C-364/17 - Varna Holideis

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Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

27. Juni 2018(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Richtlinie 2006/112/EG – Vor dem Beitritt der Republik Bulgarien zur Europäischen Union bewirkte Lieferung einer Immobilie – Nach dem Beitritt festgestellte Nichtigkeit des Kaufvertrags – Verpflichtung zur Berichtigung des ursprünglichen Vorsteuerabzugs – Auslegung – Zuständigkeit des Gerichtshofs“

In der Rechtssache C‑364/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administrativen sad – Varna (Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien) mit Entscheidung vom 7. Juni 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Juni 2017, in dem Verfahren

Varna Holideis“ EOOD

gegen

Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ – Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. G. Fernlund sowie der Richter J.‑C. Bonichot (Berichterstatter) und S. Rodin,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der „Varna Holideis“ EOOD, vertreten durch M. Popov, advokat,

–        des Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ – Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite, vertreten durch S. Petkov als Bevollmächtigten,

–        der bulgarischen Regierung, vertreten durch E. Petranova und T. Mitova als Bevollmächtigte,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios, P. Mihaylova und F. Clotuche-Duvieusart als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 90 und 185 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „Varna Holideis“ EOOD und dem Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ – Varna pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite (Direktor der Direktion „Anfechtung und Steuer- und Sozialversicherungspraxis“ Varna bei der Zentralverwaltung der Nationalen Agentur für Einnahmen, Bulgarien) über die Berichtigung des Abzugs der von diesem Unternehmen beim Erwerb eines Hotelgebäudes als Vorsteuer entrichteten Mehrwertsteuer.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 63 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Steuertatbestand und Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.“

4        Art. 90 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„(1)      Im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes wird die Steuerbemessungsgrundlage unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert.

(2)      Die Mitgliedstaaten können im Falle der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung von Absatz 1 abweichen.“

5        Art. 179 dieser Richtlinie sieht vor:

„Der Vorsteuerabzug wird vom Steuerpflichtigen global vorgenommen, indem er von dem Steuerbetrag, den er für einen Steuerzeitraum schuldet, den Betrag der Mehrwertsteuer absetzt, für die während des gleichen Steuerzeitraums das Abzugsrecht entstanden ist und gemäß Artikel 178 ausgeübt wird.

… “

6        Art. 184 der Richtlinie lautet:

„Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird berichtigt, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war.“

7        Art. 185 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)      Die Berichtigung erfolgt insbesondere dann, wenn sich die Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Mehrwertsteuererklärung geändert haben, zum Beispiel bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten.

(2)      Abweichend von Absatz 1 unterbleibt die Berichtigung bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung geleistet wurde, in ordnungsgemäß nachgewiesenen oder belegten Fällen von Zerstörung, Verlust oder Diebstahl sowie bei Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und Warenmuster im Sinne des Artikels 16.

Bei Umsätzen, bei denen keine oder eine nicht vollständige Zahlung erfolgt, und bei Diebstahl können die Mitgliedstaaten jedoch eine Berichtigung verlangen.“

8        Art. 186 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten legen die Einzelheiten für die Anwendung der Artikel 184 und 185 fest.“

 Bulgarisches Recht

9        Art. 78 des Zakon za danak varhu dobavenata stoynost (Mehrwertsteuergesetz) (DV Nr. 63 vom 4. August 2006, im Folgenden: ZDDS), das seit dem 1. Januar 2007 in Kraft steht, sieht vor:

„(1)      Die registrierte Person ist verpflichtet, bei einer Änderung der Steuerbemessungsgrundlage, einer Rückgängigmachung eines Umsatzes oder einer Änderung der Art des Umsatzes den Umfang des in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs zu berichtigen.

(2)      Die Berichtigung erfolgt in dem Steuerzeitraum, in dem die Umstände nach Abs. 1 eingetreten sind, indem der Beleg nach Art. 115 oder ein neuer Beleg nach Art. 116, mit dem die Berichtigung erfolgt, in das Kreditorenbuch und in die Steuererklärung für den entsprechenden Steuerzeitraum eingetragen wird.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

10      Varna Holideis, eine Gesellschaft mit Sitz in Varna (Bulgarien), erwarb im Dezember 2004 ein Hotelgebäude in eben dieser Stadt. Mit Urteil vom 12. Februar 2015 (Nr. 201), das am selben Tag Rechtskraft erlangte, stellte der Varhoven kasatsionen sad (Oberstes Kassationsgericht, Bulgarien) die Nichtigkeit der Veräußerung dieser Immobilie fest. Folglich trug dieses Gericht Varna Holideis auf, dieses Gebäude an den Veräußerer zurückzugeben, und Letzterem trug es auf, den Kaufpreis zurückzuerstatten.

11      Zur Durchführung dieses Urteils übermittelte der Veräußerer der Varna Holideis Gutschriften. Letztere teilte mit, dass sie die Gutschriften ablehne, und zum Zeitpunkt der Verkündung der Vorlageentscheidung des Administrativen sad – Varna (Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien), dem 7. Juni 2017, hatte sie die betreffende Immobilie noch nicht aus dem Grundbuch austragen lassen.

12      In Anbetracht des Urteils des Varhoven kasatsionen sad (Oberstes Kassationsgericht) vom 12. Februar 2015 (Nr. 201) erließ die Teritorialna direktsia na Natsionalnata agentsia za prihodite – Varna (Gebietsdirektion der Nationalen Agentur für Einnahmen Varna, Bulgarien) einen Steuerprüfungsbescheid für Februar 2015, um die von Varna Holideis als Vorsteuer auf den Erwerb dieser Immobilie im Jahr 2004 abgezogene Mehrwertsteuer zu berichtigen. Dieser Steuerprüfungsbescheid wurde durch einen Bescheid des Direktors der Direktion „Anfechtung und Steuer- und Sozialversicherungspraxis“ Varna bei der Zentralverwaltung der Nationalen Agentur für Einnahmen bestätigt. Aus diesem Bescheid würde sich ableiten, dass die Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach einer Feststellung der Nichtigkeit eines Umsatzes zwar kein im bulgarischen Recht ausdrücklich vorgesehener Fall ist, aber die bulgarischen Vorschriften für Fälle der Auflösung im Einklang mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität entsprechend angewandt werden können.

13      Im Rahmen ihrer Klage vor dem vorlegenden Gericht wendet sich Varna Holideis gegen die ihr auferlegte Verpflichtung zur Berichtigung des betreffenden Vorsteuerabzugs. Sie ist der Ansicht, dass das bulgarische Recht eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs im Fall einer Auflösung bzw. Rückgängigmachung, nicht aber im Fall einer Annullierung vorsehe. Der erste dieser Begriffe entspreche dem Fall, dass ein Gläubiger eine Lieferung rückwirkend beende, während der zweite Begriff Fälle betreffe, in denen ein Umsatz niemals Rechtswirkungen habe entfalten können – und dies von Anfang an. Das bulgarische Recht regle letzteren Fall aber nicht.

14      Das vorlegende Gericht weist hierzu darauf hin, dass die durch eine gerichtliche Entscheidung festgestellte Nichtigkeit als Änderung der Faktoren, die bei der Bestimmung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, im Sinne von Art. 185 der Mehrwertsteuerrichtlinie angesehen werden könnte. Allerdings könnte die Nichtigkeit eines Umsatzes auch bedeuten, dass keine Lieferung im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie erfolgt und daher die Mehrwertsteuer zu keinem Zeitpunkt geschuldet worden sei. In diesem Fall wäre keine Berichtigung vorzunehmen, sondern das Recht auf Vorsteuerabzug zu verweigern.

15      Mangels ausdrücklicher Bestimmung im bulgarischen Recht sei unmittelbar die Mehrwertsteuerrichtlinie anzuwenden, um die Konsequenzen aus der Nichtigkeit der Veräußerung in steuerlicher Hinsicht zu ziehen. Wäre nämlich diese Richtlinie dahin auszulegen, dass die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts die Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach sich ziehe, wäre zu prüfen, ob die einschlägigen Bestimmungen dieser Richtlinie unmittelbar zur Anwendung kämen. Würde die Berichtigung nämlich nicht erfolgen, bestünde die Gefahr des Verlusts von Mehrwertsteuereinnahmen, sofern der Veräußerer dem Käufer den Preis des verkauften Gegenstands sowie die von diesem gezahlte Mehrwertsteuer erstattet habe, während dieser Käufer die Gutschrift für die Mehrwertsteuer, die er selbst abgezogen habe, behalten könne.

16      Unter diesen Umständen hat der Administrativen sad – Varna (Verwaltungsgericht Varna) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind Art. 90 Abs. 1 und Art. 185 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass sie eine Berichtigung des für eine Lieferung in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs auch in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens erfordern, in dem das Rechtsgeschäft, für welches das Recht auf Vorsteuerabzug ausgeübt wurde, durch rechtskräftiges Urteil für nichtig erklärt wurde, oder ist im Zusammenhang mit der Definition in Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie in einem solchen Fall davon auszugehen, dass eine Lieferung nicht gegeben ist und der Steueranspruch von Anfang an nicht entstanden ist?

2.      Ist Art. 185 Abs. 1 und 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass bei fehlender nationaler Regelung für die Berichtigung des in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs im Fall der Nichtigerklärung eines Rechtsgeschäfts durch Urteil die Berichtigung in unmittelbarer Anwendung von Art. 90 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie erfolgen kann?

 Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs

17      Nach ständiger Rechtsprechung ist der Gerichtshof für die Auslegung des Unionsrechts nur insoweit zuständig, als es um dessen Anwendung in einem neuen Mitgliedstaat ab dem Tag seines Beitritts zur Union geht (Beschluss vom 11. Mai 2017, Exmitiani, C‑286/16, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:368, Rn. 12).

18      Daraus ergibt sich insbesondere, dass der Gerichtshof für die Auslegung der Mehrwertsteuerrichtlinien der Union nicht zuständig ist, wenn der Erhebungszeitraum der im Ausgangsverfahren fraglichen Steuern vor dem Beitritt des betreffenden Mitgliedstaats zur Union liegt (Beschluss vom 11. Mai 2017, Exmitiani, C‑286/16, nicht veröffentlicht, EU:C:2017:368, Rn. 13).

19      Laut Vorlageentscheidung erwarb Varna Holideis ein Hotelgebäude in Varna im Dezember 2004 und somit vor dem am 1. Januar 2007 erfolgten Beitritt der Republik Bulgarien zur Union.

20      Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach Art. 63 der Mehrwertsteuerrichtlinie Steuertatbestand und Steueranspruch zu dem Zeitpunkt eintreten, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird (Urteil vom 7. März 2013, Efir, C‑19/12, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:148, Rn. 31).

21      Daher sind die Lieferung der im Ausgangsverfahren fraglichen Immobilie, unterstellt, für sie galten solche Vorschriften wie die der Mehrwertsteuerrichtlinie, und der Mehrwertsteueranspruch vor dem Beitritt der Republik Bulgarien zur Union eingetreten.

22      Was das in der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Recht auf Vorsteuerabzug betrifft, so ist dieses sowohl materiell als auch zeitlich unmittelbar an das Entstehen des Anspruchs auf die als Vorsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer geknüpft.

23      Das Recht der Steuerpflichtigen, von der von ihnen geschuldeten Mehrwertsteuer die Mehrwertsteuer abzuziehen, die für die von ihnen erworbenen Gegenstände und empfangenen Dienstleistungen als Vorsteuer geschuldet wird oder gezahlt wurde, ist nämlich ein fundamentaler Grundsatz des durch die Rechtsvorschriften der Union geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems. Wie der Gerichtshof wiederholt hervorgehoben hat, ist das in den Art. 167 ff. der Mehrwertsteuerrichtlinie geregelte Recht auf Vorsteuerabzug integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Insbesondere kann dieses Recht für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden (Urteil vom 21. März 2018, Volkswagen, C‑533/16, EU:C:2018:204, Rn. 37 und 39).

24      Nach Art. 167 und Art. 179 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie wird das Recht auf Vorsteuerabzug grundsätzlich während des gleichen Zeitraums ausgeübt, in dem es entstanden ist, d. h., wenn der Anspruch auf die Steuer entsteht (Urteil vom 21. März 2018, Volkswagen, C‑533/16, EU:C:2018:204, Rn. 44).

25      Daher ist der Gerichtshof nach der in den Rn. 17 und 18 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung für die Beantwortung der Vorlagefragen nicht zuständig, soweit sie das Entstehen des Mehrwertsteueranspruchs und die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug betreffen.

26      In Bezug auf die Berichtigung der Vorsteuerabzüge legen die Art. 184 bis 186 der Mehrwertsteuerrichtlinie die Voraussetzungen fest, unter denen die Steuerverwaltung eine Berichtigung durch einen Steuerpflichtigen verlangen kann. Der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist zu entnehmen, dass der in diesen Artikeln vorgesehene Berichtigungsmechanismus Bestandteil der mit der Mehrwertsteuerrichtlinie eingeführten Vorsteuerabzugsregelung ist. Er soll die Genauigkeit der Vorsteuerabzüge in der Weise erhöhen, dass die Neutralität der Mehrwertsteuer gewährleistet wird (Urteil vom 22. Februar 2018, T‑2, C‑396/16, EU:C:2018:109, Rn. 23).

27      Die Berichtigung kann zwar de facto den ursprünglichen Vorsteuerabzug nicht ändern, sondern zieht eine Erhöhung oder Verringerung des Betrags der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Mehrwertsteuer in einem späteren Besteuerungszeitraum nach sich (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. April 2018, SEB bankas, C‑532/16, EU:C:2018:228, Rn. 53), gleichwohl aber soll der Berichtigungsmechanismus die in der Vergangenheit vorgenommenen Abzüge berichtigen.

28      Nach Art. 184 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist nämlich der ursprüngliche Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war.

29      Aus einer Gesamtbetrachtung der Art. 184 und 185 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie ergibt sich zudem, dass in dem Fall, in dem sich aufgrund der Änderung eines der ursprünglich bei der Berechnung des Vorsteuerabzugs berücksichtigten Faktoren eine Berichtigung als notwendig erweist, die Berechnung der Höhe dieser Berichtigung dazu führen muss, dass der Betrag des endgültig vorgenommenen Vorsteuerabzugs demjenigen entspricht, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt gewesen wäre, wenn diese Änderung ursprünglich berücksichtigt worden wäre (Urteil vom 22. Februar 2018, T‑2, C‑396/16, EU:C:2018:109, Rn. 27).

30      Im Übrigen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die bloße Existenz irgendeines nach dem Zeitpunkt des Unionsbeitritts des betreffenden Mitgliedstaats liegenden Anhaltspunkts, der an die vor diesem Zeitpunkt liegenden Umstände anknüpft und eine Folge daraus ist, nicht ausreicht, um den Gerichtshof für die Beantwortung der Vorlagefragen zur Auslegung einer Richtlinie zuständig zu machen (Beschluss vom 11. Mai 2011, Semerdzhiev, C‑32/10, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:288, Rn. 26).

31      Da die Verpflichtung zur Berichtigung untrennbar mit dem Entstehen des Anspruchs auf die als Vorsteuer geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer und mit dem daraus resultierenden Recht auf Vorsteuerabzug verbunden ist, ermöglicht somit das Auftreten von Umständen, die diese Verpflichtung grundsätzlich begründen können, nach dem Unionsbeitritt eines Mitgliedstaats dem Gerichtshof nicht, die Mehrwertsteuerrichtlinie auszulegen, wenn die Lieferung der Gegenstände oder die Erbringung der Dienstleistungen vor diesem Beitritt erfolgt ist.

32      Daher ist der Gerichtshof für die Beantwortung der vom Administrativen sad – Varna (Verwaltungsgericht Varna) vorgelegten Fragen nicht zuständig.

 Kosten

33      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

Der Gerichtshof der Europäischen Union ist für die Beantwortung der vom Administrativen sad – Varna (Verwaltungsgericht Varna, Bulgarien) vorgelegten Fragen nicht zuständig.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Bulgarisch.