C-200/90 - Dansk Denkavit and Poulsen Trading v Skatteministeriet

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EUR-Lex - 61990C0200 - DE

61990C0200

Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro vom 30. Januar 1992. - DANSK DENKAVIT APS UND P. POULSEN TRADING APS, UNTERSTUETZT DURCH MONSANTO-SEARLE A/S GEGEN SKATTEMINISTERIET. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: OESTRE LANDSRET - DAENEMARK. - ARTIKEL 33 DER SECHSTEN MEHRWERTSTEUERRICHTLINIE - UNMITTELBARE WIRKUNG - UMSATZSTEUER - GESETZ UEBER DIE ARBEITSMARKTABGABE. - RECHTSSACHE C-200/90.

Sammlung der Rechtsprechung 1992 Seite I-02217
Schwedische Sonderausgabe Seite I-00013
Finnische Sonderausgabe Seite I-00043


Schlußanträge des Generalanwalts


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Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. Das nationale Gericht legt vier Fragen nach der Auslegung von Artikel 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie (1) und der Artikel 9 ff. sowie 95 EWG-Vetrag vor.

Diese Fragen stellen sich im Verfahren zur Entscheidung über die Klagen zweier dänischer Unternehmen auf Erstattung der vom Königreich Dänemark durch das Gesetz Nr. 840 vom 18. Dezember 1987 eingeführten Abgabe.

2. Die fragliche Abgabe, die als "Arbeitsmarktabgabe" bezeichnet wird, wurde eingeführt, um den Verlust an Einnahmen auszugleichen, der dem Staatshaushalt durch Maßnahmen zur staatlichen Finanzierung von Sozialleistungen entstand, die zum Zweck der Wiederherstellung der - vor allem äusseren - Wettbewerbsfähigkeit der dänischen Unternehmen erlassen worden waren.

Wie sich aus dem Vorlagebeschluß ergibt, weist die Arbeitsmarktabgabe folgende Merkmale auf.

Sie findet Anwendung auf den Verkauf von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungen, die der Mehrwertsteuer unterliegen, sowie eine Reihe von Tätigkeiten, die von der Mehrwertsteuer befreit sind (zu denen insbesondere die Bank- und Versicherungsdienstleistungen gehören).

Bei mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen wird die Besteuerungsgrundlage nach den gleichen Regeln bestimmt, wie sie für die Mehrwertsteuer gelten. Der Grundsatz des Vorsteuerabzugs ist also anwendbar.

Bei den von der Mehrwertsteuer befreiten Unternehmen wird der Steuersatz, wenn möglich, nach dem Wert der Verkäufe abzueglich des Werts der Käufe festgesetzt; in den anderen Fällen wird sie pauschal durch einen Aufschlag von 90 % auf die Gesamtlohnsumme des Unternehmens festgesetzt.

Der Satz der Arbeitsmarktabgabe beträgt 2,5 % der Besteuerungsgrundlage.

Im Unterschied zur Mehrwertsteuer wird die Arbeitsmarktabgabe nicht bei Einfuhren entrichtet, sondern beim anschließenden Inverkehrbringen durch die Einfuhrunternehmen. Da die Einfuhren der Arbeitsmarktabgabe nicht unterliegen, erfolgt beim ersten Inverkehrbringen der eingeführten Waren kein Abzug.

Die Arbeitsmarktabgabe wird nicht gesondert in Rechnung gestellt.

3. Die erste Frage des vorlegenden Gerichts betrifft die Vereinbarkeit der Arbeitsmarktabgabe mit Artikel 33 der Sechsten Richtlinie. Ich möchte bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß die Kommission eine Klage wegen Vertragsverletzung erhoben hat, in der es um dieselbe Frage geht; sie ist zur Zeit beim Gerichtshof anhängig (es handelt sich um die Rechtssache C-234/91).

4. Artikel 33, der zu Abschnitt XVIII, "Verschiedene Vorschriften", gehört, lautet:

"Unbeschadet anderer Gemeinschaftsbestimmungen hindern die Bestimmungen dieser Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen."

5. Aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt sich, daß Artikel 33 es zwar den Mitgliedstaaten in Ausübung ihrer Steuerhoheit erlaubt, die Mehrwertsteuer mit anderen Steuern, Abgaben und Gebühren zu kumulieren (vgl. Urteil vom 8. Juli 1986 in der Rechtssache 73/85, Kerrut, Slg. 1986, 2219), jedoch die Einführung von Abgaben mit dem "Charakter von Umsatzsteuern" ausdrücklich verbietet.

Nach ständiger Rechtsprechung (Urteile vom 27. November 1985 in der Rechtssache 295/84, Rousseau Wilmot, Slg. 1985, 3759, und vom 13. Juli 1989 in den verbundenen Rechtssachen 93/88 und 94/88, Wisselink, Slg. 1989, 2671) ist bei der Ermittlung der Bedeutung dieses Verbots die Funktion von Artikel 33 im Rahmen des harmonisierten Umsatzsteuersystems in der Form des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu berücksichtigen.

Wie sich bereits aus der Ersten Mehrwertsteuerrichtlinie ergibt (2) hat sich die in diesem Bereich verwirklichte Harmonisierung die Beseitigung der kumulativen Mehrphasensteuersysteme und die Annahme eines gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch alle Mitgliedstaaten zum Ziel gesetzt (vierte Begründungserwägung). Diese harmonisierte Regelung soll insbesondere gleiche Besteuerungsbedingungen für ein einzelnes Geschäft ohne Rücksicht auf den Mitgliedstaat, in dem es vorgenommen wird, schaffen (Urteil vom 3. März 1988 in der Rechtssache 252/86, Bergandi, Slg. 1988, 1343).

Im Hinblick auf dieses Ziel bestimmen die Erste und die Zweite Mehrwertsteuerrichtlinie (3), daß die Mitgliedstaaten ihre Umsatzsteuerregelung durch das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ersetzen.

In diesem Zusammenhang betrachtet soll Artikel 33 gerade das ordnungsgemässe Funktionieren des gemeinsamen Systems dadurch gewährleisten, daß es den Mitgliedstaaten, denen gleichzeitig die Befugnis zur Einführung anderer Abgaben als der Mehrwertsteuer verliehen wird, einseitig Abgaben, die den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten und einzuführen, die die Mehrwertsteuer überlagern und dabei die Einheitlichkeit des Systems beeinträchtigen.

Daß dies der Regelungszweck des Artikels 33 ist, ergibt sich eindeutig aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes. Im Urteil Rousseau Wilmot hat der Gerichtshof nämlich ausgeführt, daß die fragliche Bestimmung den Mitgliedstaaten die Befugnis zur Beibehaltung oder Einführung bestimmter indirekter Abgaben, wie z. B. von Verbrauchsteuern, belässt, sofern es sich dabei nicht um Abgaben handelt, "die ... den Charakter von Umsatzsteuern haben" und daß sie verhindern soll, daß das Funktionieren des Gemeinsamen Mehrwertsteuersteuersystems durch steuerliche Maßnahmen eines Mitgliedstaats beeinträchtigt wird, die den Waren- und Dienstleistungsverkehr belasten und kommerzielle Umsätze in der die Mehrwertsteuer kennzeichnenden Art und Weise erfassen.

Ähnlich hat sich der Gerichtshof im Urteil Bergandi ausgedrückt; er hat in diesem Urteil ausgeführt, daß Artikel 33 so auszulegen ist, daß die Mitgliedstaaten von der Einführung des Gemeinsamen Mehrwertsteuersystems an nicht mehr befugt sind, Lieferungen von Gegenständen, Dienstleistungen und Einfuhren, die mehrwertsteuerpflichtig sind, mit Steuern, Abgaben oder Gebühren zu belegen, die den Charakter von Umsatzsteuern haben.

6. Wenn ich jetzt die Bedeutung von Artikel 33 untersuche, muß ich zunächst darauf hinweisen, daß diese Bestimmung den Begriff einer Abgabe, die den "Charakter von Umsatzsteuern" hat, nicht definiert.

Es versteht sich von selbst, daß - wie der Gerichtshof im Urteil Bergandi festgestellt hat - der genannte Begriff Gemeinschaftscharakter hat, da er der Verwirklichung der Zielsetzung des Artikels 33 dient, die volle Wirksamkeit des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems sicherzustellen.

Dieses System beruht nach Artikel 2 der Ersten Richtlinie auf dem Grundsatz, daß auf Gegenstände und Dienstleistungen bis zur Einzelhandelsstufe einschließlich, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine, zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist. Jedoch wird bei allen Umsätzen die Mehrwertsteuer nur abzueglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat. Der Mechanismus des Vorsteuerabzugs ist durch Artikel 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie so ausgestaltet, daß die Steuerpflichtigen befugt sind, von der von ihnen geschuldeten Mehrwertsteuer die Mehrwertsteuer abzuziehen, mit der die Gegenstände bereits vorher belastet worden sind (Urteile Rousseau Wilmot, Bergandi und Wisselink, a. a. O., und zuletzt das Urteil vom 19. März 1991 in der Rechtssache C-109/90, Giant, Slg. 1991, I-1385).

Im Lichte dieses Regelungszusammenhangs hat der Gerichtshof bis jetzt die Ansicht vertreten, daß der Begriff einer Steuer mit dem "Charakter von Umsatzsteuern" im wesentlichen anhand dreier Kriterien zu definieren ist (vgl. Urteil Giant):

- die Allgemeinheit der Steuer, d. h., sie wird grundsätzlich bei allen Umsätzen erhoben, die die Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen zum Geegenstand haben;

- die Erhebung der Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe;

- die Beeinflussung nur des Mehrwerts, der nach Abzug der auf der vorhergehenden Stufe entrichteten Steuer verbleibt.

7. Die streitige Arbeitsmarktabgabe entspricht den drei von der Rechtsprechung vorgezeichneten Abgrenzungsmerkmalen völlig. Erstens stellt sie sich eindeutig als allgemeine Steuer dar, die bei Verkäufen von Gegenständen und Dienstleistungen erhoben wird. Ihr Anwendungsbereich erweist sich sogar als noch grösser als der Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer selbst, da sie sich auf von der Mehrwertsteuer befreite Tätigkeitszweige erstreckt. Der Umstand, daß bei Einfuhren keine Abgabe erhoben wird, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, da die eingeführten Waren gleichwohl auf jeder nachfolgenden Vertriebsstufe mit der Abgabe belegt werden.

Zweitens stellt die Arbeitsmarktabgabe nach dem Vorbringen der dänischen Regierung selbst eine "Kaskaden"-Steuer auf den Umsatz dar, die auf jeder Stufe der Vertriebskette erhoben wird und deren Besteuerungsgrundlage sich wie die Besteuerungsgrundlage der Mehrwertsteuer nach den von den betroffenen Unternehmen erzielten Gewinnen bestimmt. Zu dem Umstand, daß sich die Arbeitsmarktabgabe in bestimmten Fällen nach einem pauschalen Kriterium (nämlich nach der Gesamtlohnsumme zuzueglich eines bestimmten prozentualen Zuschlags) bestimmt, sei gesagt, daß dieses Kriterium jedenfalls dem vermuteten Betrag der Gewinne des betreffenden Unternehmens entspricht, und daß, wie der Gerichtshof insbesondere im Urteil Bergandi bestätigt hat, einer pauschalen Steuer der Charakter einer Umsatzsteuer im Sinne von Artikel 33 zuerkannt werden kann, wenn der Steuersatz - wie gerade im vorliegenden Fall - aufgrund einer objektiven Bewertung der voraussehbaren Einnahmen des Unternehmens festgelegt wurde.

Drittens ist es ebenfalls klar, daß die Arbeitsmarktabgabe nur den Mehrwert auf allen Umsatzstufen trifft, da bei jedem Umsatz die geschuldete Steuer grundsätzlich unter Abzug der auf der vorhergehenden Stufe entrichteten Steuer berechnet wird.

Aufgrund dieser Erwägungen dürfte die streitige Arbeitsmarktabgabe rechtlich als Umsatzsteuer im Sinne von Artikel 33 des Sechsten Richtlinie zu qualifizieren sein.

8. Meines Erachtens wird dieses Ergebnis durch die Einwände der dänischen Regierung nicht entkräftet.

Das erste Argument der dänischen Regierung betrifft die Auslegung von Artikel 33. Die Bestimmung soll nur Steuern verbieten, die zu einer Wettbewerbsverzerrung führten oder die das gemeinsame Mehrwertsteuersystem entweder dadurch beeinträchtigten, daß sie ganz oder teilweise an dessen Stelle träten, oder dadurch, daß sie die Einzelheiten seines Funktionierens beeinflussten. Hingegen verbiete Artikel 33 nicht die blosse Einführung von "Kaskaden"-Umsatzsteuern, die ähnliche Merkmale wie das Mehrwertsteuersystem aufwiesen.

Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen, weil es auf eine falsche Auslegung von Artikel 33 gestützt ist.

Die Bedeutung des durch diese Bestimmung ausgesprochenen Verbots beschränkt sich nämlich nicht auf Steuern, die die Mehrwertsteuer verzerren oder an ihre Stelle treten und die im übrigen in jedem Fall mit dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem auch dann unvereinbar wären, wenn es Artikel 33 nicht gäbe. Im Gegenteil, wie sich eindeutig aus der angeführten Rechtsprechung - insbesondere aus den Urteilen Rousseau Wilmot und Bergandi - ergibt, verbietet Artikel 33 jede Kumulierung der Mehrwertsteuer und nationaler Steuern, die wie die streitige Abgabe "den Waren- und Dienstleistungsverkehr belasten und kommerzielle Umsätze in einer die Mehrwertsteuer kennzeichnenden Art und Weise erfassen".

In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, daß die Funktion als Antikumulierungsvorschrift, die Artikel 33 im Rahmen des gemeinsamen Systems hat, in Zukunft wachsende Bedeutung haben wird. Im Zuge der Verwirklichung der Harmonisierung der Mehrwertsteuersätze würde nämlich die Beibehaltung nationaler Steuern, die der Mehrwertsteuer im wesentlichen gleichen, zur Anwendung eines anderen Steuersatzes führen, der zu den gemeinsamen Steuersätzen hinzukäme und auf diese Weise eine Umgehung des harmonisierten Systems ermöglichte.

Ferner sei auch darauf hingewiesen, daß die fragliche Arbeitsmarktabgabe zwar bei Umsätzen in gleicher Weise wie die Mehrwertsteuer erhoben wird, jedoch ausschließlich durch nationale Vorschriften geregelt ist und daß letztere nicht mit den Bestimmungen des gemeinsamen Systems übereinstimmen, was beispielsweise die Anzahl der von der Steuer befreiten Tätigkeiten angeht. Diese möglichen Regelungsunterschiede zwischen zwei Steuern, von denen die eine eine Gemeinschafts-, die andere eine nationale Steuer ist, die jedoch beide von gleicher Art sind und nach den gleichen Einzelheiten die gleichen Umsätze beeinflussen, zeigen, daß die Überlagerung von Mehrwertsteuer und vergleichbaren nationalen Steuern die Einheitlichkeit des Funktionierens des gemeinsamen Systems sehr wohl beeinflusst.

Zweitens bestreitet die dänische Regierung, daß die streitige Abgabe die Merkmale der Mehrwertsteuer aufweise, wenn die angeführten Regelungsunterschiede zwischen beiden Steuern berücksichtigt würden.

Ich habe diesen Einwand bereits in Nr. 7 meiner Schlussanträge widerlegt. Ich möchte mich hierauf beschränken, schematisch folgendes hinzuzufügen:

- Die dänische Regierung räumt ein, daß anstelle der Arbeitsmarktabgabe einfach der Mehrwertsteuersatz hätte erhöht werden können; im übrigen hat sie am Tag vor der mündlichen Verhandlung einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Arbeitsmarktabgabe durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ersetzt, und die Auswechselbarkeit der beiden Regelungen bestätigt ihre Vergleichbarkeit.

- Nur wirtschaftliche Erwägungen (die im wesentlichen darauf beruhen, daß eine nicht gesondert in Rechnung gestellte Steuer angeblich geringeren Einfluß auf die Preise ausübe) hätten im maßgebenden Zeitpunkt dazu geführt, daß die Regierung der Einführung der Arbeitsmarktabgabe gegenüber einer Erhöhung der Mehrwertsteuer den Vorzug gegeben habe; es ist aber offensichtlich und wird im übrigen durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes bestätigt, daß "die Gründe für die Einführung einer nationalen Steuer in das nationale Recht und die Umstände, unter denen sie erfolgt, ... keinen Einfluß auf den Charakter der Steuer unter dem Blickwinkel des Gemeinschaftsrechts haben [können]" (Urteil Wisselink).

- Der Umstand, daß die Arbeitsmarktabgabe nicht getrennt neben dem Preis in Rechnung gestellt wird, ist eine buchhalterische Entscheidung, die keinen Einfluß auf die Natur der Steuer hat, da die Arbeitsmarktabgabe, wie ich bereits ausgeführt habe, eine Kaskadensteuer darstellt, die nur den Mehrwert beeinflusst und letztlich beim Endverbraucher erhoben wird (von der Praxis her betrachtet hat die Einführung der Arbeitsmarktabgabe nur deshalb nicht zu einer entsprechenden Preiserhöhung geführt, weil die Regierung gleichzeitig mit der Einführung der Arbeitsmarktabgabe die Sozialleistungen, die von den Unternehmen zu tragen sind, und somit die Produktionskosten gesenkt hat).

9. Aufgrund dieser Erwägungen bin ich der Ansicht, daß Artikel 33 der Sechsten Richtlinie so auszulegen ist, daß er es verbietet, eine Steuer wie die "Arbeitsmarktabgabe", die Gegenstand der Ausgangsverfahren ist, einzuführen und beizubehalten.

10. Die zweite Vorlagefrage befasst sich mit der unmittelbaren Wirkung von Artikel 33. Ich habe bereits ausgeführt, daß diese Bestimmung ein absolutes Verbot der Einführung und Beibehaltung von der Mehrwertsteuer vergleichbaren Steuern aufstellt. Es handelt sich also um eine negative Verpflichtung, deren Inhalt genau und unbedingt ist und die unmittelbare Wirkung in den Rechtsbeziehungen zwischen den Staaten und den Bürgern entfaltet.

In diesem Sinn hat sich übrigens bereits Generalanwalt Mancini in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Bergandi ausgesprochen, und der Gerichtshof ist, so scheint es, seinem Vorschlag voll und ganz gefolgt, denn er hat entschieden, "daß Artikel 33 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, daß die Mitgliedstaaten von der Einführung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems an nicht mehr befugt sind, Lieferungen von Gegenständen, Dienstleistungen und Einfuhren, die mehrwertsteuerpflichtig sind, mit Steuern, Abgaben oder Gebühren zu belegen, die den Charakter von Umsatzsteuern haben".

11. Wegen der an dieser Stelle vertretenen Auslegung von Artikel 33 der Sechsten Richtlinie erübrigt sich die Prüfung der dritten und der vierten Frage des vorlegenden Gerichts nach der Anwendung der Artikel 9 ff. und 95 EWG-Vertrag. Ich möchte mich jedoch für den Fall, daß der Gerichtshof einer anderen Auslegung der Bestimmung der Richtlinie zuneigt, auf folgende Ausführungen beschränken.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes können die Artikel 9 ff. und 95 nicht nebeneinander Anwendung finden (vgl. für alle Urteil vom 22. März 1977 in der Rechtssache 78/76, Steinike und Weinlig, Slg. 1977, 595). Das wesentliche Kriterium für die Unterscheidung zwischen Abgaben mit gleicher Wirkung und diskriminierenden inländischen Abgaben besteht darin, daß erstere ausschließlich eingeführte Erzeugnisse treffen, während letztere sowohl auf eingeführte als auch auf einheimische Erzeugnisse erhoben werden (Urteil Steinike und Weinlig, a. a. O.).

Wie ich mehrfach hervorgehoben habe, wird die streitige Arbeitsmarktabgabe sowohl auf inländische als auch auf eingeführte Waren erhoben. Sie ist daher ausschließlich nach Artikel 95 EWG-Vertrag zu beurteilen.

In diesem Zusammenhang machen die Klägerinnen der Ausgangsverfahren geltend, daß die Arbeitsmarktabgabe eingeführte Erzeugnisse diskriminiere, da für diese die Besteuerungsgrundlage zum Teil anders als für Erzeugnisse inländischer Herstellung festgesetzt werde.

Der Gerichtshof hat bereits entschieden, daß eine Verletzung von Artikel 95 zu bejahen ist, "wenn die auf das eingeführte Erzeugnis erhobene Abgabe und die Belastung, die das gleichartige inländische Erzeugnis zu tragen hat, in verschiedener Weise und nach verschiedenen Bestimmungen berechnet werden mit dem Ergebnis, daß das eingeführte Erzeugnis - sei es auch nur in bestimmten Fällen - höher belastet wird" (Urteil vom 17. Februar 1976 in der Rechtssache 45/75, Rewe, Slg. 1976, 181).

Somit kann eine Steuerregelung nur dann als mit Artikel 95 vereinbar angesehen werden, wenn nachgewiesen ist, daß durch ihre Ausgestaltung ausgeschlossen wird, daß eingeführte Erzeugnisse in irgendeiner Weise diskriminiert werden können. Im Zusammenhang mit Steuerregelungen, die die Anwendung unterschiedlicher Kriterien für inländische und eingeführte Erzeugnisse vorsehen, hat der Gerichtshof ferner entschieden, daß in Fällen, in denen die Einzelheiten der Durchführung nicht offensichtlich sind, der Mitgliedstaat, der die Regelung eingeführt hat, beweisen muß, daß sie keinesfalls diskriminierende Wirkung hat (Urteil vom 26. Juni 1991 in der Rechtssache C-152/89, Kommission/Luxemburg, Slg. 1991, I-3141). Ich meine, daß diese Rechtsvermutung auch in einem nationalen Gerichtsverfahren gelten muß, bei dem es um die Anwendung von Artikel 95 geht.

Anhand dieser Grundsätze muß das nationale Gericht konkret prüfen, ob die Regelung der streitigen Arbeitsmarktabgabe so ausgestaltet ist, daß sie in jedem Fall eine Diskriminierung der eingeführten Erzeugnisse ausschließt. Diese Prüfung ist unter Beachtung des steuertechnischen Einflusses der Arbeitsmarktabgabe an sich und anderer Abgaben, insbesondere der Mehrwertsteuer, zu prüfen, deren Einfluß sich wegen des Vorhandenseins der Arbeitsmarktabgabe ändern kann.

12. Es bleibt schließlich ein letzter Punkt, der im Vorlagebeschluß nicht behandelt worden ist.

Die dänische Regierung beantragt, die zeitliche Wirkung des Urteils zu begrenzen, falls der Gerichtshof feststellen sollte, daß die streitige Arbeitsmarktabgabe mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sei.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf das verweisen, was ich bereits in der Rechtssache Karella und Karellas (verbundene Rechtssachen C-19/90 und C-20/90, Slg. 1991, I-2691) ausgeführt habe, als ich wiederholt habe, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes durch die Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die der Gerichtshof in Ausübung seiner Befugnisse aus Artikel 177 EWG-Vertrag vornimmt, erläutert und erforderlichenfalls verdeutlicht wird, in welchem Sinn und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, daß die Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor Erlaß des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, anwenden können und müssen, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschrift betreffenden Streit vorliegen (Urteile vom 27. März 1980 in der Rechtssache 61/79, Denkavit italiana, Slg. 1980, 1205, und in den verbundenen Rechtssachen 66/79, 127/79 und 128/79, Salumi, Slg. 1980, 1237).

In Anbetracht dieser Grundsätze kommt eine Beschränkung der Wirkung eines Auslegungsurteils nur ganz ausnahmsweise in Betracht (Urteile Denkavit italiana und Salumi, a. a. O.). Der Gerichtshof hat davon unter ganz bestimmten Umständen Gebrauch gemacht, nämlich dann, wenn die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Rückwirkungen bestand, insbesondere wegen der hohen Zahl von Rechtsverhältnissen, die in gutem Glauben aufgrund der als rechtsgültig in Kraft befindlich angesehenen Rechtsvorschriften begründet worden waren, und wenn Bürger und nationale Behörden wegen des Bestehens einer erheblichen objektiven Unsicherheit über die Tragweite der Gemeinschaftsbestimmungen, zu der möglicherweise das Verhalten anderer Mitgliedstaaten oder der Kommission selbst beigetragen hatte, zu einem Verhalten veranlasst worden waren, das den Gemeinschaftsvorschriften nicht entsprach (Urteile vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache C-262/88, Barber, Slg. 1990, 1889; vom 2. Februar 1988 in der Rechtssache 24/86, Blaizot, Slg. 1988, 379, und vom 8. April 1976 in der Rechtssache 43/75, Defrenne, Slg. 1976, 455).

Vor diesem Hintergrund komme ich zu dem Ergebnis, daß im vorliegenden Fall eine Beschränkung der Wirkungen des Urteils kategorisch auszuschließen ist.

Die Auslegung von Artikel 33 ist klar und wird durch eine umfangreiche und gleichlautende Rechtsprechung gestützt. Es konnte daher keine objektive Ungewißheit darüber bestehen, daß die Arbeitsmarktabgabe nach dieser Bestimmung verboten war.

Zum anderen teilte die Kommission der dänischen Regierung bereits wenige Tage nach Einführung der streitigen Arbeitsmarktabgabe mit, daß sie sie für mit Artikel 33 unvereinbar halte, und kündigte anschließend eine Klage wegen Vertragsverletzung nach Artikel 169 EWG-Vertrag an.

In bezug auf die finanziellen Konsequenzen, die sich für die dänische Regierung aus einer Feststellung der Rechtswidrigkeit der Arbeitsmarktabgabe ergeben könnten, sei darauf hingewiesen, daß dieser Umstand allein mit Sicherheit keine Beschränkung der Wirkungen des Urteils des Gerichtshofes rechtfertigt. Wäre es anders, bestuende die Gefahr, daß gerade die schwersten Rechtsverstösse begünstigt würden, da sie finanzielle Folgen von grosser Bedeutung für die Mitgliedstaaten haben können: Diese Lösung wäre abwegig und eindeutig nicht hinnehmbar.

Hinzu kommt, daß Rechtssachen, in denen es um die Rechtmässigkeit nationaler Steuern nach dem Gemeinschaftsrecht geht, häufig bedeutsame finanzielle Folgen in bezug auf die Erstattung nicht geschuldeter Abgaben haben können. Würde also eine Beschränkung der Wirkungen des Urteils nur unter Berücksichtigung des Umfangs dieser Auswirkungen erfolgen, so stuende dies nicht nur im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. z. B. Urteil vom 25. Mai 1989 in der Rechtssache 15/88, Maxi-Di, Slg. 1989, 1391, wo es um eine Steuer ging, deren finanzielle Bedeutung alles andere als geringfügig war), sondern auch einen gefährlichen Präzedenzfall darstellen, da dies zu einer wesentlichen Verringerung des gerichtlichen Schutzes der Rechte führen könnte, die die Steuerpflichtigen aus der gemeinschaftlichen Steuerregelung ableiten.

13. Ich schlage daher vor, dem nationalen Gericht wie folgt zu antworten:

1) Artikel 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie steht der Einführung und der Beibehaltung einer nationalen Abgabe wie der durch das dänische Gesetz Nr. 840 vom 18. Dezember 1987 eingeführten "Arbeitsmarktabgabe" entgegen.

2) Artikel 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie räumt dem einzelnen dadurch, daß er die Einführung und die Beibehaltung von Steuern, die den Charakter von Umsatzsteuern haben, verbietet, Rechte ein, die er vor den nationalen Gerichten geltend machen kann.

3) Eine nationale Abgabe wie die streitige Abgabe, die gleichzeitig inländische Erzeugnisse und eingeführte Erzeugnisse trifft, fällt nicht in den Anwendungsbereich der Artikel 9 ff. EWG-Vertrag.

4) Eine nationale Steuerregelung kann nur dann als vereinbar mit Artikel 95 EWG-Vertrag angesehen werden, wenn nachgewiesen ist, daß es ihrer Struktur nach in jedem Fall ausgeschlossen ist, daß die eingeführten Erzeugnisse diskriminiert werden können. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die Regelung der streitigen Abgabe so beschaffen ist, daß sie in allen Fällen eine Diskriminierung eingeführter Erzeugnisse ausschließt.

(*) Originalsprache: Italienisch.

(1) Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1).

(2) Erste Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (ABl. 71, S. 1301).

(3) Zweite Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11. April 1967 (ABl. 71, S. 1303).