C-343/89 - Witzemann / Hauptzollamt München-Mitte

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EUR-Lex - 61989C0343 - DE

61989C0343

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 25. Oktober 1990. - MAX WITZEMANN GEGEN HAUPTZOLLAMT MUENCHEN-MITTE. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: FINANZGERICHT MUENCHEN - DEUTSCHLAND. - ZOELLE - EINFUHRUMSATZSTEUER- FALSCHGELD. - RECHTSSACHE C-343/89.

Sammlung der Rechtsprechung 1990 Seite I-04477
Schwedische Sonderausgabe Seite 00591
Finnische Sonderausgabe Seite 00615


Schlußanträge des Generalanwalts


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Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. Mit dieser Rechtssache hat der Gerichtshof sich aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Finanzgerichts München zu befassen. Es geht um die Frage, ob auf die Einfuhr von gefälschten Banknoten in einen Mitgliedstaat Zölle und Mehrwertsteuer erhoben werden können. Insoweit handelt es sich um einen weiteren Fall in einer Reihe von Verfahren, die darauf beruhen, daß deutsche und niederländische Behörden auf Transaktionen mit verbotenen Betäubungsmitteln Zölle und Mehrwertsteuer erheben wollten.

2. Der Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache ist einfach. Im Juni 1981 erwarb Max Witzemann in Italien Falschgeld im Nennwert von 300 000 USD. Er nahm es dann mit seinem Pkw in der Absicht nach Deutschland mit, es in München zu verkaufen. Er wurde in München festgenommen; die gefälschten Banknoten wurden beschlagnahmt. Drei Jahre später erließ das Hauptzollamt München-Mitte einen Steuerbescheid und forderte Witzemann auf, Zölle und Mehrwertsteuer auf die gefälschten Banknoten zu zahlen. Weder aus dem Vorlagebeschluß noch aus den nationalen Verfahrensakten geht hervor, auf welcher Grundlage die deutschen Behörden Zölle erheben wollten; möglicherweise waren sie der Auffassung, daß der Gemeinschaftsursprung der Waren nicht nachgewiesen sei. Ich möchte auf jeden Fall hervorheben, daß Zölle nur auf die Einfuhr von Waren aus Drittländern in das Zollgebiet der Gemeinschaft erhoben werden dürfen.

3. Witzemann focht den Steuerbescheid mit der Begründung an, dieser verstosse gegen die Artikel 9 und 12 bis 29 EWG-Vertrag. Er zitierte auch einige Urteile des Gerichtshofes, wonach Zölle und Mehrwertsteuer auf gesetzwidrige Transaktionen mit verbotenen Betäubungsmitteln nicht erhoben werden können. Er machte geltend, die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Betäubungsmitteln gelte in gleicher Weise für Falschgeld.

4. Das Finanzgericht München hat dem Gerichtshof folgende Frage vorgelegt:

Sind die Vorschriften des EWG-Vertrags (Artikel 3 Buchstabe b, Artikel 9 Absatz 1, Artikel 12 bis 29) und der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Artikel 2 Nr. 2) dahin auszulegen, daß ein Mitgliedstaat nicht berechtigt ist, Zoll und Einfuhrumsatzsteuer für illegal eingeführte Waren, deren Herstellung und Vertrieb - wie bei Falschgeld - in allen Mitgliedstaaten verboten ist, zu erheben?

5. Bevor ich versuche, diese Frage zu beantworten, werde ich die bisherige Rechtsprechung kurz zusammenfassen. In der Rechtssache 50/80 (Horvath/Hauptzollamt Hamburg-Jonas, Slg. 1981, 385) hat der Gerichtshof entschieden, daß

"ein Mitgliedstaat seit Einführung des Gemeinsamen Zolltarifs nicht mehr befugt ((ist)), Zölle auf eingeschmuggelte und nach ihrer Entdeckung vernichtete Betäubungsmittel zu erheben; es bleibt ihm jedoch unbenommen, die begangenen Zuwiderhandlungen strafrechtlich zu verfolgen und alle vom Strafrecht vorgesehenen Rechtsfolgen auch finanzieller Art zu verhängen."

6. In dieser Rechtssache waren die verbotenen Betäubungsmittel entdeckt und beschlagnahmt worden. Es dauerte nicht lange, bis sich das gleiche Problem in einem Fall ergab, in dem die illegale Einfuhr unentdeckt blieb, bis die Betäubungsmittel veräussert worden waren. Der Gerichtshof hat dennoch entschieden, daß der gleiche Grundsatz gelte und daß keine Zollschuld bei der Einfuhr von Betäubungsmitteln entstehe, die nicht Gegenstand des von den zuständigen Stellen streng überwachten Vertriebs zur Verwendung für medizinische und wissenschaftliche Zwecke seien, und daß dies unabhängig davon gelte, ob diese Betäubungsmittel entdeckt und unter Aufsicht dieser Stellen vernichtet würden oder ob sie deren Wachsamkeit entgingen (vgl. Rechtssache 221/81, Wolf/Hauptzollamt Düsseldorf, Slg. 1982, 3681, und Rechtssache 240/81, Einberger/Hauptzollamt Freiburg ("Einberger I"), Slg. 1982, 3699).

7. In der Rechtssache 294/82 (Einberger/Hauptzollamt Freiburg ("Einberger II"), Slg. 1984, 1177) hat der Gerichtshof entschieden, daß der gleiche Grundsatz für die Mehrwertsteuer gelte. Unerlaubte Einfuhren von Betäubungsmitteln stuenden zu den Bestimmungen der Sechsten Richtlinie (Richtlinie 77/388/EWG; ABl. L 145, S. 1) in keiner Beziehung und Artikel 2 dieser Richtlinie sei dahin auszulegen, daß bei der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in die Gemeinschaft keine Mehrwertsteuer erhoben werden könne.

8. Schließlich hat der Gerichtshof in der Rechtssache 269/86 (Mol/Inspecteur der Invörrechten en Accijnzen, Slg. 1988, 3627) und in der Rechtssache 289/86 (Happy Family/Inspecteur der Omzetbelasting, Slg. 1988, 3655) entschieden, daß innerstaatliche Lieferungen verbotener Betäubungsmittel ebenso wie Einfuhren nicht der Mehrwertsteuer unterlägen.

9. Aus dieser Zusammenfassung geht hervor, daß sich in den früheren Fällen eine natürliche Fortentwicklung zeigt. Der Gerichtshof hat zunächst entschieden, daß auf Einfuhren von verbotenen Betäubungsmitteln, die beschlagnahmt und vernichtet worden seien, keine Zölle erhoben werden könnten. Er hat dann entschieden, daß der gleiche Grundsatz für Betäubungsmittel gelte, die unentdeckt geblieben und daher nicht beschlagnahmt worden seien. Er hat anschließend entschieden, daß die für Zölle aufgestellte Regel auch für die Einfuhrumsatzsteuer gelte. Schließlich hat er entschieden, daß der gleiche Grundsatz für die Erhebung von Mehrwertsteuer auf innerstaatliche Lieferungen gelte. In all den oben genannten Rechtssachen ging es um verbotene Betäubungsmittel, aber auch hier hat es eine natürliche Fortentwicklung gegeben. In der Rechtssache Horvath war das in Frage stehende Betäubungsmittel Heroin, dessen Verkauf in allen Mitgliedstaaten verboten war; in der Rechtssache Happy Family war es Haschisch, dessen Verkauf zwar illegal war, von den nationalen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats aber tatsächlich geduldet wurde. Der Gerichtshof hat Versuche zurückgewiesen, zwischen "harten" und "weichen" Drogen zu unterscheiden, und hat die Auffassung vertreten, daß die oben genannten Grundsätze auf alle durch das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Suchtstoffe von 1961 erfassten verbotenen Betäubungsmittel Anwendung fänden (siehe Randnrn. 25 und 26 des Urteils in der Rechtssache Happy Family).

10. Die Frage, die sich in der vorliegenden Rechtssache stellt, geht dahin, ob die in Verbindung mit Betäubungsmitteln entwickelten Grundsätze auf Falschgeld ausgedehnt werden sollten. Natürlich könnte man in zahlreichen anderen Fällen in der gleichen Richtung vorgehen. Illegalität tritt in vielen Formen in Erscheinung und es gibt viele Erzeugnisse, mit denen entweder legal nicht gehandelt werden kann oder deren Handel bestimmten Beschränkungen unterliegt: Betäubungsmittel, Falschgeld, Waffen, Pornographie, die Felle bestimmter Tiere, Diebesgut usw. Nicht jede Transaktion, die den Makel der Illegalität trägt, wird steuerfrei sein. Ein Trennstrich muß zwischen Transaktionen auf der einen Seite gezogen werden, die so eindeutig ausserhalb der Sphäre einer legitimen wirtschaftlichen Tätigkeit liegen, daß sie nicht besteuert werden, sondern nur Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung sein können, und Transaktionen auf der anderen Seite, die zwar rechtswidrig sind, aber dennoch besteuert werden müssen, sei es auch nur, um im Rahmen der Steuerneutralität sicherzustellen, daß der Kriminelle nicht günstiger behandelt wird als der rechtmässig handelnde Wirtschaftsteilnehmer.

11. Nur die Kommission hat schriftliche Erklärungen eingereicht. Sie ist der Auffassung, die in der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den Betäubungsmitteln aufgestellten Grundsätze müssten in gleicher Weise auf Falschgeld Anwendung finden. Wie bei bestimmten Betäubungsmitteln bestehe für Falschgeld ein allgemeines Verbot. Darüber hinaus gebe es zwar einen rechtmässigen Handel mit Betäubungsmitteln wie Heroin (zu medizinischen und pharmazeutischen Zwecken), aber keinen derartigen Handel mit Falschgeld ausser vielleicht unter Sammlern in ganz beschränktem Ausmaß. Die Kommission führt jedoch aus, sie sei der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Betäubungsmitteln immer mit Vorbehalt begegnet, und trägt vor, in der Rechtssache Horvath sei sie dafür gewesen, Zölle auf verbotene Betäubungsmittel zu erheben. Die Kommission deutet jedoch nicht an, daß die Rechtsprechung des Gerichtshofes in Zweifel gezogen werden sollte.

12. Wie die Kommission ausführt, hat es seit der Entscheidung in den oben genannten Rechtssachen eine wichtige Änderung der Rechtsvorschriften gegeben. Die Verordnung (EWG) Nr. 2144/87 des Rates über die Zollschuld (ABl. L 201, S. 15) ist an die Stelle der Richtlinie 79/623/EWG des Rates (ABl. L 179, S. 31) getreten. Diese Verordnung ist am 1. Januar 1989 in Kraft getreten und galt natürlich zu der Zeit, zu der sich der Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache abspielte, nicht. Artikel 2 Absatz 2 bestimmt:

"Die Einfuhrzollschuld entsteht, selbst wenn sie Waren betrifft, für die Verbote oder Beschränkungen gleich welcher Art bei der Einfuhr bestehen.

Es entsteht jedoch keine Zollschuld, wenn Betäubungsmittel vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, jedoch nicht in den Wirtschaftskreislauf eingehen, der im Hinblick auf deren Verwendung zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken einer strengen Kontrolle durch die zuständigen Behörden unterliegt. Im Rahmen des auf Verstösse gegen Zollvorschriften anwendbaren Strafrechts gilt die Zollschuld jedoch als entstanden, wenn im Strafrecht eines Mitgliedstaats vorgesehen ist, daß die Zölle als Grundlage für die Verhängung von Strafmaßnahmen herangezogen werden oder daß aufgrund des Bestehens einer Zollschuld strafrechtliche Verfolgungen eingeleitet werden."

Ausserdem ist darauf hinzuweisen, daß eine Zollschuld nach Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung durch Einziehung der Ware erlischt. Dementsprechend hat der Gesetzgeber in bezug auf andere Waren als Betäubungsmittel innerhalb des Unterabsatzes 2 des Artikels 2 Absatz 2 eine Unterscheidung eingeführt, die der Gerichtshof in den Rechtssachen Wolf und Einberger I nicht vornehmen wollte: Solche Waren sind zollpflichtig, die Zollschuld erlischt aber durch Einziehung der Ware.

13. Artikel 2 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung legt einen allgemeinen Grundsatz fest; durch Unterabsatz 2 wird eine Ausnahmeregelung eingeführt, die im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes steht. Die Kommission führt aus, der zweite Unterabsatz in Artikel 2 Absatz 2 sei eingefügt worden, weil Zweifel daran bestanden hätten, ob die Rechtsprechung zu Betäubungsmitteln auf Primärrecht beruhe - in diesem Fall sei der Gesetzgeber durch sie gebunden gewesen - oder auf sekundären Rechtsquellen. Da die erste Möglichkeit nicht habe ausgeschlossen werden können, sei beschlossen worden, im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes stehende Rechtsvorschriften zu erlassen, obwohl die Kommission und einige Mitgliedstaaten eine andere Lösung vorgezogen hätten. Die Kommission trägt ausserdem vor, während des Verfahrens, das zum Erlaß der Verordnung geführt habe, habe niemand an die Falschgeldproblematik gedacht; hätte irgend jemand daran gedacht, so wäre Falschgeld ebenso behandelt worden wie verbotene Betäubungsmittel.

14. Die Kommission schlägt vor, die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu verbotenen Betäubungsmitteln auf Falschgeld auszudehnen, der Gerichtshof solle aber klarstellen, daß er seine Entscheidung auf sekundäre Rechtsquellen stütze, d. h. auf vom Gesetzgeber erlassene Rechtsvorschriften, und nicht auf den Vertrag selbst. Die auf die vorliegende Rechtssache anwendbaren Rechtsvorschriften wären der Gemeinsame Zolltarif, Artikel 2 der Richtlinie 79/623 (die Vorgängerin der Verordnung Nr. 2144/87) und, was die Mehrwertsteuer angeht, die Sechste Richtlinie. Es ist jedoch anzumerken, daß die Frist für die Durchführung der Richtlinie 79/623 erst am 1. Januar 1982 ablief, so daß zweifelhaft erscheint, ob sie auf die vorliegende Rechtssache anwendbar ist. Dies ist aber nicht von entscheidender Bedeutung, da die Frage, ob Zölle auf illegale Waren erhoben werden können, in der Richtlinie nicht ausdrücklich behandelt worden ist. In dieser Hinsicht besteht wohl kein wesentlicher Unterschied zwischen den in der vorliegenden Rechtssache anwendbaren Rechtsvorschriften und den in den oben genannten früheren Rechtssachen anwendbaren Rechtsvorschriften.

15. Zu Recht wirft die Kommission die Frage nach der Rechtsgrundlage der Rechtsprechung des Gerichtshofes auf. Es ist wichtig, daß die Legislative weiß, inwieweit es ihr freisteht, in diesem Bereich tätig zu werden. Die vorliegende Rechtssache bietet dem Gerichtshof eine günstige Gelegenheit, klarzustellen, ob seine Rechtsprechung auf den Vertrag selbst gestützt war und damit ausserhalb der Reichweite der Legislative liegt, oder ob sie sich auf sekundäre Rechtsquellen stützte und damit natürlich durch die Legislative geändert werden kann.

16. Das Urteil in der Rechtssache Horvath war hauptsächlich darauf gestützt, daß die im Gemeinsamen Zolltarif und in der Verordnung (EWG) Nr. 803/68 des Rates über den Zollwert der Waren (ABl. L 148, S. 6) niedergelegte Methode der Zollfestsetzung davon ausgeht, daß die eingeführten Erzeugnisse in Verkehr gebracht und in den Wirtschaftskreislauf aufgenommen werden können. Ausserdem war der Gerichtshof dadurch beeinflusst, daß die Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 über die Erstattung oder den Erlaß von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben (ABl. L 175, S. 1) die Erstattung der Abgaben vorsieht, wenn die Waren unter zollamtlicher Aufsicht vernichtet oder zerstört werden. Die einzige im Urteil in der Rechtssache Horvath erwähnte Vertragsbestimmung war Artikel 18 EWG-Vertrag, der meiner Ansicht nach nicht unmittelbar einschlägig ist.

17. In den Rechtssachen Wolf und Einberger I hat der Gerichtshof erneut auf die Verordnung Nr. 803/68 und auf die Präambel der Richtlinie 79/623 über die Zollschuld Bezug genommen. Die Hauptbegründung seiner Urteile besteht jedoch in folgender Feststellung:

"Die ... Einführung des Gemeinsamen Zolltarifs erfolgte im Hinblick auf die Ziele der Gemeinschaft nach Artikel 2 ((des Vertrages)) und unter Berücksichtigung der Leitlinien, die Artikel 29 für die Verwaltung der Zollunion aufstellt. Einfuhren von Betäubungsmitteln in die Gemeinschaft, die nur Anlaß zu Strafverfolgungsmaßnahmen geben können, stehen zu diesen Zielen und Leitlinien in keinerlei Beziehung."

18. Die Entscheidung in der Rechtssache Einberger II war vorgeblich auf eine Auslegung der Sechsten Richtlinie gestützt, dahinter stand aber wohl das Bemühen des Gerichtshofes darum, sicherzustellen, daß für Mehrwertsteuer auf Einfuhren der gleiche Grundsatz galt, den er für Zölle aufgestellt hatte. Der Gerichtshof empfand ganz deutlich, daß es unlogisch wäre, unterschiedliche Grundsätze auf zwei Abgaben anzuwenden, die "vergleichbare Merkmale" aufweisen (siehe Randnr. 18 des Urteils). Der Gerichtshof hat die Formulierung in den Urteilen Wolf und Einberger I wiederholt und entschieden, daß

"unerlaubte Einfuhren von Betäubungsmitteln in die Gemeinschaft, die nur Anlaß zu Strafverfolgungsmaßnahmen geben können, zu den Bestimmungen der Sechsten Richtlinie über die Definition der Bemessungsgrundlage und somit zum Entstehen einer Umsatzsteuerschuld in keinerlei Beziehung stehen" (Randnr. 20).

19. In den Rechtssachen Mol und Happy Family hat der Gerichtshof anerkannt, daß diese Argumentation auch für die Erhebung von Mehrwertsteuer auf innerstaatliche Transaktionen gilt (Urteil Mol, Randnr. 16; Urteil Happy Family, Randnr. 18). Der Gerichtshof hat in den Rechtssachen Mol und Happy Family ausserdem festgestellt, daß die Sechste Richtlinie auf die Artikel 99 und 100 EWG-Vertrag gestützt sei und daß ihr die Ziel die Harmonisierung bzw. Angleichung des Umsatzsteuerrechts der Mitgliedstaaten "im Interesse des Gemeinsamen Marktes" sei (Urteil Mol, Randnr. 14; Urteil Happy Family, Randnr. 16). Der Gerichtshof hat offenbar gemerkt, daß es - wenn das Ziel der Harmonisierung des Umsatzsteuerrechts darin besteht, den freien Warenverkehr zu erleichtern - unlogisch ist, Mehrwertsteuer auf eine Art von Handel zu erheben, die nach dem Recht aller Mitgliedstaaten bekämpft werden soll.

20. Ich denke nicht, daß der Gerichtshof in irgendeinem der oben genannten Urteile jemals behaupten wollte, der Grundsatz, daß auf die Einfuhr oder den Verkauf von verbotenen Betäubungsmitteln Zölle oder Mehrwertsteuer nicht erhoben werden dürfen, sei unmittelbar aus dem EWG-Vertrag oder von irgendeinem allgemeinen Rechtsgrundsatz abgeleitet und könnte vom Gesetzgeber nicht geändert werden. Zugegebenermassen ist etwas unklar, worauf sich dieser Grundsatz wirklich stützt. Der Gerichtshof hat sowohl auf primäre als auch auf sekundäre Rechtsquellen Bezug genommen. Dabei ist er wie folgt vorgegangen: Die vom Gesetzgeber erlassenen Rechtsvorschriften schweigen in diesem Punkt; daher ist es notwendig, die Bestimmungen des Vertrages zu prüfen, auf die diese Rechtsvorschriften gestützt sind, und festzustellen, ob sich aus ihnen Hinweise ergeben. Dies ist natürlich eine sachgerechte Auslegungstechnik, dabei gibt es aber keinen Grund für die Annahme, daß der Grundsatz, zu dem man auf diese Weise gelangt, auf einer unmittelbaren Auslegung des Vertrages beruht, die für den Gesetzgeber bindend ist und nur durch eine Vertragsergänzung geändert werden kann. Ausserdem lässt sich meiner Ansicht nach nicht behaupten, daß es einen fundamentalen Rechtsgrundsatz gibt, wonach die Besteuerung von illegalen Transaktionen ausgeschlossen ist. Ich bin daher der Auffassung, daß es dem Gemeinschaftsgesetzgeber freisteht, auf diesem Gebiet tätig zu werden und, wenn er dieses wünscht, zu bestimmen, daß auf Betäubungsmittel und andere verbotene Erzeugnisse Zölle und Mehrwertsteuer zu erheben sind.

21. Was die Frage angeht, ob die auf den Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache anwendbaren Rechtsvorschriften dahin auszulegen sind, daß sie die Erhebung von Zöllen und Mehrwertsteuer auf die Einfuhr von Falschgeld verbieten, habe ich keinen Zweifel, daß die Grundsätze, die der Gerichtshof in bezug auf Betäubungsmittel aufgestellt hat, vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2144/87 auch für Falschgeld galten.

22. Es trifft zu, daß der Gerichtshof stets anerkannt hat, daß nicht alle verbotenen Waren gleich zu behandeln sind (siehe Randnr. 9 des Urteils in der Rechtssache Horvath). Im vorliegenden Verfahren hat die Kommission zu Recht ausgeführt, daß der Katalog der verbotenen Erzeugnisse sich von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheidet und daß die einheitliche Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs und der Sechsten Richtlinie gefährdet würde, wenn jeder Mitgliedstaat davon absähe, Zölle und Mehrwertsteuer auf die einzelnen Erzeugnisse zu erheben, die nach seinen eigenen Rechtsvorschriften zufällig verboten sind. Aus diesem Grund frage ich mich, ob die Grundsätze, die der Gerichtshof in bezug auf Betäubungsmittel aufgestellt hat, auf Geschäfte angewendet werden sollten, die gegen nationale Rechtsvorschriften über - zum Beispiel - Handel mit Schußwaffen, Pornographie oder Tierfellen verstossen. Solche Rechtsvorschriften unterscheiden sich erheblich von einem Mitgliedstaat zum anderen. Ausserdem gibt es normalerweise einen legalen Handel mit derartigen Erzeugnissen, der sich nicht eindeutig von dem illegalen Handel unterscheiden lässt. Zum Beispiel kann eine Schußwaffe des gleichen Typs von einem zugelassenen Händler legal und von einem Schwarzmarktlieferanten illegal gekauft und verkauft werden. Es wäre unlogisch, würde man dem letztgenannten einen steuerlichen Vorteil einräumen.

23. Derartige Überlegungen gelten jedoch nicht für Falschgeld, das einem Verbot unterliegt, das mindestens so umfassend und grundsätzlich ist wie das für Betäubungsmittel geltende Verbot. Wie Betäubungsmittel ist Falschgeld Gegenstand eines internationalen Abkommens, nämlich des Internationalen Abkommens zur Bekämpfung der Falschmünzerei (Leagü of Nations Treaty Series, Bd. 112, S. 371). Dieses Abkommen ist bindend für alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Luxemburg, das das Abkommen zwar ursprünglich unterzeichnet, es aber nicht ratifiziert hat. Dennoch ist es nach luxemburgischem Recht strafbar, gefälschte Banknoten einschließlich ausländischer Banknoten herzustellen oder in Umlauf zu bringen (Artikel 173 bis 178 des Strafgesetzbuches). Da das Abkommen von allen Mitgliedstaaten zumindest unterzeichnet worden ist, ist die Lage in der vorliegenden Rechtssache anders als in der Rechtssache Mol, in der der in Frage stehende Vertrag, das Übereinkommen von 1971 über psychotrope Stoffe, von einigen Mitgliedstaaten nicht unterzeichnet worden war und daher nach dem Urteil (Randnr. 24) nicht als Grundlage für die Auslegung des Gemeinschaftsrechts dienen konnte.

24. Unter einigen Gesichtspunkten sind die Argumente dafür, Falschgeld vom Geltungsbereich des Gemeinsamen Zolltarifs und der Sechsten Richtlinie auszunehmen, sogar stärker als bei verbotenen Betäubungsmitteln. Während bestimmte Betäubungsmittel, die gegenwärtig in allen Mitgliedstaaten verboten sind, eines Tages in einigen Mitgliedstaaten legalisiert werden könnten, ist kaum vorstellbar, daß das Verbot für Falschgeld jemals gelockert werden wird. Ausserdem gibt es zwar einen legalen Handel mit Betäubungsmitteln wie Heroin für medizinische und pharmazeutische Zwecke, aber keinen solchen Handel mit Falschgeld. Die Kommission nennt die Möglichkeit, daß gefälschte Banknoten als Sammlerstücke gehandelt werden, aber selbst das ist nach den Bestimmungen des oben genannten Internationalen Abkommens, wonach Falschgeld einzuziehen und auf entsprechendes Ersuchen an die Ausgabebank, um deren Geld es sich handelt, herauszugeben ist, wohl ausgeschlossen.

25. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Überlegungen, von denen der Gerichtshof sich bei seiner Rechtsprechung zu Betäubungsmitteln hat leiten lassen, auch für Falschgeld gelten und daß die einschlägigen Rechtsvorschriften vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2144/87 dahin auszulegen waren, daß sie die Erhebung von Zöllen und von Mehrwertsteuer auf die Einfuhr von Falschgeld ausschlossen.

26. Die Frage, ob die Einfuhr von Falschgeld nach dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2144/87 zum Entstehen einer Zollschuld führt, braucht natürlich im vorliegenden Verfahren nicht beantwortet zu werden. Im Interesse der Rechtssicherheit ist es jedoch vielleicht nützlich, die Frage zu prüfen.

27. Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2144/87 bestimmt:

"Die Einfuhrzollschuld entsteht, selbst wenn sie Waren betrifft, für die Verbote oder Beschränkungen gleich welcher Art bei der Einfuhr bestehen."

Es wird dann eine Ausnahme gemacht für "Betäubungsmittel ..., ((die)) nicht in den Wirtschaftskreislauf eingehen, der im Hinblick auf deren Verwendung zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken einer strengen Kontrolle durch die zuständigen Behörden unterliegt". Die Kommission hat zumindest in ihren schriftlichen Erklärungen die Ansicht vertreten, diese Ausnahmeregelung könne analog auch auf Falschgeld angewendet werden, da der Gesetzgeber für Falschgeld eine ähnliche Regelung vorgesehen hätte, wenn an diese Materie gedacht worden wäre.

28. In diesem Punkt kann ich der Kommission nicht zustimmen. Der Wortlaut des Artikels 2 Absatz 2 ist vollkommen klar und ich sehe nicht ein, warum man ihm mit Gewalt eine Bedeutung beilegen sollte, die er nicht haben kann. Es ist nicht die Aufgabe des Gerichtshofes, Unterlassungen des Gesetzgebers zu korrigieren oder darüber zu spekulieren, welche Vorschrift der Gesetzgeber erlassen hätte, wenn er an eine bestimmte Materie gedacht hätte, die offensichtlich seiner Aufmerksamkeit entgangen ist. Ausserdem gibt es im Bereich des Zollrechts, in dem Rechtssicherheit ganz besonders notwendig ist, keine Grundlage dafür, Rechtsvorschriften im Wege der Analogie in der von der Kommission vorgeschlagenen Art und Weise weit auszulegen. Ich komme daher zu dem Ergebnis, daß nach dem Inkrafttreten der Verordnung auf die Einfuhr von Falschgeld in das Zollgebiet der Gemeinschaft Zölle zu zahlen sind. Gleichzeitig bin ich der Auffassung, daß es hilfreich wäre, wenn der Gerichtshof in seiner Entscheidung feststellte, daß seine Rechtsprechung zu Betäubungsmitteln sich nur bis zum Inkrafttreten der Verordnung auf Falschgeld erstreckte; dies wird klarstellen, daß die Rechtsprechung nicht auf einen höherrangigen Rechtsgrundsatz gestützt war, sondern vom Gesetzgeber durch den Erlaß von Rechtsvorschriften geändert werden konnte.

29. Eine letzte Frage, die sich ergibt (auch wenn sie wiederum in der vorliegenden Rechtssache nicht beantwortet zu werden braucht), besteht darin, ob die Verbindung zwischen Zöllen und Mehrwertsteuer auf Einfuhren so eng ist, daß die Einfuhr von Falschgeld seit dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2144/87 nicht nur Zöllen, sondern auch der Mehrwertsteuer unterliegt. Es lässt sich geltend machen, daß Mehrwertsteuer immer dann zahlbar ist, wenn eine Zollschuld entstanden ist. Wie der Gerichtshof im Urteil in der Rechtssache Einberger II ausgeführt hat, ermächtigt Artikel 10 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie die Mitgliedstaaten, den Steuertatbestand und die Entstehung des Steueranspruchs mit dem Tatbestand und der Entstehung des Anspruchs bei Zöllen zu verknüpfen. Artikel 10 betrifft jedoch meiner Ansicht nach nur den Zeitpunkt, zu dem die Mehrwertsteuerpflicht entsteht; er betrifft nicht die Frage, ob die Pflicht besteht oder nicht. Ausserdem ermächtigt Artikel 10 Absatz 3 die Mitgliedstaaten lediglich, die Mehrwertsteuer zu diesem Zweck mit den Zöllen zu verknüpfen; er verpflichtet sie nicht dazu. Ich denke nicht, daß die Sechste Richtlinie eine absolute Verknüpfung zwischen Zollschuld und Mehrwertsteuerpflicht herstellt. Der vom Gerichtshof in der Rechtssache Einberger II aufgestellte Grundsatz, wonach Einfuhren von verbotenen Betäubungsmitteln vom Geltungsbereich der Sechsten Richtlinie ausgeschlossen sind, ist in gleicher Weise auf Falschgeld anwendbar und gilt weiterhin trotz des Umstandes, daß die Verordnung Nr. 2144/87 die Einfuhr von Falschgeld zollpflichtig gemacht hat. Wenn der Gesetzgeber der Auffassung ist, daß dies im Ergebnis zu einer unannehmbaren Anomalie im Verhältnis zwischen Zöllen und Mehrwertsteuer führt, dann kann die Abhilfe nur darin bestehen, die Rechtsvorschriften zu ändern.

30. Ich komme zu dem Ergebnis, daß die Frage, die das Finanzgericht München dem Gerichtshof vorgelegt hat, wie folgt beantwortet werden sollte:

"Nach den gemeinschaftsrechtlichen Zollvorschriften, die bis zum 1. Januar 1989 galten, als die Verordnung (EWG) Nr. 2144/87 des Rates in Kraft trat, führte die rechtswidrige Einfuhr von Falschgeld in das Zollgebiet der Gemeinschaft nicht zum Entstehen einer Zollschuld.

Die Vorschriften der Sechsten Richtlinie des Rates (77/388/EWG) zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umatzsteuern sind dahin auszulegen, daß die rechtswidrige Einfuhr von Falschgeld in einen Mitgliedstaat nicht der Mehrwertsteuer unterliegt."

(*) Originalsprache: Englisch.