C-281/91 - Muys' en De Winter's Bouw- en Aannemingsbedrijf / Staatssecretaris van Financiën

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EUR-Lex - 61991C0281 - DE

61991C0281

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 3. März 1993. - MUYS'EN DE WINTER'S BOUW- EN AANNEMINGSBEDRIJF BV GEGEN STAATSSECRETARIS VAN FINANCIEN. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: HOGE RAAD - NIEDERLANDE. - UMSATZSTEUERBERICHTIGUNG - SECHSTE MEHRWERTSTEUERRICHTLINIE. - RECHTSSACHE C-281/91.

Sammlung der Rechtsprechung 1993 Seite I-05405


Schlußanträge des Generalanwalts


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Herr Präsident,

meine Herren Richter!

1. In der vorliegenden Rechtssache ersucht der Hoge Raad der Nederlanden um eine Entscheidung über die Auslegung der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie (Richtlinie 77/388/EWG des Rates; ABl. 1977, L 145, S. 1). In diesem Fall stellt sich die Frage, ob, wenn ein Bauunternehmer mit einem Kunden einen Vertrag über die Lieferung eines Grundstücks und die Errichtung eines Gebäudes schließt, die von dem Kunden für den Aufschub der Zahlung des Kaufpreises für das Grundstück bis zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs geschuldeten Zinsen Teil des steuerbaren Entgelts für die Lieferung des Grundstücks sind oder ob das Entgelt für ein getrenntes Geschäft der Kreditgewährung darstellt, das gemäß Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreit ist.

2. In Artikel 13 Teil B der Sechsten Richtlinie ist folgendes bestimmt:

"Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Mißbräuchen festsetzen, von der Steuer:

...

d) ...

1. die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber".

3. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Muys' en De Winter' s Bouw- en Aannemingsbedrijf BV, ist ein Bauunternehmen in Rotterdam, das im Rahmen seines Geschäftsbetriebs "Kauf- und Bauverträge" mit Kunden abschließt. Aus dem Vorlagebeschluß geht hervor, daß die Verträge entweder über

die Lieferung einer Grundstücksparzelle und den Bau einer Wohnung (oder in bestimmten Fällen die Vollendung des Baus einer Wohnung) oder

den Bau eines in Appartements aufgeteilten Gebäudes und die Lieferung des dazugehörenden Grundstücks, verbunden mit dem Recht auf den ausschließlichen Gebrauch dieses Gebäudeteils zu Wohnzwecken, abgeschlossen werden.

4. Gemäß diesen Verträgen erfolgt die Zahlung der Vergütung für die Bauleistung in Raten, die entsprechend dem Fortschritt der Bauarbeiten fällig werden. Der Grundstückspreis wird entweder bei oder kurz nach Abschluß des Vertrages fällig, obwohl er manchmal in Raten zusammen mit der Vergütung für die Bauleistung zu zahlen ist. In den Verträgen wird dem Kunden das Recht eingeräumt, die Zahlung des für das Grundstück geschuldeten Betrages oder der Raten auf diesen Betrag bis zum Zeitpunkt des Übergangs des Eigentums an dem Grundstück und dem Gebäude an den Käufer aufzuschieben, wobei dieses Recht in der Regel an die Voraussetzung geknüpft ist, daß der Kunde 10 % des Gesamtpreises für das Grundstück und die Errichtung des Gebäudes bezahlt hat. In solchen Fällen muß der Käufer für den Betrag, dessen Zahlung aufgeschoben ist, Zinsen entrichten. Die Abmachungen über den Zahlungsaufschub und die Zinsen gelten auch für die für den Baupreis geschuldeten Raten.

5. Die niederländische Steuerverwaltung nimmt den Standpunkt ein, daß zwar die Zinsen für rückständige Raten für den Baupreis für eine Ausnahme nach den niederländischen Bestimmungen zur Durchführung des Artikels 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1 in Betracht kämen, jedoch nicht die Zinsen auf den Kaufpreis für die Grundstücke. Nach den Erläuterungen, die der Bevollmächtigte der niederländischen Regierung in der mündlichen Verhandlung gegeben hat, beruht diese Unterscheidung offensichtlich darauf, daß der Bau die Erbringung von Dienstleistungen während der Vertragszeit bedinge, während die Lieferung des Grundstücks ein einzelnes Geschäft sei, das bei der Vollendung des Bauwerks anfalle. Der Standpunkt der Steuerverwaltung wurde im ersten Rechtszug mit der Begründung bestätigt, daß unter den Umständen dieses Falles die zwischen dem Vertragsabschluß und der Übertragung des Grundstücks in Rechnung gestellten Zinsen Teil der in Rechnung gestellten Gegenleistung für das Grundstück seien. Im Kassationsverfahren hat der Hoge Raad dem Gerichtshof folgende Frage vorgelegt:

Wenn in einem Kauf-/Bauvertrag, den ein Bauunternehmer mit einem Käufer/Besteller geschlossen hat, in bezug auf das Entgelt für das aufgrund dieses Vertrages zu liefernde Grundstück bestimmt ist, daß dieses Entgelt bei oder kurz nach dem Abschluß des Vertrages zu zahlen ist, zugleich jedoch, daß der Käufer/Besteller gegen Zahlung von Zinsen berechtigt ist, die Zahlung bis zur Lieferung aufzuschieben, sind dann diese Zinsen ihrer Art nach als Entgelt für die Gewährung eines Kredits im Sinne von Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie anzusehen, oder bildet der als Zinsen in Rechnung gestellte Betrag einen Teil des Entgelts für die Lieferung des Grundstücks?

6. Die Frage des Hoge Raad wirft zwei Hauptprobleme auf.

1) Kann grundsätzlich in Fällen, in denen ein Lieferant von Gegenständen seinem Kunden einen Aufschub der Zahlung des Kaufpreises für die Gegenstände gegen Zinsen einräumt, davon ausgegangen werden, daß dieser eine zusätzliche Leistung in Form der Gewährung eines Kredits erbringt, der gemäß Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie von der Steuer befreit ist?

2) Wenn dies der Fall ist, macht es dann einen Unterschied, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Lieferant die Gewährung des Kredits anbietet, bevor er dem Kunden die Gegenstände liefert?

Das erste Problem

7. Zum ersten Problem vertreten die Klägerin sowie die dänische, die deutsche und die niederländische Regierung die Ansicht, daß Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1 grundsätzlich für die Gewährung von Krediten eines Lieferanten an seinen Käufer für die Lieferung eines Gegenstands sowie eines Grundstücks (das als körperlicher Gegenstand zu den Gegenständen im Sinne von Artikel 5 der Richtlinie gehört) gelte. Die dänische und die deutsche Regierung machen geltend, daß eine klare Unterscheidung vertraglicher Art zwischen der Hauptleistung und dem Kreditgeschäft bestehe, wenn das Kreditgeschäft nicht als Nebengeschäft zum Hauptgeschäft oder als dessen Bestandteil angesehen werden könne; so verlange die deutsche Regelung, daß die Entgelte für beide Geschäfte getrennt vereinbart und berechnet würden und daß der Jahreszinssatz anzugeben sei; die dänischen Bestimmungen verlangten auch, daß der Betrag der Zinsen im Kaufvertrag selbst oder in einem Anhang zu diesem betreffend die Zahlungsmodalitäten eindeutig anzugeben sei.

8. Die Kommission und die griechische Regierung sind hingegen der Meinung, daß Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1 nicht auf die Gewährung von Krediten im Zusammenhang mit einem Vertrag über die Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienstleistungen anwendbar sei. Die Kommission meint, daß Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1 nur Zinsen auf Kredite im eigentlichen Sinne, nicht aber Zinsen auf Kredite erfasse, die eine Nebenleistung für die Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen darstellten; nach ihrer Ansicht besteht der Zweck der Bestimmung in der Befreiung des Banksektors. Die griechische Regierung meint, daß für die Anwendung der Befreiung ein gesonderter Kreditvertrag erforderlich sei.

9. Als Ausnahmen von der allgemeinen Regelung der Sechsten Richtlinie sind die Ausnahmebestimmungen des Artikels 13 eng auszulegen, so beispielsweise das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache 348/87 (Stichting Uitvöring Financiële Acties/Staatssecretaris van Financiën, Slg. 1989, 1737, insbesondere Randnr. 13). Die in Artikel 13 geregelten Steuerbefreiungen sind meistens genau nach der Art der Lieferung und oft entsprechend der Identität des Dienstleistenden oder des Dienstleistungsempfängers definiert. Der Gerichtshof hat dies ausdrücklich berücksichtigt. So hat er beispielsweise in der Rechtssache 107/84 (Kommission/Deutschland, Slg. 1985, 2655) entschieden, daß die in Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe a vorgesehene Steuerbefreiung für von "öffentlichen Posteinrichtungen" erbrachte Dienstleistungen nur für solche Dienstleistungen gilt, die unmittelbar von der "öffentlichen Posteinrichtung" erbracht werden, und sich nicht auf Dienstleistungen erstreckt, die nach dem Gesetz von einem Transportunternehmen für diese Posteinrichtung erbracht werden.

10. Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1, der "die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber" von der Steuer befreit, führt jedoch die Identität des Kreditnehmers oder des Kreditgebers nicht an. Diese Bestimmung definiert nur die Natur des befreiten Umsatzes. Obwohl es wahrscheinlich sein dürfte, daß ursprünglich, wie die Kommission vorträgt, beabsichtigt war, daß die Befreiung auf Darlehen und Kredite von Bank- und Kreditinstituten angewandt werden sollte, enthält der Wortlaut der Bestimmung keine Grundlage für die Beschränkung ihres Zwecks auf solche Geschäfte. Daher stimme ich mit der Klägerin und der dänischen, deutschen und niederländischen Regierung darin überein, daß der Begriff "Gewährung von Krediten" weit genug ist, um von einem Lieferanten von Gegenständen in Form eines Zahlungsaufschubs gewährte Kredite zu umfassen. Ferner gibt es keine wirtschaftliche Rechtfertigung für den Ausschluß von Lieferanten gewährter Kredite vom Anwendungsbereich der Befreiung. Es ist zu einer weitverbreiteten Praxis von Lieferanten geworden, die Finanzierung selbst vorzunehmen, und eine Beschränkung der Befreiung würde zu Verzerrungen im Handel und im Wettbewerb führen. Es gibt keinen Grund dafür, weshalb ein Kunde mit Steuern auf den Kredit belastet werden sollte, den ihm sein Lieferant gewährt hat, jedoch einen von der Steuer befreiten Kredit erhalten sollte, wenn er die Finanzierung statt dessen von einer Bank oder einem anderen Kreditnehmer vornehmen lässt. Vom Standpunkt des Kunden aus gesehen, umfassen beide Möglichkeiten die Gewährung eines Kredits; ein Kunde wird kaum geneigt sein, die Zinsen, die er seinem Lieferanten zahlt, eher als Teil des Preises für die Gegenstände oder Dienstleistungen anzusehen, als dann, wenn er seinen Kauf mittels eines Bankkredits finanziert.

11. Ich erblicke keinen Sinn in dem Erfordernis, daß der Kredit aufgrund eines gesonderten Darlehensvertrags gewährleistet werden müsste, der unabhängig von Verträgen für die Lieferung von Gegenständen ist, oder von einer anderen Person als dem Lieferanten der Gegenstände. Die Brüchigkeit solcher Erfordernisse wird dadurch bestätigt, daß ein Lieferer in jedem Fall ohne Änderung des Kerns des Geschäfts in der Lage sein dürfte, einen getrennten Darlehensvertrag abzuschließen oder Kredite über eine getrennte Finanzierungsgesellschaft, die für diesen Zweck gegründet wird, zu gewähren. Eine Folge davon würde darin bestehen, daß eine unfaire Diskriminierung zwischen Firmen entstuende, die über genügend Mittel oder Kundschaft verfügen, um eine unabhängige Finanzierungsgesellschaft zu gründen, und Firmen, bei denen dies nicht der Fall ist. Das würde mit dem Grundprinzip der Neutralität kaum in Einklang stehen.

12. Ich bin jedoch mit der dänischen und der deutschen Regierung der Ansicht, daß die vertraglichen Abmachungen und die Vertragsbedingungen so sein müssen, daß das Kreditgeschäft eindeutig von dem Hauptgeschäft der Lieferung von Gegenständen getrennt werden kann. Obwohl es unnötig erscheint, diesen Punkt im vorliegenden Fall detailliert zu untersuchen, denke ich, daß das Erfordernis allgemein dann erfuellt sein dürfte, wenn beispielsweise ein Vertrag über die Lieferung von Gegenständen eine oder mehrere besondere Klauseln enthält, die dem Kunden eine Kreditmöglichkeit gewähren und die in vollem Umfang die Bedingungen aufführen, unter denen der Kredit gewährt wurde, einschließlich der genauen Angabe des Zinssatzes. Wie die deutsche Regierung ausführt, können gemäß der Einleitung von Artikel 13 Teil B die Mitgliedstaaten weitere Bedingungen festlegen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Mißbräuchen aufstellen. Dies kann im Fall von Geschäften zwischen miteinander in Verbindung stehenden Parteien von besonderer Bedeutung sein, in denen diese versuchen, künstlich das Entgelt für eine steuerbare Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen durch Aufblähung des Zinssatzes in ein Entgelt für eine von der Steuer befreite Kreditgewährung zu verwandeln; daß dies geschieht, dürfte bei Geschäften zwischen voneinander unabhängigen Personen viel weniger wahrscheinlich sein. Ebenso wie die deutsche Regierung meine ich, daß der Gefahr von Steuerhinterziehungen oder Mißbräuchen durch angemessene Maßnahmen der Mitgliedstaaten in zufriedenstellender Weise begegnet werden kann und daß keine umfassende Einbeziehung von Kreditzinsen in die Besteuerungsgrundlage gerechtfertigt ist, wie die Kommission dies vorschlägt.

13. Die Kommission beruft sich in ihren schriftlichen Erklärungen auf zwei Urteile des Gerichtshofes, um ihre Ansicht zu stützen, daß Zinsen für Kredite, die von einem Lieferer von Gegenständen gewährt werden, in die Besteuerungsgrundlage für die Gegenstände einzubeziehen seien. Das erste ist das Urteil in der Rechtssache 222/81 (Bausystem/Finanzamt München für Körperschaften, Slg. 1982, 2527). In dieser Rechtssache hat der Gerichtshof entschieden, daß die Zinsen, die einem Unternehmen durch gerichtliche Entscheidung für eine nicht bezahlte Schuld für Dienstleistungen zuerkannt werden, kein Entgelt für diese Dienstleistungen im Sinne der Zweiten Mehrwertsteuerrichtlinie des Rates (Richtlinie 67/228/EWG, ABl. vom 14. April 1967, S. 1303) darstellt. Die Kommission hebt hervor, daß der Gerichtshof in den Entscheidungsgründen seines Urteils ausgeführt hat, daß das Unternehmen unfreiwillig einen vertraglich nicht vorgesehenen Zahlungsaufschub gewährt hat und daß die Zinsen keine Gegenleistung im Rahmen eines Handelsgeschäfts darstellten, sondern von einem Gericht entsprechend den einschlägigen Bestimmungen des deutschen Handelsrechts festgesetzt worden sind und nur in entferntem Zusammenhang mit der Hauptleistung stehen. A contrario argumentierend gelangt die Kommission zu dem Ergebnis, daß Zinsen aufgrund eines Vertrages über die Lieferung von Gegenständen einen Teil der Gegenleistung für die Gegenstände darstellten. Ich meine jedoch, daß die Ausführungen des Gerichtshofes darauf abzielen, zu erläutern, weshalb die in Rede stehenden gesetzlichen Zinsen nicht in die Besteuerungsgrundlage für die erbrachten Dienstleistungen einzubeziehen waren; der Gerichtshof hat die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß ein Steuerpflichtiger, der Gegenstände liefert oder Dienstleistungen erbringt, wenn dies von ihm gewünscht wird, seinen Kunden eine ganz andere Dienstleistung erbringt, die in der Gewährung eines Kredits gegen Zinsen besteht.

14. Zweitens beruft sich die Kommission auf das Urteil in der Rechtssache 126/78 (Nederlandse Spoorwegen/Staatssecretaris van Finanziën, Slg. 1979, 2041). In dieser Rechtssache hat der Gerichtshof entschieden, daß die Einziehung des Preises durch einen Beförderer bei der Aushändigung des beförderten Gegenstands an den Empfänger eine Nebenleistung der Beförderung im Sinne des Anhangs B Nr. 5 der Zweiten Richtlinie des Rates ist und daß sie daher für die Beförderungsleistung zwingend gemäß Artikel 6 der genannten Richtlinie der Steuer unterlag. Dieses Urteil ist jedoch nur der Form nach für den vorliegenden Fall erheblich. Es ging nicht um die Frage, ob die Gegenleistung für die Dienstleistung der Einziehung als Teil der Gegenleistung für die Dienstleistung der Beförderung zu behandeln war. Es ging um die Frage, ob die Einziehungsdienstleistung, von der anerkannt wurde, daß sie eine getrennte Dienstleistung darstellte, in so engem Zusammenhang mit der Beförderungsdienstleistung stand, daß sie als "Neben"-Leistung zu dieser im Sinne von Anhang B Nr. 5 der Zweiten Richtlinie und somit unter die Gruppe von Dienstleistungen fallend, die zwingend der Steuer unterlag, anzusehen war.

15. Die Kommission führt weiter aus, daß sich aus Artikel 11 Teil A Absatz 3 Buchstabe a, wonach in die Besteuerungsgrundlage "die Preisnachlässe durch Skonto für Vorauszahlungen" nicht einzubeziehen seien, Preisaufschläge für den Zahlungsaufschub in die Besteuerungsgrundlage einzubeziehen seien. ich denke, daß durch Artikel 11 Teil A Absatz 3 Buchstabe a nur die Anwendung der allgemeinen Regel in Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a bloß verdeutlicht werden soll, wonach die Besteuerungsgrundlage alles ist, was den Wert der Gegenleistung für die Dienstleistung bildet. Nehmen wir beispielsweise an, daß ein Steuerpflichtiger einem Kunden Gegenstände unter Bedingungen liefert, nach denen dem Käufer ein Preisnachlaß gewährt wird, wenn er die Gegenstände innerhalb von 30 Tagen ab Rechnungsdatum bezahlt. Nimmt der Käufer den Vorteil des Preisnachlasses wahr, so besteht die Besteuerungsgrundlage im Kaufpreis abzueglich des Nachlasses. Bezahlt er jedoch nicht innerhalb der Frist von 30 Tagen und ist er verpflichtet, den vollen Rechnungspreis für die Gegenstände zu zahlen, so ist die erhaltene oder zu erhaltende Gegenleistung, wie sie im Zeitpunkt des Eintritts des Steuertatbestands beziffert wird, der volle Preis für die Gegenstände. Die Situation unterscheidet sich jedoch ganz und gar von derjenigen, in der ein Steuerpflichtiger, der Gegenstände liefert oder Dienstleistungen erbringt, einen vertraglich getrennten Kredit für den gesamten Kaufpreis oder einen Teil davon für eine bestimmte Zeit und zu einem festgelegten Zinssatz gewährt. Die Zinsen stellen dann die Gegenleistung für eine getrennte Kreditgewährung dar.

16. Abschließend zu diesem ersten Punkt meine ich nicht, daß Kreditzinsen unter den Begriff der "Nebenkosten" fallen, die gemäß Artikel 11 Teil A Absatz 2 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie in die Besteuerungsgrundlage einzubeziehen sind. Die in dieser Bestimmung aufgeführten Kosten wie Provisions-, Verpackungs-, Beförderungs- und Versicherungskosten sind Kosten, die untrennbar mit dem Verkauf und der Beförderung von Gegenständen zum Kunden verbunden sind. Es gibt keinen solchen Zusammenhang bei Zinsen für einen Kredit, den der Lieferant gewährt, denn es handelt sich dabei um eine freiwillige Dienstleistung, die zusätzlich zur Lieferung von Gegenständen erbracht wird.

Das zweite Problem

17. Ich komme nun zu dem zweiten Problem, nämlich der Frage, ob die Gewährung eines Kredits, der im Aufschub der Zahlung des Kaufpreises für Gegenstände besteht, möglich ist, bevor die Gegenstände geliefert worden sind.

18. Bevor ich dieses Problem untersuche, möchte ich darauf hinweisen, daß die Frage, die der Hoge Raad dem Gerichtshof vorgelegt hat, davon ausgeht, daß in dem Zeitpunkt, in dem der Bauunternehmer die Bauverträge mit seinen Kunden abschließt, keine Lieferung von Gegenständen (d. h. von Grundstücken) vorliegt. Deshalb schlage ich vor, bei der Beantwortung der Frage davon auszugehen, daß die Lieferung dann stattfindet, wenn das Gebäude fertiggestellt ist und das Eigentum auf den Kunden übertragen wird.

19. Die Klägerin nimmt den Standpunkt ein, daß die Parteien eines Vertrages über die Lieferung von Gegenständen berechtigt seien, zu vereinbaren, daß der Kaufpreis ganz oder teilweise zu einem Zeitpunkt vor der Lieferung der Gegenstände fällig werde. Zu diesem Zeitpunkt werde nach niederländischem Zivilrecht die Zahlung fällig. Räume ein Lieferant seinem Kunden einen Zahlungsaufschub bis zu diesem Zeitpunkt ein, so gewähre er dem Kunden somit einen Kredit.

20. Die niederländische Regierung vertritt hingegen die Ansicht, daß unter Umständen wie denen des vorliegenden Falles, in dem der Kaufpreis fällig werde, bevor die Lieferung durchgeführt worden sei, die Zahlung aufgeschoben werden könne und, was in der Praxis ständig der Fall sei, bis die Lieferung tatsächlich vorgenommen worden sei, keine echte Kreditgewährung stattfinde. Die spanische Regierung teilt den Standpunkt der niederländischen Regierung. Sie führt aus, daß der Steuertatbestand erfuellt sei und die Steuer fällig werde, wenn das Grundstück und das Gebäude endgültig geliefert worden seien und der Kunde den Kaufpreis zahle. Zu diesem Zeitpunkt trete der Steuertatbestand im Sinne von Artikel 10 Absatz 2 ein und die Besteuerungsgrundlage sei gemäß Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a festzulegen. Da die Zinsen Bestandteil des zu diesem Zeitpunkt fälligen Gesamtpreises seien, seien sie Teil der Besteuerungsgrundlage für die Lieferung des Grundstücks und des Gebäudes.

21. Die von der niederländischen und der spanischen Regierung vorgeschlagene Lösung ist meines Erachtens richtig. Zwar ist der Zeitpunkt, zu dem ein Kredit von einem Lieferanten von Gegenständen gewährt wird, entsprechend dem Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem der Kaufpreis sonst nach nationalem Recht fällig geworden wäre, also dem in dem Vertrag angegebenen Zeitpunkt; es wäre jedoch mit Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Sechsten Richtlinie nicht vereinbar, diese Regel auf Kredite zu erstrecken, die ein Lieferant zu gewähren anbietet, bevor die entsprechende Lieferung stattfindet.

22. Artikel 10 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Richtlinie bestimmt u. a.:

"Der Steuertatbestand und der Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung des Gegenstands oder die Dienstleistung bewirkt wird."

Zu diesem Zeitpunkt ist daher die Besteuerungsgrundlage gemäß Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie festzulegen. Nach dieser Bestimmung ist die Besteuerungsgrundlage

"alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende ... vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält ...".

Die Richtlinie stellt auf diese Weise sicher, daß die Mehrwertsteuer auf den vollständigen Wert der Gegenstände oder Dienstleistungen erhoben wird, der im Zeitpunkt ihrer Lieferung bzw. Erbringung festgelegt wird.

23. Im Falle eines gewöhnlichen Verkaufs auf Kredit, wobei beispielsweise ein Steuerpflichtiger einem Kunden Gegenstände zu Bedingungen liefert, die einen Aufschub der Zahlung des Kaufpreises für bis zu 6 Monate nach dem Zeitpunkt der Lieferung gegen Zahlung von Zinsen erlauben, ist die Besteuerungsgrundlage, die im Zeitpunkt der Lieferung der Gegenstände festgelegt ist, der Kaufpreis der Gegenstände. Der Steueranspruch auf die Lieferung von Gegenständen entsteht in diesem Zeitpunkt. Macht der Kunde von dem Kreditangebot des Lieferanten Gebrauch, so stellen die Zinsen, die der Lieferant empfängt, die Gegenleistung für eine getrennte Kreditgewährung dar, die nach der Lieferung von Gegenständen erfolgt und von der Besteuerungsgrundlage für die Gegenstände, die im Zeitpunkt ihrer Lieferung bestimmt wird, auszuschließen ist.

24. Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht darin, daß der Bauunternehmer anbietet, einen Kredit für eine Vorauszahlung auf den Kaufpreis (entsprechend dem Preis für das Land) zu gewähren, die fällig ist, bevor die Lieferung vorgenommen wird und daher bevor der Steuertatbestand im Sinne von Artikel 10 Absatz 2 entsteht. Ich denke, daß unter diesen Umständen der volle Wert der Gegenstände in dem Zeitpunkt, in dem sie geliefert werden, so zu verstehen ist, daß er alle dem Lieferanten entstandenen Finanzierungskosten bis zu dem Zeitpunkt umfassen muß, zu dem die Lieferung erfolgt, wenn der Lieferant sie auf den Kunden abwälzt, selbst wenn er im Vertrag anbietet, sie als vom Kaufpreis für die Gegenstände getrennte Zinskosten zu berechnen. In dieser Hinsicht unterscheiden sich Finanzierungskosten nicht von allen sonstigen laufenden Kosten, die dem Lieferanten bis zum Zeitpunkt der Lieferung entstehen und die auf den Preis der Gegenstände abgewälzt werden.

25. Die Situation im vorliegenden Fall unterscheidet sich nicht wesentlich von der Situation, in der ein Bauunternehmer darauf verzichtet, Anzahlungen zu verlangen, und den Bau selbst oder mittels eines Bankdarlehens finanziert. in einem solchen Fall wäre er gezwungen, seine Finanzierungskosten bei der Festsetzung des der Steuer unterliegenden Kaufpreises für das fertige Gebäude zu berücksichtigen.

26. Die Klägerin und die deutsche Regierung weisen darauf hin, daß im vorliegenden Fall der Kunde ein von der Steuer befreites Darlehen von einer Bank erhalten könnte, um die Anzahlung für das Grundstück zu leisten. Obwohl der Kunde wirtschaftlich betrachtet in diesem Fall dem Bauunternehmer einen Vorteil in Form eines zinslosen Darlehens verschaffen würde, würde dieser Vorteil nach der Sechsten Richtlinie nicht als zusätzliche Gegenleistung behandelt und nicht in die Besteuerungsgrundlage einbezogen. Allerdings ° und dies ist der wesentliche Unterschied ° würde der Zeitpunkt, zu dem die Mehrwertsteuer erhoben wird, auf den Zeitpunkt vorverlegt, zu dem die Anzahlung getätigt wird. Daher bestimmt Artikel 10 Absatz 2 Unterabsatz 2:

"Werden jedoch Anzahlungen geleistet, bevor die Lieferung von Gegenständen oder die Dienstleistung bewirkt ist, so entsteht der Steueranspruch zum Zeitpunkt der Vereinnahmung entsprechend dem vereinnahmten Betrag."

Erhielte der Kunde ein Darlehen von einem Dritten, so würde der Teil der Lieferung, für den die Anzahlung erfolgt (d. h. das Grundstück), daher sofort bewertet und besteuert. Deshalb ist es nicht angebracht, einen solchen Fall mit dem Fall zu vergleichen, in dem der Bauherr dem Kunden die Möglichkeit einräumt, die Anzahlung aufzuschieben, da in letzterem Fall die Steuer nicht sofort erhoben wird und der entsprechende Teil der Lieferung in der üblichen Weise zu dem Zeitpunkt bewertet und besteuert werden muß, zu dem die Lieferung erfolgt. Ihr Wert ist daher so zu verstehen, daß er die in diesem Zeitpunkt auf den Kunden abgewälzten Finanzierungskosten umfasst. Für die Zwecke der Mehrwertsteuer kann keine Anzahlung vor einer Lieferung von Gegenständen angenommen werden. Entweder erfolgt eine tatsächliche Zahlung, die die sofortige Erhebung der Steuer gemäß Artikel 10 Absatz 2 Unterabsatz 2 auslöst, oder es liegt keine Anzahlung vor, und der Steuertatbestand entsteht, wenn die Gegenstände schließlich geliefert worden sind, so daß der vollständige Wert der Gegenstände einschließlich aller Finanzierungskosten in diesem Zeitpunkt besteuert werden muß. Es kann kein Zwischenstadium geben, in dem der Steuerpflichtige sowohl die Befreiung gemäß Artikel 13 Teil B Buchstabe d und einen Aufschub der Erhebung der Steuer bis zu dem Zeitpunkt erhält, zu dem die Lieferung erfolgt.

27. Der gegenteilige Standpunkt würde Händler und ihre Kunden in die Lage versetzen, durch eine fiktive Kreditgewährung die Entrichtung der Mehrwertsteuer auf einen Teil des Preises für Gegenstände oder Dienstleistungen bei Geschäften zu vermeiden, bei denen zwischen Vertrag und Lieferung eine Zeit verstreicht. Dieses Problem lässt sich vielleicht leichter beurteilen, wenn man eine typischere Lieferung von Gegenständen betrachtet. Angenommen beispielsweise, daß ein Schreiner einen Vertrag über die Lieferung maßgefertigter Möbel an eine bestimmte Person innerhalb von zwölf Monaten zu einem Preis von 11 000 ECU vereinbart. Lassen Sie uns jedoch annehmen, daß die Parteien in ihrem Vertrag bestimmen, daß der Kaufpreis für die Gegenstände 10 000 ECU beträgt, die sofort zahlbar sind, daß jedoch diese Zahlung bis zum Zeitpunkt der Lieferung gegen Zinsen von 10 % pro Jahr aufgeschoben wird. Werden die Möbel zwölf Monate später geliefert, zahlt der Kunde 11 000 ECU. Es ist kaum einzusehen, weshalb die Besteuerungsgrundlage eine andere als 11 000 ECU sein sollte. Würde man behaupten, daß die für die Möbel erbrachte Gegenleistung 10 000 ECU betrage und daß die restlichen 1 000 ECU Zinsen auf eine von der Steuer befreite Kreditgewährung darstellten, so würde man die Augen vor der Wirklichkeit des Geschäfts verschließen.

28. Schließlich halte ich die Erklärung der niederländischen Regierung in der mündlichen Verhandlung in bezug auf die Unterscheidung, die die Steuerbehörden zwischen dem Kaufpreis für das Grundstück und den Raten auf den Baupreis treffen, nicht für überzeugend. Wurde, wie ich angenommen habe (oben unter Nr. 18), das Grundstück dem Kunden erst dann geliefert, wenn das Gebäude fertiggestellt war, können dem Käufer im Vertragszeitraum keine Dienstleistungen erbracht worden sein. Es würde eine einzige Lieferung von Gegenständen, nämlich des Grundstücks und der Gebäude, bei Baufertigstellung vorliegen. Aufgrund dieses Ergebnisses würden Zinszahlungen auf den, angenommen, in bezug auf die Raten auf den Kaufpreis gewährten Kredit in die Besteuerungsgrundlage für das Grundstück und das Gebäude einbezogen. Anders wäre es, wenn das Grundstück dem Käufer nach Vertragsabschluß geliefert würde. Sofern sich der Mitgliedstaat nicht dafür entscheidet, das Bauwerk als Lieferung von Gegenständen gemäß Artikel 5 Absatz 5 Buchstabe b der Richtlinie zu behandeln, wird der Bauunternehmer dem Kunden auf seinem Grundstück eine Dienstleistung erbringen. Dann könnte man sich auf den Standpunkt stellen, daß nach der der Besteuerung unterliegenden Lieferung eines Grundstücks nach Vertragsabschluß eine Reihe steuerbarer Dienstleistungen entsprechend dem Baufortschritt anfielen. Zinsen auf Kredite, die der Bauunternehmer für das Grundstück und den Kaufpreis gewährt, könnten dann als Gegenleistung für eine Reihe von Dienstleistungen in Form von Krediten betrachtet werden, die nach ihrer Lieferung von Gegenständen oder jeder Dienstleistung gewährt werden.

Ergebnis

29. Ich bin daher der Ansicht, daß die Frage des Hoge Raad wie folgt beantwortet werden sollte:

1) Gewährt ein Steuerpflichtiger, der einem Kunden Gegenstände liefert oder Dienstleistungen erbringt, diesem Kunden einen getrennten Kredit zu Bedingungen, die eindeutig zwischen der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen und dem Kreditgeschäft unterscheiden, so stellt die Kreditgewährung ein getrenntes Geschäft dar, das grundsätzlich gemäß Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie von der Steuer befreit ist.

2) Ist jedoch in einem Kauf-/Bauvertrag zwischen einem Bauunternehmer und einem Erwerber vorgesehen, daß die Zahlung für die Lieferung des Grundstücks bei Vertragsschluß oder kurz danach zu erfolgen hat, jedoch gegen Entrichtung von Zinsen ab dem Zeitpunkt der Lieferung aufgeschoben werden kann, so stellen solche Zinsen keine Gegenleistung für eine getrennte Gewährung eines Kredits dar, sondern sind als Teil der Gegenleistung für die Lieferung des Grundstücks im Sinne von Artikel 11 Teil A Nr. 1 Buchstabe a der Richtlinie anzusehen.

(*) Originalsprache: Englisch.