C-251/88 - Kommission / Deutschland

Printed via the EU tax law app / web

EUR-Lex - 61988C0251 - DE

61988C0251

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 22. Februar 1990. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND. - VERTRAGSVERLETZUNG - MEHRWERTSTEUER - EIGENMITTEL - BERECHNUNGSMETHODE FUER DIE EINBEZIEHUNG BEFREITER UMSAETZE. - RECHTSSACHE 251/88.

Sammlung der Rechtsprechung 1990 Seite I-02107


Schlußanträge des Generalanwalts


++++

Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1 . Diesem Rechtsstreit liegt eine Meinungsverschiedenheit zwischen der Kommission und der Bundesrepublik Deutschland darüber zugrunde, wie bestimmte Umsätze für die Zwecke der Eigenmittel der Gemeinschaft zu behandeln sind .

2 . Eigene Mittel der Gemeinschaft waren zuerst im Beschluß des Rates vom 21 . April 1970 ( Beschluß über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften, 70/243, ABl . 1970, L 94, S . 19 ) vorgesehen . Nach diesem Beschluß, dem Eigenmittelbeschluß, stellen Agrarabschöpfungen und andere Abgaben ( Artikel 2 Buchstabe a ) sowie Zölle des gemeinsamen Zolltarifs und andere Zölle ( Artilel 2 Buchstabe b ) eigene, in den Haushalt der Gemeinschaften einzusetzende Mittel dar . Da die Einnahmen aus diesen Quellen zum Ausgleich des Haushalts nicht ausreichen, umfassen die eigenen Mittel der Gemeinschaften nach Artikel 4 Absatz 1 auch die Mehrwertsteuereinnahmen, die sich aus der Anwendung eines Satzes ergeben, der einen bestimmten Prozentsatz einer steuerpflichtigen Bemessungsgrundlage nicht überschreiten darf, welche einheitlich für die Mitgliedstaaten nach Gemeinschaftsvorschriften bestimmt wird . Dieser Prozentsatz betrug ursprünglich 1 %; er wurde 1985 auf 1,4 % angehoben und mit dem Beschluß des Rates über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften ( 88/376; ABl . 1988, L 185, S . 24 ) auf dieser Höhe festgeschrieben; in diesem Beschluß wurden ausserdem weitere Eigenmittel auf der Grundlage des gesamten jährlichen Bruttosozialprodukts der Mitgliedstaaten eingeführt . Die Eigenmittel der Gemeinschaften werden von den Mitgliedstaaten eingezogen und der Gemeinschaft überwiesen .

3 . Die Bestimmungen über die Finanzierung des Gemeinschaftshaushalts aus eigenen Mitteln traten erst 1980 vollständig in Kraft . Eine der notwendigen Voraussetzungen war die Einführung einer einheitlichen Bemessungsgrundlage für die MwSt-Eigenmittel, die mit der Sechsten Richtlinie ( Richtlinie des Rates vom 17 . Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem : Einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, 77/388/EWG, ABl . 1977, L 145, S . 1 ) erfolgte . Nach Artikel 2 dieser Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt . In den Artikeln 13 bis 16 sind jedoch Steuerbefreiungen vorgesehen .

4 . Nach Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b, der sich im Abschnitt XVI - Übergangsbestimmungen - findet, können die Mitgliedstaaten während einer Übergangszeit "die in Anhang F aufgeführten Umsätze unter den in den Mitgliedstaaten bestehenden Bedingungen weiterhin befreien ". Zu den im Anhang F aufgeführten Umsätzen gehören "Dienstleistungen und dazugehörige Lieferungen von Gegenständen auf dem Gebiet des Fernmeldewesens, die von öffentlichen Post - und Fernmeldeeinrichtungen erbracht werden" ( Nr . 5 ).

5 . Die Verordnung Nr . 2892/77 des Rates enthält Anwendungsbestimmungen über die Feststellung der Bemessungsgrundlage für die MwSt-Eigenmittel ( ABl . 1977, L 336, S . 8 ). Nach Artikel 3 Absatz 1 haben die Mitgliedstaaten die Wahl zwischen zwei Methoden, der Methode A und der Methode B . Nach den Akten haben sich alle Mitgliedstaaten für die Methode B entschieden, wonach die Grundlage der MwSt-Eigenmittel berechnet wird, indem die gesamten von dem Mitgliedstaat getätigten Nettöinnahmen aus der MwSt durch den als Bruch ausgedrückten MwSt-Satz geteilt werden, oder, wenn mehrere MwSt-Sätze angewandt werden, durch den ebenfalls als Bruch ausgedrückten gewogenen mittleren MwSt-Satz ( Artikel 6 ). Im Ergebnis wird der Einfluß unterschiedlicher Mehrwertsteuersätze ausgeschaltet, und die MwSt-Eigenmittel werden auf alle Umsätze gestützt, die der Mehrwertsteuer unterliegen .

6 . Von entscheidender Bedeutung für die vorliegende Rechtssache sind die Bestimmungen der Verordnung Nr . 2892/77 über Umsätze, die bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen sind . Nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr . 2892/77 wird die Grundlage für die MwSt-Eigenmittel anhand der steuerbaren Umsätze im Sinne von Artikel 2 der Sechsten Richtlinie festgelegt, wobei die endgültig steuerfreien Umsätze gemäß den Artikeln 13 bis 16 dieser Richtlinie ausgenommen sind . Nach Artikel 2 Absatz 2 dritter Gedankenstrich sind "für die Bestimmung der MwSt-Eigenmittel ... zu berücksichtigen" die Umsätze, die die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie weiterhin befreien ( die also nur vorübergehend befreit sind ). Artikel 9 Absatz 2 betrifft die Anwendung des Artikels 2 Absatz 2 . Artikel 9 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich lautet wie folgt :

"... berechnen die Mitgliedstaaten bei den in Anhang F der Richtlinie 77/377/EWG aufgeführten Umsätzen, die die Mitgliedstaaten nach Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b der genannten Richtlinie weiterhin befreien, die Grundlage für die MwSt-Eigenmittel so, als ob diese Umsätze steuerpflichtig wären ".

7 . Die Anwendbarkeit der Verordnung Nr . 2892/77, die ursprünglich auf fünf Jahre begrenzt war, wurde mit den Verordnungen Nr . 3550/82 des Rates ( ABl . 1982, L 373, S . 1 ) und Nr . 3735/85 ( ABl . 1985, L 356, S . 1 ) verlängert . In der Verordnung Nr . 1553/89 des Rates über die endgültige einheitliche Regelung für die Erhebung der Mehrwertsteuereigenmittel ( ABl . 1989, L 155, S . 9 ), die ab 1 . Januar 1989 gilt und die Verordnung Nr . 2892/77 weitgehend ersetzt, ist eine einzige Methode für die Berechnung der MwSt-Eigenmittel vorgesehen, die der alten Methode B entspricht ( Artikel 3 ). Die eben zitierten Bestimmungen von Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung Nr . 2892/77 finden sich in der Verordnung von 1989 als Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 6 Absatz 2 wieder .

8 . Nach Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b und Anhang F der Sechsten Richtlinie befreit die Bundesrepublik die Fernmeldeumsätze der Deutschen Bundespost von der Mehrwertsteuer . Als Folge dieser Steuerbefreiung ist Artikel 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie auf die Bundespost nicht anwendbar, wonach der Steuerpflichtige befugt ist, von der von ihm geschuldeten Steuer die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm geliefert bzw . erbracht wurden, abzuziehen, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden . Bei der Berechnung der Mehrwertsteuereigenmittelgrundlage für die Fernmeldeumsätze der Bundespost in den Jahren 1980 bis 1985 zog die Bundesrepublik jedoch vom Gesamtwert dieser Umsätze die der Bundespost für Zwecke solcher Umsätze gelieferten Gegenstände und erbrachten Dienstleistungen ab . Im vorliegenden Verfahren behauptet die Kommission im wesentlichen, daß die Bundesrepublik zu diesem Abzug nicht berechtigt gewesen sei .

9 . In dem Streit geht es um die Auslegung des Tatbestandsmerkmals des Artikels 9 Absatz 2 der Verordnung Nr . 2892/77, daß die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die nach Anhang F befreiten Umsätze die Grundlage für die MwSt-Eigenmittel so berechnen, "als ob diese Umsätze steuerpflichtig wären ". Nach Auffassung der Kommission bedeutet dies, daß der gesamte Wert der fraglichen Umsätze ohne jeden Abzug der in ihrem Wert stillschweigend enthaltenen Vorsteuer in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist . Nach Ansicht der Bundesrepublik bedeutet die genannte Bestimmung, daß die Umsätze in jeder Beziehung so zu behandeln sind, als wären sie besteuert; wären sie aber besteuert, so wäre ein Vorsteuerabzug gemäß Artikel 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie möglich . Beide Parteien berufen sich auf den Wortlaut des Artikels 9 Absatz 2, auf den allgemeinen Zusammenhang und auf die Ziele des einschlägigen Gemeinschaftsrechts .

10 . Meines Erachtens kann sich keine der Parteien eindeutig auf den nackten Wortlaut des Artikels 9 Absatz 2 der Verordnung Nr . 2892/77 stützen . Bei wörtlicher Auslegung scheint das Tatbestandsmerkmal, daß die Bemessungsgrundlage für Umsätze nach Anhang F so zu berechnen ist, "als ob diese Umsätze steuerpflichtig wären", die Auffassung der Bundesrepublik zu unterstützen . Diese Worte lassen sich jedoch auch schlicht in dem Sinne verstehen, daß die fraglichen Umsätze trotz ihrer Befreiung in die Eigenmittelgrundlage einzubeziehen sind, daß also diese Umsätze steuerbaren Umsätzen nur für diesen Zweck gleichzustellen sind, ohne daß sie in jeder Hinsicht so zu behandeln wären, als ob sie steuerpflichtig wären .

11 . Zum allgemeinen Zusammenhang bringt die Bundesrepublik vor, es sei ein Grundprinzip des Mehrwertsteuersystems, das insbesondere in Artikel 11 der Sechsten Richtlinie Ausdruck finde, daß die Mehrwertsteuer ausschließlich auf den Nettowert von Gegenständen und Dienstleistungen auf der jeweiligen Umsatzstufe erhoben werde, nicht aber auf bereits entrichtete oder zu entrichtende Mehrwertsteuer . Die Methode der Kommission würde zum Einschluß eines Anteils "Steuer auf Steuer" in die Eigenmittelgrundlage führen, was dem Nettowertprinzip widerspreche . Dieses Prinzip entspreche auch der Rechtsprechung des Gerichtshofes, insbesondere in den beiden Rechtssachen Schul ( Rechtssache 15/81, Slg . 1982, 1409; Rechtssache 47/84, Slg . 1985, 1491 ).

12 . Die Kommission bestreitet den grundlegenden Charakter des Nettowertprinzips nicht, weist aber zu Recht darauf hin, daß es nicht uneingeschränkt gilt . Das Prinzip kennt immer dann Ausnahmen, wenn in einer Kette von steuerpflichtigen Umsätzen eine befreiter Umsatz vorkommt . Ist eine Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen befreit, dann ist es dem Lieferer nicht gestattet, die Vorsteuer abzuziehen, und diese Steuer wird deshalb als versteckte Belastung im Verkaufspreis weitergegeben . Der Erwerber solcher Gegenstände oder Dienstleistungen kann also diese versteckte Belastung nicht von seiner eigenen Steuerlast abziehen; das Ergebnis ist eine Steuerakkumulation ( oder Steuer auf Steuer ), die dem Nettowertprinzip widerspricht . Das gesamte Mehrwertsteueraufkommen aus einer solchen Umsatzkette schließt ein Element von Steuer auf Steuer ein, und dieses Element geht in die Eigenmittelgrundlage ein . Damit kann gerade dann, wenn befreite Umsätze vorliegen, ein verstecktes Element von nicht abziehbarer Vorsteuer Teil der Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuereigenmittel sein .

13 . Weiter ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, daß das Nettowertprinzip nicht uneingeschränkt gilt . In einem Urteil aus jüngster Zeit, nämlich vom 5 . Dezember 1989 in der Rechtssache C-165/88 ( ORO Amsterdam Beheer BV und Concerto BV/Inspecteur der Omzetbelasting, Slg . 1989, 4081 ), hat der Gerichtshof ausgeführt, daß die beiden Schul-Urteile, auf die sich die Bundesrepublik hier beruft, nicht auf einem allgemeinen Verbot der Besteuerung von Steuern beruhen, sondern auf Artikel 95 EWG-Vertrag, der die diskriminierende Besteuerung eingeführter Waren verbietet ( Randnr . 18 ). Im selben Urteil hat der Gerichtshof darüber hinaus festgestellt, daß die Mehrwertsteuerharmonisierung erst teilweise erfolgt sei, und daß es zwar das Ziel des Gemeinschaftsrechts sei, die Besteuerung von Steuern auszuschließen, daß dieses Ziel aber noch nicht vollständig erreicht sei ( Randnrn . 22 und 23 ). Der Gerichtshof entschied deshalb, daß das Gemeinschaftsrecht bei seinem derzeitigen Stand der Anwendung nationalen Rechts nicht entgegensteht, nach dem bei der Berechnung der Mehrwertsteuer auf den Verkauf von Gebrauchtgegenständen, die ein Steuerpflichtiger von einem nicht steuerpflichtigen Bürger zum Zwecke des Wiederverkaufs erworben hat, der im Ankaufspreis dieser Gegenstände enthaltene Vorsteuerbetrag nicht abgezogen werden kann . Aus dem Nettowertprinzip lässt sich somit ein eindeutiger Schluß nicht ziehen .

14 . Zu den Zielen des einschlägigen Gemeinschaftsrechts bemühte sich die Kommission darzulegen, daß die Höhe des Mehrwertsteuersatzes nach der von der Bundesrepublik Deutschland angewandten Berechnungsmethode unmittelbar Auswirkungen auf die Berechnungsgrundlage der Mehrwertsteuereigenmittel habe, was dem Ziel der Neutralität widerspreche, das mit dem System der Mehrwertsteuereigenmittel verfolgt werde . Die deutsche Methode habe zum Ergebnis, daß ein Teil der Mehrwertsteuereinnahmen unmittelbar von der Bemessungsgrundlage abgezogen wird; da dieser Einnahmebetrag sich nach der Höhe des Mehrwertsteuersatzes richte, führe der Abzug dazu, daß dieser Satz die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuereigenmittel und damit den Betrag dieser Eigenmittel berühre .

15 . Die Bundesrepublik hat dieses Argument jedoch widerlegt . Sie gesteht zu, daß der Vorsteuerbetrag und damit der nach ihrer Berechnungsmethode abgezogene Betrag in Funktion des erhobenen Mehrwertsteuersatzes schwanke, weist aber darauf hin, daß der abgezogene Betrag immer genau dem Betrag der Vorsteuer entspreche und deshalb keine Auswirkungen auf die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuereigenmittel haben könne, die immer aus der Summe des Nettoankaufwertes und des auf der Stufe des befreiten Umsatzes erzeugten Mehrwertes bestehe . Das ist freilich nicht überraschend, da die Berechnungsmethode der Bundesrepublik den normalen Fall der Besteuerung simuliert, bei der der Mehrwertsteuersatz, wie die Kommission selbst ausführt, keine Auswirkungen auf die Bemessungsgrundlage hat . Es ist völlig klar, daß die Methode der Kommission und nicht die der Bundesrepublik mit dem Ziel der Neutralität unvereinbar ist . Da nach der Methode der Kommission der Betrag der entrichteten Vorsteuer in die Bemessungsgrundlage einbezogen wird und da dieser Betrag entsprechend dem erhobenen Mehrwertsteuersatz schwankt, hat eine Erhöhung oder Senkung des Mehrwertsteuersatzes unmittelbar Auswirkungen auf die Bemessungsgrundlage und damit auf den Betrag der Eigenmittel .

16 . Das ist jedoch nicht entscheidend . Die Antwort ist meines Erachtens in einer Erörterung der weiteren Ziele des einschlägigen Gemeinschaftsrechts und der spezifischen Funktion des Artikels 9 Absatz 2 der Verordnung Nr . 2892/77 zu suchen . Entsprechend dem Eigenmittelbeschluß ist es das Ziel der Verordnung Nr . 2892/77, eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuereigenmittel zu verwirklichen . Auch ist es eines der Ziele der Sechsten Richtlinie, die Bestimmung der einheitlichen Bemessungsgrundlage durch die Annahme gemeinsamer Regeln über die Erhebung der Mehrwertsteuer zu erleichtern . Dem Begriff der einheitlichen Bemessungsgrundlage wohnt das Ziel inne, die Last der Eigenmittel gerecht und konsequent auf die Mitgliedstaaten zu verteilen oder, um die Worte von Generalanwalt Darmon in seinen Schlussanträge in der Rechtssache 307/84 ( Kommission/Deutschland, Slg . 1985, 2655 ) zu entlehnen, "ein gleiches Beitragssystem für die Mitgliedstaaten" sicherzustellen ( Seiten 2659 und 2662 ).

17 . Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr . 2892/77 enthält das Grundprinzip, daß die Grundlage für die MwSt-Eigenmittel anhand der steuerbaren Umsätze im Sinne von Artikel 2 der Sechsten Richtlinie festgelegt wird, wobei die nach dieser Richtlinie endgültig steuerbefreiten Umsätze ausgenommen sind . Die Übergangsbestimmung des Artikels 28 Absatz 3 der Sechsten Richtlinie erlaubt es den Mitgliedstaaten, sonst befreite Umsätze weiterhin zu besteuern ( Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe a und Anhang E ), sonst steuerpflichtige Umsätze weiterhin zu befreien ( Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b und Anhang F ) oder dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit einzuräumen, für die Besteuerung sonst befreiter Umsätze zu optieren ( Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe c und Anhang G ). Wird von diesen Übergangsvorschriften Gebrauch gemacht, so kann das ohne Berichtigung offensichtlich zu einer Verzerrung der in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr . 2892/77 vorgesehenen einheitlichen Bemessungsgrundlage führen . Funktion des Artikels 9 Absatz 2 der Verordnung Nr . 2892/77 ist es gerade, diese Berichtigung vorzunehmen .

18 . Deshalb sind nach Artikel 9 Absatz 2 erster und dritter Gedankenstrich die in Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe a und Anhang E der Sechsten Richtlinie bzw . in Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe c und Punkt 1 Buchstabe a des Anhangs G angezogenen Umsätze für die Zwecke der Berechnung der Eigenmittelgrundlage so zu behandeln, als wären sie befreit : Das entspricht der endgültigen Befreiung dieser Umsätze nach der Sechsten Richtlinie und stellt sicher, daß die Eigenmittelgrundlage für derartige Umsätze unabhängig davon einheitlich berechnet wird, ob die Mitgliedstaaten von den Übergangsvorschriften Gebrauch gemacht haben . Umgekehrt sind die in Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b und Anhang F der Sechsten Richtlinie angezogenen Umsätze nach Artikel 9 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich, um den es hier geht, zu behandeln, als ob sie steuerpflichtig wären : Das entspricht dem, daß diese Umsätze nach der Sechsten Richtlinie steuerbar sind, und stellt wieder die Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Berechnung der Eigenmittelgrundlage her .

19 . Funktion des Artikels 9 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich ist es somit, die Wirkungen der vorübergehenden Befreiung der Umsätze nach Anhang F dadurch auszugleichen, daß der Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuereigenmittel die Mittel zugeführt werden, die sonst als Folge der Befreiung verloren wären, so daß das Ergebnis für die Mitgliedstaaten, die die vorübergehende Befreiung gewählt haben, und für diejenigen, die dies nicht getan haben, dasselbe ist . Dieses Ziel verlangt nur, der Bemessungsgrundlage den Betrag zuzuführen, der ihr zufiele, wären die Umsätze besteuert .

20 . Ist dieses Prinzip korrekt, so bleibt die Frage, wie es anzuwenden ist . Da Artikel 9 Absatz 2 auf eine hypothetische Gestaltung abstellt ( die Lage, die gegeben wäre, wenn diese Umsätze steuerpflichtig wären ), gibt es keine offensichtlich korrekte Methode für die Berechnung des Betrags, der der Berechnungsgrundlage zuzuführen ist . Wie schwierig eine Methode zu finden ist, die in etwa zum richtigen Ergebnis führt, zeigt der Umstand, daß die Bundesrepublik nacheinander drei unterschiedliche Berechnungsmethoden angewandt hat . Nach den Akten zog sie in den Jahren 1980 bis 1982 vom Wert der Fernmeldeumsätze der Bundespost einen Pauschalsatz von 13 % ab, von dem fingiert wurde, daß er dem Betrag der gezahlten Vorsteuer entspreche . 1983 wechselte sie zu der hier streitigen Methode und berichtigte gleichzeitig ihre Berechnungen für die Vergangenheit . 1987 schließlich entschied sie sich für eine dritte Berechnungsmethode, um das Element der "Steuer auf Steuer" im Wert der Umsätze zu eliminieren .

21 . Selbst wenn aber das Prinzip schwer zu erreichen ist, so bedeutet dies nicht, daß es nicht korrekt ist . Für mich steht jedenfalls fest, daß die von der Kommission vertretene Methode nicht akzeptiert werden kann . Nach dieser Methode kann der von der Bundespost als Teil der Erwerbskosten von Gegenständen und Dienstleistungen gezahlte Steuerbetrag in keiner Weise berücksichtigt werden . Da dieser Betrag ohne Recht auf Abzug im normalen Gang der Dinge an die Kunden der Bundespost weitergegeben wird, muß die Methode der Kommission zu einer spürbar höheren Bewertung der fraglichen Umsätze als in dem Fall führen, in dem diese Umsätze steuerpflichtig wären und das Recht auf Vorsteuerabzug bestuende . Die Methode der Kommission geht somit über das hinaus, was für die Zwecke der Wiederherstellung der einheitlichen Bemessungsgrundlage erforderlich ist, und ist insoweit mit dem dem Eigenmittelrecht zugrundeliegenden Ziel der Gleichbehandlung unvereinbar, als sie im Ergebnis Mitgliedstaaten bestraft, die die Befreiung nach Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie wählen .

22 . Der Methode der Bundesrepublik kann sicherlich entgegengehalten werden, sie unterstelle, daß die fraglichen Umsätze genau um den Betrag der gezahlten Vorsteuer verringert würden, wenn die Fernmeldeumsätze der Bundespost besteuert wären und diese ihr Recht auf Vorsteuerabzug ausüben könnte . Die Kommission weist zu Recht darauf hin, daß es praktisch nicht möglich ist, das Verhalten der Bundespost für den Fall einer Besteuerung ihrer Umsätze vorherzusagen; sie könnte sich auch dafür entscheiden, den Abzug nicht oder nur zum Teil an ihre Kunden weiterzugeben .

23 . Ungeachtet dieser Unsicherheit in der Berechnungsmethode der Bundesrepublik kommt diese wahrscheinlich einem richtigen Ergebnis näher als die Methode der Kommission, die die in den Umsätzen der Bundespost enthaltene Vorsteuer überhaupt nicht berücksichtigt . Jedoch braucht in diesem Verfahren nicht über eine bestimmte Methode entschieden zu werden . Die Feststellung genügt, daß der allgemeine Ansatz der Bundesrepublik richtig ist und daß die Kommission die Richtigkeit ihres Ansatzes nicht dartun konnte .

24 . Die Kommission bringt noch weitere Gesichtspunkte für ihre Berechnungsmethode und gegen diejenige der Bundesrepublik vor . So sei ihre Methode einfacher und leichter zu kontrollieren; sie führe auch zu einer höheren Bemessungsgrundlage ( und damit zu höheren Eigenmitteln ) als die andere Methode . Setzte sich die Methode der Bundesrepublik durch, so würden andere Mitgliedstaaten, die die Berechnungsmethode der Kommission auf Umsätze nach Anhang F angewandt hätten, wegen der dreijährigen Frist für die Berichtigung von Mehrwertsteuereigenmittelkonten nach Artikel 10 b der Verordnung Nr . 2892/77 ( eingefügt mit Artikel 9 der Verordnung Nr . 3625/83 des Rates, ABl . 1983, L 360, S . 1 ) gegenüber der Bundesrepublik einen bleibenden Nachteil erleiden . Das trifft aus praktischer Sicht sicherlich alles zu, muß aber hinter dem klaren Zweck des Eigenmittelrechts zurückstehen .

25 . Ich beantrage deshalb, die Klage abzuweisen und die Kommission in die Kosten zu verurteilen .

(*) Originalsprache : Englisch .