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Wichtiger rechtlicher Hinweis

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61996C0275

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 16. Dezember 1997. - Anne Kuusijärvi gegen Riksförsäkringsverket. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Kammarrätten i Sundsvall - Schweden. - Soziale Sicherheit - Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 - Persönlicher Geltungsbereich - Erziehungsgeld - Fortbestehen des Leistungsanspruchs nach Umzug in einen anderen Mitgliedstaat. - Rechtssache C-275/96.

Sammlung der Rechtsprechung 1998 Seite I-03419


Schlußanträge des Generalanwalts


1 Diese vom Kammarrätt (Oberverwaltungsgericht) Sundsvall, Schweden, vorgelegte Rechtssache betrifft die Auslegung bestimmter Vorschriften der Verordnung Nr. 1408/71 (im folgenden: Verordnung)(1) im Zusammenhang mit der Gewährung des schwedischen Erziehungsgeldes an eine Leistungsempfängerin, die geltend macht, aufgrund der Verordnung einen Anspruch auf Weitergewährung dieser Leistung auch nach ihrem Umzug nach Finnland zu haben. Der Gerichtshof wird insbesondere gebeten, zu klären, ob die Klägerin in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung fällt und ob eine Bestimmung der schwedischen Rechtsvorschriften, nach der die Empfänger von Erziehungsgeld in Schweden ihren Wohnsitz haben müssen, mit der Verordnung vereinbar ist.

Die maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften

2 Artikel 1 bestimmt, soweit für die vorliegende Rechtssache von Bedeutung:

"Für die Anwendung dieser Verordnung werden die nachstehenden Begriffe wie folgt definiert:

a) $Arbeitnehmer` oder $Selbständiger`: jede Person,

...

ii) die im Rahmen eines für alle Einwohner oder die gesamte erwerbstätige Bevölkerung geltenden Systems der sozialen Sicherheit gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken pflichtversichert ist, die von den Zweigen erfasst werden, auf die diese Verordnung anzuwenden ist,

- wenn diese Person aufgrund der Art der Verwaltung oder der Finanzierung dieses Systems als Arbeitnehmer oder Selbständiger unterschieden werden kann ..."

3 Artikel 2 trägt die Überschrift "Persönlicher Geltungsbereich". Sein Absatz 1 bestimmt:

"Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene."

4 Artikel 4 trägt die Überschrift "Sachlicher Geltungsbereich". Sein Absatz 1 bestimmt, soweit hier von Bedeutung:

"(1) Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die folgende Leistungsarten betreffen:

a) Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft,

...

g) Leistungen bei Arbeitslosigkeit ..."

5 Artikel 13 mit der Überschrift "Allgemeine Regelung" ist die erste Vorschrift in Titel II der Verordnung, der überschrieben ist: "Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften".

6 Artikel 13 Absatz 1 bestimmt:

"Vorbehaltlich des Artikels 14c unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel."

7 Artikel 14c enthält im vorliegenden Fall nicht einschlägige Sonderregelungen für Personen, die gleichzeitig im Gebiet eines Mitgliedstaats eine abhängige Beschäftigung ausüben und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats einer selbständigen Tätigkeit nachgehen.

8 Artikel 13 Absatz 2 enthält eine Reihe von Regelungen zur Bestimmung der in besonderen Fällen anzuwendenden Rechtsvorschriften. Diese Regelungen gelten vorbehaltlich der Artikel 14 bis 17 am Ende des Titels II, die verschiedene Sonderregelungen enthalten, von denen keine auf den vorliegenden Fall anwendbar ist.

9 Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a sieht vor:

"Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat."

10 Artikel 13 Absatz 2 Buchstaben b bis e betrifft Selbständige, Personen, die an Bord eines unter der Flagge eines Mitgliedstaats fahrenden Schiffen beschäftigt sind, sowie Beamte und zum Wehrdienst oder Zivildienst einberufene Personen.

11 Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f, der durch die Verordnung Nr. 2195/91(2) mit Wirkung vom 29. Juli 1991 in die Verordnung eingefügt wurde, bestimmt:

"eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ohne daß die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Artikel 14 bis 17 auf sie anwendbar wurden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften."

12 Artikel 10b der Verordnung Nr. 574/72 über die Durchführung der Verordnung(3), der ebenfalls durch die Verordnung Nr. 2195/91 eingefügt wurde, trägt die Überschrift "Formvorschriften für die Durchführung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f) der Verordnung" und lautet wie folgt:

"Der Zeitpunkt und die Voraussetzungen, zu denen die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiter für die in Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f) der Verordnung genannte Person gelten, werden nach diesen Rechtsvorschriften bestimmt. Der Träger, den die zuständige Behörde des Mitgliedstaats bezeichnet, dessen Rechtsvorschriften auf diese Person anwendbar werden, erkundigt sich bei dem von der zuständigen Behörde des ersten Mitgliedstaats bezeichneten Träger nach diesem Zeitpunkt."

13 Artikel 22 der Verordnung, der für Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft gilt, bestimmt, soweit hier von Bedeutung:

"(1) Ein Arbeitnehmer oder Selbständiger, der die nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates für den Leistungsanspruch erforderlichen Voraussetzungen, gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Artikels 18, erfuellt und

...

b) der, nachdem er zu Lasten des zuständigen Trägers leistungsberechtigt geworden ist, von diesem Träger die Genehmigung erhalten hat, in das Gebiet des Mitgliedstaats, in dem er wohnt, zurückzukehren oder einen Wohnortwechsel in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats vorzunehmen, ...

...

hat Anspruch auf:

...

ii) Geldleistungen vom zuständigen Träger nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften. ...

(2) Die nach Absatz 1 Buchstabe b) erforderliche Genehmigung darf nur verweigert werden, wenn die Rückkehr oder der Wohnortwechsel des Arbeitnehmers oder Selbständigen dessen Gesundheitszustand gefährden oder die Durchführung der ärztlichen Behandlung in Frage stellen würde. ..."

Artikel 18 betrifft die Anrechnung von nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungs-, Beschäftigungs- und Wohnzeiten und ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig.

14 Soweit hier von Bedeutung, bestimmt Artikel 94 der Verordnung:

"(1) Diese Verordnung begründet keinen Anspruch für einen Zeitraum ... vor ihrer Anwendung im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats ...

(2) Für die Feststellung des Anspruchs auf Leistungen nach dieser Verordnung werden sämtliche Versicherungszeiten sowie gegebenenfalls auch alle Beschäftigungs- und Wohnzeiten berücksichtigt, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats ... vor Anwendung dieser Verordnung im Gebiet dieses Mitgliedstaats ... zurückgelegt worden sind.

(3) Ein Leistungsanspruch wird auch für Ereignisse begründet, die ... vor Anwendung dieser Verordnung im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats ... liegen, soweit Absatz 1 nicht etwas anderes bestimmt."

15 Sowohl Schweden als auch Finnland sind den Europäischen Gemeinschaften am 1. Januar 1995 beigetreten. Die Verordnung und die Verordnung Nr. 574/72 haben in beiden Ländern allerdings aufgrund des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum(4) bereits mit Wirkung vom 1. Januar 1994 Anwendung gefunden. Folglich war zu der Zeit, in der sich der für das Ausgangsverfahren maßgebliche Sachverhalt abspielte, die Verordnung als gemeinschaftsrechtliches Instrument noch nicht in Kraft. Diese Frage haben allerdings weder das nationale Gericht noch die Beteiligten, die gegenüber dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, aufgeworfen. Unter diesen Umständen nehme ich an, daß das nationale Gericht eine Vorabentscheidung durch den Gerichtshof zum Erlaß seines Urteils für erforderlich hält, weil es davon ausgeht, daß der Anspruch der Klägerin auf das schwedische Erziehungsgeld, wenn er begründet ist, über den 1. Januar 1995 hinaus besteht, so daß die Angelegenheit in die Zuständigkeit des Gerichtshofes fällt.

Die nationalen Rechtsvorschriften

16 Das Sozialversicherungsgesetz(5) (im folgenden: Gesetz) sieht vor, daß schwedische Staatsangehörige und im Inland Ansässige gesetzlich versichert sind. Ein Versicherter, der Schweden verlässt, gilt weiterhin als in Schweden wohnend, wenn die beabsichtigte Dauer seines Auslandsaufenthalts ein Jahr nicht übersteigt(6).

17 Nach dem Gesetz werden alle versicherten Personen, die das sechzehnte Lebensjahr vollendet haben, in das Register der Allgemeinen Versicherungskasse eingetragen, wenn sie in Schweden wohnen(7). Die Eintragung unterliegt den vom Riksförsäkringsverk (staatliche Sozialversicherungsanstalt)(8) erlassenen Vorschriften, die u. a. folgendes vorsehen.

18 Eine Person gilt als in Schweden wohnend, wenn sie dort tatsächlich ihren Wohnsitz hat oder wenn sie sich in der Absicht nach Schweden begibt, sich dort entweder ständig oder aus beruflichen Gründen oder zu Ausbildungszwecken für mehr als ein Jahr aufzuhalten(9). Eine Person, die aufgrund der Verordnung Anspruch auf Leistungen nach den schwedischen Rechtsvorschriften hat, gilt als in Schweden wohnend, solange sie Anspruch auf diese Leistungen hat, selbst wenn sie diese Wohnortvoraussetzungen nicht erfuellt. Wenn eine versicherte Person in der Absicht ins Ausland geht, sich dort für mehr als ein Jahr aufzuhalten, wird sie, wenn sie in ein nordisches Land umzieht, aus dem Register der Sozialversicherung mit Wirkung von dem Tag ausgetragen, an dem sie in Schweden aus dem Einwohnermelderegister (Folkbokföringen) ausgetragen wird(10). Begibt sich aber eine unter die Verordnung fallende Person in einen anderen Mitgliedstaat, so wird sie aus dem Register der Sozialversicherung ausgetragen, sobald sie gemäß der Verordnung unter die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats fällt, auch wenn die beabsichtigte Dauer ihres dortigen Aufenthalts kürzer als ein Jahr ist.

19 Kapitel 4 des Gesetzes enthält Vorschriften über den Anspruch auf Erziehungsgeld (föräldrapenning). Nach dieser Regelung hat ein versicherter Elternteil, der der Allgemeinen Versicherungskasse angeschlossen ist, anläßlich der Geburt eines Kindes für höchstens 450 Tage Anspruch auf Erziehungsgeld. Während der ersten 360 Tage ist die Höhe der Leistung bis auf einen garantierten Mindestbetrag vom früheren Einkommen des Elternteils abhängig; in den letzten 90 Tagen entspricht die Höhe dem garantierten Mindestbetrag. Der Anspruch auf eine über den garantierten Mindestbetrag hinausgehende Leistung hängt in den ersten 180 Tagen davon ab, daß bestimmte Voraussetzungen vorliegen, die sich auf die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung vor der Geburt des Kindes beziehen; im übrigen wird die Leistung unter der Voraussetzung, daß das Kind noch keine acht Jahre alt ist, unabhängig davon gezahlt, wann der Antragsteller in Schweden wohnhaft wurde. Obwohl das Gesetz keine Bestimmungen enthält, die unmittelbar festlegen, wie lange eine Leistung an im Ausland wohnende Versicherte gezahlt werden kann, ergibt sich nach Auffassung des nationalen Gerichts aus der Eintragungsvoraussetzung, daß eine Person nicht mehr versichert ist und keinen Anspruch u. a. auf Erziehungsgeld mehr hat, wenn die beabsichtigte Dauer des Auslandsaufenthalts mehr als ein Jahr beträgt, oder gegebenenfalls früher, wenn sie unter die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats fällt. Erziehungsgeldleistungen sind nicht beitragsabhängig.

20 Die schwedische Regierung wirft in ihren schriftlichen Erklärungen und mündlichen Ausführungen die Frage auf, ob Erziehungsgeld eine Leistung bei Mutterschaft oder eher eine Familienleistung sei; in letzterem Fall wäre Artikel 22 der Verordnung nicht anwendbar. Da jedoch die Frage der richtigen Einordnung der Leistung vom nationalen Gericht nicht aufgeworfen wurde und sich aus den schriftlichen Erklärungen der schwedischen Regierung ergibt, daß bei Inkrafttreten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, als auch die Verordnung in Schweden Geltung erlangte, das Erziehungsgeld gemäß den Artikeln 5 und 97 als eine Leistung bei Mutterschaft angegeben wurde, und da ferner kein Grund zu der Annahme besteht, daß diese Angabe mittlerweile überholt ist, werde ich in diesen Schlussanträgen davon ausgehen, daß das Erziehungsgeld eine Leistung bei Mutterschaft im Sinne der Verordnung ist.

Sachverhalt und Ausgangsverfahren

21 Anne Kuusijärvi, eine finnische Staatsangehörige, arbeitete elf Monate lang in Schweden; ihr letzter Arbeitstag war der 10. Februar 1993. Im Anschluß daran bezog sie bis zur Geburt ihres Kindes am 1. Februar 1994, durch die sie Ansprüche auf Kindergeld und auf Erziehungsgeld erwarb, Arbeitslosenunterstützung. Nachdem sie am 1. Juli 1994 nach Finnland umgezogen war, blieb sie arbeitslos. Sie wurde am 2. Juli 1994 aus dem Register der schwedischen Sozialversicherung ausgetragen, und die Zahlung des Erziehungsgeldes wurde ab diesem Zeitpunkt eingestellt.

22 Der Antrag von Frau Kuusijärvi auf Weitergewährung des schwedischen Erziehungsgeldes nach ihrem Umzug nach Finnland wurde von der Allgemeinen Versicherungskasse der Provinz Norrbotten abgelehnt. Das Länsrätt (Verwaltungsgericht) Norrbotten wies ihre Klage mit der Begründung ab, die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung und der Verordnung Nr. 574/72 seien so zu verstehen, daß sie nach der Verordnung einen Anspruch auf schwedische Leistungen nur habe, solange die Auszahlungsvoraussetzungen nach schwedischem Recht erfuellt seien; unter Berücksichtigung u. a. der Vorschriften über die Austragung aus dem schwedischen Sozialversicherungsregister habe sie, da sie Schweden verlassen habe, nach dem 1. Juli 1994 keinen Anspruch auf Weitergewährung von Erziehungsgeld mehr. Frau Kuusijärvi legte Berufung beim Kammarrätt Sundsvall ein, das dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt hat:

1. Ist die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 überhaupt auf eine Person anwendbar, die, bevor die Verordnung in Schweden galt, von Finnland nach Schweden umzog und dort arbeitete, die jedoch weder bei Inkrafttreten der Verordnung in Schweden dort erwerbstätig war noch sich als Arbeitslose dorthin begab, nachdem die Verordnung in Schweden galt, sondern die sich dort in diesem Zeitpunkt nach einer früheren Beschäftigungszeit nur als Arbeitslose aufhielt und dabei in Schweden Arbeitslosengeld erhielt? Kann also eine Person unter diesen Umständen geltend machen, daß sie nach dem 1. Januar 1994 aufgrund der Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 unter die schwedischen Rechtsvorschriften fällt, soweit es um den Anspruch auf schwedische Sozialversicherungsleistungen in Form von Erziehungsgeld (föräldrapenning) geht?

Falls diese Frage bejaht wird, stellen sich folgende Fragen:

2. Ist Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 in Verbindung mit Artikel 10b der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 dahin auszulegen, daß es einem Mitgliedstaat freisteht, Voraussetzungen bezueglich eines inländischen Wohnsitzes aufzustellen, damit eine Person, die in diesem Staat nicht mehr arbeitet, hinsichtlich der Geldleistungen bei Mutterschaft weiter unter die Rechtsvorschriften dieses Staates fällt?

3. Ist Artikel 22 der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen, daß eine Person, die in einem zuständigen Staat anfänglich Geldleistungen bei Mutterschaft erhält, unter den im übrigen in diesem Artikel aufgestellten Voraussetzungen beim Umzug in einen anderen Mitgliedstaat nur dann weiter Anspruch auf diese Geldleistungen hat, wenn sie sämtliche Bedingungen der in dem zuständigen Land geltenden gesetzlichen Regelung erfuellt, d. h. auch die zu diesen Bedingungen gehörende Voraussetzung eines inländischen Wohnsitzes, oder ist Artikel 22 dahin auszulegen, daß dieser Anspruch besteht, solange die betreffende Person bis auf die Wohnsitzvoraussetzung alle anderen Voraussetzungen erfuellt, die in der nationalen Regelung des Staates, aus dem sie wegzieht, vorgesehen sind?

23 Das Riksförsäkringsverk, die Kommission sowie die finnische, die niederländische, die norwegische und die schwedische Regierung haben schriftliche Erklärungen abgegeben. Mit Ausnahme der norwegischen Regierung waren diese Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vertreten.

Die erste Frage

24 Die erste Frage geht dahin, ob die Verordnung auf eine Person anwendbar ist, die bei ihrem Inkrafttreten in Schweden dort nicht erwerbstätig war, sich aber in Schweden als Arbeitslose aufhielt und einen durch eine frühere Erwerbstätigkeit begründeten Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit hatte. Aus dem Vorlagebeschluß geht hervor, daß diese Frage eher deshalb gestellt wurde, weil Zweifel bestanden, ob die Klägerin unter diesen Umständen unter den Begriff "Arbeitnehmer" in Artikel 1 Buchstabe a und Artikel 2 Absatz 1 fiel, als deshalb, weil sich der Sachverhalt vor dem Beitritt Schwedens zur Gemeinschaft abgespielt hatte.

25 Unter den Beteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, besteht Einvernehmen darüber, daß die Verordnung auf diesen Fall Anwendung findet, jedoch weichen ihre Begründungen dafür leicht voneinander ab.

26 Die Klägerin hat keine Erklärungen abgegeben; ihre Auffassung lässt sich jedoch dem Vorlagebeschluß entnehmen. Offenbar hat sie vor dem Kammarrätt geltend gemacht, die Verordnung sei anwendbar, da sie vor deren Inkrafttreten in Schweden in diesem Land erwerbstätig und anschließend arbeitslos gewesen sei.

27 Das Riksförsäkringsverk verweist auf den vom Gerichtshof aufgestellten Grundsatz, wonach der Begriff "Arbeitnehmer" ein gemeinschaftsrechtlicher Begriff sei, der weit auszulegen sei, um ein Hoechstmaß an Freizuegigkeit für Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft sicherzustellen. Entscheidend sei, ob eine Person unter die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des fraglichen Mitgliedstaats falle(11).

28 Die schwedische Regierung führt aus, die Klägerin habe vor Inkrafttreten der Verordnung elf Monate in Schweden gearbeitet und anschließend Arbeitslosenunterstützung bezogen. Sie habe deshalb der schwedischen Sozialversicherung angehört und falle demzufolge in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung.

29 Die finnische Regierung bezieht sich auf Artikel 2 der Verordnung, wonach die Verordnung für "Arbeitnehmer und Selbständige [gilt], für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten", und auf Artikel 1 Buchstabe a Ziffer i, der darüber hinaus als "Arbeitnehmer" jede Person definiert, die von einem System der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer erfasst wird. Ausserdem habe der Gerichtshof entschieden, daß der Begriff "Arbeitnehmer" nicht auf Arbeitnehmer in einem aktiven Beschäftigungsverhältnis beschränkt sei(12). Die Verordnung erfasse demzufolge eine Person, die zu dem Zeitpunkt, zu dem die Verordnung in dem fraglichen Mitgliedstaat anwendbar geworden sei, Arbeitslosenunterstützung bezogen habe.

30 Die norwegische Regierung verweist auf Artikel 94 Absätze 2 und 3 der Verordnung, wonach sämtliche Versicherungs- und Beschäftigungszeiten, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vor Anwendung der Verordnung im Gebiet dieses Staates zurückgelegt worden sind, für die Feststellung von Ansprüchen nach dieser Verordnung zu berücksichtigen sind und Leistungsansprüche auch für Ereignisse begründet werden, die vor diesem Zeitpunkt liegen.

31 Die niederländische Regierung stützt sich auf die vom Gerichtshof gegebene weite Definition des "Arbeitnehmers" als "jede Person, die ... die Versicherteneigenschaft nach den für die soziale Sicherheit geltenden Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten besitzt"(13). Es obliege dem nationalen Gericht, festzustellen, ob die Klägerin im Rahmen des schwedischen Sozialversicherungssystems versichert sei und damit unter diesen Begriff und die Definition des "Arbeitnehmers" in Artikel 1 Buchstabe a Ziffer ii falle.

32 Die Kommission bezieht sich auf Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung, wonach in deren Anwendungsbereich Arbeitnehmer fallen, für die die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gelten oder galten. Da für die Klägerin sowohl zur Zeit ihrer Erwerbstätigkeit als auch zu der Zeit, zu der sie Arbeitslosenunterstützung und anschließend Erziehungsgeld bezog, die schwedischen Rechtsvorschriften galten, kommt die Kommission zu dem Ergebnis, daß die Klägerin "Arbeitnehmer" im Sinne der Verordnung sei. Die Tatsache, daß die Klägerin nicht erwerbstätig gewesen sei, als sie einen Anspruch auf Erziehungsgeld erworben habe, ändere an dieser Schlußfolgerung nichts. Die Kommission verweist insoweit auf die Definition des "Arbeitnehmers" in Artikel 1 Buchstabe a sowie auf das Urteil Pierik(14) und führt aus, die Klägerin müsse gemäß Artikel 1 Buchstabe a gegen die maßgeblichen Risiken versichert gewesen sein, da sie Arbeitslosenunterstützung und Erziehungsgeld in Schweden bezogen habe.

33 Meines Erachtens ergibt sich aus Artikel 1 Buchstabe a in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1, daß die Verordnung u. a. für jede Person gilt, die im Rahmen eines für alle Einwohner geltenden Systems der sozialen Sicherheit gegen ein Risiko oder mehrere Risiken, die von den in der Verordnung genannten Zweigen der sozialen Sicherheit erfasst werden, versichert ist und für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten. Diese Zweige der sozialen Sicherheit schließen Leistungen bei Mutterschaft und Arbeitslosigkeit ein. Vermutlich ist das nationale Gericht in der Lage, festzustellen, ob die Klägerin, wie es den Anschein hat, zur Zeit des Inkrafttretens der Verordnung in Schweden sowohl entsprechend versichert war als auch unter entsprechende Rechtsvorschriften fiel, da sie eine bestimmte Leistung bezog und in Schweden wohnte. Ist dies der Fall, so wäre es klar, daß sie in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung fällt. Diese Auffassung könnte man erforderlichenfalls auch noch auf Artikel 94 Absätze 2 und 3 der Verordnung und das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Pierik stützen.

34 Das Urteil Pierik betraf die Auslegung des Begriffes "Arbeitnehmer", der in der für den Gerichtshof seinerzeit maßgeblichen Fassung der Verordnung(15) in Artikel 1 Buchstabe a definiert war als "jede Person, die [im Rahmen eines der in Ziffer i, ii, iii dieser Vorschrift genannten Systeme der sozialen Sicherheit] gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken ... pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist". Diese Definition ist fast identisch mit der Definition des "Arbeitnehmers" in Artikel 1 Buchstabe a der aktuellen Fassung der Verordnung. Der Gerichtshof hat ausgeführt:

"Eine derartige, $für die Anwendung dieser Verordnung` erfolgte Definition ist von allgemeiner Tragweite und erstreckt sich in Anbetracht dieser Erwägung auf jede Person, die, ob sie nun eine Erwerbstätigkeit ausübt oder nicht, die Versicherteneigenschaft nach den für die soziale Sicherheit geltenden Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten besitzt. Daraus folgt, daß die Rentner, die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten zum Bezug von Rente berechtigt sind, auch wenn sie keine Erwerbstätigkeit ausüben, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einem System der sozialen Sicherheit unter die Bestimmungen der Verordnung über die $Arbeitnehmer` fallen, soweit auf sie keine besonderen, für sie erlassenen Bestimmungen anzuwenden sind."(16)

35 Ich komme damit zu dem Ergebnis, daß Personen in einer Situation wie der der Klägerin in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung fallen.

Die zweite Frage

36 Mit dieser Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f dahin auszulegen ist, daß es einem Mitgliedstaat freisteht, von einer Person, die in diesem Staat nicht mehr erwerbstätig ist, zu verlangen, daß sie dort wohnt, damit sie weiter unter seine Sozialversicherungsvorschriften fällt. Wie bereits erwähnt, unterliegt nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht mehr unterliegt, ohne daß die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß Titel II der Verordnung auf sie anwendbar wurden, den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem sie wohnt.

Das Vorbringen der Beteiligten

37 Aus dem Vorlagebeschluß geht hervor, daß die Klägerin vor dem Kammarrätt in erster Linie geltend gemacht hat, angesichts ihrer früheren Erwerbstätigkeit in Schweden und ihres anschließend erworbenen Anspruchs auf Arbeitslosenunterstützung habe Artikel 13 bewirkt, daß sie, obwohl sie in einem anderen Mitgliedstaat wohne, unter die schwedischen Rechtsvorschriften gefallen sei, bis diese gemäß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f keine Anwendung mehr gefunden hätten. Nach Auffassung der Klägerin ist Schweden gemäß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f in Verbindung mit Artikel 10b der Verordnung Nr. 574/72 nicht befugt, das Wohnsitzerfordernis geltend zu machen; dies würde ihres Erachtens nämlich bedeuten, daß sie als Arbeitslose ihren Anspruch auf Erziehungsgeld unmittelbar mit ihrem Umzug nach Finnland verlieren würde, ohne nach der Verordnung unter die finnischen Sozialversicherungsvorschriften zu fallen.

38 Das Riksförsäkringsverk stützt sich auf den Wortlaut von Artikel 10b der Verordnung Nr. 574/72, wonach der Zeitpunkt und die Voraussetzungen, zu denen die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates nicht weiter für die in Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f genannte Person gelten, nach diesen Rechtsvorschriften bestimmt werden. Die schwedischen Bestimmungen sähen vor, daß eine versicherte Person, die in ein anderes nordisches Land umziehe, ab dem Tag des Umzugs nicht mehr versichert sei. Nach Auffassung des Riksförsäkringsverk ist diese Voraussetzung zulässig, da sie für die Staatsangehörigen aller Mitgliedstaaten gelte.

39 Die schwedische Regierung ist hingegen der Auffassung, Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a (wonach die anwendbaren Rechtsvorschriften die des Mitgliedstaats der Beschäftigung sind) und nicht Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f sei die einschlägige Vorschrift. Sie stützt sich auf das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Ten Holder(17), das zur Änderung der Verordnung Nr. 1408/71 mit der Einfügung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f geführt hatte(18). In dieser Rechtssache hat der Gerichtshof entschieden, daß ein Arbeitnehmer, der eine Tätigkeit in einem Mitgliedstaat beendet und seinen Wohnort in einen anderen Mitgliedstaat verlegt hat, ohne dort zu arbeiten, weiterhin den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats seiner letzten Beschäftigung unterliegt, unabhängig davon, wieviel Zeit seit der Beendigung dieser Tätigkeit verstrichen ist. Später hat der Gerichtshof in der Rechtssache Twomey(19) entschieden, daß nur Arbeitnehmer, die endgültig jede Berufs- oder Geschäftstätigkeit aufgegeben haben, ausserhalb des Anwendungsbereichs von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a stehen. Die schwedische Regierung ist der Auffassung, Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f sei für den zuletzt genannten Fall gedacht; er finde hingegen keine Anwendung auf Personen, die zeitweilig, z. B. aus vorübergehenden gesundheitlichen Gründen, ihre Berufstätigkeit aufgegeben hätten. Die anwendbaren Rechtsvorschriften würden bei solchen Personen nach dem allgemeinen Grundsatz, nämlich Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a, bestimmt, wenn nicht besondere Umstände für die Anwendung einer anderen Vorschrift des Titels II sprächen. Die schwedische Regierung kommt zu dem Ergebnis, daß jemand wie die Klägerin unter die Rechtsvorschriften des Staates falle, in dem er zuletzt beschäftigt gewesen sei, und somit unter die Rechtsvorschriften Schwedens. Nach diesem Recht hängt der Anspruch auf Erziehungsgeld von einer Wohnsitzvoraussetzung ab. Die Regierung gesteht allerdings zu, daß man sich auf diese Voraussetzung nicht berufen könne, soweit - wie es ihres Erachtens auch hier der Fall ist - Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a Anwendung finde(20).

40 Die norwegische Regierung stützt sich auf den in zahlreichen Entscheidungen des Gerichtshofes besonders hervorgehobenen Grundsatz, daß es dem Zweck der Freizuegigkeit der Arbeitnehmer entgegenstuende, wenn ein Wanderarbeitnehmer infolge seines Umzugs Leistungsansprüche verlöre, die ihm nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zugestanden hätten. Als Konsequenz des Urteils Ten Holder finde Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a Anwendung, und die Klägerin falle, bis ihr Anspruch auf Leistungen aus anderen Gründen als einem Wohnsitzwechsel erlösche, weiterhin unter die schwedischen Rechtsvorschriften, da man sich gegenüber einem Arbeitnehmer, für den Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a gelte, nicht auf die Wohnsitzvoraussetzung berufen könne(21). Nach Auffassung der norwegischen Regierung zeigt die Entstehungsgeschichte von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f, daß er subsidiär gegenüber allen anderen Bestimmungen des Titels II sei und nur nach Ablauf des Zeitraums Anwendung finde, in dem im Staat der letzten Beschäftigung Leistungen bezogen worden seien. Stuende es einem Mitgliedstaat frei, festzulegen, daß seine Rechtsvorschriften auf einen Arbeitnehmer, der aus diesem Staat zu einem Zeitpunkt fortgezogen sei, als er dort einen Anspruch auf Leistungen der sozialen Sicherheit hatte, keine Anwendung mehr fänden, noch bevor er einen Anspruch auf solche Leistungen in dem Staat erworben habe, in den er gezogen sei, könnte der erste Staat Ansprüche auf soziale Leistungen zum Erlöschen bringen, die nach Gemeinschaftsrecht geschützt werden sollten, und die Bestimmungen der Verordnung nur insoweit anwenden, als die Versicherungs- und Leistungsvoraussetzungen nach innerstaatlichem Recht erfuellt wären; dies würde der gesamten Systematik der Verordnung entgegenstehen. Schließlich führt die norwegische Regierung noch aus, Artikel 10b der Verordnung Nr. 574/72 sei eine Durchführungsbestimmung und könne nicht als selbständige Rechtsvorschrift mit unmittelbaren und für die betroffenen Personen nachteiligen Auswirkungen herangezogen werden; insbesondere könne sie einem Mitgliedstaat nicht die Befugnis einräumen, unterschiedliche Voraussetzungen für Leistungsempfänger, die weiterhin in dem betreffenden Staat wohnten, und für Arbeitnehmer, die in andere Mitgliedstaaten umzögen, aufzustellen.

41 Nach Auffassung der Kommission hat Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f dem Urteil Ten Holder nicht seine Bedeutung genommen. Denn diese Ergänzungsvorschrift finde im Gegenteil nur ab dem Zeitpunkt Anwendung, zu dem der Anspruch auf eine Leistung gegenüber dem anderen Staat erlösche, und bestimme das im Anschluß daran anzuwendende Recht. Etwas anderes gelte, wenn die betreffende Person endgültig jede Berufstätigkeit aufgegeben habe (vgl. Urteile Noij(22), Daalmeijer(23) und Kommission/Niederlande(24)); dies sei aber vorliegend nicht der Fall. Es könne nämlich nicht der Schluß gezogen werden, daß die Klägerin endgültig jede Berufstätigkeit aufgegeben habe, nur weil sie sich vorübergehend der Erziehung ihres Kindes widme.

42 Die finnische Regierung führt aus, der Gerichtshof habe in seinem Urteil Ten Holder den Anwendungsbereich von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a auf einen Arbeitnehmer ausgedehnt, der seine Tätigkeit beendet hatte, und zwar unabhängig von der seit der Aufgabe der Tätigkeit verstrichenen Zeit; in späteren Urteilen sei dieser Anwendungsbereich allerdings insoweit eingeschränkt worden, als er nicht auf Personen Anwendung finde, die ihre Berufstätigkeit endgültig aufgegeben hätten(25). In dem zuletzt genannten Fall bestimme sich das anzuwendende Recht nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f. Die finnische Regierung ist weiter der Auffassung, daß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f nicht auf Fälle beschränkt sei, in denen die Berufstätigkeit endgültig aufgegeben worden sei, und schlägt vor, ihn auch anzuwenden, wenn auf der Grundlage objektiver Erwägungen der Schluß gezogen werden könne, daß der Arbeitnehmer seine Berufstätigkeit in einem Staat endgültig aufgegeben habe und in einen anderen verzogen sei; dies könne auch aus anderen Gründen als der Versetzung in den Ruhestand erfolgt sein. Die Vorschrift könne allerdings nicht dahin ausgelegt werden, daß ein Mitgliedstaat frei entscheiden könne, zu welchem Zeitpunkt seine Rechtsvorschriften im Sinne dieser Bestimmung keine Anwendung mehr fänden; die Frage der anzuwendenden Rechtsvorschriften müsse immer mit Bezug auf die Regeln des Titels II geklärt werden. Es sei jedoch im vorliegenden Fall nicht entscheidend, ob Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f Anwendung finde; maßgeblich sei vielmehr, daß Schweden zu der Zeit, als die fragliche Leistung gewährt worden sei, der zuständige Staat gewesen sei, mit der Folge, daß unabhängig vom anzuwendenden Recht Artikel 22 Schweden untersage, sich auf die Wohnsitzvoraussetzung zu berufen, um den Anspruch der Klägerin auf diese Leistung abzulehnen. Dieser Punkt wird in den Ausführungen der finnischen Regierung zur dritten Frage behandelt.

43 Die niederländische Regierung ist der Meinung, Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f enthalte eine ausdrückliche Kollisionsregel für Fälle wie den vorliegenden und sei dahin zu verstehen, daß die Rechtsprechung, aus der man folgern könnte, Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a sei in diesem Fall anwendbar, insbesondere das Urteil Twomey, überholt sei. Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f finde Anwendung, wenn eine Person ihre Berufstätigkeit in einem Mitgliedstaat endgültig aufgegeben habe und in einem anderen Mitgliedstaat ihren Wohnsitz habe. Er sei allerdings nicht auf Altersrentner beschränkt, sondern gelte für jeden, der seine Erwerbstätigkeit in einem bestimmten Staat endgültig aufgebe. Die Arbeit als Anknüpfungspunkt entfalle damit, und es stehe dem Staat - wie Artikel 10b zeige - frei, zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Person nach seinen Sozialversicherungsvorschriften versichert bleibe. Die nierderländische Regierung ist der Meinung, zur Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften könnten diese Voraussetzungen auch eine Wohnsitzvoraussetzung umfassen, so daß schwedisches Recht auf die Klägerin nach ihrem Umzug nach Finnland nicht mehr anwendbar sei. Die Regierung weist allerdings darauf hin, daß ihre Schlußfolgerung hinsichtlich der anzuwendenden Rechtsvorschriften nicht dahin zu verstehen sei, daß der Anspruch der Klägerin auf Erziehungsgeld mit ihrer Rückkehr nach Finnland erloschen sei. Denn diese Problematik sei in Artikel 22 geregelt, der im Zusammenhang mit der dritten Frage behandelt werde.

Der Anwendungsbereich von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f

44 Artikel 13 ist die erste Vorschrift des Titels II der Verordnung, der die Überschrift "Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften" trägt. Der Gerichtshof hat in zahlreichen Entscheidungen festgestellt, daß die Bestimmungen des Titels II ein vollständiges und einheitliches System von Kollisionsnormen bilden, das bezweckt, die Arbeitnehmer, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, dem System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaats zu unterwerfen, um die Anwendbarkeit der Rechtsvorschriften von mehr als einem Mitgliedstaat und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, zu vermeiden(26).

45 Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f wurde durch die Verordnung Nr. 2195/91(27) in die Verordnung eingefügt. Die dritte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2195/91 lautet wie folgt:

"Im Gefolge des am 12. Juni 1986 ergangenen Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache 302/84 (Ten Holder) erschien es erforderlich, in Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 einen neuen Buchstaben f) aufzunehmen, damit die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin anwendbar sind, ohne daß die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der in den vorausgehenden Buchstaben eben dieses Artikels 13 Absatz 2 genannten Vorschriften oder einer der in den Artikeln 14 bis 17 der betreffenden Verordnung vorgesehenen Ausnahmen auf sie anwendbar würden ..."

46 Eine Anleitung zum Verständnis von Anwendungsbereich und Zweck des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe f kann demnach im Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Ten Holder(28) zu finden sein. Da in diesem Urteil jedoch ein Grundsatz angewandt wurde, der vom Gerichtshof bereits zuvor in seinem Urteil in der Rechtssache Coppola(29) aufgestellt worden war, ist jene Rechtssache vielleicht ein besserer Ausgangspunkt.

47 In beiden Rechtssachen ging es um Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a, der in Titel II den Grundsatz der Lex loci laboris verankert, wonach eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staates unterliegt, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt.

48 In der Rechtssache Coppola war zu klären, welche Rechtsvorschriften auf einen Arbeitnehmer anzuwenden sind, der zunächst im Vereinigten Königreich und danach in Italien beschäftigt war, bevor er erkrankte. Der Gerichtshof hat entschieden, auch wenn Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a nicht ausdrücklich den Fall eines Arbeitnehmers erwähnt, der zu dem Zeitpunkt, zu dem er Leistungen bei Krankheit in Anspruch nehmen möchte, nicht beschäftigt ist, so ist er doch dahin auszulegen, daß er erforderlichenfalls auf die Vorschriften des Staates abstellt, in dessen Gebiet der Arbeitnehmer zuletzt beschäftigt war(30).

49 In der Rechtssache Ten Holder ging es um eine niederländische Staatsangehörige, die zu der Zeit, als sie arbeitsunfähig wurde und einen Anspruch auf Krankengeld erwarb, in Deutschland beschäftigt war. Nachdem sie wieder in den Niederlanden Wohnung genommen hatte, wurden die deutschen Krankengeldleistungen mit der Begründung eingestellt, die Hoechstdauer für diese Leistungen sei abgelaufen. Der Gerichtshof hat unter Heranziehung des Urteils Coppola entschieden, daß infolge von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a ein Arbeitnehmer, der seine im Gebiet eines Mitgliedstaats ausgeuebte Tätigkeit beendet und danach nicht im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats gearbeitet hat, weiterhin den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats seiner letzten Beschäftigung unterliegt, unabhängig davon, wieviel Zeit seit der Beendigung der in Rede stehenden Tätigkeit und dem Ende des Arbeitsverhältnisses verstrichen ist(31).

50 Die Anwendung dieser anscheinend sehr weit gehenden Auslegung wurde in drei späteren Urteilen eingeschränkt. In seinem Urteil Noij(32) hat der Gerichtshof entschieden, daß weder Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a noch eine andere Bestimmung von Titel II auf Arbeitnehmer Anwendung findet, die vorzeitig in den Ruhestand getreten sind und deshalb jede Berufstätigkeit endgültig aufgegeben haben. Durch Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a sollen insbesondere Fälle der Rechtskollision gelöst werden, die sich ergeben können, wenn der Wohnort und der Beschäftigungsort während desselben Zeitraums nicht in demselben Mitgliedstaat liegen; derartige Kollisionsfälle könnten bei Arbeitnehmern, die jegliche Berufstätigkeit endgültig aufgegeben haben, nicht mehr auftreten(33). Dieser Grundsatz wurde im Urteil Daalmeijer(34) bestätigt, in dem der Gerichtshof festgestellt hat, daß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe d, wonach Beamte den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats unterliegen, in dessen Behörde sie beschäftigt sind, nicht für Personen gilt, die jegliche Berufs- oder Geschäftstätigkeit endgültig aufgegeben haben(35), wie auch im Urteil Kommission/Niederlande(36), in dem der Gerichtshof entschieden hat, daß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a nicht auf vorzeitig ausscheidende Personen anwendbar ist(37).

51 Das Urteil Twomey(38) betraf schließlich eine britische Staatsangehörige, die im Vereinigten Königreich zeitweise gearbeitet und gewohnt hatte, ihre Beschäftigung dann aufgab und nach Irland zog, wo sie nicht arbeitete. Einige Monate nach ihrem Umzug nach Irland wurde sie krank geschrieben und beantragte im Vereinigten Königreich Krankengeld. Zu dieser Zeit war sie 20 Jahre alt. In der zur Vorabentscheidung vorgelegten Frage wurde Artikel 13 nicht erwähnt, aber die deutsche Regierung machte in der mündlichen Verhandlung geltend, daß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a nicht auf jemanden in der Situation von Frau Twomey Anwendung finde, da sie nicht mehr im Vereinigten Königreich beschäftigt sei. Vielmehr unterliege sie den Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaats. Der Gerichtshof hat diese Argumentation zurückgewiesen und den im Urteil Ten Holder aufgestellten Grundsatz wiederholt, daß ein Arbeitnehmer, der seine im Gebiet eines Mitgliedstaats ausgeuebte Tätigkeit aufgegeben hat, weiterhin unter die Rechtsvorschriften dieses Staates fällt, wenn er keine Beschäftigung in dem anderen Mitgliedstaat aufgenommen hat; er hat ferner den im Urteil Noij niedergelegten Grundsatz bekräftigt, daß nur Arbeitnehmer, die endgültig jede Berufs- oder Geschäftstätigkeit aufgegeben haben, aus dem Anwendungsbereich von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a herausfallen.

52 Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f wollte eindeutig zumindest den Fall des Arbeitnehmers erfassen, der endgültig jede Berufs- oder Geschäftstätigkeit aufgegeben hat und in einem anderen Mitgliedstaat als dem Staat der letzten Beschäftigung wohnt(39). Die auf einen solchen Arbeitnehmer anzuwendenden Rechtsvorschriften sind damit jetzt die des Wohnsitzstaats.

53 Das Problem im vorliegenden Fall besteht allerdings darin, ob der Anwendungsbereich von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f nicht noch weiter ist, so daß die Bestimmung auch Anwendung findet, wenn jemand, der in einem anderen Staat als dem der letzten Beschäftigung wohnt, vorübergehend, z. B. wegen Krankheit oder der Geburt eines Kindes, seine Arbeit aufgegeben hat, und wenn die Rechtsvorschriften des Staates der letzten Beschäftigung für diese Fälle vorsehen, daß sie nicht mehr anwendbar sind.

54 Meines Erachtens lässt der Wortlaut von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f nicht den Schluß zu, daß er auf Arbeitnehmer beschränkt sein sollte, die jede Berufstätigkeit endgültig aufgegeben haben. Im Gegenteil ergibt sich aus seinem Wortlaut und seiner Entstehungsgeschichte, daß er eher als alternativ anwendbare allgemeine Bestimmung gedacht war. Demnach wäre die Systematik von Artikel 13 Absatz 2 vereinfacht gesagt die, daß, wie in den Buchstaben a bis e zum Ausdruck gebracht, das Recht des Staates der Beschäftigung Anwendung findet, wenn die betroffene Person gearbeitet hat, und das Recht des Wohnsitzstaats, wenn sie nicht gearbeitet hat. Aus den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats der letzten Beschäftigung ergäben sich, wie in Artikel 10b der Verordnung Nr. 574/72 vorgesehen, der Zeitpunkt und die Voraussetzungen für das Ende ihrer Anwendbarkeit. Wie wir aber im Zusammenhang mit der dritten Frage sehen werden, bedeutet, wenn jemand zu diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf eine bestimmte Leistung hat, die vom Staat der letzten Beschäftigung zu zahlen ist, die Tatsache, daß die Rechtsvorschriften dieses Staates keine Anwendung mehr finden, nicht unbedingt oder gar regelmässig, daß diese Person gleichzeitig ihren Anspruch auf Weitergewährung dieser Leistung verliert.

55 Diese Auffassung lässt sich auch auf die Präambel der Verordnung Nr. 2195/91 stützen, die den Schluß erlaubt, daß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f gerade den in der Rechtssache Ten Holder strittigen Fall erfassen sollte, nämlich die Wohnsitzverlegung durch eine Person, die eine Leistung wie Krankengeld, aber wahrscheinlich nur vorübergehend, bezieht, wodurch das Urteil praktisch in sein Gegenteil verkehrt wird. In der Präambel heisst es: "Im Gefolge des ... Urteils ... erschien es erforderlich, ... einen neuen Buchstaben f) aufzunehmen ..."(40)

56 Weitere Anhaltspunkte für die Absichten der Kommission ergeben sich aus der Begründung des Änderungsvorschlags(41); dort heisst es:

"Das Urteil TEN HOLDER hat gezeigt, daß Titel II der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 eine Lücke aufweist. Es gibt dort nämlich keine ausdrückliche Bestimmung zur Festlegung der Rechtsvorschriften, die für Personen gelten, die aufgehört haben, irgendeine Erwerbstätigkeit im Schutze der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats auszuüben, und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen.

Der vorgeschlagene Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f) soll diese Lücke schließen."

Nichts in dieser Erläuterung oder an anderer Stelle der Begründung lässt darauf schließen, daß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f nur auf solche Personen beschränkt sein sollte, die endgültig zu arbeiten aufgehört haben.

57 Es ist auch wichtig, darauf hinzuweisen, daß zu der Zeit, als die Kommission ihren Vorschlag für die Verordnung Nr. 2195/91 vorlegte, der Gerichtshof seine Urteile in den Rechtssachen Noij und Daalmeijer noch nicht erlassen hatte; es ist deshalb kaum anzunehmen, daß die Kommission nur für eine Kategorie von Personen Vorsorge treffen wollte, über deren Ausschluß von der Verordnung noch nicht einmal entschieden war.

58 Ausserdem würde eine weitere Auslegung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f die Auswirkungen der anderen, von der niederländischen Regierung in der mündlichen Verhandlung hervorgehobenen Auffassung vermeiden, nach der jemand, der in einem Mitgliedstaat langfristig Leistungen bezieht und in einen anderen Staat umzieht, ohne dort zu arbeiten, seinen Anspruch auf solche Leistungen gegen den ersten Mitgliedstaat unbegrenzt behalten würde, was nicht gerade besonders sinnvoll erscheint. Diese Folge ergäbe sich auch aus dem Vorschlag der Kommission, daß nämlich Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f anwendbar werde, nachdem jeder bestehende Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats der letzten Beschäftigung erloschen sei.

59 Schließlich möchte ich die von der norwegischen Regierung geäusserten Befürchtungen zerstreuen, daß die Systematik der Verordnung und insbesondere die mit ihr angestrebte Förderung der Freizuegigkeit der Arbeitnehmer gefährdet werden, würde man unter den gegebenen Umständen Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f anwenden. Die norwegische Regierung befürchtet, daß als Folge einer Entscheidung, nach der in Fällen wie dem vorliegenden die anzuwendenden Rechtsvorschriften die des Wohnsitzstaats sind, Personen in der Situation der Klägerin Ansprüche auf Leistungen verlieren würden, die im Zeitpunkt der Verlegung des Wohnsitzes bestanden hätten. Dieses Ergebnis ist jedoch kein zwangsläufiges, da - wie wir im Zusammenhang mit der Beantwortung der dritten Frage sehen werden - sowohl die strittige Leistung wie zahlreiche andere Leistungen im Geltungsbereich der Verordnung Vorschriften unterliegen, deren Zweck es ist, in mit den der Klägerin vergleichbaren Fällen die Weiterzahlung ungeachtet eines Wohnsitzwechsels sicherzustellen.

60 Es gibt deshalb meines Erachtens gute Gründe, Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f dahin auszulegen, daß in den Fällen, in denen jemand, der seine Berufstätigkeit vorübergehend oder dauerhaft eingestellt hat, seinen Wohnort vom Mitgliedstaat seiner letzten Beschäftigung in einen anderen Mitgliedstaat verlegt und die Rechtsvorschriften des früheren Mitgliedstaats vorsehen, daß sie nach einem solchen Umzug keine Anwendung mehr finden, die Rechtsvorschriften des Wohnortstaats ab dem Zeitpunkt der Verlegung des Wohnortes anwendbar werden. Allerdings lässt, wie sowohl die niederländische als auch die finnische Regierung betonen, die Auslegung von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f im vorliegenden Fall den Anspruch der Klägerin auf Weitergewährung von Erziehungsgeld unberührt. Dies ergibt sich aus einer korrekten Anwendung von Artikel 22, der Gegenstand der dritten und letzten Frage des nationalen Gerichts ist und auf den ich nun eingehen möchte. Im Hinblick auf die Beantwortung der dritten Frage ist es folglich nicht erforderlich, endgültig zum Anwendungsbereich von Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f Stellung zu nehmen.

Die dritte Frage

61 Artikel 22 befindet sich in Titel III der Verordnung. Dieser Titel trägt die Überschrift "Besondere Vorschriften für die einzelnen Leistungsarten". Kapitel 1 des Titels III mit den Artikeln 18 bis 36 betrifft Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft. Artikel 22 bestimmt, daß ein Arbeitnehmer, der die nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates für den Leistungsanspruch erforderlichen Voraussetzungen erfuellt und der, nachdem er zu Lasten des zuständigen Trägers leistungsberechtigt geworden ist, von diesem Träger die Genehmigung erhalten hat, seinen Wohnort in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu verlegen, Anspruch auf Geldleistungen gegen den zuständigen Träger nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften hat. Die für den Wohnortwechsel erforderliche Genehmigung darf nur verweigert werden, wenn nachgewiesen ist, daß der Wohnortwechsel der betreffenden Person deren Gesundheitszustand oder die Durchführung der ärztlichen Behandlung gefährden würde.

62 Für die Anwendung der Verordnung ist "Arbeitnehmer" jede Person, die im Rahmen eines für alle Einwohner geltenden Systems der sozialen Sicherheit gegen ein oder mehrere Risiken versichert ist, die von den Zweigen erfasst werden, auf die diese Verordnung anzuwenden ist(42); der "zuständige Staat" ist definiert als "der Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der zuständige Träger seinen Sitz hat"(43), und der "zuständige Träger" ist u. a. definiert als "der Träger, bei dem die in Betracht kommende Person im Zeitpunkt des Antrags auf Leistungen versichert ist"(44), und als "der Träger, gegen den eine Person einen Anspruch auf Leistungen hat oder hätte, wenn sie ... im Gebiet des Mitgliedstaats wohnte ..., in dem dieser Träger seinen Sitz hat"(45).

63 Damit findet Artikel 22 auf den vorliegenden Fall unabhängig von den anzuwendenden Rechtsvorschriften Anwendung, da Schweden, auch wenn gemäß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f die finnischen Rechtsvorschriften unter Verdrängung der schwedischen Rechtsvorschriften anwendbar wurden, als die Klägerin nach Finnland zog, in bezug auf die fragliche Leistung bei Mutterschaft im Sinne von Artikel 22 zuständiger Staat bleibt.

64 Das nationale Gericht möchte mit seiner dritten Frage im wesentlichen wissen, ob die in Artikel 22 genannte Bedingung, daß in seinen Anwendungsbereich fallende Personen die nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften erforderlichen Voraussetzungen erfuellen müssen, dahin auszulegen ist, daß dann, wenn solche Rechtsvorschriften u. a. einen Wohnsitz im Staatsgebiet vorsehen, ein Leistungsempfänger nach seinem Umzug in einen anderen Mitgliedstaat seinen Anspruch auf Zahlung der Leistung verliert.

65 Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe b findet nach seinem Wortlaut Anwendung, wenn eine Person mit Anspruch auf Leistungen bei Krankheit oder Mutterschaft in den Mitgliedstaat, in dem sie wohnt, zurückkehrt oder ihren Wohnort in einen anderen Mitgliedstaat verlegt, und stellt sicher, daß der Leistungsempfänger in diesen Fällen seinen Anspruch auf die fragliche Leistung behält. Es liegt auf der Hand, daß diese Vorschrift ihren Zweck völlig verlieren würde, wenn ein solcher Anspruch mit Hilfe einer nationalen Wohnortvoraussetzung vereitelt werden könnte; dies kann kaum beabsichtigt gewesen sein. Darüber hinaus gehört Artikel 22 zu einer Reihe von Bestimmungen der Verordnung, durch die gewährleistet werden soll, daß Mitgliedstaaten im Rahmen der Verordnung nicht generell die Zahlung von Sozialleistungen verweigern können, nur weil der mutmaßliche Empfänger in einem anderen Mitgliedstaat wohnt; vgl. z. B. Artikel 10 (Leistungen bei Invalidität, Alter oder für die Hinterbliebenen, Renten bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten und Sterbegelder), Artikel 52 und 55 (Berufsunfälle und -krankheiten), Artikel 69 bis 71 (Leistungen bei Arbeitslosigkeit) und Artikel 73 (Familienleistungen). Ich komme daher zu dem Ergebnis, daß der Anspruch auf die Weitergewährung von Leistungen nicht einer Wohnortvoraussetzung unterworfen werden kann, die in nationalen Rechtsvorschriften als Voraussetzung für solche Leistungen enthalten ist.

66 Es ist zu bemerken, daß diese Meinung von allen Beteiligten mit Ausnahme des Riksförsäkringsverk geteilt wird; dieses ist der Auffassung, Artikel 22 regele nicht, welche Voraussetzungen der zuständige Staat für die Gewährung von Leistungen aufstellen könne, sondern verlange lediglich, daß diese Voraussetzungen erfuellt würden. Demnach findet dieser Artikel nach seiner Auffassung keine Anwendung, da die Klägerin Schweden verlassen habe, um für mehr als ein Jahr in Finnland zu leben. Hingegen stimmen sowohl die Klägerin als auch die schwedische, die finnische, die niederländische und die norwegische Regierung sowie die Kommission darin überein, daß Artikel 22 einem Leistungsempfänger nach einem Wohnortwechsel in einen anderen Mitgliedstaat einen Anspruch auf Weiterzahlung der Leistung gewähre, wenn die in den nationalen Rechtsvorschriften aufgestellten Voraussetzungen - mit Ausnahme der Wohnortvoraussetzung - erfuellt seien. Die Kommission und die niederländische Regierung bemerken ergänzend, daß die Genehmigung für einen Wohnortwechsel nur versagt werden könne, wenn nachgewiesen sei, daß der Wohnortwechsel der betroffenen Person deren Gesundheitszustand gefährden könne, was hier offenbar nicht der Fall ist, und machen geltend, die Beschränkung des Anspruchs auf die Leistung durch Aufstellung einer Wohnortvoraussetzung stehe dem Sinn und Zweck von Artikel 22 entgegen.

67 Diese Erklärungen sind eindeutig wohlbegründet, und ich komme dementsprechend zu dem Ergebnis, daß eine Person, die in einem Mitgliedstaat Geldleistungen bei Mutterschaft erhält, den Anspruch auf diese Leistungen auch nach einem Umzug in einen anderen Mitgliedstaat behält, vorausgesetzt, sie erfuellt alle Voraussetzungen der nationalen Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats mit Ausnahme irgendeiner Wohnortvoraussetzung.

Ergebnis

68 Nach alledem schlage ich vor, die vom Kammarrätt Sundsvall vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1. Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, findet auf eine Person Anwendung, die in einem Mitgliedstaat im Sinne von Artikel 1 Buchstabe a versichert war und den Rechtsvorschriften dieses Staates bei Inkrafttreten dieser Verordnung in diesem Staat unterlag, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt weder erwerbstätig war noch in diesem Staat Leistungen bei Arbeitslosigkeit bezog.

2. Artikel 22 der Verordnung Nr. 1408/71 hindert einen Mitgliedstaat daran, einer Person, die an sich einen Anspruch auf Leistungen bei Mutterschaft hätte, die Fortzahlung dieser Leistungen nur deshalb zu versagen, weil sie ihren Wohnort in einen anderen Mitgliedstaat verlegt hat.

(1) - Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern. Der Verordnungstext in der Fassung von Ende 1995 ist in Teil I von Anhang A der Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 zur Änderung und Aktualisierung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zu finden (ABl. 1997, L 28, S. 1).

(2) - Verordnung (EWG) Nr. 2195/91 des Rates vom 25. Juni 1991 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (ABl. L 206, S. 2).

(3) - Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 74, S. 1); wegen der letzten bereinigten Fassung siehe Anhang A Teil II der Verordnung Nr. 118/ 97, zitiert in Fußnote 1.

(4) - ABl. 1994, L 1, S. 3; vgl. insbesondere Artikel 29, Protokoll 1 und Anhang VI.

(5) - Lag (1962:381) om allmän försäkring.

(6) - Kapitel 1 § 3.

(7) - Kapitel 1 § 4.

(8) - Vorschriften (RFFS 1985:16) über Eintragung und Streichung im Register der Allgemeinen Versicherungskasse.

(9) - § 3.

(10) - §§ 9 und 11.

(11) - Urteil vom 19.März 1964 in der Rechtssache 75/63 (Hökstra, Slg. 1964, 379).

(12) - Urteile vom 31. Mai 1979 in der Rechtssache 182/78 (Pierik, Slg. 1979, 1977) und vom 10. März 1992 in der Rechtssache C-215/90 (Twomey, Slg. 1992, I-1823).

(13) - Urteil Pierik (zitiert in Fußnote 12, Randnr. 4).

(14) - Zitiert in Fußnote 12.

(15) - ABl. 1971, L 149, S. 2.

(16) - Randnr. 4.

(17) - Urteil vom 12. Juni 1986 in der Rechtssache 302/84 (Slg. 1986, 1821).

(18) - Vgl. unten, Nrn. 45 bis 49.

(19) - Zitiert in Fußnote 12.

(20) - Urteil vom 3. Mai 1990 in der Rechtssache C-2/89 (Kits van Heijningen, Slg. 1990, I-1755).

(21) - Urteil Kits van Heijningen (zitiert in Fußnote 20).

(22) - Urteil vom 21. Februar 1991 in der Rechtssache C-140/88 (Slg. 1991, I-387).

(23) - Urteil vom 21. Februar 1991 in der Rechtssache C-245/88 (Slg. 1991, I-555).

(24) - Urteil vom 28. November 1991 in der Rechtssache C-198/90 (Slg. 1991, I-5799).

(25) - Vgl. Urteile Noij (zitiert in Fußnote 22), Daalmeijer (zitiert in Fußnote 23) und Kommission/Niederlande (zitiert in Fußnote 24).

(26) - Vgl. zuletzt Urteil vom 13. März 1997 in der Rechtssache C-131/95 (Huijbrechts, Slg. 1997, I-1409, Randnr. 17).

(27) - Zitiert in Fußnote 2.

(28) - Zitiert in Fußnote 17.

(29) - Urteil vom 12. Januar 1983 in der Rechtssache 150/82 (Slg. 1983, 43).

(30) - Randnr. 11.

(31) - Randnrn. 14 und 15 sowie Tenor.

(32) - Zitiert in Fußnote 22.

(33) - Randnr. 10.

(34) - Zitiert in Fußnote 23.

(35) - Randnrn. 12 und 13.

(36) - Zitiert in Fußnote 24.

(37) - Randnr. 10.

(38) - Zitiert in Fußnote 12.

(39) - Vgl. die Begründung der Kommission zu dem Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (ABl. 1990, C 221, S. 3; COM[90] 335 endg.).

(40) - Dritte Begründungserwägung.

(41) - Zitiert in Fußnote 39.

(42) - Artikel 1 Buchstabe a Ziffer ii.

(43) - Artikel 1 Buchstabe q.

(44) - Artikel 1 Buchstabe o Ziffer i.

(45) - Artikel 1 Buchstabe o Ziffer ii.