen Mitgliedstaat gezahlte Krankenversicherungsbeiträge von der Steuer abzuziehen. Voraussetzung sei allerdings, dass die Steuerpflichtigen die betreffenden Beiträge nicht schon in dem zuletzt genannten Staat abgezogen hätten.
28 Den Akten, die dem Gerichtshof vorliegen, ist zu entnehmen, dass das Trybunał Konstytucyjny (polnisches Verfassungsgericht) mit Urteil vom 7. November 2007 (K 18/06, Dz. U. 2007, Nr. 211, Pos. 1549) festgestellt hat, dass Art. 27b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes gegen Art. 32 in Verbindung mit Art. 2 der polnischen Verfassung verstößt, soweit er es bestimmten Steuerpflichtigen auch dann verwehrt, von der Einkommensteuer, die auf eine außerhalb Polens ausgeübte Tätigkeit geschuldet wird, die Krankenversicherungsbeiträge abzuziehen, wenn diese Beiträge in dem Mitgliedstaat, in dem die betreffende Tätigkeit ausgeübt wurde, nicht abgezogen worden sind. Diesem Urteil zufolge ist Art. 27b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes seit dem 30. November 2008 nicht mehr in Kraft.
29 Unter diesen Umständen hat das Wojewódzki Sąd Administracyjny we Wrocławiu das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Sind Art. 12 Abs. 1 EG sowie Art. 39 Abs. 1 und 2 EG dahin auszulegen, dass sie der in Art. 27b des Einkommensteuergesetzes enthaltenen Bestimmung des nationalen Rechts, mit der das Recht, die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung von der Einkommensteuer abzuziehen, auf nach den Vorschriften des nationalen Rechts gezahlte Beiträge beschränkt wird, in einer Situation entgegenstehen, in der ein Gebietsansässiger von einem in Polen besteuerten Einkommen Beiträge an die gesetzliche Krankenversicherung in einem anderen Mitgliedstaat abführt?
Zur Vorlagefrage
Zur Zulässigkeit
Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen
30 Die polnische Regierung bezweifelt erstens die Zulässigkeit der Frage, da die Vorlageentscheidung weder den tatsächlichen noch den rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits ausreichend darstelle.
31 So fehlten in der Vorlageentscheidung Angaben, die jedoch im Zusammenhang mit einer anderen Steuervergünstigung als der, um die es im Ausgangsverfahren gehe, von Bedeutung seien, nämlich im Zusammenhang mit der Befreiung von der Einkommensteuer nach Art. 21 Abs. 1 Nr. 58 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes. Danach sind „Leistungen … an ein Mitglied aus Mitteln, die im Rahmen eines Arbeitnehmerrentenprogramms gesammelt wurden“, von der Einkommensteuer befreit.
32 Im vorliegenden Fall sei der Vorlageentscheidung nicht eindeutig zu entnehmen, ob die von Volkswagen gezahlte Betriebsrente das deutsche Gegenstück zu den Leistungen sei, die im Rahmen eines polnischen Arbeitnehmerrentenprogramms gewährt würden, oder ob es sich um eine andere Form der Altersversicherung handele.
33 Zweitens trägt die polnische Regierung vor, dass die Vorlagefrage auch deshalb nicht zulässig sei, weil es an dem Erfordernis im Sinne von Art. 234 EG fehle, zur Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits eine Vorabentscheidung zu erlangen. Denn der Rechsstreit sei ausschließlich auf der Grundlage des nationalen Rechts zu entscheiden.
34 Sollte die von Volkswagen gezahlte Betriebsrente das deutsche Gegenstück zu den Leistungen sein, die im Rahmen eines polnischen Arbeitnehmerrentenprogramms gewährt würden, müsste sie nämlich in den Anwendungsbereich von Art. 21 Abs. 1 Nr. 58 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes fallen, da dieser sich nicht nur auf Leistungen aufgrund eines polnischen Arbeitnehmerrentenprogramms beschränke. In diesem Fall müsste das von Herrn Rüffler aufgrund der Betriebsrente erzielte Einkommen in Polen von der Einkommensteuer befreit sein.
35 Die polnische Regierung stellt sodann fest, dass nach Art. 27b Abs. 1 letzter Unterabsatz des Einkommensteuergesetzes der von Herrn Rüffler im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits beanspruchte Abzug der Krankenversicherungsbeiträge ausgeschlossen sei, wenn sich die Krankenversicherungsbeiträge auf Einkünfte bezögen, die gemäß Art. 21 des Einkommensteuergesetzes steuerbefreit seien. Sollte es sich bei der deutschen Rente um solcherart steuerbefreite Einkünfte handeln, wäre es daher nicht möglich, unabhängig davon, in welchem Staat die Krankenversicherungsbeiträge gezahlt worden seien, diese Beiträge nach Art. 27b Abs. 1 letzter Unterabsatz des Einkommensteuergesetzes von der Einkommensteuer abzuziehen. Folglich müsste der beim nationalen Gericht anhängige Rechtsstreit ausschließlich auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts entschieden werden.
Würdigung durch den Gerichtshof
36 Nach ständiger Rechtsprechung hat in einem Verfahren nach Art. 234 EG nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Gemeinschaftsrechts betreffen (vgl. u. a. Urteile vom 13. März 2001, PreussenElektra, C‑379/98, Slg. 2001, I‑2099, Randnr. 38, vom 4. Dezember 2008, Zablocka-Weyhermüller, C‑221/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 20, und vom 10. März 2009, Hartlauer, C‑169/07, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 24).
37 Der Gerichtshof hat jedoch auch entschieden, dass es ihm ausnahmsweise obliegt, zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter denen er vom nationalen Gericht angerufen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 1981, Foglia, 244/80, Slg. 1981, 3045, Randnr. 21; vgl. auch Urteile PreussenElektra, Randnr. 39, sowie vom 21. Januar 2003, Bacardi‑Martini und Cellier des Dauphins, C‑318/00, Slg. 2003, I‑905, Randnr. 42).
38 Die Entscheidung über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts kann nur dann abgelehnt werden, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteile PreussenElektra, Randnr. 39, und Zablocka-Weyhermüller, Randnr. 20).
39 Was zum einen die Frage des Wojewódzki Sąd Administracyjny we Wrocławiu betrifft, geht aus der Vorlageentscheidung eindeutig hervor, dass der Ausgangsrechtsstreit und die Vorlagefrage nur die Frage nach dem Recht auf Abzug der Krankenversicherungsbeiträge von der Steuer und nicht die Verweigerung der Steuerbefreiung für die Betriebsrente betreffen.
40 Das vom Dyrektor zurückgewiesene Vorbringen von Herrn Rüffler in seiner Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Steuerverwaltung, wonach seine Betriebsrente in Polen einkommensteuerfrei gestellt werden müsse, fehlt nämlich im Rahmen seiner Klage beim vorlegenden Gericht. Denn diese Klage ist darauf gerichtet, die Entscheidung des Dyrektors aufzuheben, soweit mit ihr bestätigt wird, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens unter den vorliegenden Umständen keinen Steuerabzug gemäß Art. 27b des Einkommensteuergesetz erhalten können.
41 Zum anderen hält sich der Gerichtshof für hinlänglich unterrichtet, was den Status von Herrn Rüffler sowie die Art der in Deutschland entrichteten Beiträge und der dort gezahlten Betriebsrente angeht, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort geben zu können.
42 Das vorlegende Gericht führt nämlich in seiner Entscheidung aus, die in Deutschland gezahlte Betriebsrente falle unter „Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen oder Renten, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ erhalte, im Sinne von Art. 18 Abs. 1 des Doppelbesteuerungsabkommens. Die Krankenversicherungsbeiträge, die von der Betriebsrente abgezogen würden und die Herr Rüffler auf der Grundlage der deutschen Rechtsvorschriften zahle, entsprächen nach Art und Zweck den Beiträgen, die polnische Steuerpflichtige auf der Grundlage des polnischen Rechts zahlten.
43 Demnach ist nicht offensichtlich, dass die erbetene Auslegung in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stünde, das Problem hypothetischer Natur wäre oder der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügte, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegte Frage erforderlich sind.
44 Somit ist die Vorlagefrage zulässig.
In der Sache
Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen
45 Herr Rüffler, die griechische Regierung, die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und die EFTA‑Überwachungsbehörde sind der Auffassung, dass das Gemeinschaftsrecht der Regelung eines Mitgliedstaats oder ihrer dahin gehenden Auslegung durch die Steuerverwaltung entgegensteht, wonach das Recht auf Abzug der Krankenversicherungsbeiträge von der Einkommensteuer auf Krankenversicherungsbeiträge beschränkt ist, die an die gesetzliche Krankenversicherung dieses Mitgliedstaats entrichtet werden.
46 Nach Ansicht der griechischen Regierung und der EFTA‑Überwachungsbehörde ist es mit den Art. 12 EG und 39 EG unvereinbar, dass der Mitgliedstaat, in dem ein Steuerpflichtiger seinen ständigen Wohnsitz hat und unbeschränkt steuerpflichtig ist, diesem Steuerpflichtigen verwehrt, die Beiträge, die er an den Krankenversicherungsträger eines anderen Mitgliedstaats gezahlt hat, von der Steuer abzuziehen, soweit der Steuerpflichtige die betreffenden Beiträge nicht in dem zweiten Staat, in dem er sein zu versteuerndes Einkommen bezieht, abgezogen hat. Eine solche Behandlung würde ihrer Meinung nach die Steuerpflichtigen benachteiligen, die von ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht hätten und denen im Staat der Besteuerung die Möglichkeit genommen werde, die an einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung eines anderen Mitgliedstaat geleisteten Beiträge von der Steuer abzuziehen.
47 Die Kommission entnimmt den Angaben in der Vorlageentscheidung, dass Herr Rüffler zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt nicht berufstätig gewesen sei und dass er seit 2005 aufgrund einer vorangegangenen nichtselbständigen Erwerbstätigkeit in Deutschland dauerhaft als Rentner in Polen lebe. Da zwischen dem Aufenthalt von Herrn Rüffler in Polen und der Ausübung einer Berufstätigkeit keinerlei Zusammenhang bestehe, sei dessen Fall außerdem nicht im Licht von Art. 39 EG zu beurteilen. Der Ausgangsrechtsstreit sei anhand von Art. 12 EG in Verbindung mit Art. 18 EG zu prüfen.
48 Nach Ansicht der Kommission verstößt eine nationale Regelung wie Art. 27b des Einkommensteuergesetzes, die das Recht zum Abzug von der Einkommensteuer nur für Krankenversicherungsbeiträge vorsieht, die an das polnische Krankenversicherungssystem gezahlt werden, und dadurch Beiträge ausschließt, die an die gesetzliche Krankenversicherung eines anderen Mitgliedstaats entrichtet werden, in dem die in Polen zu versteuernden Einkünfte bezogen worden sind, gegen Art. 12 Abs. 1 EG und Art. 18 Abs. 1 EG.
49 Da die polnische Regierung die Vorlagefrage für unzulässig hält, hat sie sich in der Sache nicht geäußert.
Würdigung durch den Gerichtshof
– Zu den anwendbaren Bestimmungen des EG‑Vertrags
50 Der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass Herr Rüffler seit 2005 aufgrund einer vorangegangenen nichtselbständigen Erwerbstätigkeit in Deutschland dauerhaft mit seiner Frau als Rentner in Polen lebt. Der Vorlageentscheidung zufolge verfügte er zum Zeitpunkt der Entstehung des Ausgangsrechtsstreits als einzige Einkünfte über eine Betriebsrente und eine Erwerbsminderungsrente, die er beide in Deutschland bezog. Demnach war Herr Rüffler bei Entstehung des Ausgangsrechtsstreits nicht berufstätig.
51 Aus den Akten, die dem Gerichtshof vorliegen, geht auch nicht hervor, dass Herr Rüffler zuvor in Polen gearbeitet hätte oder dass er sich dorthin begeben hätte, um eine Beschäftigung im Lohn‑ oder Gehaltsverhältnis zu suchen.
52 Der Gerichtshof hat bereits im Urteil vom 9. November 2006, Turpeinen (C‑520/04, Slg. 2006, I‑10685, Randnr. 16), entschieden, dass jemand, der seine gesamte Berufstätigkeit in dem Mitgliedstaat, dem er angehört, ausgeübt und vom Recht zum Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat erst nach seinem Eintritt in den Ruhestand und ohne jede Absicht, dort einer Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis nachzugehen, Gebrauch gemacht hat, sich nicht auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer berufen kann.
53 Nach dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens, wie er der Vorlageentscheidung zu entnehmen ist, liegt dieser Fall bei Herrn Rüffler offensichtlich vor.
54 Da Art. 39 EG im Ausgangsverfahren nicht einschlägig ist, ist zu prüfen, welche Bestimmung des Vertrags stattdessen auf eine Situation wie die von Herrn Rüffler anwendbar ist.
55 Als deutscher Staatsangehöriger hat Herr Rüffler den in Art. 17 Abs. 1 EG verankerten Status eines Unionsbürgers und kann sich daher gegebenenfalls auf die mit diesem Status verbundenen Rechte berufen, insbesondere auf das in Art. 18 Abs. 1 EG verliehene Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Mai 2008, Nerkowska, C‑499/06, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 22, und Zablocka-Weyhermüller, Randnr. 26).
56 Eine Situation wie die von Herrn Rüffler fällt unter das Recht der Unionsbürger, sich in den Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Wer nach Eintritt in den Ruhestand den Mitgliedstaat verlässt, dessen Staatsangehöriger er ist und in dem er sein gesamtes Berufsleben verbracht hat, um seinen ständigen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat zu nehmen, übt nämlich das mit Art. 18 Abs. 1 EG jedem Unionsbürger verliehene Recht aus, sich in den Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (vgl. in diesem Sinne Turpeinen, Randnrn. 16 bis 19).
57 Es ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof ungeachtet dessen, dass das vorlegende Gericht in seiner Vorlagefrage nicht auf Art. 18 EG Bezug genommen hat, nicht daran gehindert ist, diesem Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben, die ihm bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, unabhängig davon, worauf es in seiner Frage Bezug genommen hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Dezember 1990, SARPP, C‑241/89, Slg. 1990, I‑4695, Randnr. 8, vom 21. Februar 2006, Ritter‑Coulais, C‑152/03, Slg. 2006, I‑1711, Randnr. 29, und vom 26. April 2007, Alevizos, C‑392/05, Slg. 2007, I‑3505, Randnr. 64).
58 Die Situation von Herrn Rüffler ist daher im Licht des in Art. 18 EG verankerten Grundsatzes zu prüfen, dass jeder Unionsbürger das Recht hat, sich in den Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.
59 Was schließlich Art. 12 EG angeht, so ist nach dessen Abs. 1 unbeschadet besonderer Bestimmungen des EG‑Vertrags im Anwendungsbereich des Vertrags jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Nach ständiger Rechtsprechung gebietet zudem das in Art. 12 EG vorgesehene Diskriminierungsverbot, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden, sofern eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteil vom 12. Juli 2005, Schempp, C‑403/03, Slg. 2005, I‑6421, Randnr. 28).
– Zur Vereinbarkeit mit Art. 18 EG
60 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 18 EG einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die das Recht auf Abzug der entrichteten Krankenversicherungsbeiträge von der Einkommensteuer an die Bedingung knüpft, dass diese Beiträge nach den Vorschriften des nationalen Rechts in dem betreffenden Mitgliedstaat gezahlt worden sind, und dazu führt, dass diese Steuervergünstigung verwehrt wird, wenn die Beiträge, die für den Abzug der in diesem Mitgliedstaat geschuldeten Einkommensteuer in Betracht kommen, im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung eines anderen Mitgliedstaats entrichtet worden sind.
61 Vorab ist zu bemerken, dass das vorlegende Gericht im Rahmen dieser Frage von der Annahme ausgeht, dass die Krankenversicherungsbeiträge, deren Berücksichtigung zum Zweck des Steuerabzugs im Ausgangsrechtsstreit verlangt wird, in dem Mitgliedstaat, in dem sie entrichtet wurden, noch nicht steuerlich berücksichtigt worden sind.
62 Wie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, ist der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt, der grundlegende Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zu sein, der es denjenigen unter ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, im sachlichen Geltungsbereich des Vertrags unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und unbeschadet der insoweit ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen (vgl. u. a. Urteile vom 29. April 2004, Pusa, C‑224/02, Slg. 2004, I‑5763, Randnr. 16, vom 11. September 2007, Schwarz und Gootjes-Schwarz, C‑76/05, Slg. 2007, I‑6849, Randnr. 86, sowie vom 16. Dezember 2008, Huber, C‑524/06, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 69).
63 Zu den Situationen, die in den Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, gehören diejenigen, die sich auf die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten beziehen, und insbesondere auch die, in denen es um das durch Art. 18 EG verliehene Recht geht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Urteile Pusa, Randnr. 17, sowie Schwarz und Gootjes-Schwarz, Randnr. 87).
64 Da ein Unionsbürger in allen Mitgliedstaaten Anspruch auf die gleiche rechtliche Behandlung wie die eigenen Staatsangehörigen dieser Mitgliedstaaten hat, die sich in der gleichen Situation befinden, wäre es mit dem Recht auf Freizügigkeit unvereinbar, wenn der Aufnahmemitgliedstaat ihn weniger günstig behandeln könnte, als wenn er nicht von den Erleichterungen Gebrauch gemacht hätte, die ihm der Vertrag in Bezug auf die Freizügigkeit gewährt (vgl. entsprechend zur Behandlung in dem Mitgliedstaat, dem der Unionsbürger angehört, Urteile Pusa, Randnr. 18, Schwarz und Gootjes-Schwarz, Randnr. 88, sowie vom 11. September 2007, Kommission/Deutschland, C‑318/05, Slg. 2007, I‑6957, Randnr. 127).
65 Diese Erleichterungen könnten nämlich ihre volle Wirkung nicht entfalten, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats von ihrer Wahrnehmung durch Hindernisse abgehalten werden könnte, die seinem Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat infolge einer nationalen Regelung entgegenstehen, die Nachteile daran knüpft, dass er von ihnen Gebrauch gemacht hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Pusa, Randnr. 19; vgl. auch Urteile vom 26. Oktober 2006, Tas-Hagen und Tas, C‑192/05, Slg. 2006, I‑10451, Randnr. 30, sowie Zablocka‑Weyhermüller, Randnr. 34).
66 Daher ist zu prüfen, ob eine Regelung wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, unter Gemeinschaftsangehörigen, die sich in der gleichen Situation befinden, eine Ungleichbehandlung zum Nachteil derjenigen Gemeinschaftsangehörigen einführt, die ihr Recht auf Freizügigkeit wahrgenommen haben, und ob, wenn dies der Fall ist, diese Ungleichbehandlung gegebenenfalls gerechtfertigt werden kann.
67 Eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige nimmt eine Ungleichbehandlung gebietsansässiger Steuerpflichtiger vor, je nachdem, ob die Krankenversicherungsbeiträge, die für den Abzug von der in Polen geschuldeten Einkommensteuer in Betracht kommen, im Rahmen der nationalen gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt worden sind oder nicht. Nach dieser Regelung haben nur die Steuerpflichtigen, deren Krankenversicherungsbeiträge im Mitgliedstaat der Besteuerung entrichtet werden, das im Ausgangsverfahren streitige Recht auf Steuerabzug.
68 Was die Besteuerung ihres Einkommens in Polen angeht, befinden sich gebietsansässige Steuerpflichtige, die Beiträge an das polnische Krankenversicherungssystem entrichten, und solche, die unter die gesetzliche Krankenversicherung eines anderen Mitgliedstaats fallen, nicht in objektiv unterschiedlichen Situationen, die diese Ungleichbehandlung nach dem Ort, an dem die Beiträge gezahlt werden, erklären könnten.
69 Die Situation eines steuerpflichtigen Rentners wie Herrn Rüffler, der in Polen lebt und Rentenleistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung eines anderen Mitgliedstaats bezieht, und diejenige eines polnischen Rentners, der auch in Polen lebt, aber seine Rente im Rahmen der polnischen Krankenversicherung bezieht, sind nämlich in Bezug auf die Besteuerungsgrundsätze vergleichbar, da beide in Polen unbeschränkt steuerpflichtig sind.
70 Somit müsste die Besteuerung ihrer Einkünfte in diesem Mitgliedstaat nach denselben Grundsätzen und daher auf der Grundlage derselben Steuervergünstigungen – im Rahmen des Ausgangsverfahrens des Rechts auf Abzug von der Einkommensteuer – erfolgen.
71 Darüber hinaus ist zu betonen, dass im Fall von Herrn Rüffler die Beiträge, die er in Deutschland zahlt, unter die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland fallen. Diese Beiträge werden unmittelbar von seinen Einkünften, nämlich der Betriebs‑ und der Erwerbsminderungsrente, erhoben und an den deutschen Krankenversicherungsträger abgeführt. Nach seinem Umzug nach Polen hat Herr Rüffler weiterhin seine Betriebs‑ und seine Erwerbsminderungsrente aus Deutschland bezogen, und er hat nach den Art. 28 und 28a der Verordnung Nr. 1408/71 in Polen Anspruch auf die Leistungen der Gesundheitsfürsorge, deren Kosten anschließend von seiner deutschen Krankenversicherung übernommen werden.
72 Soweit die im Ausgangsverfahren streitige nationale Regelung die Gewährung einer Steuervergünstigung aufgrund der Krankenversicherungsbeiträge an die Bedingung knüpft, dass diese an einen polnischen Krankenversicherungsträger gezahlt worden sind, und dazu führt, dass die betreffende Vergünstigung Steuerpflichtigen, die Beiträge an einen Träger eines anderen Mitgliedstaats entrichtet haben, verwehrt wird, benachteiligt sie Steuerpflichtige, die wie Herr Rüffler ihr Recht auf Freizügigkeit wahrgenommen haben, indem sie den Mitgliedstaat, in dem sie ihr gesamtes Berufsleben verbracht haben, verlassen haben, um sich in Polen niederzulassen.
73 Eine solche nationale Regelung, die bestimmte Staatsangehörige eines Mitgliedstaats allein deswegen benachteiligt, weil sie ihr Recht wahrgenommen haben, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, stellt eine Beschränkung der Freiheiten dar, die durch Art. 18 Abs. 1 EG jedem Unionsbürger zuerkannt werden.
74 Eine derartige Beschränkung lässt sich nach Gemeinschaftsrecht nur rechtfertigen, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht legitimerweise verfolgten Zweck steht (Urteile vom 18. Juli 2006, De Cuyper, C‑406/04, Slg. 2006, I‑6947, Randnr. 40, Tas-Hagen und Tas, Randnr. 33, sowie Zablocka-Weyhermüller, Randnr. 37).
75 Somit bleibt zu prüfen, ob es objektive Erwägungen gibt, die eine unterschiedliche steuerliche Behandlung rechtfertigen, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegt.
76 Die polnische Regierung hat hierzu nichts vorgetragen.
77 Das vorlegende Gericht stellt sich dagegen die Frage, ob der Umstand, dass Steuerpflichtige, die ihre Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung bei ausländischen Trägern entrichten, nicht zur Finanzierung des polnischen Krankenversicherungssystems beitragen, da der ausländische Träger dem Nationalen Gesundheitsfonds der Republik Polen nur die Kosten für Leistungen erstattet, d. h. übernimmt, die diesen Steuerpflichtigen in Polen tatsächlich erbracht worden sind, möglicherweise eine hinreichende objektive Rechtfertigung für die steuerliche Ungleichbehandlung darstellt, die sich aus Art. 27b des Einkommensteuergesetzes ergibt.
78 Die zur Rechtfertigung angeführten Gründe sind nicht stichhaltig. Denn der Umstand, dass der Träger der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung nur die Kosten der Leistungen trägt, die Herrn Rüffler tatsächlich erbracht worden sind, und dass, wenn er keine Leistungen bei Krankheit erhält, seine Beiträge nicht zur Finanzierung des polnischen Krankenversicherungssystems beitragen, kann eine Beschränkung, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, nicht rechtfertigen.
79 Wie das vorlegende Gericht sowie die Kommission und die EFTA‑Überwachungsbehörde zu Recht ausgeführt haben, ist der Umstand, dass die Kosten der Gesundheitsleistungen, die in Polen lebenden deutschen Staatsangehörigen erbracht werden, dem polnischen Nationalen Gesundheitsfonds von dem zuständigen deutschen Versicherungsträger erstattet werden, das Ergebnis einer kombinierten Anwendung der Gemeinschaftsregelungen betreffend die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, namentlich der Art. 28 und 28a der Verordnung Nr. 1408/71 sowie des Art. 95 der Verordnung Nr. 574/72 in der durch die Verordnung Nr. 118/97 geänderten und aktualisierten Fassung.
80 Im Ausgangsverfahren ergibt sich daraus insbesondere, dass, obwohl die Krankenversicherungsbeiträge eines deutschen Staatsangehörigen wie Herrn Rüffler nicht unmittelbar an den polnischen Nationalen Gesundheitsfonds gezahlt werden, die Kosten für seine Behandlung nicht vom polnischen Gesundheitssystem getragen werden.
81 Die Regelungen des abgeleiteten Rechts zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten sollen die sozialen Rechte der Personen schützen, die innerhalb der Europäischen Union zu‑ und abwandern, und sicherstellen, dass ihr Recht auf den Bezug von Leistungen der sozialen Sicherheit nicht gerade durch ihre Inanspruchnahme der Freizügigkeit berührt wird. Die Betroffenen würden nämlich schon von dieser Inanspruchnahme abgehalten, wenn die Mitgliedstaaten frei wären, in Bezug auf die steuerliche Behandlung dieser Leisungen Personen zu benachteiligen, die Leistungen der sozialen Sicherheit im Rahmen des Gesundheitssystems eines anderen Mitgliedstaats beziehen.
82 Hierzu hat der Gerichtshof im Urteil vom 27. Juni 1996, Asscher (C‑107/94, Slg. 1996, I‑3089, Randnr. 64), festgestellt, dass eine nachteilige steuerliche Behandlung, und zwar die Anwendung eines erhöhten Steuersatzes, gebietsfremder Steuerpflichtige, die keine Beiträge an das System der sozialen Sicherheit der Niederlande leisten, gegen Art. 52 des Vertrags verstößt und nicht mit dem fehlenden Anschluss an ein bestimmtes nationales System der sozialen Sicherheit gerechtfertigt werden kann. Er hat insoweit betont, dass die Bestimmung des Mitgliedstaats, in dem die Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden, schlicht aus der Anwendung der mit der Verordnung Nr. 1408/71 getroffenen Regelung folgt. Denn der Umstand, dass bestimmte Steuerpflichtige einem bestimmten System der sozialen Sicherheit nicht angeschlossen sind und folglich in dem betreffenden Mitgliedstaat keine Beiträge zu diesem System von ihrem Einkommen erhoben werden, kann sich, wenn er zu Recht besteht, nur aus der der Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften dienenden Anwendung des allgemeinen, zwingenden Systems ergeben, das mit der Verordnung Nr. 1408/71 geschaffen worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Asscher, Randnr. 60).
83 Der Gerichtshof hat klargestellt, dass der Umstand, dass die Mitgliedstaaten aufgrund ihrer Verpflichtung, die geltenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zu beachten, nicht bestimmen können, inwieweit ihre eigenen Rechtsvorschriften oder die eines anderen Mitgliedstaats anwendbar sind, es einem Mitgliedstaat verwehrt, mit steuerrechtlichen Maßnahmen in Wirklichkeit den Zweck zu verfolgen, den Nichtanschluss an sein System der sozialen Sicherheit und die Nichterhebung von Beiträgen zu diesem System auszugleichen (Urteil Asscher, Randnr. 61).
84 Wie die Kommission und die EFTA‑Überwachungsbehörde ausgeführt haben, gilt der gleiche Gedanke entsprechend auch für die Beschränkung des Rechts auf Steuerabzug gegenüber den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Steuerpflichtigen, die keine Beiträge leisten.
85 Soweit unmittelbar in der Verordnung Nr. 1408/71 festgelegt wird, welche Regelungen sowohl für den Anschluss der über das Recht auf Freizügigkeit verfügenden Bürger an ein bestimmtes Sozialversicherungssystem als auch für die Zahlung der zugehörigen Sozialversicherungsbeiträge gelten, ist daher festzustellen, dass ein Mitgliedstaat den Aufenthalt und die Besteuerung gebietsansässiger Steuerpflichtiger, die auf der Grundlage dieser Verordnung Beiträge an ein Sozialversicherungssystem eines anderen Mitgliedstaats entrichten, nicht weniger günstig behandeln darf.
86 Da eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige eine objektiv nicht gerechtfertigte Beschränkung von Art. 18 EG darstellt, erübrigt sich eine Entscheidung über die Vereinbarkeit mit Art. 12 EG.
87 Daher ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 18 Abs. 1 EG einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die das Recht auf Abzug der entrichteten Krankenversicherungsbeiträge von der Einkommensteuer an die Bedingung knüpft, dass diese Beiträge nach den Vorschriften des nationalen Rechts in dem betreffenden Mitgliedstaat gezahlt worden sind, und dazu führt, dass diese Steuervergünstigung verwehrt wird, wenn die Beiträge, die für den Abzug von der in diesem Mitgliedstaat geschuldeten Einkommensteuer in Betracht kommen, im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung eines anderen Mitgliedstaats entrichtet werden.
Kosten
88 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 18 Abs. 1 EG steht einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die das Recht auf Abzug der entrichteten Krankenversicherungsbeiträge von der Einkommensteuer an die Bedingung knüpft, dass diese Beiträge nach den Vorschriften des nationalen Rechts in dem betreffenden Mitgliedstaat gezahlt worden sind, und dazu führt, dass diese Steuervergünstigung verwehrt wird, wenn die Beiträge, die für den Abzug von der in diesem Mitgliedstaat geschuldeten Einkommensteuer in Betracht kommen, im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung eines anderen Mitgliedstaats entrichtet werden.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Polnisch.