C-497/01 - Zita Modes
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Arrêt de la Cour
Rechtssache C-497/01
Zita Modes Sàrl
gegen
Administration de l'enregistrement et des domaines
(Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal d'arrondissement Luxemburg)
«Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Artikel 5 Absatz 8 – Übertragung einer Vermögensmasse – Fortführung der Geschäftstätigkeit durch den Begünstigten in derselben Branche wie der Übertragende – Rechtliche Befugnis zur Ausübung der Geschäftstätigkeit»
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Schlussanträge des Generalanwalts F. G. Jacobs vom 26. September 2002 |
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Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 27. November 2003 |
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Leitsätze des Urteils
- Steuerrecht – Harmonisierung – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Besteuerungsgrundlage – Lieferung von Gegenständen – Befugnis der Mitgliedstaaten, die vollständige oder teilweise Übertragung einer Vermögensmasse davon auszunehmen – Umfang
(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 5 Absatz 8)Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie 77/388 ist dahin auszulegen, dass, wenn ein Mitgliedstaat von der Befugnis nach
Artikel 5 Absatz 8 Satz 1 Gebrauch gemacht hat, die Übertragung einer Vermögensmasse für Mehrwertsteuerzwecke nicht als Lieferung
von Gegenständen zu behandeln, dieser Grundsatz der Nicht-Lieferung ─ vorbehaltlich einer etwaigen Inanspruchnahme der Befugnis,
seine Geltung unter den Umständen des Artikels 5 Absatz 8 Satz 2 zu beschränken ─ für jede Übertragung eines Geschäftsbetriebs
oder eines selbständigen Unternehmensteils gilt, die jeweils materielle und gegebenenfalls immaterielle Bestandteile umfassen,
die zusammengenommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit
fortgeführt werden kann. Der durch die Übertragung Begünstigte muss jedoch beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb
oder Unternehmensteil zu betreiben und nicht nur die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln sowie gegebenenfalls
den Warenbestand zu verkaufen.Dagegen fordert die vorgenannte Bestimmung nicht, dass der Begünstigte vor der Übertragung eine wirtschaftliche Tätigkeit
derselben Art ausgeübt haben müsste wie der Übertragende.Außerdem darf ein Mitgliedstaat nach der genannten Bestimmung diesen Grundsatz der Nicht-Lieferung nicht auf die Fälle der
Übertragung einer Vermögensmasse beschränken, in denen der Begünstigte eine Gewerbegenehmigung für die wirtschaftliche Tätigkeit
besitzt, die mit dieser Vermögensmasse ausgeübt werden kann.vgl. Randnrn. 45-46, 55, Tenor 1-2
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URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
27. November 2003(1)
„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Artikel 5 Absatz 8 – Übertragung einer Vermögensmasse – Fortführung der Geschäftstätigkeit durch den Begünstigten in derselben Branche wie der Übertragende – Rechtliche Befugnis zur Ausübung der Geschäftstätigkeit“
In der Rechtssache C-497/01
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Tribunal d'arrondissement Luxemburg (Luxemburg) in dem bei diesem anhängigen
Rechtsstreit
Zita Modes Sàrl
gegen
Administration de l'enregistrement et des domaines
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des
Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ─ Gemeinsames
Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 95/7/EG
des Rates vom 10. April 1995 zur Änderung der Richtlinie 77/388 und zur Einführung weiterer Vereinfachungsmaßnahmen im Bereich
der Mehrwertsteuer ─ Geltungsbereich bestimmter Steuerbefreiungen und praktische Einzelheiten ihrer Durchführung (ABl. L 102,
S. 18)erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer),
unter Mitwirkung des Richters P. Jann in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter D. A. O. Edward und S. von Bahr (Berichterstatter),
Generalanwalt: F. G. Jacobs,
Kanzler: R. Grass,
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- ─
der Administration de l'enregistrement et des domaines, vertreten durch F. Kremer, avocat,
- ─
der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und C. Giolito als Bevollmächtigte,
aufgrund des Berichts des Berichterstatters,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. September 2002
folgendes
Urteil
- 1
Mit Urteil vom 19. Dezember 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Dezember 2001, hat das Tribunal d'arrondissement Luxemburg
gemäß Artikel 234 EG drei Fragen über die Auslegung des Artikels 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom
17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ─ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem:
einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10.
April 1995 zur Änderung der Richtlinie 77/388 und zur Einführung weiterer Vereinfachungsmaßnahmen im Bereich der Mehrwertsteuer
─ Geltungsbereich bestimmter Steuerbefreiungen und praktische Einzelheiten ihrer Durchführung (ABl. L 102, S. 18) (nachfolgend:
Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
- 2
Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Zita Modes Sàrl (nachfolgend: Klägerin) und der Administration
de l'enregistrement et des domaines (Register- und Domänenverwaltung) wegen der Erhebung von Mehrwertsteuer auf den Verkauf
des Geschäftsbetriebs („fonds de commerce“) eines Konfektionsbekleidungsgeschäfts.
-
- Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
- 3
Nach Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger
als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer.
- 4
Nach Artikel 5 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie gilt
[a]ls Lieferung eines Gegenstands ... die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand
zu verfügen.
- 5
Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie lautet: Die Mitgliedstaaten können die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich
oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt[,] und
den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen. Die Mitgliedstaaten treffen gegebenenfalls
die erforderlichen Maßnahmen, um Wettbewerbsverzerrungen für den Fall zu vermeiden, dass der Begünstigte nicht voll steuerpflichtig
ist.
- 6
Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie bestimmt: Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige
befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
- a)
die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen
Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden.
Nationales Recht
- 7
Nach Artikel 9 Absatz 1 des luxemburgischen Gesetzes vom 5. August 1969 über die Mehrwertsteuer in der durch das Gesetz vom
12. Februar 1979 (Mem. A 1979, S. 453) geänderten und ergänzten Fassung (nachfolgend: Mehrwertsteuergesetz) gilt als „Lieferung
eines Gegenstands“ die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.
- 8
Artikel 9 Absatz 2 Unterabsatz 1 des Mehrwertsteuergesetzes bestimmt: Abweichend von Absatz 1 gilt die Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens auf einen anderen Steuerpflichtigen
unabhängig von ihrer Form und ihrem Rechtsgrund nicht als Lieferung von Gegenständen. In einem solchen Fall gilt der Übernehmer
als Rechtsnachfolger des Übertragenden.
Der Ausgangsrechtsstreit und die Vorlagefragen
- 9
Aus dem Vorlageurteil geht hervor, dass die Klägerin am 29. August 1996 über den „Verkauf des Geschäftsbetriebs eines Konfektionsbekleidungsgeschäfts“
der Firma Milady, die eine Parfümerie betrieb, eine Rechnung in Höhe von 1 700 000 LUF stellte. Auf der Rechnung war angegeben,
dass sie nach geltendem Recht nicht der Mehrwertsteuer unterliege.
- 10
Mit am 25. Juni 1998 zugestelltem Steuerbescheid berichtigte das Steuerbüro I Diekirch (Luxemburg) der Register- und Domänenverwaltung
von Amts wegen die von der Klägerin für das Steuerjahr 1996 geschuldete Mehrwertsteuer und vermerkte dabei unter der Rubrik
Bemerkungen:
Berichtigung der abgezogenen Vorsteuer auf B.I. ─ Besteuerung der Übertragung des Geschäftsbetriebs (Artikel 9.2 nicht anwendbar).
- 11
Die Register- und Domänenverwaltung vertrat die Auffassung, dass Artikel 9 Absatz 2 des Mehrwertsteuergesetzes in Ermangelung
der Fortführung der Geschäftstätigkeit des Übertragenden nicht anwendbar sei, da dieser ein Bekleidungsgeschäft und der Übernehmer
eine Parfümerie betreibe.
- 12
Mit Einspruch vom 1. Juli 1998 machte die Klägerin geltend, dass der Übernehmer nach der genannten Bestimmung die Geschäftstätigkeit
des Übertragenden nicht in derselben Branche fortführen müsse. Da außerdem beide steuerpflichtig seien, wäre die Mehrwertsteuer
vollständig erstattet worden, wenn die Übertragung mehrwertsteuerpflichtig gewesen wäre.
- 13
Am 25. August 1998 wies die Register- und Domänenverwaltung den Einspruch u. a. unter Hinweis darauf zurück, dass der Übernehmer
nach Artikel 9 Absatz 2 des Mehrwertsteuergesetzes ein Steuerpflichtiger sein müsse, der die Geschäftstätigkeit des Übertragenden
in derselben Branche fortführe. Außerdem müsse der Übernehmer rechtlich befugt sein, in dieser Branche tätig zu werden, was
im vorliegenden Fall nicht der Fall sei, da es an der entsprechenden Genehmigung durch das zuständige Ministerium fehle.
- 14
Am 20. November 1998 erhob die Klägerin Klage, mit der sie beim vorlegenden Gericht die Abänderung der Entscheidung der Register-
und Domänenverwaltung sowie die Feststellung beantragt, dass die Übertragung ihres Geschäftsbetriebs auf die Firma Milady
nicht der Mehrwertsteuer unterliege.
- 15
Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts steht fest, dass die Klägerin der Firma Milady Gegenstände zu einem Preis von
1 700 000 LUF übertragen hat. Die übertragenen Gegenstände hingegen seien nicht genau bestimmt.
- 16
Insbesondere seien die Behauptungen der Klägerin nicht erwiesen, dass die Übertragung „die ‚zu den Konfektionsartikeln passenden
Modeaccessoires‘ zum Gegenstand gehabt habe, die zum veräußerten Geschäftsbetrieb des Konfektionsbekleidungsgeschäfts gehört
hätten, der aus ‚Parfümerieartikeln desselben Herstellers [wie desjenigen, der die Konfektionsartikel hergestellt habe,]‘
bestanden habe, und die von der [Firma] Milady in Fortführung der Geschäftstätigkeit der ... [Klägerin] verwendet worden seien“.
- 17
Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ist im Ausgangsverfahren zu entscheiden, ob die Übertragung einer Vermögensmasse
auf einen Steuerpflichtigen unabhängig von seiner Geschäftstätigkeit den Tatbestand des Artikels 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie
erfüllt, nach der bei einer solchen Übertragung für Mehrwertsteuerzwecke keine Lieferung von Gegenständen vorliegt (nachfolgend:
Grundsatz der Nicht-Lieferung), oder ob die besagte Übertragung ausnahmslos im Hinblick auf die Fortführung der Geschäftstätigkeit
des Übertragenden erfolgen muss.
- 18
Außerdem sei zu entscheiden, ob nach der genannten Bestimmung zwischen der Übertragung einer Vermögensmasse auf einen Steuerpflichtigen,
der die Geschäftstätigkeit des Übertragenden in Übereinstimmung mit der im betreffenden Mitgliedstaat vorgeschriebenen Gewerbegenehmigung
ausübe, und der Übertragung auf einen Steuerpflichtigen, der nicht über die erforderliche Genehmigung verfüge, unterschieden
werden dürfe.
- 19
Das vorlegende Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
- 1.
Ist Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie ... dahin auszulegen, dass die Übertragung einer Vermögensmasse auf einen Steuerpflichtigen
eine hinreichende Voraussetzung dafür darstellt, dass der Umsatz nicht der Mehrwertsteuer unterworfen wird, und zwar unabhängig
davon, welche Geschäftstätigkeit der Steuerpflichtige ausübt oder welchen Gebrauch er von den übertragenen Gegenständen macht?
- 2.
Im Fall der Verneinung der ersten Frage: Ist Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass unter der Übertragung
einer Vermögensmasse auf einen Steuerpflichtigen die vollständige oder teilweise Übertragung eines Unternehmens auf einen
Steuerpflichtigen zu verstehen ist, der die gesamte Geschäftstätigkeit des übertragenden Unternehmens oder dessen Tätigkeit
in der Branche, die dem übertragenen Teilvermögen entspricht, fortführt, oder nur die vollständige oder teilweise Übertragung
einer Vermögensmasse auf einen Steuerpflichtigen, der die gesamte Geschäftstätigkeit des Übertragenden oder einen Teil derselben
ihrer Art nach fortführt, ohne dass eine Übertragung des Unternehmens oder eines Unternehmenszweigs vorliegt?
- 3.
Im Fall der Bejahung eines der Teile der zweiten Frage: Muss oder kann ein Staat nach Artikel 5 Absatz 8 verlangen, dass die
Tätigkeit des Begünstigten gemäß der für die Geschäftstätigkeit oder die Branche vorgeschriebenen, von der zuständigen Stelle
erteilten Gewerbegenehmigung ausgeübt wird, wobei davon auszugehen ist, dass die entfaltete Tätigkeit zum legalen Wirtschaftskreislauf
im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes gehört?
Zu den ersten beiden Fragen
- 20
Mit seinen zusammen zu prüfenden ersten beiden Fragen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 5 Absatz
8 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass, wenn ein Mitgliedstaat von der Möglichkeit nach Artikel 5 Absatz 8 Satz
1 Gebrauch gemacht hat, die Übertragung einer Vermögensmasse für Mehrwertsteuerzwecke nicht als Lieferung von Gegenständen
zu behandeln, dieser Grundsatz der Nicht-Lieferung für jede Übertragung einer Vermögensmasse oder nur dann gilt, wenn der
Begünstigte eine wirtschaftliche Tätigkeit derselben Art ausübt wie der Übertragende.
Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen
- 21
Die Register- und Domänenverwaltung weist darauf hin, dass Artikel 9 Absatz 2 Mehrwertsteuergesetz zur Gewährleistung des
Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer beitrage, da der Übernehmer in die Rechte und Pflichten des Übertragenden im
Bereich der Mehrwertsteuer eintrete, insbesondere betreffend die etwaige Berichtigung von Abzügen für Investitionsgüter.
- 22
Dass der Übernehmer die Geschäftstätigkeit des Übertragenden fortführen müsse, ergebe sich implizit sowohl aus Artikel 5 Absatz
8 der Sechsten Richtlinie als auch aus Artikel 9 Absatz 2 Mehrwertsteuergesetz.
- 23
Der Übernehmer könne nämlich nur als Rechtsnachfolger des Übertragenden angesehen werden, wenn er die zuvor vom Übertragenden
ausgeübte Geschäftstätigkeit fortführe.
- 24
Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften führt unter Hinweis u. a. auf die Randnummern 24 und 35 des Urteils vom 22.
Februar 2001 in der Rechtssache C-408/98 (Abbey National, Slg. 2001, I-1361) allgemein aus, dass Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten
Richtlinie nur eine Verwaltungsvereinfachung und den Schutz der Liquidität der Steuerpflichtigen bezwecke. Steuerlich müsse
die Anwendung dieser Bestimmung entsprechend dem Neutralitätsgrundsatz unabhängig davon zu genau demselben Ergebnis führen,
ob die Mehrwertsteuer vom Übertragenden in Rechnung gestellt und dann vom Übernehmer abgezogen werde oder ob der Umsatz nicht
besteuert werde.
- 25
Außerdem solle mit Artikel 5 Absatz 8 Satz 2 der Sechsten Richtlinie klargestellt werden, dass bei der Übertragung einer Vermögensmasse
auf einen nicht vollständig vorsteuerabzugsberechtigten Steuerpflichtigen die Nichtbesteuerung des Umsatzes dazu führe, dass
ein teilweise Steuerpflichtiger nicht mit einem nicht abzugsfähigen Teil der Mehrwertsteuer belastet werde, während er bei
einer normalen Besteuerung des Umsatzes eine solche Last hätte tragen müssen.
- 26
Was den Begriff der Übertragung einer Vermögensmasse angehe ─ als gemeinschaftsrechtlicher Begriff sei dieser vom Gerichtshof
auszulegen ─, so müsse das vorlegende Gericht feststellen, ob die übertragenen Gegenstände ein „Gesamtvermögen oder ein Teilvermögen“
im Sinne der Sechsten Richtlinie seien, d. h. Vermögenswerte, die im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit verwertet werden
könnten (siehe Nrn. 27 und 28 der Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Abbey National).
- 27
Dabei stelle der bloße isolierte Verkauf von Modeaccessoires keine Übertragung einer Vermögensmasse im Sinne der Sechsten
Richtlinie, sondern eine gewöhnliche Lieferung von Teilen des Warenbestands eines Unternehmens dar. Demgegenüber könnte die
Übertragung einer zusammenhängenden Gesamtheit von Vermögenswerten, mit denen eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der
Sechsten Richtlinie fortgeführt werden könne, unter Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie fallen.
- 28
Was die Verwendung der übertragenen Vermögensmasse durch den Übernehmer anbelange, so sei eine Auslegung, nach der die von
diesem ausgeübte Geschäftstätigkeit genau die gleiche sein müsse wie die, die der Übertragende ausgeübt habe, zu eng. Artikel
17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie stelle nämlich klar, dass das Recht auf Vorsteuerabzug nur ausgeübt werden könne, soweit
die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen verwendet würden. Der Grundsatz
der Neutralität der Mehrwertsteuer gebiete also, dass die dem steuerpflichtigen Übernehmer übertragene Vermögensmasse für
Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werde.
Würdigung durch den Gerichtshof
- 29
Gemäß Artikel 5 Absatz 8 Satz 1 der Sechsten Richtlinie können die Mitgliedstaaten die Übertragung eines Gesamtvermögens oder
eines Teilvermögens so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als
Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen. Hat ein Mitgliedstaat von dieser Befugnis Gebrauch gemacht, gilt die Übertragung
eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens folglich nicht als eine Lieferung von Gegenständen für die Zwecke der Sechsten
Richtlinie. Nach Artikel 2 der Sechsten Richtlinie unterliegt eine solche Übertragung damit nicht der Mehrwertsteuer (siehe
Urteil Abbey National, Randnr. 30).
- 30
Nach Artikel 5 Absatz 8 Satz 2 der Sechsten Richtlinie können die Mitgliedstaaten die Fälle der Übertragung einer Vermögensmasse
auf einen Begünstigten, der kein Steuerpflichtiger im Sinne der Sechsten Richtlinie ist oder nur für einen Teil seiner Tätigkeit
als Steuerpflichtiger handelt, von diesem Grundsatz der Nicht-Lieferung ausnehmen, wenn dies erforderlich ist, um Wettbewerbsverzerrungen
zu vermeiden. Diese Bestimmung nennt abschließend die Umstände, unter denen ein Mitgliedstaat, der von der Befugnis nach Artikel
5 Absatz 8 Satz 1 Gebrauch macht, die Anwendung des Grundsatzes der Nicht-Lieferung einschränken kann.
- 31
Daraus folgt, dass ein Mitgliedstaat, der von der Befugnis nach Artikel 5 Absatz 8 Satz 1 der Sechsten Richtlinie Gebrauch
macht, den Grundsatz der Nicht-Lieferung auf jede Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens anwenden muss und die Anwendung
somit nicht auf bestimmte Fälle solcher Übertragungen beschränken kann, sofern die Umstände des Artikels 5 Absatz 8 Satz 2
nicht vorliegen.
- 32
Diese Auslegung entspricht dem Zweck der Sechsten Richtlinie, die Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer einheitlich nach
Gemeinschaftsvorschriften zu bestimmen (siehe Urteil vom 8. Juni 2000 in der Rechtssache C-400/98, Breitsohl, Slg. 2000, I-4321,
Randnr. 48). Denn ebenso wie die Steuerbefreiungsregelungen des Artikels 13 der Sechsten Richtlinie ist der Grundsatz der
Nicht-Lieferung nach Artikel 5 Absatz 8 dieser Richtlinie ein autonomer gemeinschaftsrechtlicher Begriff, der eine von Mitgliedstaat
zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems verhindern soll (siehe zu den Steuerbefreiungen Urteile
vom 15. Juni 1989 in der Rechtssache 348/87, Stichting Uitvoering Financiële Acties, Slg. 1989, 1737, Randnr. 11, und vom
20. Juni 2002 in der Rechtssache C-287/00, Kommission/Deutschland, Slg. 2002, I-5811, Randnr. 44).
- 33
Was die übertragenen Gegenstände und ihre Verwendung durch den Begünstigten nach der Übertragung anbelangt, ist, erstens,
festzustellen, dass die Sechste Richtlinie keine Definition des Begriffes „Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens,
die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt“ enthält.
- 34
Nach ständiger Rechtsprechung verlangen jedoch die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts und der Gleichheitssatz,
dass Begriffe einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich
auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Gemeinschaft eine autonome und einheitliche Auslegung
finden müssen, die unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs und des mit der betreffenden Regelung verfolgten Zweckes
zu ermitteln ist (siehe u. a. Urteile vom 18. Januar 1984 in der Rechtssache 327/82, Ekro, Slg. 1984, 107, Randnr. 11, vom
19. September 2000 in der Rechtssache C-287/98, Linster, Slg. 2000, I-6917, Randnr. 43, vom 9. November 2000 in der Rechtssache
C-357/98, Yiadom, Slg. 2000, I-9265, Randnr. 26, und vom 27. Februar 2003 in der Rechtssache C-373/00, Adolf Truley, Slg.
2003, I-1931, Randnr. 35).
- 35
Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie verweist für die Ermittlung des Sinnes und der Bedeutung des Begriffes der Übertragung
eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten.
- 36
Zum Regelungszusammenhang von Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie ist festzustellen, dass die Bestimmungen dieses Artikels
festlegen, worin eine Lieferung von Gegenständen im Sinne dieser Richtlinie besteht. Nach Artikel 5 Absatz 1 gilt als Lieferung
eines Gegenstands die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. In den
Absätzen 2 bis 7 wird definiert, was für die Zwecke der Sechsten Richtlinie von den Mitgliedstaaten als körperlicher Gegenstand,
Lieferung und Lieferung gegen Entgelt behandelt werden muss oder kann.
- 37
Hinsichtlich des Zweckes der Sechsten Richtlinie ist darauf hinzuweisen, dass zum einen nach dem Grundprinzip des gemeinsamen
Mehrwertsteuersystems, das sich aus den Artikeln 2 der Ersten Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (ABl. 1967, Nr. 71, S. 1301) und der Sechsten Richtlinie
ergibt, die Mehrwertsteuer auf jeden Produktions- oder Vertriebsvorgang erhoben wird, abzüglich der Mehrwertsteuer, mit der
die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet worden sind (Urteile vom 8. Juni 2000 in der Rechtssache C-98/98, Midland
Bank, Slg. 2000, I-4177, Randnr. 29, und Abbey National, Randnr. 27).
- 38
Zum anderen soll der Unternehmer durch die Regelung über den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen
Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet
daher die Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck
oder ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten grundsätzlich selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (siehe in diesem Sinne Urteile
vom 14. Februar 1985 in der Rechtssache 268/83, Rompelman, Slg. 1985, 655, Randnr. 19, vom 15. Januar 1998 in der Rechtssache
C-37/95, Ghent Coal Terminal, Slg. 1998, I-1, Randnr. 15, vom 21. März 2000 in den Rechtssachen C-110/98 bis C-147/98, Gabalfrisa
u. a., Slg. 2000, I-1577, Randnr. 44, Midland Bank, Randnr. 19, und Abbey National, Randnr. 24).
- 39
Im Lichte des Regelungszusammenhangs von Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie und des Zweckes der Richtlinie, wie sie
vorstehend in den Randnummern 36 bis 38 beschrieben worden sind, erweist es sich, dass diese Bestimmung es den Mitgliedstaaten
gestatten soll, die Übertragungen von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern, nämlich sie zu vereinfachen und
zu vermeiden, dass die Mittel des Begünstigten übermäßig steuerlich belastet werden, zumal er diese Belastung später durch
einen Vorsteuerabzug wiedererlangen würde.
- 40
In Anbetracht dieses Zweckes ist der Begriff „Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder
unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt“ dahin auszulegen, dass er die Übertragung eines Geschäftsbetriebs
oder eines selbständigen Unternehmensteils erfasst, die jeweils materielle und gegebenenfalls immaterielle Bestandteile umfassen,
die zusammen genommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit
fortgeführt werden kann; er schließt jedoch nicht die bloße Übertragung von Gegenständen wie den Verkauf eines Warenbestands
ein.
- 41
Wie nämlich der Generalanwalt in Nummer 39 seiner Schlussanträge zu Recht ausgeführt hat, ist eine besondere Behandlung unter
diesen Umständen u. a. deshalb gerechtfertigt, weil die bei der Übertragung anfallende Mehrwertsteuer im Verhältnis zu den
Mitteln des fraglichen Betriebes besonders hoch sein kann.
- 42
Was, zweitens, die Verwendung anbelangt, die der Begünstigte von der übertragenen Vermögensmasse machen muss, so enthält Artikel
5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie hierzu keine ausdrückliche Voraussetzung.
- 43
Zu dem Umstand, dass der Begünstigte nach Artikel 5 Absatz 8 Rechtsnachfolger des Übertragenden wird, ist festzustellen, dass,
wie die Kommission zu Recht ausführt, die Rechtsnachfolge nach dem Wortlaut dieses Absatzes kein Tatbestandsmerkmal desselben
ist, sondern nur die Folge dessen darstellt, dass eine Lieferung als nicht erfolgt gilt.
- 44
Zwar ergibt sich aus dem Zweck von Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie und der daraus folgenden Auslegung des Begriffes
„Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine
Gesellschaft erfolgt“, wie sie aus Randnummer 40 des vorliegenden Urteils hervorgeht, dass diese Bestimmung diejenigen Übertragungen
erfasst, bei denen der Begünstigte beabsichtigt, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben und
nicht nur die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln sowie gegebenenfalls den Warenbestand zu verkaufen.
- 45
Dagegen fordert Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie nicht, dass der Begünstigte vor der Übertragung eine wirtschaftliche
Tätigkeit derselben Art ausgeübt haben müsste wie der Übertragende.
- 46
Daher ist auf die ersten beiden Vorlagefragen zu antworten, dass Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen
ist, dass, wenn ein Mitgliedstaat von der Befugnis nach Artikel 5 Absatz 8 Satz 1 Gebrauch gemacht hat, die Übertragung einer
Vermögensmasse für Mehrwertsteuerzwecke nicht als Lieferung von Gegenständen zu behandeln, dieser Grundsatz der Nicht-Lieferung
─ vorbehaltlich einer etwaigen Inanspruchnahme der Befugnis, seine Geltung unter den Umständen des Artikels 5 Absatz 8 Satz
2 zu beschränken ─ für jede Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbständigen Unternehmensteils gilt, die jeweils
materielle und gegebenenfalls immaterielle Bestandteile umfassen, die zusammen genommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil
bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der durch die Übertragung Begünstigte
muss jedoch beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben und nicht nur die betreffende
Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln sowie gegebenenfalls den Warenbestand zu verkaufen.
Zur dritten Frage
Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen
- 47
Die Register- und Domänenverwaltung macht geltend, die Kontrolle der Voraussetzungen der Ausübung der Geschäftstätigkeit des
Übernehmers erfolge im Rahmen eines rein internen Sachverhalts der Mitgliedstaaten.
- 48
Die Kommission bringt zu den für die Ausübung einer Geschäftstätigkeit erforderlichen rechtlichen Genehmigungen zum einen
unter Hinweis auf das Urteil vom 29. Juni 2000 in der Rechtssache C-455/98 (Salumets u. a., Slg. 2000, I-4993) vor, dass die
etwaige Ausübung einer Geschäftstätigkeit durch die Firma Milady ohne die erforderliche Verwaltungsgenehmigung nach dem Grundsatz
der Steuerneutralität eine Besteuerung nach sich ziehe, da die „unrechtmäßig“ verkauften Waren im Wettbewerb mit den gleichen,
rechtmäßig verkauften Waren stünden. Zum anderen weist sie unter Bezugnahme auf das Urteil vom 25. Februar 1999 in der Rechtssache
C-349/96 (CPP, Slg. 1999, I-973) darauf hin, dass es einem Mitgliedstaat nicht gestattet sei, eine Befreiung von der Mehrwertsteuer
allein auf die Leistungen von Versicherern zu beschränken, die die nach nationalem Recht hierfür erforderliche Zulassung hätten.
Würdigung durch den Gerichtshof
- 49
Vorab ist daran zu erinnern, dass, wie der Gerichtshof in Randnummer 31 des vorliegenden Urteils festgestellt hat, ein Mitgliedstaat,
der von der Befugnis nach Artikel 5 Absatz 8 Satz 1 der Sechsten Richtlinie Gebrauch macht, den dort enthaltenen Grundsatz
der Nicht-Lieferung auf jede Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens anwenden muss und die Anwendung somit
nicht nur auf bestimmte Fälle solcher Übertragungen beschränken kann, sofern die Umstände des Artikels 5 Absatz 8 Satz 2 nicht
vorliegen.
- 50
Außerdem darf ein Mitgliedstaat, wie der Gerichtshof bereits für die Steuerbefreiung von Versicherungsumsätzen entschieden
hat (siehe Urteil CPP, Randnrn. 35 und 36), den Grundsatz der Nicht-Lieferung nach Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie
nicht allein auf die Umsätze beschränken, die von Wirtschaftsteilnehmern getätigt werden, die nach nationalem Recht zur Ausübung
der betreffenden Geschäftstätigkeit befugt sind.
- 51
Im Übrigen unterliegen nach dem Grundsatz der Steuerneutralität Geschäfte, die, obschon rechtswidrig, nicht Waren betreffen,
deren Vermarktung wegen ihres Wesens oder ihrer besonderen Merkmale verboten ist, und die mit rechtmäßigen Geschäften in Wettbewerb
treten können, den nach Gemeinschaftsrecht normalerweise geschuldeten Steuern (siehe zum Einschmuggeln von Ethylalkohol aus
Drittländern in das gemeinschaftliche Zollgebiet Urteil Salumets u. a., Randnrn. 19, 20 und 23).
- 52
Dass die Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten im betreffenden Mitgliedstaat einer besonderen Regelung über die Gewerbegenehmigung
unterliegt, spielt dabei keine Rolle (siehe in diesem Sinne Urteil Salumets u. a., Randnr. 22).
- 53
Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, für die er keine Gewerbegenehmigung
besitzt, mit Wirtschaftsteilnehmern in Wettbewerb tritt, die die erforderliche Genehmigung besitzen.
- 54
Zum einen unterliegt daher die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmensteils grundsätzlich auch dann der
Mehrwertsteuer, wenn der Übernehmer nicht die Gewerbegenehmigung besitzt, die vom betreffenden Mitgliedstaat für die Ausübung
der wirtschaftlichen Tätigkeit verlangt wird, die mit diesem Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil fortgeführt werden kann.
Zum anderen kann diese Übertragung, wenn ein Mitgliedstaat von der Befugnis nach Artikel 5 Absatz 8 Satz 1 der Sechsten Richtlinie
Gebrauch gemacht hat, nicht allein deshalb vom Grundsatz der Nicht-Lieferung ausgenommen werden, weil der Begünstigte keine
solche Genehmigung besitzt.
- 55
Nach alledem ist auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass ein Mitgliedstaat, der von der Befugnis nach Artikel 5 Absatz
8 Satz 1 der Sechsten Richtlinie Gebrauch gemacht hat, die Übertragung einer Vermögensmasse für Mehrwertsteuerzwecke nicht
als Lieferung von Gegenständen zu behandeln, nach der genannten Bestimmung diesen Grundsatz der Nicht-Lieferung nicht auf
die Fälle der Übertragung einer Vermögensmasse beschränken darf, in denen der Begünstigte eine Gewerbegenehmigung für die
wirtschaftliche Tätigkeit besitzt, die mit dieser Vermögensmasse ausgeübt werden kann.
Kosten
- 56
Die Auslagen der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien
des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die
Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen hat
-
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
auf die ihm vom Tribunal d'arrondissement Luxemburg mit Urteil vom 19. Dezember 2001 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
- 1.
Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften
der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ─ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage
in der Fassung der Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 zur Änderung der Richtlinie 77/388 und zur Einführung weiterer
Vereinfachungsmaßnahmen im Bereich der Mehrwertsteuer ─ Geltungsbereich bestimmter Steuerbefreiungen und praktische Einzelheiten
ihrer Durchführung ist dahin auszulegen, dass, wenn ein Mitgliedstaat von der Befugnis nach Artikel 5 Absatz 8 Satz 1 Gebrauch
gemacht hat, die Übertragung einer Vermögensmasse für Mehrwertsteuerzwecke nicht als Lieferung von Gegenständen zu behandeln,
dieser Grundsatz der Nicht-Lieferung ─ vorbehaltlich einer etwaigen Inanspruchnahme der Befugnis, seine Geltung unter den
Umständen des Artikels 5 Absatz 8 Satz 2 zu beschränken ─ für jede Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbständigen
Unternehmensteils gilt, die jeweils materielle und gegebenenfalls immaterielle Bestandteile umfassen, die zusammen genommen
ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden
kann. Der durch die Übertragung Begünstigte muss jedoch beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil
zu betreiben und nicht nur die betreffende Geschäftstätigkeit sofort abzuwickeln sowie gegebenenfalls den Warenbestand zu
verkaufen.
- 2.
Ein Mitgliedstaat, der von der Möglichkeit nach Artikel 5 Absatz 8 Satz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der Fassung der
Richtlinie 95/7 Gebrauch gemacht hat, die Übertragung einer Vermögensmasse für Mehrwertsteuerzwecke nicht als Lieferung von
Gegenständen zu behandeln, darf nach der genannten Bestimmung diesen Grundsatz der Nicht-Lieferung nicht auf die Fälle der
Übertragung einer Vermögensmasse beschränken, in denen der Begünstigte eine Gewerbegenehmigung für die wirtschaftliche Tätigkeit
besitzt, die mit dieser Vermögensmasse ausgeübt werden kann.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. November 2003.
Der Kanzler
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Der Präsident
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- 1 –
- Verfahrenssprache: Französisch.