C-21/20 - Balgarska natsionalna televizia

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Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

16. September 2021(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Richtlinie 2006/112/EG – Anwendungsbereich – Art. 2 Abs. 1 Buchst. c – Dienstleistung gegen Entgelt – Ausschluss von Fernsehzuschauern angebotenen audiovisuellen Mediendiensten, die durch einen öffentlichen Zuschuss finanziert werden und für die von den Zuschauern kein Entgelt entrichtet wird – Art. 168 – Recht auf Vorsteuerabzug – Steuerpflichtiger, der sowohl steuerbare als auch nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallende Umsätze bewirkt“

In der Rechtssache C‑21/20

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Administrativen sad Sofia-grad (Verwaltungsgericht der Stadt Sofia, Bulgarien) mit Entscheidung vom 31. Dezember 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Januar 2020, in dem Verfahren

Balgarska natsionalna televizia

gegen

Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ – Sofia pri Tsentralno upravlenie na NAP

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter N. Piçarra, D. Šváby und S. Rodin sowie der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin),

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: M. Aleksejev, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Balgarska natsionalna televizia, vertreten durch M. Raykov und I. Dimitrova, advokati,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, ursprünglich vertreten durch C. Georgieva und N. Gossement, dann durch C. Georgieva und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. März 2021

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 132 Abs. 1 Buchst. q und Art. 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Balgarska natsionalna televizia (Bulgarisches Nationalfernsehen, im Folgenden: BNT) und dem Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ – Sofia pri Tsentralno upravlenie na Natsionalnata agentsia za prihodite (Direktor der Direktion „Anfechtung und Steuer- und Sozialversicherungspraxis“ Sofia bei der Zentralverwaltung der Nationalen Agentur für Einnahmen [NAP], Bulgarien) (im Folgenden: Direktor) über den Umfang des Rechts von BNT auf Vorsteuerabzug.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

c)      Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt“.

4        Art. 25 Buchst. c dieser Richtlinie bestimmt:

„Eine Dienstleistung kann unter anderem in einem der folgenden Umsätze bestehen:

c)      Erbringung einer Dienstleistung auf Grund einer behördlichen Anordnung oder kraft Gesetzes.“

5        Art. 132 Abs. 1 Buchst. q der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

q)      Tätigkeiten öffentlicher Rundfunk- und Fernsehanstalten, ausgenommen Tätigkeiten mit gewerblichem Charakter.“

6        In Art. 168 der Richtlinie heißt es:

„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a)      die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;

…“

7        Die Art. 173 bis 175 der Mehrwertsteuerrichtlinie enthalten die Regeln für die Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs.

8        In diesem Zusammenhang bestimmt Art. 173 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie:

„Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug gemäß den Artikeln 168, 169 und 170 besteht, als auch für Umsätze, für die kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, darf nur der Teil der Mehrwertsteuer abgezogen werden, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt.

Der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs wird gemäß den Artikeln 174 und 175 für die Gesamtheit der von dem Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt.“

 Bulgarisches Recht

9        Art. 2 Abs. 1 des Zakon za danak varhu dobavenata stoynost (Mehrwertsteuergesetz) vom 21. Juli 2006 (DV Nr. 63 vom 4. August 2006, S. 8) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: ZDDS) bestimmt:

„Der [Mehrwertsteuer] unterliegen:

1.      jede entgeltliche, steuerbare Lieferung eines Gegenstands oder Erbringung einer Dienstleistung …“

10      In Art. 3 ZDDS heißt es:

„(1)      Steuerpflichtiger ist jede Person, die eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, unabhängig von den Zwecken und den Ergebnissen dieser Tätigkeit.

(5)      Nicht steuerpflichtige Personen sind der Staat sowie die staatlichen und die kommunalen Behörden für alle Tätigkeiten und Umsätze, die sie im Rahmen der staatlichen oder kommunalen öffentlichen Gewalt ausüben bzw. erbringen, einschließlich der Fälle, in denen sie Gebühren, Beiträge oder Abgaben für diese Tätigkeiten oder Umsätze erheben. Davon ausgenommen sind:

1.      folgende Tätigkeiten oder Umsätze:

n)      Rundfunk- und Fernsehtätigkeit mit gewerblichem Charakter …“

11      Art. 42 Abs. 2 ZDDS sieht vor:

„Befreite Umsätze sind:

2.      die Tätigkeit des Bulgarischen Nationalrundfunks, des [BNT] und der Bulgarischen Nachrichtenagentur, für die diese Zahlungen aus dem Staatshaushalt erhalten.“

12      Art. 69 Abs. 1 ZDDS bestimmt:

„Werden die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke steuerbarer Umsätze verwendet, die von einer für die Zwecke der Mehrwertsteuer registrierten Person getätigt werden, ist diese Person berechtigt, Folgendes abzuziehen:

1.      die Steuer auf die Gegenstände oder Dienstleistungen, die ihr vom Lieferer oder Dienstleistungserbringer – eine ebenfalls nach diesem Gesetz registrierte Person – geliefert oder erbracht wurden bzw. geliefert oder erbracht werden müssen …“

13      Art. 73 Abs. 1 ZDDS lautet:

„Die registrierte Person hat das Recht auf teilweisen Vorsteuerabzug hinsichtlich der Gegenstände oder Dienstleistungen, die sowohl für Umsätze, für die die Person ein Recht auf Vorsteuerabzug hat, als auch für Umsätze oder Tätigkeiten, für die die Person kein solches Recht hat, verwendet werden.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

14      BNT ist eine juristische Person und nationaler öffentlich-rechtlicher Anbieter von audiovisuellen Mediendiensten. Nach dem Zakon za radioto i televisiyata (Gesetz über den Rundfunk und das Fernsehen) vom 23. September 1998 (DV Nr. 138 vom 24. November 1998) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: ZRT) erbringt BNT u. a. Mediendienste für alle bulgarischen Bürger.

15      BNT erhält von seinen Fernsehzuschauern kein Entgelt.

16      Die Tätigkeit von BNT wird gemäß dem ZRT durch einen Zuschuss aus dem Staatshaushalt finanziert, der für die Vorbereitung, Erstellung und Ausstrahlung nationaler und regionaler Sendungen bestimmt ist. Die Höhe dieses Zuschusses wird auf der Grundlage einer durch Verordnung des Ministerrats gebilligten Pauschale pro Programmstunde festgesetzt. Darüber hinaus erhält BNT Zuschüsse mit im Voraus festgelegten Zielen, die zum Erwerb und zur umfassenden Erneuerung des Anlagevermögens nach einer jährlich vom Finanzminister festgesetzten Liste bestimmt sind.

17      Die Tätigkeit von BNT wird auch durch eigene Einkünfte aus Werbung und Sponsoring, durch zusätzliche, mit der Fernsehtätigkeit zusammenhängende Nebentätigkeiten, durch Spenden und Vermächtnisse, durch Zinsen und andere mit der Fernsehtätigkeit zusammenhängende Einkünfte finanziert.

18      Bis März 2015 nahm BNT einen teilweisen Vorsteuerabzug für alle von ihm getätigten Einkäufe vor. Danach wandte es die Methode der sogenannten „direkten Zuweisung“ an und berücksichtigte jeden von ihm getätigten Kauf einzeln, je nachdem, ob er für eine „gewerbliche“ Tätigkeit wie Unterhaltungssendungen, Filme oder Sportsendungen verwendet wurde oder werden kann, oder für eine Tätigkeit, die mit der Ausübung seiner „öffentlichen Aufgabe“ wie der Ausstrahlung von Sitzungen des parlamentarischen Kontrollgremiums, der Übertragung von religiösen Zeremonien oder des Wahlkampfs in Verbindung steht. Zudem war BNT der Ansicht, dass seine Tätigkeit der Ausstrahlung von Fernsehsendungen kein „befreiter Umsatz“ im Sinne des ZDDS sei, sondern eine Tätigkeit, die nicht der Mehrwertsteuer unterliege, und dass nur seine „gewerbliche“ Tätigkeit dieser Steuer unterliege.

19      In Anwendung dieser Methode zog BNT die Vorsteuer für die zum Zweck seiner „gewerblichen“ Tätigkeiten getätigten Käufe vollständig ab. Für Einkäufe, die sowohl für „gewerbliche“ Tätigkeiten als auch für nicht gewerbliche Tätigkeiten verwendet wurden, zog BNT die Vorsteuer zum Teil ab.

20      Nach einer Steuerprüfung betreffend den Zeitraum vom 1. September 2015 bis zum 31. März 2016 lehnten es die bulgarischen Steuerbehörden mit Steuerprüfungsbescheid vom 14. Dezember 2016 ab, ein Recht zum vollständigen Vorsteuerabzug für die Einkäufe von BNT anzuerkennen, und stellten zu seinen Lasten eine Mehrwertsteuerschuld für diesen Zeitraum in Höhe von 1 568 037,04 bulgarischen Lewa (BGN) (rund 801 455 Euro) zuzüglich Zinsen fest.

21      Die bulgarischen Steuerbehörden führten aus, dass die Werbetätigkeit von BNT steuerbar sei, während seine Tätigkeit der Programmausstrahlung zu den befreiten Umsätzen zähle. BNT könne die Vorsteuer nicht vollständig abziehen, da es unmöglich sei, festzustellen, ob die für seine wirtschaftliche Tätigkeit getätigten Käufe für mehrwertsteuerpflichtige Umsätze bestimmt seien oder für Umsätze, die von der Mehrwertsteuer befreit seien. BNT könne die Vorsteuer für diese Käufe nur dann vollständig abziehen, wenn die Tätigkeiten der Ausstrahlung von Sportsendungen, der Erstellung und Ausstrahlung von Unterhaltungssendungen sowie der Ausstrahlung ausländischer Filme vollständig durch Werbeeinnahmen und nicht durch Zuschüsse aus dem Staatshaushalt finanziert würden. Dies sei hier nicht der Fall.

22      Mit Bescheid vom 27. Februar 2017 wies der Direktor den von BNT gegen den Steuerprüfungsbescheid vom 14. Dezember 2016 eingelegten Einspruch zurück.

23      BNT erhob daraufhin gegen diesen Bescheid Klage beim Administrativen sad Sofia-grad (Verwaltungsgericht der Stadt Sofia, Bulgarien), dem vorlegenden Gericht.

24      Dieses Gericht ist der Auffassung, dass für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits bestimmt werden müsse, ob die Tätigkeit der Ausstrahlung von Sendungen durch BNT als öffentlicher Wirtschaftsteilnehmer, dem das ZRT besondere Aufgaben zuweise und der Zuschüsse aus dem Staatshaushalt erhalte, eine – nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. q der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Mehrwertsteuer befreite – Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie darstelle, oder ob sie kein in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallender steuerbarer Umsatz sei. Die Antwort auf diese Frage werde es ermöglichen, festzustellen, ob eine solche Tätigkeit der Ausstrahlung bei der Bestimmung des Rechts auf Vorsteuerabzug für die steuerbaren Umsätze, deren Empfänger BNT sei, zu berücksichtigen sei.

25      Im Urteil vom 22. Juni 2016, Český rozhlas (C-11/15, EU:C:2016:470), habe der Gerichtshof zwar die Frage geprüft, ob die Tätigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks des tschechischen nationalen Rundfunks, für den dieser von den Eigentümern oder Besitzern eines Rundfunkempfangsgeräts Gebühren erhalte, eine entgeltliche Tätigkeit darstelle, jedoch habe der Gerichtshof noch nicht über die Tätigkeit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens entschieden, die durch Zuschüsse aus dem Staatshaushalt finanziert werde.

26      Das vorlegende Gericht führt weiter aus, dass sich der Gerichtshof in seinem Urteil vom 27. März 2014, Le Rayon d’Or (C‑151/13, EU:C:2014:185), zwar zu der Frage geäußert habe, ob eine von einer nationalen Krankenversicherung geleistete Pauschalzahlung in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer falle, doch könne daraus für die Zwecke des Ausgangsrechtsstreits keine eindeutige Antwort abgeleitet werden.

27      Falls davon auszugehen sei, dass die Tätigkeit von BNT eine Doppelnatur habe, nämlich, dass sie sowohl steuerbefreite als auch steuerbare Umsätze umfasse, stellt sich das vorlegende Gericht außerdem die Frage, ob nur der Teil der Vorsteuer abziehbar ist, der als mit dem Teil der Tätigkeit von BNT, der einen „gewerblichen“ Charakter aufweist, zusammenhängend angesehen werden kann. Außerdem möchte das vorlegende Gericht für diesen Fall wissen, nach welchen Kriterien der Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug zu bestimmen ist.

28      Unter diesen Umständen hat der Administrativen sad Sofia-grad (Verwaltungsgericht der Stadt Sofia, Bulgarien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Kann die Erbringung audiovisueller Mediendienste an die Zuschauer durch das öffentlich-rechtliche Fernsehen als gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie gelten, wenn sie durch den Staat in Form von Zuschüssen finanziert wird, wobei die Zuschauer keine Gebühren für die Ausstrahlung entrichten, oder stellt sie keine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung im Sinne dieser Vorschrift dar und fällt nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie?

2.      Sofern die Antwort lautet, dass die audiovisuellen Mediendienste an die Zuschauer des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in den Geltungsbereich von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie fallen, ist dann davon auszugehen, dass es sich um befreite Umsätze im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. q der Richtlinie handelt und ist eine nationale Regelung zulässig, die diese Tätigkeit allein aufgrund der erhaltenen Zahlung aus dem Staatshaushalt befreit, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen erhält, ungeachtet dessen, ob diese Tätigkeit auch gewerblichen Charakter hat?

3.      Ist gemäß Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie eine Praxis zulässig, die das Recht auf Vorsteuerabzug für Einkäufe nicht allein von der Verwendung der Einkäufe (für steuerbare oder nicht steuerbare Tätigkeiten) abhängig macht, sondern auch von der Art der Finanzierung dieser Einkäufe, nämlich zum einen aus eigenen Einkünften (Werbedienstleistungen u. a.) und zum anderen aus staatlicher Subventionierung, und die das Recht auf den vollen Vorsteuerabzug nur für die aus eigenen Einkünften finanzierten Einkäufe und nicht für die durch die staatlichen Zuschüsse finanzierten zugesteht, wobei deren Abgrenzung gefordert wird?

4.      Sofern angenommen wird, dass die Tätigkeit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens aus steuerbaren und befreiten Umsätzen besteht und unter Berücksichtigung ihrer gemischten Finanzierung: Welchen Umfang hat das Recht auf Vorsteuerabzug bei diesen Einkäufen und welche Kriterien sind für dessen Bestimmung anzuwenden?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

29      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die Tätigkeit eines öffentlich-rechtlichen nationalen Fernsehanbieters, die in der Erbringung audiovisueller Mediendienste an die Zuschauer besteht und vom Staat durch einen Zuschuss finanziert wird, wobei die Zuschauer keine Gebühren für die Ausstrahlung entrichten, eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

30      Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie, der den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer definiert, unterliegen Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer.

31      Eine Dienstleistung wird nur dann im Sinne dieser Vorschrift „gegen Entgelt“ erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet. Dies ist dann der Fall, wenn zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. März 1988, Apple and Pear Development Council, 102/86, EU:C:1988:120, Rn. 11, 12 und 16, vom 22. Juni 2016, Český rozhlas, C‑11/15, EU:C:2016:470, Rn. 22, sowie vom 22. November 2018, MEO – Serviços de Comunicações e Multimédia, C‑295/17, EU:C:2018:942, Rn. 39).

32      Was audiovisuelle Mediendienste betrifft, die von einem öffentlich-rechtlichen nationalen Anbieter für Fernsehzuschauer erbracht werden, die vom Staat durch einen Zuschuss finanziert werden und für die von den Zuschauern keine Gebühr entrichtet wird, besteht zwischen diesem Anbieter und den Fernsehzuschauern kein Rechtsverhältnis, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, noch besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesen audiovisuellen Mediendiensten und dem Zuschuss (vgl. entsprechend Urteil vom 22. Juni 2016, Český rozhlas, C-11/15, EU:C:2016:470, Rn. 23).

33      Zunächst ist festzustellen, dass der Anbieter und die Fernsehzuschauer im Rahmen der Erbringung dieser Dienstleistungen weder durch eine vertragliche Beziehung oder Vereinbarung über einen Preis oder einen Gegenwert noch durch eine rechtliche Verpflichtung verbunden sind, die die eine mit der anderen Seite freiwillig eingegangen ist. Somit ist der Zugang der Fernsehzuschauer zu den audiovisuellen Mediendiensten, die von dem Anbieter erbracht werden, frei, und die betreffende Tätigkeit kommt allgemein allen potenziellen Fernsehzuschauern zugute.

34      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass der Zuschuss ebenso wie die bezuschusste Tätigkeit auf gesetzlicher Grundlage organisiert wird. Die Gewährung des Zuschusses, mit dem allgemein die Tätigkeiten des öffentlich-rechtlichen nationalen Anbieters finanziert werden sollen, die in der Vorbereitung, Erstellung und Ausstrahlung nationaler und regionaler Sendungen bestehen, und der unter Bezugnahme auf eine durch Verordnung festgelegte Pauschale pro Programmstunde festgesetzt wird, ist unabhängig von der tatsächlichen Nutzung der erbrachten audiovisuellen Mediendienste durch die Fernsehzuschauer, von der Identität der Fernsehzuschauer oder von ihrer konkreten Anzahl für das jeweilige Programm.

35      Darüber hinaus ist hinsichtlich der Fragen des vorlegenden Gerichts, die auf der Parallele beruhen, die zwischen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Situation und derjenigen in der Rechtssache, in der das Urteil vom 27. März 2014, Le Rayon d’Or (C‑151/13, EU:C:2014:185), ergangen ist, gezogen werden könne, festzustellen, dass diese Situationen nicht vergleichbar sind.

36      In der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, ging es darum, ob eine „Pflegepauschale“ steuerbar ist, die eine nationale Krankenversicherung an Beherbergungseinrichtungen für ältere hilfsbedürftige Menschen für die Erbringung von Pflegedienstleistungen an ihre Bewohner zahlte und deren Berechnung u. a. die Zahl der in der jeweiligen Einrichtung aufgenommenen Bewohner und den Grad ihrer Hilfsbedürftigkeit berücksichtigte. In diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass zwischen den Dienstleistungen, die diese Einrichtungen ihren Bewohnern erbringen, und der empfangenen Gegenleistung, d. h. der „Pflegepauschale“, ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, so dass eine solche Pauschalzahlung die Gegenleistung für von einer dieser Einrichtungen den Bewohnern gegen Entgelt erbrachte Pflegeleistung darstellt und daher in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fällt. Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass der Umstand, dass der unmittelbare Empfänger der in Rede stehenden Dienstleistungen nicht die nationale Krankenversicherung, die den Pauschalbetrag zahlt, sondern der bei ihr Versicherte ist, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der erbrachten Dienstleistung und der empfangenen Gegenleistung nicht beseitigen kann (Urteil vom 27. März 2014, Le Rayon d’Or, C‑151/13, EU:C:2014:185, Rn. 35).

37      Im vorliegenden Fall besteht jedoch zwischen dem Staat, der aus seinem Haushalt einen Zuschuss zur Finanzierung audiovisueller Mediendienste zahlt, und den Fernsehzuschauern, denen diese Dienste zugutekommen, keine Beziehung, die mit der Beziehung zwischen einer Krankenkasse und ihren Versicherten vergleichbar wäre. Wie in Rn. 33 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, kommen diese Dienstleistungen nämlich nicht Personen zugute, die klar identifiziert werden können, sondern allen potenziellen Fernsehzuschauern. Außerdem wird die Höhe des betreffenden Zuschusses unter Bezugnahme auf eine durch Verordnung festgelegte Pauschale pro Programmstunde und ohne jede Berücksichtigung der Identität und der Anzahl der Nutzer der erbrachten Dienstleistung festgesetzt.

38      Schließlich kann aus Art. 25 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie kein anderer Schluss gezogen werden. Zwar kann nach dieser Bestimmung eine Dienstleistung u. a. in der Erbringung einer Dienstleistung aufgrund einer behördlichen Anordnung oder kraft Gesetzes bestehen. Wie der Generalanwalt in den Nrn. 35 und 36 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann diese Bestimmung, die lediglich klarstellt, dass eine Dienstleistung eine solche Form annehmen „kann“, jedoch nicht als Grundlage dafür dienen, Dienstleistungen, die nicht gegen Entgelt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie erbracht werden, der Mehrwertsteuer zu unterwerfen.

39      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die Tätigkeit eines öffentlich-rechtlichen nationalen Fernsehanbieters, die in der Erbringung audiovisueller Mediendienste an die Zuschauer besteht und vom Staat durch einen Zuschuss finanziert wird, wobei die Zuschauer keine Gebühren für die Ausstrahlung entrichten, keine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

 Zur zweiten Frage

40      Die zweite Frage, die die Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. q der Mehrwertsteuerrichtlinie zum Gegenstand hat, betrifft den Fall, dass die in der ersten Frage genannte Tätigkeit als Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie einzustufen ist, und zielt im Wesentlichen darauf ab, ob eine solche Leistung von der Steuer befreit ist.

41      Zum einen ergibt sich jedoch aus der Antwort auf die erste Frage, dass eine solche Tätigkeit nicht unter den Begriff „Dienstleistung gegen Entgelt“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie fällt, so dass sie keinen steuerbaren Umsatz im Sinne dieser Richtlinie darstellt.

42      Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass Art. 132 Abs. 1 Buchst. q der Mehrwertsteuerrichtlinie, der die Steuerbefreiung von „Tätigkeiten der öffentlichen Rundfunk‑ und Fernsehanstalten, ausgenommen Tätigkeiten mit gewerblichem Charakter“, vorsieht, nur unter der Bedingung anwendbar ist, dass diese Tätigkeiten im Sinne von Art. 2 dieser Richtlinie „der Mehrwertsteuer unterliegen“ (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2016, Český rozhlas, C-11/15, EU:C:2016:470, Rn. 32).

43      Unter diesen Umständen braucht die zweite Frage nicht beantwortet zu werden.

 Zur dritten und zur vierten Frage

44      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt, dass die dritte und die vierte Frage, die sich auf das Recht auf Vorsteuerabzug beziehen, den Fall betreffen, dass die Tätigkeit eines öffentlich-rechtlichen nationalen Fernsehanbieters, die in der Erbringung audiovisueller Mediendienste an die Zuschauer besteht und vom Staat durch einen Zuschuss finanziert wird, wobei die Zuschauer keine Gebühren für die Ausstrahlung entrichten, als Dienstleistung gegen Entgelt und daher als steuerbarer Umsatz im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie zu qualifizieren ist. Das vorlegende Gericht begehrt mithin Auskunft darüber, wie der Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug eines Steuerpflichtigen zu bestimmen ist, der sowohl steuerbare Umsätze als auch befreite Umsätze bewirkt.

45      Aus der Antwort auf die erste Frage ergibt sich jedoch, dass diese Tätigkeit keine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

46      Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof gleichwohl Aufgabe des Gerichtshofs, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (Urteile vom 5. März 2020, X [Mehrwertsteuerbefreiung für telefonische Beratungen], C‑48/19, EU:C:2020:169, Rn. 35, und vom 25. November 2020, SABAM, C‑372/19, EU:C:2020:959, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47      Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche und vollständige Antwort zu geben, sind unter diesen Umständen die dritte und die vierte Frage, die zusammen zu prüfen sind, dahin umzuformulieren, dass das vorlegende Gericht mit diesen Fragen wissen möchte, ob Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass der öffentlich-rechtliche nationale Fernsehanbieter zum vollen oder teilweisen Abzug der Vorsteuer berechtigt ist, die für den Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen entrichtet wurde, die für die Zwecke seiner Tätigkeiten, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, und für die Zwecke seiner Tätigkeiten, die nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen, verwendet werden.

48      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das Recht der Steuerpflichtigen, von der von ihnen geschuldeten Mehrwertsteuer die Mehrwertsteuer abzuziehen, die für die von ihnen erworbenen Gegenstände und empfangenen Dienstleistungen als Vorsteuer geschuldet wird oder entrichtet wurde, ein fundamentaler Grundsatz des durch das Unionsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems. Der Gerichtshof hat wiederholt hervorgehoben, dass dieses Recht integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ist und grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. September 2016, Senatex, C‑518/14, EU:C:2016:691, Rn. 26 und 37 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 18. März 2021, A. [Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug], C-895/19, EU:C:2021:216, Rn. 32).

49      Durch die von der Mehrwertsteuerrichtlinie eingeführte Regelung über den Vorsteuerabzug soll der Unternehmer nämlich vollständig von der im Rahmen aller seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet auf diese Weise die völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck oder ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst grundsätzlich der Mehrwertsteuer unterliegen (Urteile vom 10. November 2016, Baštová, C‑432/15, EU:C:2016:855, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 18. März 2021, A. [Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug], C‑895/19, EU:C:2021:216, Rn. 33).

50      Hierbei setzt das Recht auf Vorsteuerabzug erstens nach Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie voraus, dass der Betreffende „Steuerpflichtiger“ im Sinne der Richtlinie ist und dass die zur Begründung dieses Rechts angeführten Gegenstände oder Dienstleistungen von ihm auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden und auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht worden sind (Urteile vom 5. Juli 2018, Marle Participations, C‑320/17, EU:C:2018:537, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 3. Juli 2019, The Chancellor, Masters and Scholars of the University of Cambridge, C‑316/18, EU:C:2019:559, Rn. 23).

51      Wenn hingegen von einem Steuerpflichtigen bezogene Gegenstände oder Dienstleistungen mit steuerbefreiten Umsätzen oder solchen Umsätzen zusammenhängen, die nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfasst werden, kann es weder zur Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum Abzug der Vorsteuer kommen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C‑132/16, EU:C:2017:683, Rn. 30, und vom 3. Juli 2019, The Chancellor, Masters and Scholars of the University of Cambridge, C‑316/18, EU:C:2019:559, Rn. 24).

52      Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass der Vorsteuerabzug dadurch gerechtfertigt wird, dass die auf der vorausgehenden Umsatzstufe erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen zum Zwecke steuerbarer Umsätze verwendet werden. Mit anderen Worten ist die Art der Finanzierung solcher Käufe, sei es durch Einkünfte aus wirtschaftlichen Tätigkeiten oder durch aus dem Staatshaushalt erhaltene Zuschüsse, für die Feststellung, ob ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, ohne Belang.

53      Zweitens ist, soweit ein Steuerpflichtiger die erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen sowohl für Umsätze verwenden würde, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, die nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen, hinzuzufügen, dass sich aus den Art. 173 bis 175 der Mehrwertsteuerrichtlinie ergibt, dass die Berechnung eines Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs zur Ermittlung des Betrags der abziehbaren Vorsteuer grundsätzlich nur bei Gegenständen und Dienstleistungen erfolgt, die von einem Steuerpflichtigen sowohl für wirtschaftliche Tätigkeiten, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für wirtschaftliche Tätigkeiten, für die dieses Recht nicht besteht, verwendet werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Dezember 2016, Mercedes Benz Italia, C‑378/15, EU:C:2016:950, Rn. 34, und vom 25. Juli 2018, Gmina Ryjewo, C‑140/17, EU:C:2018:595, Rn. 57), wie etwa befreite Umsätze (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2004, EDM, C‑77/01, EU:C:2004:243, Rn. 73).

54      Da die Vorsteuer auf Aufwendungen eines Steuerpflichtigen jedoch nicht zum Abzug berechtigen kann, soweit sie sich auf Tätigkeiten bezieht, die aufgrund ihres nicht wirtschaftlichen Charakters nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie fallen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2008, Securenta, C‑437/06, EU:C:2008:166, Rn. 30), müssen solche Umsätze bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs im Sinne der Art. 173 bis 175 der Mehrwertsteuerrichtlinie unberücksichtigt bleiben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2004, EDM, C‑77/01, EU:C:2004:243, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

55      Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Festlegung der Methoden und Kriterien zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge zwischen wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten im Ermessen der Mitgliedstaaten steht. Diese müssen bei der Ausübung ihres Ermessens Zweck und Systematik dieser Richtlinie berücksichtigen und daher eine Berechnungsweise vorsehen, die objektiv widerspiegelt, welcher Teil der Eingangsaufwendungen jeder dieser beiden Tätigkeiten tatsächlich zuzurechnen ist (Urteile vom 6. September 2012, Portugal Telecom, C‑496/11, EU:C:2012:557, Rn. 42, und vom 25. Juli 2018, Gmina Ryjewo, C‑140/17, EU:C:2018:595, Rn. 58), um zu gewährleisten, dass der Abzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer erfolgt, der auf die zum Abzug berechtigenden Umsätze entfällt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. März 2008, Securenta, C‑437/06, EU:C:2008:166, Rn. 37, und vom 12. November 2020, Sonaecom, C‑42/19, EU:C:2020:913, Rn. 47).

56      Im Rahmen der Ausübung dieses Ermessens dürfen die Mitgliedstaaten jeden geeigneten Aufteilungsschlüssel verwenden, wie etwa einen Umsatzschlüssel, und sind nicht verpflichtet, sich auf eine einzige bestimmte Methode zu beschränken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2008, Securenta, C‑437/06, EU:C:2008:166, Rn. 38).

57      Nach alledem ist auf die dritte und die vierte Frage zu antworten, dass Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass der öffentlich-rechtliche nationale Fernsehanbieter die Vorsteuer abziehen darf, die für den Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen entrichtet wurde, die für die Zwecke seiner Tätigkeiten, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, verwendet werden; nicht abziehen darf er die Vorsteuer, die für den Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen entrichtet wurde, die für die Zwecke seiner nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallenden Tätigkeiten verwendet werden. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, die Methoden und Kriterien zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge zwischen steuerbaren und nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallenden Umsätzen festzulegen; dabei haben sie den Zweck und die Systematik dieser Richtlinie zu berücksichtigen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren.

 Kosten

58      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass die Tätigkeit eines öffentlich-rechtlichen nationalen Fernsehanbieters, die in der Erbringung audiovisueller Mediendienste an die Zuschauer besteht und vom Staat durch einen Zuschuss finanziert wird, wobei die Zuschauer für ihre Ausstrahlung keine Gebühren entrichten, keine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne dieser Bestimmung darstellt.

2.      Art. 168 der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass der öffentlich-rechtliche nationale Fernsehanbieter die Vorsteuer abziehen darf, die für den Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen entrichtet wurde, die für die Zwecke seiner Tätigkeiten, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, verwendet werden; nicht abziehen darf er die Vorsteuer, die für den Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen entrichtet wurde, die für die Zwecke seiner nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallenden Tätigkeiten verwendet werden. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, die Methoden und Kriterien zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge zwischen steuerbaren und nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallenden Umsätzen festzulegen; dabei haben sie den Zweck und die Systematik dieser Richtlinie zu berücksichtigen und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Bulgarisch.