C-468/93 - Gemeente Emmen / Belastingdienst Grote Ondernemingen

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EUR-Lex - 61993C0468 - DE

61993C0468

Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 14. Dezember 1995. - Gemeente Emmen gegen Belastingdienst Grote Ondernemingen. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Gerechtshof Leeuwarden - Niederlande. - Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Artikel 13 Teil B Buchstabe h und Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b - Lieferung von Baugrundstücken. - Rechtssache C-468/93.

Sammlung der Rechtsprechung 1996 Seite I-01721


Schlußanträge des Generalanwalts


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1 Wie ist der Begriff "Baugrundstücke" für die Zwecke der Mehrwertsteuer zu definieren? Die Sechste Richtlinie über die Mehrwertsteuer befreit im allgemeinen den Verkauf von Grundstücken von der Steuer, allerdings mit Ausnahme von Baugrundstücken. Zahlreiche Forderungen auf Rückerstattung der Mehrwertsteuer, die von örtlichen Dienststellen in den Niederlanden bei der Veräusserung von Grundstücken erhoben wurden, haben zu der vorliegenden Vorabentscheidungsvorlage des Gerechtshof Leeuwarden geführt. Wir wissen, daß dies ein Testfall ist(1). Da die niederländischen Gerichte in Ermangelung einer gesetzlichen oder anderen förmlichen nationalen Definition ein früheres Kriterium der Erschließung von Grund und Boden anzuwenden hatten, wird dem Gerichtshof eine Reihe von Fragen bezueglich der Auslegung des Begriffes "Baugrundstücke" zur Beantwortung vorgelegt.

I - Die einschlägigen Rechtsvorschriften

Die Gemeinschaftsmaßnahmen

2 Die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (im folgenden: Sechste Richtlinie)(2) bildet die Grundlage der Gemeinschaftsregelung für die Mehrwertsteuer. Artikel 13 ist der erste Artikel der Sechsten Richtlinie, der Steuerbefreiungen betrifft. Es handelt sich dabei um Steuerbefreiungen, die die Mitgliedstaaten im Inland gewähren müssen. Artikel 13 Teil B sieht folgendes vor:

"Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Mißbräuchen festsetzen, von der Steuer:

...

h) die Lieferungen unbebauter Grundstücke mit Ausnahme der in Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b) bezeichneten Baugrundstücke."

3 Artikel 4 Absatz 3 soll es in erster Linie den Mitgliedstaaten ermöglichen, nach freiem Ermessen solche Personen als "Steuerpflichtige" zu betrachten, die "gelegentlich" Gebäude (Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe a)(3) liefern oder "die Lieferung von Baugrundstücken" (Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b) betreiben. Für den vorliegenden Fall ist nur die Definition des Begriffes "Baugrundstücke" in der letztgenannten Bestimmung, so wie er in Artikel 13 Teil B Buchstabe h verwendet wird, maßgebend. Diese Definition lautet:

"Als Baugrundstücke gelten erschlossene oder unerschlossene Grundstücke entsprechend den Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten."

Die nationalen Maßnahmen

4 Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe a Unterabsatz 1 des Wet op de Omzetbelasting (Umsatzsteuergesetz) von 1968(4) (im folgenden: Gesetz von 1968) sieht folgendes vor:

"(1) Unter den von Uns(5) durch Verordnung festzulegenden Bedingungen sind von der Steuer befreit:

a) die Lieferung von Grundstücken, ausgenommen

1. die Lieferung eines umgestalteten Grundstücks, die vor oder höchstens zwei Jahre nach dem Zeitpunkt der ersten Ingebrauchnahme dieses Grundstücks erfolgt."

5 Nach Artikel 3 der Uitvöringsbeschikking omzetbelasting (Durchführungsverordnung zum Gesetz von 1968) vom 30. August 1968(6) werden Körperschaften des öffentlichen Rechts wie die Gemeinde Emmen bei der Übertragung oder Lieferung von Grundstücken als Steuerpflichtige angesehen. Wenn Mehrwertsteuer erhoben wird, ist nach der Wet op Belastingen van Rechtsverkeer (Gesetz über die Besteuerung von Rechtsgeschäften) von 1970(7) keine Übertragungssteuer zu entrichten.

II - Sachverhalt und Verfahren

6 Im Juni 1992 lieferte die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde Emmen (im folgenden: die Klägerin), acht Parzellen unbebauter Grundstücke zu einem Preis, der die Mehrwertsteuer einschloß. Hierfür entrichtete sie nach Festsetzung 67 542 HFL Mehrwertsteuer. Die Klägerin erhob mit schriftlicher Zustimmung des zuständigen Steuerinspekteurs Klage gegen ihre Verpflichtung zur Entrichtung dieses Betrages an den Beklagten des Ausgangsverfahrens, den Belastingdienst Grote Ondernemingen (im folgenden: Beklagter). Alle in Rede stehenden Parzellen dienten zuvor der landwirtschaftlichen Nutzung, waren aber schon vor ihrer Übertragung zum Wohnungsbau bestimmt. Auf Weisung der Klägerin war mit der Ausführung eines Flächennutzungsplans begonnen worden, der u. a. die Plazierung von Versorgungsleitungen, den Aushub von Gräben, die Anlage einer Kanalisation und sonstige Arbeiten umfasste(8).

7 Es wurde Klage beim Gerechtshof Leeuwarden (im folgenden: nationales Gericht) erhoben, wobei es im wesentlichen um die Frage ging, ob die acht Parzellen als "umgestaltete Grundstücke" ("vervaardigde onrörende zaken") im Sinne des Gesetzes von 1968 zu behandeln sind. Die Klägerin machte hierbei vor dem nationalen Gericht geltend, daß die Parzellen aufgrund der durchgeführten Arbeiten nicht zu derartigen Grundstücken geworden seien und somit die Mehrwertsteuer nicht habe entrichtet werden müssen. Nach Auffassung des Beklagten waren diese Parzellen zu Recht als umgestaltete Grundstücke betrachtet und somit der Mehrwertsteuer unterworfen worden, da die Versorgungseinrichtungen für jede Parzelle bereitgestellt und Vorkehrungsarbeiten für jede Parzelle durchgeführt worden seien.

8 Das nationale Gericht führt in seinem Vorlagebeschluß aus, die Niederlande hätten sich zur Durchführung der Sechsten Richtlinie für eine Anpassung des bereits im Gesetz von 1968 verwendeten Begriffes "vervaardigd onrörend göd" entschieden und wendeten ihn vermutlich in Durchführung der Sechsten Richtlinie auf die Lieferung von Grundstücken an. Daraus habe sich ergeben, daß die "Lieferung von Grundstücken" in den Niederlanden nach der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer habe befreit werden können, es sei denn, der Grund und Boden habe als umgestaltet im Sinne des Gesetzes von 1968 betrachtet werden können. Das nationale Gericht bezieht sich auf ein Urteil des Hoge Raad (höchstes Gericht der Niederlande) vom 21. November 1990(9) (die "Entscheidung von 1990"), wonach hierbei unter "Baugrundstücken" ("bouwterrein") nur "erschlossener Grund und Boden" ("bouwrijp gemaakte terreinen") zu verstehen sei(10). Wie das nationale Gericht ferner ausführt, habe der Hoge Raad auf ein früheres Urteil vom 12. März 1980 (im folgenden: Entscheidung von 1980) zurückgegriffen, wo dieser Begriff eng ausgelegt worden sei(11).

9 Nach Auffassung des nationalen Gerichts betraf die Entscheidung von 1980 Angelegenheiten (vermutlich Geschehnisse) aus der Zeit vor der Anpassung der niederländischen Regelung an die Regelung der Sechsten Richtlinie. Da, so führt dieses Gericht weiter aus, Ausnahmen von den Befreiungsbestimmungen der Sechsten Richtlinie nicht eng auszulegen seien, könne zur Auslegung des Begriffes "erschlossener Grund und Boden"(12) nicht mehr die Entscheidung von 1980 herangezogen werden. Daher seien mangels einer genaueren Definition des Begriffes "Baugrundstücke" in der niederländischen Gesetzgebung die Artikel 13 Teil B Buchstabe h und 4 Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie für die Bedeutung des Begriffes "erschlossene Grundstücke" heranzuziehen.

10 Da es hier um die Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen geht, hat das nationale Gericht dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt:

Ia. Sind unter "erschlossenen Grundstücken" im Sinne von Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b der Richtlinie nur Grundstücke zu verstehen, bei denen der Grund und Boden selbst bearbeitet wurde und/oder zu deren Gunsten Vorkehrungen getroffen wurden, die ausschließlich diesen Grundstücken selbst zugute kommen, oder

Ib. liegen im Hinblick auf die Tatsache, daß Ausnahmen von Befreiungsvorschriften weit auszulegen sind, bereits dann "erschlossene Grundstücke" vor, wenn sich die Grundstücke im Gebiet eines Flächennutzungsplans im Sinne von Abschnitt 2.3 befinden(13), in dem vor der Lieferung und ersten Ingebrauchnahme bereits Vorkehrungen im Bereich der Infrastruktur wie

- der Aushub von Gräben und die Anlage einer Kanalisation und von (Bau-)Strassen oder

- die Anlage von Versorgungseinrichtungen in der unter 2.3 beschriebenen Weise(14)

getroffen wurden?

II. Müssen, wenn Frage Ia zu bejahen ist, beide dort genannten Voraussetzungen erfuellt sein?

Wird in diesem Fall ein Grundstück, das im Gebiet eines Flächennutzungsplans liegt, in dem die unter Ib aufgeführten Vorkehrungen getroffen wurden, durch eine oder mehrere der nachfolgend unter a bis f genannten Arbeiten zu einem erschlossenen Grundstück:

a) Anlage der besagten Versorgungseinrichtungen innerhalb der Grundstücksgrenzen;

b) Anbringung eines Standrohrs und einer Zuleitung zur Hauptkanalisation bis zum oder sogar auf dem Grundstück oder Anschluß des Grundstücks an die Zuleitung;

c) Anbringung einer für das Grundstück bestimmten Öffnung an der Hauptkanalisation;

d) Aufschüttung des Grundstücks mit zu diesem Zweck herbeigeschafftem Grund und Boden;

e) Anlage von Drainage-Abflußleitungen im Gebiet des Flächennutzungsplans, aber ausserhalb der Grundstücksgrenzen;

f) Zuschüttung eines innerhalb der Grundstücksgrenzen befindlichen Grabens mit herbeigeschafftem Grund und Boden?

III - Erklärungen vor dem Gerichtshof

11 Die Klägerin, die niederländische Regierung und die Kommission haben gemäß Artikel 20 der Satzung des Gerichtshofes schriftliche Erklärungen abgegeben und sind in der Sitzung erschienen. Ihr Vorbringen lässt sich wie folgt zusammenfassen.

Die Klägerin

12 Nach Ansicht der Klägerin betrifft das durch die Fragen des nationalen Gerichts aufgeworfene Problem die Voraussetzungen, unter denen die Mehrwertsteuer auf die Übertragung eines Grundstücks erhoben werden kann, das zum Zeitpunkt der Übertragung nicht bebaut war, jedoch zur Bebauung bestimmt ist. Die Klägerin vertritt die Auffassung, daß es die Niederlande aufgrund ihrer Entscheidung, den Begriff "Baugrundstücke" nicht nach Maßgabe des Artikels 4 Absatz 3 Buchstabe b zu definieren, unterlassen hätten, die Sechste Richtlinie ordnungsgemäß durchzuführen. Hierzu bezieht sie sich auf Artikel 1, der die Mitgliedstaaten verpflichte, ihre vorherige Mehrwertsteuerregelung zu ändern, damit diese der Regelung entspreche, die die Sechste Richtlinie zum 1. Januar 1979 eingeführt habe(15).

13 Nach Ansicht der Klägerin definiert die Bezugnahme des Gesetzes von 1968 auf die Lieferung "umgestalteter Grundstücke" nicht ordnungsgemäß den Begriff "Baugrundstücke"(16). Für die Auslegung dieses Begriffes sei (zumindest auf Verwaltungsebene) vor Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie ein ministerielles Rundschreiben maßgebend gewesen, wonach die Lieferung von Grundstücken der Mehrwertsteuer unterliege, wenn der Grund und Boden "urbar gemacht" oder "erschlossen" ("ontgonnen" oder "bouwrijp gemaakt") worden sei(17). Unter erschlossenen Grundstücken sei nicht nur Grund und Boden zu verstehen gewesen, der selbst erschlossen worden sei, sondern auch Grund und Boden, für den Vorkehrungen getroffen worden seien (zum Beispiel durch Herstellung einer Zufahrt) und der für die nachfolgende Bebauung geeignet gemacht worden sei. Diese Auslegung von mehrwertsteuerpflichtigen Grundstücken war nach Ansicht der Klägerin nach Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie ausdrücklich vorgesehen worden(18).

14 Die Klägerin führt aus, das nationale Gericht habe es angesichts der Rechtsunsicherheit mangels einer speziellen Durchführung des Artikels 4 Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie zu Recht für erforderlich gehalten, auf das Gemeinschaftsrecht zurückzugreifen, um einen Anhaltspunkt dafür zu haben, was als Baugrundstück angesehen werden könne. Um als erschlossene Grundstücke betrachtet zu werden, müsse der Grund und Boden als Standort für ein oder mehrere Gebäude bestimmt sein. Die Vorschrift erfordere eine differenzierte Definition des Begriffes "erschlossene Grundstücke", um diesen für den Gesamtzweck der Definition des Begriffes "Baugrundstücke" von dem Begriff "unerschlossene Grundstücke" zu trennen, der ebenfalls in demselben Unterabsatz enthalten sei. Somit brauche nicht jeder unbebaute Grund und Boden, der zur Bebauung bestimmt sei, der Mehrwertsteuer zu unterliegen. Insbesondere sollte unbebauter Grund und Boden nicht als "Baugrundstücke" im Sinne von Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b betrachtet werden, ausser wenn er als Ort für die Errichtung eines oder mehrerer Gebäude bestimmt sei und durch umfassende physische Arbeit auf dem Grundstück selbst erschlossen worden sei.

15 Hierbei stützt sich die Klägerin im Wege der Analogie auf die Definition der Sechsten Richtlinie für den Begriff "Lieferung"(19) ("levering"), wobei die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 5 Absatz 5 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie auch "... die Ablieferung bestimmter Bauleistungen" als eine solche Lieferung betrachten könnten(20). Nach Ansicht der Klägerin bedeutet die Verwendung der Worte "erschlossene Grundstücke" zusammen mit den Worten "unerschlossene Grundstücke" in Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b, daß Grund und Boden nur dann als "Baugrundstücke" bezeichnet werden kann, wenn derjenige, der die betreffende Parzelle oder die betreffenden Parzellen liefere, gewisse Bauarbeiten für diesen Grund und Boden durchgeführt habe. Es wird Bezug genommen auf die Auslegung von Artikel 5 Absatz 5 Buchstabe b durch den Gerichtshof in seinem Urteil Van Dijk's Bökhuis(21). Wenn also eine Übertragung von Baugrundstücken stattfinden solle, müsse der Übertragende Arbeiten durchgeführt haben, bei denen man im allgemeinen davon ausgehen könne, daß sie im Vergleich zu dem ursprünglichen Zustand des Grund und Bodens dessen Beschaffenheit verändert hätten. Demgemäß erklärt die Klägerin, es müsse eine "erhebliche" Umwandlung stattgefunden haben; die Durchführung allgemeiner Arbeiten in der unmittelbaren Umgebung des betreffenden Grundstücks, wie die Anlage einer Kanalisation, stelle hierbei keine erhebliche Veränderung dar.

16 Sollte der Gerichtshof eine blosse Bestimmungsänderung bei Grundstücken als ausreichend ansehen, um sie zu "Baugrundstücken" im Sinne der Sechsten Richtlinie zu machen, so könnten nach Ansicht der Klägerin selbst Handlungen, die physisch weit entfernt von dem Grundstück vorgenommen würden, wie etwa die Erteilung einer Baugenehmigung, genügen, um erschlossene Grundstücke zu bilden. Demgemäß ersucht die Klägerin den Gerichtshof, ausdrücklich den Umfang der Arbeiten (bedeutsam oder minimal) anzugeben, der nötig ist, damit der Grund und Boden als "Baugrundstücke" angesehen wird. Ihres Erachtens sollte ein Grundstück nicht als Baugrundstück betrachtet werden, es sei denn, a) es ist als Standort für die Errichtung eines Gebäudes festgesetzt und b) es wurden bereits erhebliche Veränderungen an ihm vorgenommen (Hervorhebung durch die Klägerin).

Die niederländische Regierung

17 Die niederländische Regierung bemerkt vor allem, daß sich die Bedeutung des Begriffes "Baugrundstücke" im Sinne der Sechsten Richtlinie in Übereinstimmung mit Artikel 189 Absatz 3 des Vertrages, wonach die Mitgliedstaaten nur das Ziel einer Richtlinie erreichen müssten, ausschließlich danach bestimme, wie ihn die niederländische Gesetzgebung ausgelegt habe. Demnach habe das nationale Gericht bei seiner Vorabentscheidungsvorlage den ausdrücklichen Wortlaut des Artikels 4 Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie übersehen, der die Umsetzung dieser Begriffsbestimmung dem Ermessen der Mitgliedstaaten überlasse. In der Sitzung erklärte die niederländische Regierung, das in Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie eingeräumte Ermessen erlaube es den Mitgliedstaaten, zu entscheiden, daß sich der Begriff "Baugrundstücke" auf erschlossene Grundstücke beschränken könne(22).

18 In den Niederlanden sei Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe a Unterabsatz 1 des Gesetzes von 1968 die einschlägige gesetzliche Bestimmung. Für die Auslegung dieser Bestimmung wird auf die Entscheidung des Hoge Raad von 1990 Bezug genommen, wo der Begriff einer hergestellten Ware im Sinne der Bezugnahme der Sechsten Richtlinie auf "Baugrundstücke" dahin gehend ausgelegt wurde, daß er nur erschlossenen Grund und Boden umfasst, sofern Arbeiten durchgeführt oder Infrastrukturen errichtet wurden, die ausschließlich diesem Grund und Boden dienen. Die niederländische Regierung erklärt, daß diese Begriffsbestimmung im nationalen Recht die den Niederlanden durch die Sechste Richtlinie auferlegte Verpflichtung erfuelle, den Begriff "Baugrundstücke" zu definieren(23). Nach Ansicht der niederländischen Regierung umfasst die Begriffsbestimmung des Hoge Raad nur Grund und Boden, auf dem die Infrastrukturen errichtet worden seien, die erforderlich seien, um das Grundstück für die Bebauung vorzubereiten. Demgemäß sind die Fragen ihres Erachtens wie folgt zu beantworten: i) Frage Ia ist zu bejahen und Frage Ib zu verneinen. ii) Bei Frage II sind die Voraussetzungen nicht als kumulativ anzusehen, so daß der betreffende Grund und Boden als "erschlossen" gelten kann, wenn zumindest eine dieser Voraussetzungen erfuellt ist.

19 Die niederländische Regierung räumt jedoch ein, daß das Ermessen der Mitgliedstaaten bezueglich der Bestimmung des Begriffes "Baugrundstücke" nicht unbegrenzt ist(24). Demgemäß akzeptiert sie, daß allgemeine Auslegungsgrundsätze, insbesondere das Erfordernis einer weiten Strukturierung von Ausnahmen von den Steuerbefreiungen, anwendbar sind und das Ermessen der Mitgliedstaaten begrenzen. Ihres Erachtens steht jedoch die Auslegung des Hoge Raad mit einem solchen Erfordernis völlig im Einklang, und das nationale Gericht solle die Antworten auf seine Fragen durch Prüfung der in der Entscheidung von 1990 enthaltenen Kriterien finden(25).

Die Kommission

20 Nach Auffassung der Kommission muß zur Lösung der Kernfrage, nämlich was als "Baugrundstücke" für die Zwecke der Mehrwertsteuer anzusehen ist, verschiedenen Faktoren Rechnung getragen werden(26):

i) der Wahrung der Steuerneutralität, wodurch sich die Mehrwertsteuerpflicht nach objektiven Kriterien bestimme, die den Betroffenen ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit bezueglich ihrer potentiellen Steuerpflicht bieten könnten;

ii) dem Erfordernis, Mehrwertsteuerbefreiungen eng auszulegen(27), und der entsprechenden Verpflichtung zu einer weiten Auslegung von Ausnahmen von derartigen Befreiungen(28);

iii) der Feststellung, daß die Mitgliedstaaten zur Bestimmung des Begriffes "Baugrundstücke" verpflichtet seien und dies unter Berücksichtigung der vorstehend unter i und ii genannten Kriterien geschehen müsse(29).

Nach Ansicht der Kommission besteht das der Sechsten Richtlinie zugrunde liegende Prinzip darin, daß alle wirtschaftlichen Umsätze von Steuerpflichtigen in einem Mitgliedstaat der Mehrwertsteuer unterliegen. Somit könnten zwar die Mitgliedstaaten den Begriff "Baugrundstücke" bestimmen; dieses Recht sei aber nicht unbeschränkt. Nach Ansicht der Kommission ist es daher erforderlich, eine objektive Vorgehensweise für die Bestimmung des Begriffes "Baugrundstücke" zu entwickeln.

21 Dementsprechend ist die Kommission der Auffassung, daß das entscheidende Kriterium in der Bestimmung von Grund und Boden zu Bebauungszwecken liege. Es sei nicht möglich, die physische Verbesserung des Grund und Bodens als den entscheidenden Faktor zu betrachten, da sich der Wortlaut des Artikels 4 Absatz 3 Buchstabe b sowohl auf erschlossene als auch auf unerschlossene Grundstücke beziehe(30). Die Kernfrage sei die, ob ein Grundstück als Baugrundstück bestimmt sei. Die Absicht der Parteien zur Zeit der Übertragung könne nicht ausschlaggebend sein, da sie subjektiv sei. Die Kommission hält für den entscheidenden Faktor den Erwerb des Rechts, auf dem Grundstück zu bauen, sei es aufgrund eines Flächennutzungsplans oder einer individuellen Baugenehmigung(31). Umgekehrt sei ein Grundstück, das mit der zum Bauen nötigen Infrastruktur geliefert worden sei, nicht notwendigerweise ein Baugrundstück, insbesondere wenn aus irgendeinem Grund die Baugenehmigung nicht erteilt werde.

22 Die Kommission bemerkt ferner, daß sich nur durch diesen objektiven Gesichtspunkt unsachliche Argumente zu der Frage vermeiden ließen, welche bestimmten Arbeiten als ausreichend angesehen werden sollten, um ein Grundstück in ein Baugrundstück zu verwandeln(32). Sie nennt hierbei die Aufzählung der Arbeiten, die in der zweiten Frage des nationalen Gerichts genannt werden. Jeder Mitgliedstaat müsse in Übereinstimmung mit dem in Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie eingeräumten Ermessen im einzelnen die öffentlich-rechtlichen Vorschriften bestimmen, die entschieden, ob ein Käufer das Recht habe, auf einem bestimmten Grund zu bauen und ob dieser Grund somit ein Baugrundstück sei.

23 Schließlich äussert die Kommission ihre Meinung zu den potentiellen Auswirkungen dieser Vorgehensweise. Angesichts der fehlenden Harmonisierung des Begriffes "Baugrundstücke" stellt sie fest, daß diese Auswirkungen in der Gemeinschaft nicht einheitlich wären. In den Niederlanden z. B. würde sich dies dahin gehend auswirken, daß der Bereich steuerpflichtiger Übertragungen erweitert würde. Für die von bestimmten Übertragungen Betroffenen sieht die Kommission negative Folgen nur für individuelle (nicht steuerpflichtige) Käufer, die nicht für die Mehrwertsteuer registriert seien und somit nicht die im Grundstückspreis enthaltene Mehrwertsteuer von der Mehrwertsteuer absetzen könnten, die für ihre eigenen Lieferungen von Waren oder Dienstleistungen zu entrichten sei(33).

IV - Erwägungen zu den dem Gerichtshof vorgelegten Fragen

Vorfragen

24 Die rechtlichen und sachlichen Aspekte dieses Vorabentscheidungsersuchens werfen meines Erachtens mehrere wichtige Rechtsfragen auf, von denen einige mich veranlassen, über die vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen hinauszugehen. Insbesondere muß ich wohl die Folgen der ungewöhnlichen Situation betrachten, die sich durch die Auslegung eines früheren Rechtsbegriffs durch die niederländischen Gerichte ergibt, der schwerlich geeignet ist, der in der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Trennungslinie zwischen steuerfreien Grundstücken und steuerpflichtigen Baugrundstücken Geltung zu verschaffen.

i) Die Übergangsausnahme

25 Die Niederlande haben nach Ansicht der Klägerin die Sechste Richtlinie nicht ordnungsgemäß durchgeführt, da sie es unterlassen hätten, eine Begriffsbestimmung für Baugrundstücke vorzunehmen. Die bereits bei der Kommission erhobene förmliche Beschwerde zahlreicher niederländischer Gemeinden(34) beruht vermutlich auf einem ähnlichen Vorwurf. Die Niederlande haben zwar keine neue Rechtsvorschrift zur Bestimmung des Begriffes "Baugrundstücke" im Sinne der Sechsten Richtlinie erlassen. Ferner hat die Anpassung des früheren Gesetzes durch die niederländischen Gerichte die Mehrwertsteuerbefreiung für den Verkauf von unerschlossenen Baugrundstücken mit sich gebracht. Meines Erachtens ist es jedoch vor der Betrachtung dieser Frage erforderlich, festzustellen, ob die Niederlande tatsächlich verpflichtet sind, eine solche Begriffsbestimmung festzulegen.

26 Ich möchte noch kurz auf eine wichtige Einschränkung einer solchen Verpflichtung hinweisen, die allerdings im vorliegenden Fall nicht in Rede steht. Artikel 28 ist der einzige Artikel des Abschnitts XVI der Sechsten Richtlinie, der "Übergangsbestimmungen" betrifft. In Absatz 3 heisst es:

"Während der in Absatz 4 genannten Übergangszeit können die Mitgliedstaaten

...

b) die in Anhang F aufgeführten Umsätze unter den in den Mitgliedstaaten bestehenden Bedingungen weiterhin befreien".

Anhang F Nr. 16 der Sechsten Richtlinie bezieht sich auf "Lieferungen der in Artikel 4 Absatz 3 bezeichneten Gebäude und Grundstücke". Artikel 28 Absatz 4 sah zwar klar vor, daß die Übergangszeit für die damals neun Mitgliedstaaten ursprünglich vom 1. Januar 1978 bis zum 31. Dezember 1983 dauern sollte, verpflichtete aber auch den Rat, sowohl die Lage zu überprüfen als auch auf Vorschlag der Kommission einstimmig über die vollständige oder teilweise Abschaffung der betreffenden Abweichungen zu entscheiden(35). Bei den Umsätzen nach Anhang F Nr. 16 scheint der Rat den für Ende 1996 vorgesehenen Ablauf der derzeitigen Regelung(36) abwarten zu wollen, die die Verwirklichung eines endgültigen Mehrwertsteuersystems für den Binnenmarkt beschleunigen soll(37).

27 Grundsätzlich können die Mitgliedstaaten somit nach Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b die in Anhang F Nr. 16 aufgeführten Umsätze, die der Sechsten Richtlinie vorausgehen, weiterhin befreien(38). Das Weiterbestehen dieser in Artikel 28 Absatz 3 genannten Abweichungen zeigt die fortdauernden Wirkungen des Unvermögens des Rates, sich auf eine gemeinsame Liste von Befreiungen bei dem Erlaß der Sechsten Richtlinie zu einigen(39). Der Bereich einschlägiger Befreiungen muß eng gehalten werden unter Berücksichtigung des übergeordneten Zieles der Sechsten Richtlinie, eine einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage für ein gemeinsames integriertes Mehrwertsteuersystem zu schaffen. Die erste Voraussetzung für eine solche Befreiung ist, daß sie ein blosses Fortbestehen einer vorher durch nationale Rechtsvorschriften gewährten Steuerbefreiung darstellt. Wie der Gerichtshof in der Rechtssache Kerrutt(40), festgestellt hat, steht der Wortlaut von Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b "der Einführung neuer Befreiungstatbestände oder der Ausweitung bereits bestehender Befreiungen nach dem Inkrafttreten der Richtlinie entgegen", was sowohl für den gesetzgebenden als auch für den administrativen und gerichtlichen Weg gilt.

28 Die Mehrwertsteuerbefreiung der Lieferung von Grundstücken war nach dem Gesetz von 1968 zu der Zeit, als die Sechste Richtlinie in den Niederlanden in Kraft trat, eingeschränkt. Wenn ein Grundstück als "umgestaltetes Grundstück" im Sinne des Gesetzes von 1968 eingestuft war, unterlag seine Lieferung der Umsatzsteuer. Die Kommission bemerkte in der Sitzung, die Niederlande hätten niemals eine Ausnahmeregelung nach Artikel 28 Absatz 3 Buchstabe b angewendet oder beantragt. Es sei auch von den Niederlanden kein solcher Antrag im Laufe dieses Verfahrens gestellt worden. Die Niederlande seien somit seit dem 1. Januar 1979 zu der in Artikel 13 Teil B Buchstabe h vorgesehenen Befreiung von Grundstücken ausser Baugrundstücken und dementsprechend zur Erhebung der Mehrwertsteuer auf alle Lieferungen von Baugrundstücken verpflichtet.

ii) Die Sechste Richtlinie im nationalen Recht

29 Die fehlende förmliche niederländische Erfuellung - sei es auf dem Gesetzes- oder dem Verordnungsweg - der durch Artikel 13 Teil B Buchstabe h entstandenen Verpflichtung zur Bestimmung des Begriffes "Baugrundstücke", die von der Steuerbefreiung auszunehmen sind, wirft in Verbindung mit der ziemlich ungewöhnlichen Art des vorliegenden Streites zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens möglicherweise eine Frage zur unmittelbaren Wirkung auf. Diese Frage stellt sich üblicherweise im Zusammenhang eines Rechtsstreits zwischen Mitgliedstaaten oder deren Behörden und natürlichen oder juristischen Privatpersonen (die sogenannte "vertikale unmittelbare Wirkung" von Richtlinien) oder in einem Rechtsstreit zwischen solchen Privatpersonen selbst ("horizontale unmittelbare Wirkung").

30 Im vorliegenden Fall berief sich eine Gemeinde gegenüber der nationalen Steuerbehörde auf bestimmte Vorschriften der Sechsten Richtlinie, allerdings nicht auf den Grundsatz der unmittelbaren Wirkung. Es ist keineswegs klar, daß dieser Grundsatz von einer staatlichen Einrichtung gegenüber einer anderen herangezogen werden kann. Diese Frage müsste aber nur geklärt werden, wenn die Klägerin einfach einem "einzelnen gleichgestellt"(41), mit anderen Worten so behandelt werden könnte, als würde sie als Privatperson oder in deren Namen handeln. Meines Erachtens ist dies unter den gegebenen Umständen aus den unten in Nr. 32 dargelegten Gründen nicht möglich.

31 Nach gefestigter Rechtsprechung kann sich der einzelne unter bestimmten Voraussetzungen gegenüber einem Mitgliedstaat unmittelbar auf die nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführten Bestimmungen einer Richtlinie berufen(42). In der Rechtssache Becker(43) hat der Gerichtshof die Auffassung vertreten, daß Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 1 der Sechsten Richtlinie betreffend die Steuerbefreiung für die Gewährung und Vermittlung von Krediten unbeschadet der im Einleitungssatz zu Teil B genannten Bedingungen unmittelbar wirksam sei(44). Der Gerichtshof hat festgestellt:

"Zum einen sollen die genannten $Bedingungen` eine korrekte und einfache Anwendung der Steuerbefreiungen gewährleisten. Einem Steuerpflichtigen, der in der Lage ist zu beweisen, daß er steuerrechtlich unter einen Befreiungstatbestand der Richtlinie fällt, kann ein Mitgliedstaat nicht entgegenhalten, daß er die Vorschriften, die die Anwendung eben dieser Steuerbefreiung erleichtern sollen, nicht erlassen hat. Zum anderen beziehen sich die $Bedingungen` auf Maßnahmen zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Mißbräuchen. Ein Mitgliedstaat, der es versäumt hat, die dafür erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, darf sich nicht auf seine eigene Untätigkeit berufen, um einem Steuerpflichtigen die Vergünstigung einer Steuerbefreiung zu verweigern, die dieser aufgrund der Richtlinie zu Recht beanspruchen kann ..."(45)

32 Der Grundsatz der unmittelbaren Wirkung kann im vorliegenden Fall jedoch nicht zur Geltung kommen. Die Klägerin ersucht den Gerichtshof um Auslegung des Wortes "Baugrundstücke" in Ermangelung einer klaren gesetzlichen Begriffsbestimmung. Die Lage lässt sich eindeutig von der Rechtssache Becker unterscheiden, da das Gesetz von 1968, anders als die deutschen Rechtsvorschriften im Fall Becker, der in Artikel 13 Teil B Buchstabe h vorgesehenen Steuerbefreiung gesetzliche Geltung verleiht. Wir haben es hier eher mit einer Ausnahme von der Befreiung zu tun, einer Bestimmung, die der Definition durch den Mitgliedstaat bedarf. Eine entsprechende Begriffsbestimmung muß unter Bezugnahme auf nationale Rechtsvorschriften die rechtlichen oder verwaltungsmässigen Handlungen spezifizieren, die Grund und Boden die Eigenschaft von "Baugrundstücken" verleihen. Es wird zum Beispiel eine Wahl zu treffen sein zwischen den verschiedenen Arten von Flächennutzungskriterien und Baugenehmigungen, und es sind Vorkehrungen zu treffen für unsichere Situationen, wie etwa die Wirkung von damit verbundenen Bedingungen und von Rechtsbehelfsverfahren, soweit diese erfolgreich sind. Nichts von dem ist in den Niederlanden geschehen. Der Gerichtshof hat stets die Auffassung vertreten, daß eine nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführte Richtlinie selbst nach Ablauf des Durchführungszeitraums sowohl hinreichend genau als auch unbedingt sein muß, damit sich ein einzelner bei den Gerichten eines Mitgliedstaats unmittelbar auf ihre Bestimmungen berufen kann(46). Meines Erachtens ist die zweite dieser Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht erfuellt. Der Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei der Wahl der Kriterien für die Begriffsbestimmung ist so beschaffen, daß das Vorliegen einer solchen Begriffsbestimmung hierbei eine Voraussetzung für die Anwendung der Sechsten Richtlinie ist, obgleich ich mir Fälle vorstellen könnte, die so eindeutig ausserhalb des Bereichs einer möglichen Begriffsbestimmung liegen, daß kein Zweifel bestehen kann. Es gibt aber noch einen anderen, eng mit dem letztgenannten Punkt zusammenhängenden Grund, der in diesem Fall in entscheidender Weise die unmittelbare Wirkung ausschließt. Die unmittelbare Wirkung einer Steuerbefreiung, wie sie in der Rechtssache Becker festgestellt wurde, lässt natürlich den Schluß zu, daß ein einzelner eine unangemessen weite nationale Definition einer Ausnahme von einer solchen Befreiung anfechten könnte. So könnte eine Definition des Begriffes "Baugrundstücke", die so weit reicht, daß sie landwirtschaftlichen Grund und Boden einbezieht, von einem nachteilig Betroffenen angefochten werden, der in Ermangelung einer auf nationale Rechtsvorschriften beruhenden Befreiung bestrebt sein würde, sich auf die unmittelbare Wirkung von Artikel 13 Teil B Buchstabe h der Sechsten Richtlinie zu berufen. Im vorliegenden Fall macht dies kein einzelner geltend. Selbst wenn aber - und dies ist wichtiger - die Klägerin als ein solcher einzelner angesehen werden kann, würde der im Vorlagebeschluß beschriebene Sachverhalt ein solches Begehren wohl nicht zulassen. Aus den von mir später in diesen Schlussanträgen dargelegten Gründen sind die von der Klägerin veräusserten Parzellen eindeutig "Baugrundstücke" im Sinne des Artikels 4 Absatz 3 Buchstabe b und damit auch im Sinne der Ausnahme in Artikel 13 Teil B Buchstabe h. Zu Personen, denen die unmittelbare Wirkung einer nicht durchgeführten Bestimmung zugute kommen soll, können nicht solche gehören, denen diese Bestimmung nicht zugute käme, wenn sie ordnungsgemäß durchgeführt würde.

33 Diese Schlußfolgerung berührt nicht die Pflicht des nationalen Gerichts, bei der Anwendung der nationalen Rechtsvorschriften bestrebt zu sein, das Gesetz von 1968 im Lichte der einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie nach der Auslegung des Gerichtshofes zu erfassen. In der Rechtssache Von Colson und Kamann hat der Gerichtshof festgestellt, daß die betreffende Richtlinie "hinsichtlich der Sanktionen für eine etwaige Diskriminierung keine unbedingte und hinreichend bestimmte Verpflichtung [begründet], auf die sich ein einzelner mangels rechtzeitig erlassener Durchführungsmaßnahmen berufen könnte, um aufgrund der Richtlinie eine bestimmte Wiedergutmachung zu erlangen, wenn eine solche Rechtsfolge nach den nationalen Rechtsvorschriften nicht vorgesehen oder zugelassen ist"(47). Er hat jedoch auch festgestellt(48), daß "... die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in dieser vorgesehene Ziel zu erreichen, sowie die Pflicht der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 5 EWG-Vertrag, alle zur Erfuellung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, allen Trägern öffentlicher Gewalt in den Mitgliedstaaten obliegen, und zwar im Rahmen ihrer Zuständigkeiten auch den Gerichten. Daraus folgt, daß das nationale Gericht bei der Anwendung des nationalen Rechts, insbesondere auch der Vorschriften eines speziell zur Durchführung der Richtlinie ... erlassenen Gesetzes, dieses nationale Recht im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen hat ..."

34 Während die Rechtssache Von Colson und Kamann eine Richtlinie betraf, die der betreffende Mitgliedstaat durchgeführt hatte, hat der Gerichtshof in der Rechtssache Marleasing entschieden, daß die Verpflichtung auch gilt, wenn die Richtlinie nicht durchgeführt wurde(49). Generalanwalt Van Gerven vertrat in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Marleasing die Auffassung, daß die dem Grundsatz der Rechtssache Von Colson zugrunde liegende Erwägung, daß die nationalen Gerichte verpflichtet sind, "das mit der Richtlinie verfolgte Ziel mit allen hierfür geeigneten Mitteln, die ihnen zu Gebote stehen, zu erreichen", insbesondere dann gilt, "wenn es um nationale Bestimmungen geht, die sich ... auf das durch die Richtlinie geregelte Rechtsgebiet beziehen, selbst wenn sie vor der Richtlinie und somit nicht zu deren Durchführung erlassen wurden"(50). Meines Erachtens kann aber diese Auslegungspflicht nicht so weit gehen, daß von einem nationalen Gericht verlangt wird, gegen den Wortlaut nationaler Rechtsvorschriften zu verstossen oder ihm ausdrücklich zu widersprechen. Auslegung und Anwendung der nationalen Rechtsvorschriften bleiben die Aufgabe des nationalen Gerichts. Seine Verpflichtung, so hat der Gerichtshof festgestellt, "findet jedoch ihre Grenzen in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die Teil des Gemeinschaftsrechts sind, und insbesondere in dem Grundsatz der Rechtssicherheit und im Rückwirkungsverbot"(51). Wie aus der Rechtssache Von Colson hervorgeht, muß es in der oben genannten Weise "in voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihm das nationale Recht einräumt", handeln(52).

35 Das Gesetz von 1968 bestand vor der Sechsten Richtlinie und wurde somit nicht zu ihrer Durchführung erlassen. Der Gerichtshof muß jedoch berücksichtigen, daß bewusst entschieden wurde, dieses Gesetz beizubehalten, aber zu gestatten, daß die Gerichte es an die Zwecke der Sechsten Richtlinie anpassen. Meines Erachtens ist dies eine Situation, die zwischen dem Fall Von Colson und Kamann und dem Fall Marleasing liegt; sie erfordert jedenfalls eine Auslegung des Gesetzes von 1968 im Einklang mit der Sechsten Richtlinie. Die Klägerin wünscht nämlich eine Bestimmung des Begriffes "Baugrundstücke", die es ihr erlaubt, sich auf die Mehrwertsteuerbefreiung für die Lieferung von Grundstücken zu berufen. Ohne diese Befreiung wäre die Lieferung steuerpflichtig. Um es mit anderen Worten als oben in Nr. 32 auszudrücken, hätte der Fall Becker die Lieferung von Grund und Boden und nicht die Gewährung und Vermittlung von Krediten betroffen und hätte sich gezeigt, daß der Grund und Boden Baugrund ist, so hätte sich die Klägerin keinesfalls auf die unmittelbar Wirkung berufen können. Wir haben es hier mit einem niederländischen Gesetz zu tun, das von niederländischen Gerichten ausgelegt wird, um dem den Mitgliedstaaten eingeräumten Ermessen bei der Bestimmung des Begriffes "Baugrundstücke" Geltung zu verschaffen. Es ist meines Erachtens unvermeidbar, ein solches Gesetz mit Buchstaben und Geist der Sechsten Richtlinie in Einklang zu bringen. Da es keine andere Begriffsbestimmung durch niederländische Rechtsvorschriften gibt, muß - einfach ausgedrückt - ein "umgestaltetes Grundstück" so ausgelegt werden, als würde es "Baugrundstücke" von der Mehrwertsteuerbefreiung ausnehmen und als wären die ausgenommenen Baugrundstücke dann innerhalb der in der Sechsten Richtlinie erlaubten Grenzen definiert. Die bestehende niederländische Begriffsbestimmung - im ausdrücklichen Sinne oder implizit betrachtet - schließt natürlich unerschlossene Baugrundstücke gänzlich von der Mehrwertsteuer aus.

Der Inhalt der Fragen

36 Baugrundstücken - was immer darunter zu verstehen sein mag - kommt nicht die zwingende Befreiung von Artikel 13 Teil B Buchstabe h der Sechsten Richtlinie zugute. Aber was sind Baugrundstücke? Um dies herauszufinden, müssen wir Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b betrachten, der als Definitionsteil anzusehen ist. Seine zufällige Einordnung in Artikel 4 kann den Inhalt der Begriffsbestimmung nicht beeinflussen. Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b drückt sich einfach aus: Als "Baugrundstücke" gelten erschlossene oder unerschlossene Grundstücke entsprechend den Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten (Hervorhebung von mir). Der Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß der Anwendungsbereich des einheitlichen Mehrwertsteuersystems der Gemeinschaft sehr weit sei und alle Wirtschaftstätigkeiten eines "Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden" einbeziehe(53). Zu den in der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiungen von diesem System hat der Gerichtshof festgestellt: "So ergibt sich aus der elften Begründungserwägung der Richtlinie, daß diese Befreiungen eigenständige Begriffe des Gemeinschaftsrechts darstellen, die ... im Gesamtzusammenhang des durch die Sechste Richtlinie eingeführten gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu sehen sind"(54). Mit anderen Worten, die zwingenden Befreiungen sind ein Begriff des Gemeinschaftsrechts, und jede Ausnahme davon muß dementsprechend gestaltet werden.

37 Der Gerichtshof hat ebenfalls in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, "daß die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Artikel 13 der Sechsten Richtlinie umschrieben sind, eng auszulegen sind, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, wonach jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt"(55). Die Annahme dieses Grundsatzes und dessen natürliches Gegenstück, nämlich daß jede Ausnahme von einer solchen Befreiung ihrerseits weit zu fassen ist(56), stellen den einzigen Punkt allgemeiner Übereinstimmung unter den Erklärungen dar, die beim Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache abgegeben wurden. Meines Erachtens gelten diese allgemeinen Grundsätze auch für die Auslegung der Bestimmungen, um die es hier geht.

i) Das Ermessen der Mitgliedstaaten

38 Um die Bedeutung des Begriffes "Baugrundstücke" zu bestimmen, ist es im Lichte des Vorbringens der Klägerin und der Niederlande insbesondere erforderlich, den Umfang des Ermessens der Mitgliedstaaten zu bestimmen. Artikel 13 der Sechsten Richtlinie enthält zwei Gruppen zwingender Mehrwertsteuerbefreiungen. Während sowohl Artikel 13 Teil A als auch Artikel 13 Teil B die Mitgliedstaaten verpflichten, klare Bedingungen für deren "korrekte und einfache Anwendung" festzulegen, ergibt sich aus der Rechtssache Becker, daß die Befreiung hinreichend genau und unbedingt sein muß, um einzelnen Rechte verleihen zu können. Eine grössere Anzahl der in Artikel 13 Teil A und Teil B aufgeführten Befreiungen sieht jedoch eine Art der Anerkennung einer beteiligten Einrichtung durch die Mitgliedstaaten vor. So verwendet der Text etwa die Worte "... von dem betreffenden Mitgliedstaat ... anerkannte Einrichtungen" oder "... durch die Mitgliedstaaten als solche definierten". Im Fall des Steuerausschlusses für die "Vermietung und Verpachtung von Grundstücken" (Artikel 13 Teil B Buchstabe b) können die Mitgliedstaaten "weitere Ausnahmen vom Geltungsbereich dieser Befreiung vorsehen". Artikel 13 Teil B Buchstabe f enthält eine Befreiung für "Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden". Bei solchen Bestimmungen haben die Mitgliedstaaten zweifellos die Aufgabe, den Geltungsbereich der Befreiung im Einklang mit den allgemeinen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie zu beschränken(57). Die Bestimmungsbefugnis in Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b ist nur eine Befugnis zur Bestimmung des Gegenstands der Ausnahme von der Befreiung. Ich sehe keinen Grund, sie anders zu behandeln als die anderen Bestimmungsbefugnisse, die in Artikel 13 zu finden sind. Nach ihrer Art ebenso wie nach ihrem Wortlaut sollte sie so gestaltet sein, daß sie dem Begriff "Baugrundstücke" eine weite Geltung verschafft und insbesondere daß sie unerschlossene Grundstücke nicht ausschließen kann.

39 Der spezifizierende Charakter der vom nationalen Gericht vorgelegten Fragen, insbesondere die Einzelheiten der Frage II, zeigen, daß die Verwendung des Begriffes eines umgestalteten Grundstücks zur Klärung der Frage, welche Grundstücksübertragungen in den Niederlanden der Mehrwertsteuer unterworfen sind, unvermeidlich eine Prüfung bezueglich der Art und des Umfangs bestimmter Erschließungsarbeiten mit sich bringt, die den Grund und Boden in den genannten Anwendungsbereich bringen. Dies ist meines Erachtens prima facie schwerlich mit dem blossen Wortlaut von Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b vereinbar, der besagt, daß "als Baugrundstücke erschlossene oder unerschlossene Grundstücke entsprechend den Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten [gelten]" (Hervorhebung von mir). Die Betonung vorbereitender Arbeiten entspricht indessen der Ansicht der Klägerin, daß nur die Übertragung erschlossener Grundstücke unter Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b fallen könne und unbebaute Grundstücke befreit seien, ausser wenn dargetan werden könne, daß sie erschlossen seien; der Grund und Boden muß also mit anderen Worten als Standort für ein oder mehrere Gebäude bestimmt und so durch umfassende physische Arbeit auf dem Grundstück selbst erschlossen sein. Auf eine Frage, die in der Sitzung gestellt wurde, erklärten die Niederlande, daß der Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei der Bestimmung des Begriffes "Baugrundstücke" den Ausschluß aller unerschlossenen Grundstücke von dieser Begriffsbestimmung erlaube. Diese ausschließende Auslegung des Artikels 4 Absatz 3 Buchstabe b bedeutet, daß unerschlossene Baugrundstücke stets von der Mehrwertsteuer ausgenommen sind.

40 Ich glaube nicht, daß die Mitgliedstaaten durch Definition eine Gruppe von Baugrundstücken ausschließen können, die in die Definition dieses Wortes in der Sechsten Richtlinie einbezogen ist. Die Mitgliedstaaten müssen sowohl erschlossene als auch unerschlossene Grundstücke als "Baugrundstücke" definieren(58). Sechs sprachliche Fassungen des Textes waren beim Erlaß der Richtlinie verbindlich. In diesen verschiedenen Fassungen spricht meines Erachtens nichts für eine ausschließende Auslegung(59). Ich bin daher davon überzeugt, daß die einzige Auslegung des Artikels 4 Absatz 3 Buchstabe b, die dem gebräuchlichen Sinn der verwendeten Worte, der Voraussetzung einer weiten Fassung und somit der Erreichung des zugrundeliegenden Gemeinschaftsziels entspricht, darin liegt, daß die Mitgliedstaaten sowohl den Begriff des erschlossenen als auch den des unerschlossenen Baugrundes definieren müssen, um beide in "Baugrundstücke" einzubeziehen.

ii) Die Begriffsbestimmung "Baugrundstücke"

41 Die Klägerin und die niederländische Regierung widersprechen der Auffassung der Kommission bezueglich der Kriterien für die Bestimmung des Begriffes "Baugrundstücke". Die niederländische Regierung meint, daß die Kommission in unangemessener Weise die Absicht der Parteien bei der Veräusserung hervorhebe und dies dazu führen könnte, daß technisch erschlossener Grund und Boden von dem Begriff "Baugrundstücke" ausgeschlossen würde, also Grund, auf dem verschiedene spezielle Erschließungsarbeiten durchgeführt worden seien, der aber nicht im Flächennutzungsplan für Bauzwecke ausgewiesen sei. Meines Erachtens sind diese Besorgnisse unbegründet. Nach meinem Verständnis hat die Kommission als Leitgedanken vorgeschlagen, daß der Grund und Boden für Bauzwecke bestimmt sein soll. Es wären noch objektive Kriterien für die Anwendung dieses Grundsatzes nötig. Die bestimmende Rolle liegt also bei den Mitgliedstaaten.

42 Ich finde die Ansicht der Kommission bei der Suche nach einer Bestimmung des Begriffes "Baugrundstücke" zufriedenstellender. Die niederländische Regierung erklärt, sie habe das Ermessen, eine solche Begriffsbestimmung zu geben, - paradoxerweise - dadurch ausgeuebt, daß sie keine Begriffsbestimmung getroffen habe, sondern den niederländischen Gerichten die Auslegung eines früheren Begriffes gestatte, der nicht darauf abgestellt sei, "Baugrundstücke" zu definieren. Eine Definition der Befreiung im Einklang mit den Erfordernissen von Artikel 13 Teil B sollte zumindest den Vorzug der Klarheit haben. Dies ist aber eine Eigenschaft, die ganz offensichtlich zur Zeit bei den niederländischen Rechtsvorschriften nicht besteht. Eine zufriedenstellende und klare Definition würde u. a. bewirken, daß Vorabentscheidungsvorlagen wie diese nicht nötig wären. Ich finde es besonders aufschlußreich, daß der Hoge Raad in seinem jüngsten Urteil, auf das der Gerichtshof verwiesen wurde, offenbar erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit des Gesetzes von 1968 mit der Sechsten Richtlinie geäussert hat(60). Ich teile diese Zweifel. Wie bereits festgestellt, schließt die herrschende Definition von "Baugrundstücken" in den niederländischen Rechtsvorschriften alle unerschlossenen Baugrundstücke gänzlich und, wie ich meine, in unannehmbarer Weise aus. Eine weitere Folge eines Einverständnisses mit den Argumenten der niederländischen Regierung wäre meines Erachtens, daß es die niederländischen Gerichte - wie bereits hier geschehen - immer häufiger für erforderlich halten würden, dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Begriffes "erschlossene" Baugrundstücke vorzulegen, und zwar jeweils unter Bezugnahme auf potentiell unbegrenzte Permutationen bei Art und Umfang von Erschließungsarbeiten.

43 Wenn unerschlossene Baugrundstücke zu Recht in die Begriffsbestimmung aufzunehmen sind, erledigt sich das vorgenannte Problem von selbst. Kann nämlich unerschlossener Grund und Boden als "Baugrundstück" bezeichnet werden, so hat der Umfang bestimmter Erschließungsarbeiten oder Dienstleistungen, also von "Erschließungen", keine Bedeutung. Sobald der Grund und Boden - sei es auch unerschlossener - Baugrund geworden ist, behält er diese Eigenschaften in allen Stadien der Erschließung. Dies bedeutet natürlich nicht, daß allein Erschließung Grund und Boden in Baugrund verwandeln kann. Bekanntlich führen Landentwickler zuweilen ohne unlautere Absicht oder absichtlich Landentwicklungsarbeiten ohne rechtliche Planung oder Erschließungsgenehmigung durch, manchmal unter Vorwegnahme einer Änderung des Flächennutzungsplans oder eines Planungsbescheids und manchmal sogar in der Hoffnung, dadurch die Entscheidung einer Dienststelle im gewünschten Sinne herbeizuführen. Meines Erachtens kann ein derartiges Vorgehen unter Verstoß gegen nationale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften nicht als solches Grund und Boden in ein Baugrundstück verwandeln.

44 Damit bleibt uns noch das Problem der Materialbeschaffung für eine zufriedenstellende Bestimmung des Begriffes "Baugrundstücke" in Ermangelung einer Definition durch den Mitgliedstaat. Zuvor möchte ich noch kurz auf die Folgen und die Durchführbarkeit der abweichenden Ansicht der niederländischen Regierung eingehen.

45 Erstens ließe sie, wie bereits gesagt, weitere, wiederholte und subtilere Vorabentscheidungsvorlagen an den Gerichtshof erwarten. Die stillschweigende niederländische Definition von "Baugrundstücken" als erschlossener Grund und Boden versucht andererseits nicht, die wesentliche Frage zu klären, was unter erschlossenem Grund und Boden zu verstehen ist.

46 Zweitens wäre es sehr schwierig, Kriterien der hier gesuchten Art festzulegen, die ein objektives Urteil aufgrund der Art oder des Umfangs bestimmter Arbeiten oder der Unterscheidung - wenn sie überhaupt möglich ist - zwischen Arbeiten, die einen speziellen Grund und Boden ausschließlich für die nachfolgende Bebauung vorbereiten, und Arbeiten erlauben, die den Boden nur mit den Grundeinrichtungen versehen, die eine künftige Bebauung erleichtern können. Sofern das überhaupt maßgebend sein kann, sehe ich keinen Unterschied darin, ob Einrichtungen wie Strassen, Kanalisationsanlagen oder Gräben nur bis in die Nachbarschaft eines Grundstücks reichen oder physisch auf ihm liegen, soweit sie geeignet sind, seine Brauchbarkeit als Baugrund zu fördern. Es wäre absurd, ein Grundstück als Baugrundstück zu behandeln, wenn ein Graben einen Meter in das Grundstück hineinreicht, aber nicht als Baugrund, wenn der Graben an der Grundstücksgrenze aufhört. Die niederländische Regierung, die zwar offenbar eine solche Unterscheidung sieht, sie aber nicht definiert, würde es lieber sehen, wenn der Gerichtshof eine Auswahl anhand der Aufstellung treffen würde, die der zweiten Frage des nationalen Gerichts beigegeben ist. Die Klägerin behauptet, daß die Arbeiten erheblich sein müssen, bevor der Grund und Boden als erschlossen betrachtet werden kann, nennt dem Gerichtshof aber keine Kriterien für diesen vagen Begriff. Sie bezieht sich auf die Rechtssache Dijk's Bökhuis(61) zur Stützung der Ansicht, daß Grund und Boden nur dann als "Baugrundstücke" eingestuft werden könne, wenn Arbeiten vorgenommen worden seien, die seine Eigenschaft eindeutig veränderten. Die Relevanz dieser Rechtssache ist fraglich. Es stellte sich darin die Frage, ob umfassende Instandsetzungsarbeiten an beschädigten Büchern als Herstellung oder Zusammenstellung eines beweglichen Gegenstands im Sinne von Artikel 5 Absatz 5 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie anzusehen sind oder ob sie nur unter den Begriff "Dienstleistung" fallen sollen. Der Gerichtshof sah hierin einen Fall, der eine Auslegung erfordert, die die Aufrechterhaltung einer einheitlichen steuerpflichtigen Bemessungsgrundlage bei der Anwendung der Sechsten Richtlinie ermöglicht. Er vertrat daher die Auffassung, daß die im allgemeinen Sprachgebrauch dem Wort "herstellen" verliehene Bedeutung verwendet werden könne. Nach Ansicht des Gerichtshofes "enthält der Begriff der Herstellung den Gedanken der Schaffung eines Gegenstands, der bis dahin noch nicht existierte. Ein aufgrund eines Werkvertrags hergestellter beweglicher Gegenstand liegt also nur dann vor, wenn ein Auftragnehmer aus Material, das der Auftraggeber ihm ausgehändigt hat, einen neuen Gegenstand schafft"(62). Abgesehen davon, daß - wie die Klägerin ausführt - das Erfordernis der Schaffung eines neuen Gegenstands als Grundsatz allgemeiner Bedeutung anzusehen ist, ist schwer zu sehen, welche unmittelbare Bedeutung, ausser einer blossen Illustration, dieses Urteil für die Auslegung des Begriffes "erschlossene Baugrundstücke" haben kann.

47 Meines Erachtens kann nur der von der Kommission in ihren Erklärungen aufgezeigte Weg als Ausgangspunkt eine Definition des Begriffes "Baugrundstücke" ermöglichen, die den Begriff des unerschlossenen Baugrundes in geeigneter Weise umfasst. Die Kommission hat meiner Ansicht nach zu Recht bemerkt, daß die subjektiven und privaten Absichten der Parteien einer Übertragung zum Zeitpunkt der Lieferung von Grund und Boden nicht entscheidend sein können, sondern daß das ausschlaggebende Kriterium eher darin zu sehen ist, ob objektiv in Übereinstimmung mit dem geltenden öffentlichen Recht des betreffenden Mitgliedstaats gesagt werden kann, daß auf dem gelieferten Grund und Boden grundsätzlich gebaut werden darf. Ich stimme der Bemerkung der Kommission zu, daß in vielen Fällen die Erfassung von Grund und Boden zur Bebauung in einem amtlichen und öffentlich aufliegenden Flächennutzungsplan ausreicht, um ihn zu einem "Baugrundstück" im Sinne der Sechsten Richtlinie zu machen. Würde in allen Fällen eine individuelle Genehmigung für die Errichtung eines bestimmten Gebäudes verlangt, so wäre dies meines Erachtens eine unangemessen strenge Schwelle für die Erlangung der Baulandeigenschaft. Es mag allerdings Mitgliedstaaten oder Gebiete in Mitgliedstaaten geben, in denen ein solcher Flächennutzungsplan nicht besteht, so daß dann eine individuelle Baugenehmigung das einzige Mittel wäre, um die öffentlich-rechtliche Zuerkennung der Baulandeigenschaft festzustellen.

48 Es ist Sache eines jeden Mitgliedstaats, eindeutig Art und Ausmaß der öffentlich-rechtlichen Handlungen festzulegen, aufgrund deren Boden, der vorher nicht als Bauland ausgewiesen war, die Eigenschaft eines Baugrundes erlangt. Ein solches Verfahren ist auch, um nur ein Beispiel zu nennen, bei der Definition der "ärztlichen und arztähnlichen Berufe" durch die Mitgliedstaaten im Sinne des Artikels 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c erforderlich. Das Ermessen der Mitgliedstaaten ist indessen nicht auf eine solche Aufzählung begrenzt, sondern umfasst auch nach dem Einleitungssatz von Artikel 13 Teil B die Verpflichtung, eine Regelung zur Gewährleistung einer einfachen Anwendung der Befreiung und "zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Mißbräuchen" zu treffen. All dies bleibt den nationalen Dienststellen vorbehalten. Die Ausübung dieses Ermessens muß in Übereinstimmung mit dem der Befreiung zugrunde liegenden Ziel ausschließlich dem Mitgliedstaat zustehen, lediglich vorbehaltlich einer gerichtlichen Nachprüfung.

49 Natürlich macht es gerade das Fehlen einer Maßnahme des Mitgliedstaats wie der söben beschriebenen erforderlich, daß der Gerichtshof dem nationalen Gericht eine Auslegung der Artikel 13 Teil B Buchstabe h un