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Wichtiger rechtlicher Hinweis

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61999C0294

Schlussanträge des Generalanwalts Alber vom 10. Mai 2001. - Athinaïki Zythopoiia AE gegen Elleniko Dimosio. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Dioikitiko Protodikeio Athinon - Griechenland. - Körperschaftsteuer - Mutter- und Tochtergesellschaften - Richtlinie 90/435/EWG - Begriff des Steuerabzugs an der Quelle. - Rechtssache C-294/99.

Sammlung der Rechtsprechung 2001 Seite I-06797


Schlußanträge des Generalanwalts


I - Einleitung

1. Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen ersucht das Dioikitiko Protodikeio Athen (Verwaltungsgericht erster Instanz) den Gerichtshof um die Auslegung von Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten. Das Vorlagegericht möchte wissen, ob es eine gemäß dieser Vorschrift verbotene Besteuerung an der Quelle darstellt, wenn nach griechischem Einkommensteuerrecht im Fall der Ausschüttung von Gewinnen an eine (nicht in Griechenland ansässige) Muttergesellschaft für diese Gewinne bestimmte Steuerfreibeträge entfallen, die bei einem Verbleib der Gewinne bei der ausschüttenden Gesellschaft Anwendung fänden, so dass sich durch die Ausschüttung die Steuerlast des ausschüttenden Unternehmens erhöht.

II - Der rechtliche Rahmen

A - Die Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (im Folgenden: Richtlinie)

2. Die relevanten Vorschriften der Richtlinie lauten:

Artikel 1

(1) Jeder Mitgliedstaat wendet diese Richtlinie an

- auf Gewinnausschüttungen, die Gesellschaften dieses Staates von Tochtergesellschaften eines anderen Mitgliedstaats zufließen;

- auf Gewinnausschüttungen von Tochtergesellschaften dieses Staates an Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten.

(2) [...]

[...]

Artikel 5

(1) Die von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschütteten Gewinne sind, zumindest wenn diese einen Anteil am Gesellschaftskapital der Tochtergesellschaft von wenigstens 25 % besitzt, vom Steuerabzug an der Quelle befreit.

(2) - (4) [...]

[...]

Artikel 7

(1) Der in dieser Richtlinie verwendete Ausdruck ,Steuerabzug an der Quelle umfasst nicht die in Verbindung mit der Ausschüttung von Gewinnen an die Muttergesellschaft erfolgende Vorauszahlung der Körperschaftsteuer an den Sitzmitgliedstaat der Tochtergesellschaft.

(2) Diese Richtlinie berührt nicht die Anwendung einzelstaatlicher oder vertraglicher Bestimmungen, die die Beseitigung oder Minderung der Doppelbesteuerung der Dividenden bezwecken, und insbesondere nicht die Bestimmungen, die die Auszahlung von Steuerkrediten an die Dividendenempfänger betreffen."

B - Griechisches Recht

3. Artikel 106 des Einkommensteuergesetzbuches - Gesetz Nr. 2238/1994 - lautet wie folgt:

(1) Umfassen die Einkünfte der juristischen Person [...] auch Dividenden oder Gewinne aus der Beteiligung an anderen Gesellschaften, deren Gewinne gemäß diesem Artikel oder gemäß Artikel 10 besteuert worden sind, so werden diese Einkünfte zur Berechnung der steuerbaren Gewinne der juristischen Person von den gesamten Reingewinnen abgezogen. Gehören zu den Reingewinnen einer inländischen Gesellschaft, [...] jedoch außer Dividenden und Gewinnen aus der Beteiligung an anderen Gesellschaften im oben genannten Sinne auch Einkünfte, die einer zum Erlöschen der Steuerschuld führenden besonderen Besteuerung unterliegen, oder nicht steuerbare Einkünfte und findet ferner eine Gewinnausschüttung statt [Hervorhebung durch den Verfasser], so werden zur Bestimmung der ausgeschütteten Gewinne, die den in den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels vorgesehenen Einkünften entsprechen, die gesamten Reingewinne zugrunde gelegt, die sich aus den Bilanzen dieser juristischen Personen ergeben.

(2) Gehören zu den Reingewinnen, die sich aus den Bilanzen von [...] inländischen Aktiengesellschaften [...] ergeben, auch nicht steuerbare Einkünfte, so wird zur Bestimmung der steuerbaren Gewinne der juristischen Person zu diesen der Teil der nicht steuerbaren Einkünfte hinzugerechnet, der den auf irgendeine Weise ausgeschütteten Gewinnen entspricht, nachdem der ermittelte Betrag durch Hinzurechnung der darauf entfallenden Steuer in einen Bruttobetrag umgewandelt worden ist. [...]

(3) Der vorstehende Absatz gilt entsprechend auch für die Ausschüttung von Gewinnen [...] durch inländische Aktiengesellschaften [...], zu deren Gewinnen auch Gewinne gehören, die unter ihrem Namen nach einer besonderen Regelung bestimmt oder besteuert werden."

C - Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Griechenland und den Niederlanden, unterzeichnet in Athen am 16. Juli 1981

4. Artikel 10 des Doppelbesteuerungsabkommens hat den folgenden Wortlaut:

(1) Dividenden, die von einer in einem der Staaten niedergelassenen Gesellschaft an einen Einwohner des anderen Staates gezahlt werden, dürfen in dem anderen Staat besteuert werden.

(2) Solche Dividenden dürfen jedoch auch in dem Staat, in dem die Gesellschaft, die die Dividenden zahlt, niedergelassen ist, gemäß den Rechtsvorschriften dieses Staates besteuert werden; ist der Empfänger der Dividendenberechtigte, so darf die erhobene Steuer folgende Beträge nicht übersteigen:

a) [...]

b) bei Dividenden, die von einer in Griechenland niedergelassenen Gesellschaft an einen Einwohner der Niederlande gezahlt werden: 35 % des Bruttobetrags der Dividenden.

(3) - (5) [...]"

III - Sachverhalt

5. Die klägerische Aktiengesellschaft Athinaïki Zythopoiia A.E., stellt Bier her und handelt damit. Sie ist in Aigaleo (Attika) niedergelassen. Ihr Kapital gehört zu 92,17 % der holländischen Gesellschaft Amstel International.

6. Athinaïki Zythopoiia hatte im Jahr 1996 Einnahmen, die grundsätzlich von der griechischen Einkommensteuer befreit waren, der Einkommensteuer aber unterworfen wurden, weil Athinaïki Zythopoiia Gewinne an Amstel International ausschüttete.

7. Athinaïki Zythopoiia gab die folgenden Beträge an:

1) nicht steuerbare Einkünfte in Höhe von 2 391 600 073 GRD, die herrührten:

a) aus Wertzuwachs aus dem Ankauf und Verkauf von Anteilen an Kapitalanlagefonds (Artikel 48 Absatz 3 des Gesetzes Nr. 1969/91) in Höhe von 2 082 270 518 GRD, denen eine Steuer in Höhe von 540 405 967 GRD entsprach, und

b) aus dem Abschlag in Höhe von 5 %, der ihr wegen der Zahlung der Einkommensteuer für das Jahr 1996 in einem Betrag in Höhe von 309 329 555 GRD gewährt worden war und dem eine Steuer in Höhe von 80 279 452 GRD entsprach, sowie

2) einer besonderen Besteuerung unterliegende Einkünfte, die aus der Verzinsung von Anlagen bei Kreditinstituten herrührten (Artikel 12 Absatz 1 und 2 des Gesetzes Nr. 2238/1994) in Höhe von 1 170 631 283 GRD, denen eine Steuer in Höhe von 173 606 134 GRD entsprach.

8. Athinaïki Zythopoiia machte daher geltend, dass von dem zusätzlich erhobenen Steuerbetrag in Höhe von insgesamt 794 291 553 GRD, der ihren nicht steuerbaren und ihren einer besonderen Besteuerung unterliegenden Einkünften des Jahres 1997 entspreche, ein Teilbetrag von 738 384 406 GRD ohne Rechtsgrund gezahlt worden sei. Dieser setze sich aus dem der Ausschüttung an Amstel entsprechenden Anteil von 92,17 % des erstgenannten Betrags sowie dem Gesamtbetrag von 80 279 452 GRD für den Abschlag in Höhe von 5 % (oben unter b dargestellt) zusammen.

9. Dieser Teilbetrag sei ihr zurückzuzahlen, da die Regelung in Artikel 106 Absätze 2 und 3 des Gesetzes Nr. 2238/1994, eine Art der Besteuerung festlege, die allein aus dem Grund, dass sie mit der Ausschüttung von Gewinnen zusammenhänge, einen Steuerabzug an der Quelle" darstelle und gegen Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie verstoße. Nach der griechischen Regelung würden die ausgeschütteten Gewinne in vollem Umfang besteuert werden, auch wenn ein Teil dieser Gewinne aus Quellen herrühre, die sie ohne eine Ausschüttung zu nicht steuerbaren oder einer besonderen Besteuerung unterliegenden Einkünften machen.

IV - Vorlagefrage

10. Das Dioikitiko Protodikeio Athen (Verwaltungsgericht erster Instanz) richtet daher gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) das folgende Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof:

Stellt es einen Steuerabzug an der Quelle" im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 dar, wenn das nationale Recht vorschreibt, dass bei der Ausschüttung von Gewinnen durch eine Tochtergesellschaft - eine Aktiengesellschaft oder eine entsprechende Gesellschaft - an ihre Muttergesellschaft für die Bestimmung der steuerbaren Gewinne der Tochtergesellschaft deren gesamter Reingewinn einschließlich der Einkünfte, die einer besonderen Besteuerung unterliegen, die zur Befreiung von der Steuerschuld führt, sowie der nicht steuerbaren Einkünfte berücksichtigt wird, obwohl diese beiden Arten von Einkünften nach nationalem Recht nicht besteuert würden, wenn sie bei der Tochtergesellschaft verblieben und nicht an die Muttergesellschaft ausgeschüttet würden?

V - Stellungnahme

A - Zur Auslegung von Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie

Parteienvortrag

11. Die griechische Regierung vertritt die Auffassung, dass die Richtlinie das Prinzip territorialer Besteuerung korrigiere, um erstens eine Benachteiligung der grenzüberschreitenden Beteiligung an Gesellschaften gegenüber der inländischen Beteiligung zu verhindern, und zweitens um ein im Hinblick auf den Wettbewerb neutrales Besteuerungssystem zu schaffen. Ziel der Richtlinie sei die Vermeidung einer Doppelbesteuerung. Daher würden ausgeschüttete Gewinne entweder bei der Mutter besteuert oder die Mutter könne die von der Tochter gezahlte Steuer von ihrer Steuer abziehen.

12. Eine Steuerbefreiung sehe die Richtlinie nicht vor. Artikel 4 der Richtlinie setze nämlich eine Besteuerung der Tochter voraus und Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie schließe nur im Moment der Gewinnausschüttung eine Besteuerung an der Quelle aus.

13. Die griechische Regierung betont, dass die fragliche Regelung keine Besteuerung an der Quelle sei, sondern in die Besteuerung des Einkommens der Tochtergesellschaft eingeordnet sei. Sie weist darauf hin, dass die Besteuerung der Gewinnausschüttung an der Quelle gesetzlich ausdrücklich ausgeschlossen werde. Es sei völlig ausgeschlossen, die fraglichen Regeln des Einkommensteuerrechts als Besteuerung der Gewinnausschüttung an der Quelle zu verstehen.

14. Athinaïki Zythopoiia und die Kommission halten die fraglichen Steuervorschriften mit weitgehend übereinstimmender Begründung für eine verbotene Besteuerung an der Quelle.

15. Die Richtlinie solle Steuerneutralität herstellen, um die steuerliche Belastung grenzüberschreitender Kooperationen zu mindern und um somit die Niederlassungsfreiheit und die Freiheit des Kapitalverkehrs zu fördern.

16. Der Begriff Besteuerung an der Quelle sei nicht definiert. Nur aus Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie ergebe sich eine Negativabgrenzung. Da Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie aber dem Gemeinschaftsbürger ein Recht gewähre, sei diese Vorschrift weit auszulegen, Ausnahmen müssten dagegen eng ausgelegt werden. Auf die innerstaatliche Qualifikation der Besteuerung komme es nicht an. Es sei nur zu prüfen, ob sie unter die Voraussetzungen einer Besteuerung an der Quelle zu subsumieren sei.

17. Die fraglichen Steuervorschriften führten zu einer besonderen Besteuerung im Falle der Ausschüttung von Gewinnen. Diese Besteuerung geschehe auch wegen dieser Ausschüttungen. Obwohl die Besteuerung in den Rahmen der Einkommenssteuer des ausschüttenden Unternehmens eingeordnet sei, handele es sich daher um eine Besteuerung an der Quelle.

18. Die Ausnahme des Artikels 7 Absatz 1 der Richtlinie sei vorliegend nicht anwendbar, da es sich nicht um eine Vorauszahlung, sondern um eine abschließende Besteuerung handele.

19. Die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten stehe der Anwendung von Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie nicht entgegen, da sie im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht auszuüben sei.

20. Die Vertreterin der Kommission trug in der mündlichen Verhandlung als weiteres Argument für eine Qualifikation der Besteuerung als Steuer auf Ausschüttungen vor, dass der Verlustvortrag des ausschüttenden Unternehmens in ihrem Rahmen nicht berücksichtigt würde.

Würdigung

21. Die Anwendungsvoraussetzungen der Richtlinie sind erfuellt. Athinaïki Zythopoiia und Amstel sind Gesellschaften im Sinne von Artikel 2. Athinaïki Zythopoiia ist eine Tochtergesellschaft von Amstel, da Amstel mehr als 25 % ihres Kapitals hält (Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben a und b). Athinaïki Zythopoiia schüttet Gewinne an Amstel aus (Artikel 1 zweiter Spiegelstrich).

22. Die Ausnahmevorschrift für Griechenland gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie hat sich zwischenzeitlich erledigt.

23. Folglich ist zu untersuchen, ob die fragliche Regelung eine Besteuerung an der Quelle im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie darstellt. Der Begriff des Steuerabzugs an der Quelle wird in der Richtlinie nicht definiert. Allerdings hat der Gerichtshof im Urteil Epson die Richtlinie insoweit bereits auslegen können:

Wie sich insbesondere aus der dritten Begründungserwägung der Richtlinie ergibt, soll diese durch Schaffung eines gemeinsamen Steuersystems jede Benachteiligung der Zusammenarbeit zwischen Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten gegenüber der Zusammenarbeit zwischen Gesellschaften desselben Mitgliedstaats beseitigen und so die Zusammenschlüsse von Gesellschaften auf Gemeinschaftsebene erleichtern. Daher sieht Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vor, dass im Staat der Tochtergesellschaft bei der Gewinnausschüttung eine Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle gewährt wird.

[...]

Bei der Prüfung der Frage, ob die Belastung der Gewinnausschüttungen [...] unter Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie fällt, ist vor allem auf dessen Wortlaut abzustellen. Der dort verwendete Begriff ,Quellensteuer ist nicht auf bestimmte einzelstaatliche Steuerarten beschränkt. So nennt Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie zum Zweck der Bezeichnung der Gesellschaften der Mitgliedstaaten, die von der Richtlinie erfasst werden sollen, die einzelstaatlichen Steuern, denen diese Gesellschaften normalerweise unterliegen [...]. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass andere Steuern, die die gleiche Wirkung haben, zulässig sind, zumal in Artikel 2 a. E. ausdrücklich von ,irgendeiner Steuer, die eine dieser Steuern ersetzt, gesprochen wird."

24. Folglich kommt es bei der Anwendung von Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie nicht darauf an, wie die innerstaatliche Steuerregelung bezeichnet oder in welches Steuerregime sie eingeordnet wird, sondern ausschließlich auf ihre Wirkung.

25. Noch deutlicher wird der Begriff des Steuerabzugs an der Quelle, wenn man berücksichtigt, dass er im internationalen Steuerkollisionsrecht typischerweise das Gegenstück zum Prinzip der weltweiten Besteuerung bildet. Er bezeichnet danach den Zugriff lokaler Steuern auf das lokale Einkommen Gebietsfremder. Bei der Ausschüttung von Unternehmensgewinnen an Gebietsfremde (aber auch an Gebietsansässige) geschieht der Steuerabzug an der Quelle, indem das ausschüttende Unternehmen von der Ausschüttung die Steuer abzieht und unmittelbar abführt. Wenn die Empfänger der Ausschüttung mit ihrem gesamten Einkommen im Inland besteuert werden, werden Quellensteuerabzüge regelmäßig beim Gesamtsteuerausgleich berücksichtigt.

26. Sind die Empfänger dagegen nicht im Inland ansässig und werden sie daher nur an ihrem Sitz umfassend im Hinblick auf die Gesamtheit ihrer weltweiten Einkünfte besteuert, so ist eine solche Berücksichtigung regelmäßig nicht vorgesehen. Sie müssen dann praktisch für die gleichen Einkünfte doppelt Steuern zahlen. Um die Kumulation von Quellensteuern und weltweiter Besteuerung zu vermeiden oder zumindest zu begrenzen, schließen Staaten häufig Doppelbesteuerungsabkommen. Genau den gleichen Zweck verfolgt die Richtlinie. In der vom Gerichtshof geforderten weiten Auslegung erfasst der Begriff des Steuerabzugs an der Quelle folglich jede Steuerregelung, die eine Besteuerung der Gewinnausschüttungen von einer inländischen Tochtergesellschaft an die ausländische Muttergesellschaft bewirkt. Auf die konkrete Bezeichnung oder die Ausgestaltung der Steuer kommt es nicht an.

27. Von der Quellenbesteuerung abzugrenzen ist dagegen die Besteuerung der Tätigkeit der inländischen Tochtergesellschaft. Diese wird von der Richtlinie grundsätzlich nicht berührt. Allerdings kann der Mitgliedstaat auch in diesem Rahmen keine Regelungen einführen, die praktisch einem Steuerabzug an der Quelle gleichkommen. Im Anwendungsbereich der Richtlinie sind daher alle Steuerregelungen untersagt, die an eine Ausschüttung von Gewinnen besondere Steuerlasten knüpfen, welche ohne die Ausschüttung nicht anfallen würden. Praktisch wird damit die Ausschüttung von Gewinnen ihrer Thesaurierung gleichgestellt.

28. Im Urteil Epson hat der Gerichtshof daher darauf abgestellt,

- dass der auslösende Tatbestand die Zahlung von Dividenden oder anderen Erträgen von Wertpapieren ist,

- dass Bemessungsgrundlage dieser Steuer die Erträge dieser Wertpapiere sind und

- dass der Steuerpflichtige der Inhaber dieser Wertpapiere ist.

29. Vorliegend erhöht sich die Steuerlast nur deswegen, weil die Klägerin ihre Gewinne ausschüttet. Daher liegt ein vergleichbarer auslösender Tatbestand vor.

30. Die Bemessungsgrundlage der erhöhten Steuerlast ist der ausgeschüttete Gewinn, da die steuermindernd zu berücksichtigenden Beträge in Relation zu dem ausgeschütteten Anteil des Gewinns reduziert werden.

31. Allerdings ist der Steuerpflichtige im vorliegenden Fall nicht der Inhaber der Beteiligung an der ausschüttenden Gesellschaft. Die Steuererhöhung trifft formal die ausschüttende Gesellschaft, deren Einkommensteuer sich erhöht. Anders als in der Rechtssache Epson klagt daher vorliegend nicht die in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft, sondern das Tochterunternehmen, das in dem die Steuer erhebenden Mitgliedstaat ansässig ist.

32. Der Zuordnung der Steuerlast zu der Tochtergesellschaft kann jedoch keine entscheidende Bedeutung zukommen. Der wirtschaftliche Effekt einer Besteuerung der Tochtergesellschaft entspricht einer Besteuerung der Muttergesellschaft, da die Steuer - wie typischerweise bei Quellensteuern - von der ausschüttenden Gesellschaft einbehalten und unmittelbar abgeführt wird.

33. Diese Bewertung wird durch das Argument der Kommission bestätigt, dass die fragliche Regelung einen Verlustvortrag aus vergangenen Jahren nicht berücksichtigt, während dies im Rahmen der Körperschaftsteuer regelmäßig geschieht.

34. Daher sind die Regelungen, die zu dieser Steuererhöhung führen, einer Besteuerung an der Quelle gleichzustellen und mit Artikel 5 der Richtlinie unvereinbar.

B - Zum Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Griechenland und den Niederlanden

Parteienvortrag

35. Die griechische Regierung beruft sich auf das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Griechenland und den Niederlanden, wonach die Dividenden, die aus der Beteiligung ausländischer Gesellschaften an griechischen Gesellschaften resultierten, in Griechenland besteuert würden. Dies werde durch Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie zugelassen.

36. Ein Vertreter von Athinaïki Zythopoiia plädierte in der mündlichen Verhandlung für eine enge Auslegung von Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie, da es sich um eine Ausnahme von den allgemeinen Prinzipien der Richtlinie handele.

37. Unter Hinweis auf das anhängige Vorabentscheidungsersuchen Océ van der Grinten wies er auch auf Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie hin, da weder das Parlament zu dieser Vorschrift angehört wurde, noch die Erwägungsgründe sie erläutern.

38. Die Vertreterin der Kommission berief sich in der mündlichen Verhandlung auf den Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten. Daher könne das Doppelbesteuerungsabkommen die Wirkung des Verbots der Besteuerung an der Quelle nicht beschränken.

Würdigung

39. Nach Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie bleiben einzelstaatliche oder vertragliche Bestimmungen unberührt, die die Beseitigung oder Minderung der Doppelbesteuerung der Dividenden bezwecken.

40. Diese Vorschrift erfasst sowohl einzelstaatliche Vorschriften als auch völkerrechtliche Abkommen. Offensichtlich kann nicht jede einzelstaatliche Vorschrift in den Anwendungsbereich dieser Ausnahmevorschrift fallen, da sonst das Verbot der Besteuerung an der Quelle ohne jede praktische Wirkung bliebe. Vielmehr ist auf die konkrete Rechtswirkung einzelstaatlicher Vorschriften abzustellen. Nur Vorschriften, die unmittelbar die Vermeidung einer Doppelbesteuerung bewirken, bleiben danach unberührt.

41. Daraus ist zu schließen, dass auch nicht jede Regelung eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft unberührt bleibt, sondern nur diejenigen Vorschriften, die konkret eine Doppelbesteuerung vermeiden sollen. Vorschriften, die lediglich Teil des Interessenausgleichs der beteiligten Staaten im Hinblick auf die Zuweisung der betroffenen Steuereinnahmen sind, aber nicht unmittelbar eine Doppelbesteuerung verhindern, fallen dagegen nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie.

42. Das von Griechenland genannte Doppelbesteuerungsabkommen erlaubt, dass Griechenland Dividenden griechischer Gesellschaften, die an Einwohner der Niederlande gezahlt werden, mit einer Steuer von bis zu 35 % des Bruttobetrages belegt. Es mag sein, dass diese Regelung eine Voraussetzung dafür war, dass Griechenland überhaupt ein Doppelbesteuerungsabkommen mit den Niederlanden abgeschlossen hat. Diese Regelung trägt jedoch unmittelbar nichts zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei. Daher ist Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie hier nicht anzuwenden.

43. Da Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie somit keinen Einfluss auf die Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens hat, ist es nicht notwendig, im Vorgriff auf das Verfahren in der Rechtssache Océ van der Grinten zur Rechtmäßigkeit von Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie Stellung zu nehmen.

C - Zur Anwendung von Grundfreiheiten

44. Da bereits die unmittelbare Anwendung von Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie zur Beantwortung der Vorlagefrage führt und die Wirkung der Grundfreiheiten auch nicht Gegenstand der Vorlagefrage ist, bedarf es im vorliegenden Fall keiner Stellungnahme zur Anwendung der Grundfreiheiten.

VI - Zur zeitlichen Beschränkung der Wirkung des Urteils

Parteienvortrag

45. Der Vertreter der griechischen Regierung bat in der mündlichen Verhandlung darum, für den Fall der Feststellung, dass das Gemeinschaftsrecht einer Besteuerung entgegenstehe, wie sie dem Ausgangsrechtsstreit zu Grunde liege, die Wirkung des Urteils für die Vergangenheit auszuschließen. Zur Begründung verwies er auf die hohen Kosten, die bei einer Rückerstattung der einbehaltenen Steuern zu befürchten seien.

46. Athinaïki Zythopoiia lehnt eine Beschränkung der zeitlichen Wirkung des Urteils ab. Es bestehe kein Grund dafür, dass der griechische Staat rechtswidrig eingezogene Steuereinnahmen behalten dürfe. Keinesfalls dürfe eine Beschränkung der Rückwirkung anhängige Verfahren vor den Gerichten oder Verwaltungsbehörden erfassen oder Fälle, in denen ein solcher Rechtsbehelf noch möglich sei.

Würdigung

47. Wenn der Gerichtshof in der Ausübung seiner Befugnisse aus Artikel 177 des Vertrages eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts auslegt, so stellt er fest, in welchem Sinn und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre. Daraus folgt, dass die Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse, die vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, anwenden können und müssen, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschrift betreffenden Streit vorliegen.

48. Der Gerichtshof beschränkt aber die Rückwirkung von Vorabentscheidungsurteilen, wenn die Rechtslage vor Erlass des Urteils zumindest unklar war und schwerwiegende - vor allem finanzielle - Folgen für gutgläubig begründete Rechtsverhältnisse in der Vergangenheit zu befürchten sind. Bei den finanziellen Folgen geht es häufig um die Haushalte der betroffenen Mitgliedstaaten, doch scheinen im Rahmen dieser zweiten Bedingung die Zahl der betroffenen Rechtsverhältnisse und mögliche Auswirkungen zu Lasten von Privaten besonderes Gewicht zu haben. Im Übrigen hat der Gerichtshof festgehalten, dass eine solche Beschränkung der Wirkung eines Vorabentscheidungsurteils eine absolute Ausnahme bleiben muss.

49. Vorliegend ist keine Belastung von Privaten zu befürchten. Allerdings erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Anwendung der vorgeschlagenen Beantwortung der Vorlagefrage für die Vergangenheit erhebliche finanzielle Belastungen für den griechischen Staat mit sich bringt.

50. Was die Klarheit der Rechtslage angeht, so ist festzustellen, dass die dem Vorabentscheidungsersuchen zugrunde liegenden griechischen Regelungen im Jahr 1994, d. h. nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie zum 1. Januar 1992, ergingen.

51. Griechenland musste folglich bereits beim Erlass der fraglichen Regelungen den Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie beachten. Der dort verwendete Begriff der Besteuerung an der Quelle ist zwar nicht aus sich heraus leicht verständlich. Vor einem steuerrechtlichen Hintergrund musste man jedoch auch schon im Jahr 1994 erkennen, dass eine Besteuerung aus Anlass der Gewinnausschüttung das Risiko bergen würde, gegen das Verbot einer Besteuerung an der Quelle zu verstoßen.

52. Es bestand auch kein Grund, darauf zu vertrauen, dass die fraglichen Regelungen nicht ausdrücklich als Besteuerung an der Quelle bezeichnet, sondern in die Besteuerung des Einkommens der ausschüttenden Gesellschaft eingegliedert wurden. Es ist ein allgemeines Prinzip der Anwendung von Gemeinschaftsrecht, dass nicht die Bezeichnung einer Regelung, sondern allein ihre praktischen Wirkung für ihre Beurteilung maßgeblich ist.

53. Griechenland könnte sich daher nur dann auf eine angebliche Unklarheit der Tragweite von Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie berufen, wenn es sich der Vereinbarkeit der fraglichen Regelung mit dieser Vorschrift vergewissert hätte - etwa durch eine vorherige Anfrage bei der Kommission. Die griechische Regierung hat aber keinen Anhaltspunkt dafür vorgetragen, dass sie sich der Vereinbarkeit der fraglichen Regelung mit der Richtlinie vergewissert hätte.

54. Unter Berücksichtigung des absoluten Ausnahmecharakters einer Beschränkung der Rückwirkung von Urteilen des Gerichtshofes besteht daher kein Anlass, eine solche Beschränkung vorzunehmen.

VII - Ergebnis

55. Daher wird vorgeschlagen, die Vorlagefrage wie folgt zu beantworten:

Es stellt einen Steuerabzug an der Quelle im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 dar, wenn das nationale Recht vorschreibt, dass bei der Ausschüttung von Gewinnen durch eine Tochtergesellschaft - eine Aktiengesellschaft oder eine entsprechende Gesellschaft - an ihre Muttergesellschaft für die Bestimmung der steuerbaren Gewinne der Tochtergesellschaft deren gesamter Reingewinn berücksichtigt wird, einschließlich der Einkünfte, die einer besonderen Besteuerung unterliegen, die zur Befreiung von der Steuerschuld führt, sowie einschließlich der nicht steuerbaren Einkünfte, obwohl diese beiden Arten von Einkünften nach nationalem Recht nicht besteuert würden, wenn sie bei der Tochtergesellschaft verblieben und nicht an die Muttergesellschaft ausgeschüttet würden.