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61996J0275

Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 11. Juni 1998. - Anne Kuusijärvi gegen Riksförsäkringsverket. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Kammarrätten i Sundsvall - Schweden. - Soziale Sicherheit - Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 - Persönlicher Geltungsbereich - Erziehungsgeld - Fortbestehen des Leistungsanspruchs nach Umzug in einen anderen Mitgliedstaat. - Rechtssache C-275/96.

Sammlung der Rechtsprechung 1998 Seite I-03419


Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor

Schlüsselwörter


1 Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und -selbständigen - Gemeinschaftsregelung - Persönlicher Geltungsbereich - Person, die sich als Arbeitslose in einem Mitgliedstaat aufhält und dort nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats Leistungen bei Arbeitslosigkeit bezieht - Einbeziehung - Person, die bei Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1408/71 in diesem Mitgliedstaat arbeitslos ist - Unerheblichkeit

(Verordnung Nr. 1408/71, Artikel 1 Buchstabe a, 2 Absatz 1 und 94 Absätze 2 und 3)

2 Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und -selbständigen - Anwendbare Rechtsvorschriften - Person, die jede Berufstätigkeit im Gebiet eines Mitgliedstaats aufgegeben hat und in einen anderen Mitgliedstaat umgezogen ist - Rechtsvorschriften des erstgenannten Mitgliedstaats, nach denen die weitere Anwendung seiner Rechtsvorschriften an eine Wohnortvoraussetzung geknüpft ist - Zulässigkeit

(Verordnung Nr. 1408/71, Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f)

3 Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und -selbständigen - Familienleistungen - Begriff - Erziehungsgeld, das zum Ausgleich von Familienlasten des Beziehers bestimmt ist - Einbeziehung

(Verordnung Nr. 1408/71, Artikel 1 Buchstabe u Ziffer i und 4 Absatz 1 Buchstabe h)

4 Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer und -selbständigen - Familienleistungen - Person, die jede Berufstätigkeit im Gebiet eines Mitgliedstaats aufgegeben hat, umgezogen ist und mit ihren Familienangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat wohnt - Ablehnung der Gewährung der Leistungen aufgrund der nationalen Rechtsvorschriften des erstgenannten Mitgliedstaats - Zulässigkeit

(Verordnung Nr. 1408/71, Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f sowie Artikel 73 und 74)

Leitsätze


5 Die Verordnung Nr. 1408/71 in ihrer durch die Verordnung Nr. 2001/83 geänderten und aktualisierten Fassung ist auf eine Person anwendbar, die zunächst in einem Mitgliedstaat erwerbstätig war und sich später bei Inkrafttreten der genannten Verordnung in diesem Staat als Arbeitslose dort aufhielt und daher nach dem System der sozialen Sicherheit dieses Staates Leistungen bei Arbeitslosigkeit bezog.

6 Der durch die Verordnung Nr. 2195/91 in die Verordnung Nr. 1408/71 eingefügte Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f steht Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegen, nach denen eine Person, die jede Berufstätigkeit im Gebiet dieses Staates aufgegeben hat, nur dann weiterhin unter die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats fallen kann, wenn sie auch ferner dort wohnt.

Diese Bestimmung dient nämlich gerade der Regelung eines solchen Falles; nach ihr sind auf eine Person, die weder nach den anderen Bestimmungen des Artikels 13 Absatz 2 noch nach den Artikeln 14 bis 17 der Verordnung Nr. 1408/71 weiterhin den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats anwendbar, in dessen Gebiet sie wohnt.

Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f erfasst im übrigen jeden Fall, in dem eine Person, gleichgültig aus welchem Grund, den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht mehr unterliegt; sie ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen der Betroffene seine Berufstätigkeit in einem bestimmten Mitgliedstaat endgültig oder vorübergehend beendet hat.

7 Eine Leistung, die einem Elternteil ermöglichen soll, sich in der ersten Lebensphase eines Kindes dessen Erziehung zu widmen, und die genauer betrachtet dazu dient, die Erziehung des Kindes zu vergüten, die anderen Betreuungs- und Erziehungskosten auszugleichen und gegebenenfalls die finanziellen Nachteile, die der Verzicht auf ein Erwerbseinkommen bedeutet, abzumildern, ist einer Familienleistung im Sinne der Artikel 1 Buchstabe u Ziffer i und 4 Absatz 1 Buchstabe h der Verordnung Nr. 1408/71 gleichzustellen.

8 Die Verordnung Nr. 1408/71 steht Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegen, nach denen eine Person, die jede Berufstätigkeit im Gebiet dieses Staates aufgegeben hat, den Anspruch auf die weitere Gewährung von nach diesen Rechtsvorschriften gewährten Familienleistungen verliert, wenn sie in einen anderen Mitgliedstaat umgezogen ist, in dem sie mit ihren Familienangehörigen wohnt.

Eine Person, die umgezogen ist und mit ihren Familienangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, erfuellt weder die Voraussetzungen des Artikels 73 noch des Artikels 74 der Verordnung Nr. 1408/71, weil weder sie noch ihre Familienangehörigen jemals in einem anderen Mitgliedstaat gewohnt haben als demjenigen, dessen Rechtsvorschriften sie unterlag. Dies folgt insbesondere daraus, daß eine Person in einer solchen Lage nach ihrem Umzug in einen anderen Mitgliedstaat gemäß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats unterliegt.

Entscheidungsgründe


1 Das Kammarrätt Sundsvall hat mit Beschluß vom 6. August 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 14. August 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung mehrerer Vorschriften der Verordnungen (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, und (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6) geänderten und aktualisierten Fassung, geändert durch die Verordnung (EWG) Nr. 2195/91 des Rates vom 25. Juni 1991 (ABl. L 206, S. 2), zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der finnischen Staatsangehörigen A. Kuusijärvi (im folgenden: Klägerin) und dem Riksförsäkringsverk (staatliche Sozialversicherungsanstalt; im folgenden: Beklagter) über das Fortbestehen ihres Anspruchs auf Sozialversicherungsleistungen nach den schwedischen Rechtsvorschriften, nachdem sie nach Finnland umgezogen war, wo sie keine Berufstätigkeit ausübt.

3 Die Klägerin arbeitete bis zum 10. Februar 1993 elf Monate lang in Schweden. Im Anschluß daran bezog sie bis zu ihrer Niederkunft am 1. Februar 1994 Arbeitslosenunterstützung. Danach erhielt sie nach den schwedischen Rechtsvorschriften Kindergeld und als "föräldrapenning" bezeichnete Leistungen (im folgenden: Erziehungsgeld), die gemäß Kapitel 4 des Lag (1962:381) om allmän försäkring (schwedisches Sozialversicherungsgesetz; im folgenden: Gesetz) anläßlich der Geburt eines Kindes gewährt werden.

4 Nach Kapitel 4 dieses Gesetzes hat anläßlich der Geburt eines Kindes ein Elternteil bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes oder spätestens bis zur Beendigung seines ersten Schuljahres für höchstens 450 Tage Anspruch auf Erziehungsgeld, sofern der Elternteil vor dem Beginn der Leistungsgewährung mindestens 180 Tage ohne Unterbrechung der Allgemeinen Versicherungskasse angeschlossen war.

5 Wie sich aus den Erklärungen der schwedischen Regierung ergibt, gab diese bei dem Inkrafttreten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (ABl. 1994, L 1, S. 1) am 1. Januar 1994, durch das die Verordnung Nr. 1408/71 in Schweden Geltung erlangte, gemäß Artikel 5 dieser Verordnung an, daß die genannten Leistungen Leistungen bei Mutterschaft seien.

6 Am 24. Mai 1994 teilte die Klägerin der für sie zuständigen Versicherungskasse ihre Absicht mit, nach Finnland umzuziehen, und fragte, ob sie nach ihrem Umzug weiterhin Erziehungsgeld erhalte. Sie zog am 1. Juli 1994 nach Finnland um, übt dort aber eine Berufstätigkeit aus.

7 Der Antrag der Klägerin auf Weitergewährung des Erziehungsgelds nach ihrem Umzug nach Finnland wurde von der Allgemeinen Versicherungskasse der Provinz Norrbotten (Norrbottens läns allmänna försäkringskassa) mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin sei am 1. Juli 1994 von Schweden nach Finnland umgezogen und am 2. Juli 1994 aus dem Register der schwedischen Versicherungskasse ausgetragen worden.

8 Gemäß Kapitel 1 § 3 des Gesetzes sind sowohl schwedische Staatsangehörige als auch Personen ohne schwedische Staatsangehörigkeit, die in Schweden wohnen, versichert. Ein Versicherter, der Schweden verlässt, gilt weiterhin als in Schweden wohnend, wenn die beabsichtigte Dauer seines Auslandsaufenthalts ein Jahr nicht übersteigt.

9 Gemäß Kapitel 1 § 4 dieses Gesetzes wird jeder Versicherte von dem Monat an, in dem er das sechzehnte Lebensjahr vollendet, in die Allgemeine Versicherungskasse aufgenommen, wenn er in Schweden wohnt. Nach § 5 trägt die Allgemeine Versicherungskasse einen Versicherten aus ihrem Register aus, wenn sie erfährt, daß die Versicherungsvoraussetzungen nicht mehr erfuellt sind.

10 Bezueglich der Voraussetzung eines Wohnorts im Gebiet des Königreichs bestimmen die Riksförsäkringsverkets föreskrifter (RFFS 1985:16) om inskrivning och avregistrering hos allmän försäkringskasse (Vorschriften des Riksförsäkringsverk über Eintragung und Streichung im Register einer Sozialversicherung), daß eine Person als in Schweden wohnend gilt, wenn sie tatsächlich ihren Wohnsitz dort hat, wenn sie sich in der Absicht nach Schweden begibt, sich dort ständig aufzuhalten, oder wenn sie die Absicht hat, sich für eine begrenzte Zeit in Schweden aufzuhalten, und der Anlaß hierfür eine Berufstätigkeit oder eine Ausbildung ist und der Aufenthalt länger als ein Jahr dauern soll. Darüber hinaus gilt eine Person, die aufgrund der Verordnung Nr. 1408/71 Anspruch auf Leistungen nach den schwedischen Rechtsvorschriften hat, als in Schweden wohnend, solange sie Anspruch auf diese Leistungen hat, selbst wenn sie die angeführten Wohnortvoraussetzungen nicht erfuellt.

11 Nach den genannten Vorschriften des Beklagten wird ein Versicherter, der in ein anderes nordisches Land in der Absicht umzieht, sich dort für mehr als ein Jahr aufzuhalten, aus dem Register der Versicherungskasse ausgetragen, wenn er in Schweden aus dem Einwohnermelderegister ausgetragen wird. Begibt sich aber eine unter die Verordnung Nr. 1408/71 fallende Person in einen anderen Mitgliedstaat, so wird sie aus dem Register der Versicherungskasse ausgetragen, sobald sie gemäß der Verordnung unter die Rechtsvorschriften des Aufnahmestaats fällt, auch wenn die beabsichtigte Dauer des Aufenthalts in diesem anderen Mitgliedstaat kürzer als ein Jahr ist.

12 Die Klage, die die Klägerin gegen die Entscheidung, ihr die streitigen Leistungen nach ihrem Umzug nach Finnland nicht weiter zu gewähren, und gegen ihre Austragung aus dem Register der schwedischen Sozialversicherungskasse beim Länsrätt Norrbotten erhoben hatte, wurde abgewiesen, woraufhin die Klägerin Berufung beim Kammarrätt Sundsvall einlegte.

13 Sie beruft sich vor diesem Gericht auf Artikel 22 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii der Verordnung Nr. 1408/71, in dem es heisst:

"(1) Ein Arbeitnehmer oder Selbständiger, der die nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Staates für den Leistungsanspruch erforderlichen Voraussetzungen, gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Artikels 18, erfuellt und

...

b) der, nachdem er zu Lasten des zuständigen Trägers leistungsberechtigt geworden ist, von diesem Träger die Genehmigung erhalten hat, in das Gebiet des Mitgliedstaats, in dem er wohnt, zurückzukehren oder einen Wohnortwechsel in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats vorzunehmen, ...

hat Anspruch auf:

...

ii) Geldleistungen vom zuständigen Träger nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften ..."

14 Die Klägerin macht geltend, sie habe nach dieser Vorschrift bei Mutterschaft Anspruch darauf, daß ihr die als Erziehungsgeld zu gewährenden Geldleistungen auch nach ihrem Umzug nach Finnland weiterhin so lange gezahlt würden, wie in Schweden lebende Personen hierauf Anspruch hätten.

15 Das Riksförsäkringsverk, das in seiner Eigenschaft als öffentlich-rechtliche Einrichtung vor dem vorlegenden Gericht Beklagter ist, führt aus, der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Leistungen bei Mutterschaft nach schwedischem Recht sei erloschen, da sie nach ihrem Umzug nach Finnland die Voraussetzung, daß sie in Schweden wohne, nicht mehr erfuelle, so daß die schwedischen Rechtsvorschriften nicht mehr auf sie anwendbar seien.

16 Der Beklagte verweist insoweit zum einen auf Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71, der durch die Verordnung Nr. 2195/91 eingefügt wurde. Dieser lautet: "Eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ohne daß die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Artikel 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften." Der Beklagte beruft sich zum anderen auf den ebenfalls durch die Verordnung Nr. 2195/91 eingefügten Artikel 10b der Verordnung Nr. 574/72, in dem es heisst: "Der Zeitpunkt und die Voraussetzungen, zu denen die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiter für die in Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f) der Verordnung genannte Person gelten, werden nach diesen Rechtsvorschriften bestimmt."

17 Das nationale Gericht hält für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits die Auslegung einiger Bestimmungen der Verordnungen Nr. 1408/71 und Nr. 574/72 für erforderlich. Es hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 überhaupt auf eine Person anwendbar, die, bevor die Verordnung in Schweden galt, von Finnland nach Schweden umzog und dort arbeitete, die jedoch weder bei Inkrafttreten der Verordnung in Schweden dort erwerbstätig war noch sich als Arbeitslose dorthin begab, nachdem die Verordnung in Schweden galt, sondern die sich dort in diesem Zeitpunkt nach einer früheren Beschäftigungszeit nur als Arbeitslose aufhielt und dabei in Schweden Arbeitslosengeld erhielt? Kann also eine Person unter diesen Umständen geltend machen, daß sie nach dem 1. Januar 1994 aufgrund der Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 unter die schwedischen Rechtsvorschriften fällt, soweit es um den Anspruch auf schwedische Sozialversicherungsleistungen in Form von Erziehungsgeld (föräldrapenning) geht?

Falls diese Frage bejaht wird, stellen sich folgende Fragen:

2. Ist Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 in Verbindung mit Artikel 10b der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 dahin auszulegen, daß es einem Mitgliedstaat freisteht, Voraussetzungen bezueglich eines inländischen Wohnsitzes aufzustellen, damit eine Person, die in diesem Staat nicht mehr arbeitet, hinsichtlich der Geldleistungen bei Mutterschaft weiter unter die Rechtsvorschriften dieses Staates fällt?

3. Ist Artikel 22 der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen, daß eine Person, die in einem zuständigen Staat anfänglich Geldleistungen bei Mutterschaft erhält, unter den im übrigen in diesem Artikel aufgestellten Voraussetzungen beim Umzug in einen anderen Mitgliedstaat nur dann weiter Anspruch auf diese Geldleistungen hat, wenn sie sämtliche Bedingungen der in dem zuständigen Land geltenden gesetzlichen Regelung erfuellt, d. h. auch die zu diesen Bedingungen gehörende Voraussetzung eines inländischen Wohnsitzes, oder ist Artikel 22 dahin auszulegen, daß dieser Anspruch besteht, solange die betreffende Person bis auf die Wohnsitzvoraussetzung alle anderen Voraussetzungen erfuellt, die in der nationalen Regelung des Staates, aus dem sie wegzieht, vorgesehen sind?

Zur ersten Frage

18 Mit seiner ersten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob die Verordnung Nr. 1408/71 auf eine Person anwendbar ist, die zunächst in einem Mitgliedstaat erwerbstätig war und sich später bei Inkrafttreten der genannten Verordnung in diesem Staat als Arbeitslose dort aufhielt und daher nach dem System der sozialen Sicherheit dieses Staates Leistungen bei Arbeitslosigkeit bezog.

19 Der persönliche Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 ist in ihrem Artikel 2 definiert. Nach Artikel 2 Absatz 1 gilt die Verordnung für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten.

20 Die in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 verwendeten Begriffe "Arbeitnehmer" und "Selbständiger" sind in Artikel 1 Buchstabe a definiert. Sie bezeichnen jede Person, die im Rahmen eines der in Artikel 1 Buchstabe a aufgeführten Systeme der sozialen Sicherheit gegen die in dieser Vorschrift angegebenen Risiken unter den dort genannten Voraussetzungen versichert ist (vgl. Urteile vom 3. Mai 1990 in der Rechtssache C-2/89, Kits van Heijningen, Slg. 1990, I-1755, Randnr. 9, und vom 30. Januar 1997 in den Rechtssachen C-4/95 und C-5/95, Stöber und Piosa Pereira, Slg. 1997, I-511, Randnr. 27).

21 Wie der Gerichtshof u. a. im Urteil vom 12. Mai 1998 in der Rechtssache C-85/96 (Martínez Sala, Slg. 1998, I-0000, Randnr. 36) ausgeführt hat, besitzt eine Person somit die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne der Verordnung Nr. 1408/71, sofern sie auch nur gegen ein einziges Risiko bei einem der in Artikel 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 genannten allgemeinen oder besonderen Systeme der sozialen Sicherheit unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses pflichtversichert oder freiwillig versichert ist.

22 Dies trifft mit Sicherheit auf eine Person zu, die sich als Arbeitslose in einem Mitgliedstaat aufhält und dort nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats Leistungen bei Arbeitslosigkeit erhält.

23 War eine solche Person bereits arbeitslos, als die Verordnung Nr. 1408/71 in dem betreffenden Mitgliedstaat in Kraft trat, und bezog sie aufgrund einer von ihr vor diesem Zeitpunkt dort ausgeuebten Erwerbstätigkeit Leistungen bei Arbeitslosigkeit, so kann dieser Umstand sie nicht vom persönlichen Geltungsbereich der Verordnung ausschließen.

24 Artikel 94 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1408/71 sieht nämlich ausdrücklich vor, daß ein Leistungsanspruch auch für Ereignisse begründet wird, die vor der Anwendung dieser Verordnung im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats liegen.

25 Auch Artikel 94 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1408/71 regelt, daß für die Feststellung des Anspruchs auf Leistungen nach der Verordnung sämtliche Versicherungszeiten sowie gegebenenfalls auch alle Beschäftigungs- und Wohnzeiten berücksichtigt werden, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vor Anwendung der Verordnung im Gebiet dieses Mitgliedstaats zurückgelegt worden sind.

26 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, daß die Verordnung Nr. 1408/71 auf eine Person anwendbar ist, die zunächst in einem Mitgliedstaat erwerbstätig war und sich später bei Inkrafttreten der genannten Verordnung in diesem Staat als Arbeitslose dort aufhielt und daher nach dem System der sozialen Sicherheit dieses Staates Leistungen bei Arbeitslosigkeit bezog.

Zur zweiten Frage

27 Mit seiner zweiten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob der durch die Verordnung Nr. 2195/91 eingefügte Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach denen eine Person, die jede Berufstätigkeit im Gebiet dieses Staates aufgegeben hat, nur dann weiterhin unter die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats fallen kann, wenn sie auch ferner dort wohnt.

28 Die Vorschriften des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71, zu denen Artikel 13 gehört, bilden ein geschlossenes und einheitliches System von Kollisionsnormen. Mit diesen Vorschriften sollen nicht nur die gleichzeitige Anwendung von Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, vermieden werden, sondern sie sollen auch verhindern, daß Personen, die in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen, der Schutz auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit vorenthalten wird, weil keine nationalen Rechtsvorschriften auf sie anwendbar sind (vgl. insbesondere Urteil Kits van Heijningen, Randnr. 12)

29 Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1408/71 soll nur festlegen, welche nationalen Rechtsvorschriften für Personen gelten, bei denen einer der in Artikel 13 Absatz 2 Buchstaben a bis f aufgeführten Fälle vorliegt. Diese Bestimmungen legen als solche nicht die Voraussetzungen fest, unter denen eine Person einem System der sozialen Sicherheit oder einem bestimmten Zweig eines solchen Systems beitreten kann oder muß. Wie der Gerichtshof mehrfach festgestellt hat, ist es Sache jedes Mitgliedstaats, durch den Erlaß von Rechtsvorschriften diese Voraussetzungen, einschließlich der Voraussetzungen für die Beendigung der Versicherungszugehörigkeit, festzulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kits van Heijningen, Randnr. 19, und Urteil vom 21. Februar 1991 in der Rechtssache C-245/88, Daalmeijer, Slg. 1991, I-555, Randnr. 15).

30 Allerdings sind die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Voraussetzungen für den Beitritt zu einem System der sozialen Sicherheit verpflichtet, das geltende Gemeinschaftsrecht zu beachten, und dürfen insbesondere die Personen, auf die die in Rede stehenden Rechtsvorschriften nach der Verordnung Nr. 1408/71 anwendbar sind, nicht vom Anwendungsbereich dieser Rechtsvorschriften ausschließen (vgl. Kits van Heijningen, Randnr. 20).

31 Wie der Gerichtshof in Randnummer 21 des Urteils Kits van Heijningen festgestellt hat, würden Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, die die in ihnen vorgesehene Aufnahme einer im Gebiet dieses Mitgliedstaats im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigten Person in das System der sozialen Sicherheit davon abhängig machen, daß diese Person dort wohnt, Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 jede praktische Wirksamkeit nehmen, der bestimmt, daß eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staates unterliegt, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt.

32 Hat jedoch nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats eine Person, die im Gebiet dieses Staates nicht mehr im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt ist und damit die Voraussetzungen des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 nicht mehr erfuellt, nur dann Anspruch auf Aufnahme oder Verbleib im System der sozialen Sicherheit dieses Mitgliedstaats, wenn sie in dessen Gebiet wohnt, so wird weder Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f dieser Verordnung seine praktische Wirksamkeit genommen noch der Betroffene vom Anwendungsbereich aller, insbesondere der nach der Verordnung Nr. 1408/71 anwendbaren Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit ausgeschlossen.

33 Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f dient im Gegenteil der Regelung eines solchen Falles. Nach dieser Bestimmung sind auf eine Person, die weder nach den anderen Bestimmungen des Artikels 13 Absatz 2, darunter Buchstabe a, noch nach den Artikeln 14 bis 17 der Verordnung Nr. 1408/71 weiterhin den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats anwendbar, in dessen Gebiet sie wohnt.

34 Auf eine Person, die nicht mehr im Gebiet eines Mitgliedstaats im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt ist und die folglich die Voraussetzungen des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe a nicht mehr erfuellt und die auch nach keiner anderen Bestimmung der Verordnung Nr. 1408/71 den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, sind nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f nach Maßgabe der Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, entweder die Rechtsvorschriften des Staates anwendbar, in dem sie früher eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausgeuebt hat, falls sie dort weiterhin wohnt, oder die Rechtsvorschriften des Staates, in den sie umgezogen ist.

35 Die schwedische und die norwegische Regierung machen geltend, Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 sei nur anwendbar, wenn der Betroffene, der in einen anderen Mitgliedstaat umgezogen sei, endgültig jede Berufstätigkeit aufgegeben habe. Eine Person, die nur vorübergehend nicht berufstätig sei, unterliege gemäß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a weiterhin den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats ihrer letzten Beschäftigung, auch wenn sie in einen anderen Mitgliedstaat umziehe.

36 Wie der Gerichtshof in dem Urteil vom 12. Juni 1986 in der Rechtssache 302/84 (Ten Holder, Slg. 1986, 1821) entschieden habe, sei Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 dahin gehend auszulegen, daß ein Arbeitnehmer, der seine im Gebiet eines Mitgliedstaats ausgeuebte Tätigkeit beendet und danach nicht im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats gearbeitet habe, weiterhin den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats seiner letzten Beschäftigung unterliege, unabhängig davon, wieviel Zeit seit der Beendigung der in Rede stehenden Tätigkeit und dem Ende des Arbeitsverhältnisses verstrichen sei. Ferner ergebe sich insbesondere aus dem Urteil vom 21. Februar 1991 in der Rechtssache C-140/88 (Noij, Slg. 1991, I-387, Randnrn. 9 und 10), daß nur die Arbeitnehmer, die endgültig jede Berufstätigkeit aufgegeben hätten, ausserhalb des Anwendungsbereichs des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 stuenden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. März 1992 in der Rechtssache C-215/90 (Twomey, Slg. 1992, I-1823, Randnr. 10).

37 Die niederländische Regierung und in der mündlichen Verhandlung die finnische Regierung haben eingewandt, daß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 ausdrücklich eine Kollisionsregel für Fälle wie den des Ausgangsverfahrens festlege, in denen eine Person, gleichgültig aus welchem Grund, in einem bestimmten Mitgliedstaat jede Berufstätigkeit aufgegeben habe und in einem anderen Mitgliedstaat wohne, ohne dort erwerbstätig zu sein. Die Rechtsprechung des Urteils Ten Holder sei damit überholt.

38 Die Kommission führt aus, diese Rechtsprechung habe ihre Bedeutung behalten und Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 komme, ausser in Fällen, in denen der Betroffene endgültig jede Berufstätigkeit aufgegeben habe, erst zur Anwendung, wenn im Staat der letzten Beschäftigung kein Leistungsanspruch mehr bestehe.

39 Aus dem Wortlaut des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, daß diese Bestimmung nur für Arbeitnehmer gilt, die endgültig jede Berufstätigkeit aufgegeben haben, nicht aber für Arbeitnehmer, die ihre Berufstätigkeit nur in einem bestimmten Mitgliedstaat beendet haben.

40 Diese Bestimmung ist im Gegenteil allgemein formuliert, so daß sie jeden Fall erfasst, in dem eine Person, gleichgültig aus welchem Grund, den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht mehr unterliegt; sie ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen der Betroffene seine Berufstätigkeit in einem bestimmten Mitgliedstaat endgültig oder vorübergehend beendet hat.

41 Würde Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 nur auf den Fall einer endgültigen Aufgabe jeder Berufstätigkeit angewandt, würde er einen Teil seiner Bedeutung verlieren.

42 Wie sich aus der dritten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2195/91 ergibt, wurde Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f auf das Urteil Ten Holder hin in die Verordnung Nr. 1408/71 aufgenommen.

43 Dieses Urteil betraf den Fall einer Person, die ihre Berufstätigkeit im Gebiet eines Mitgliedstaats beendet hatte, dort nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats Krankengeld erhielt und in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats umgezogen war, ohne dort während des Bezugs dieses Krankengelds eine Tätigkeit aufzunehmen, wobei jedoch nicht feststand, ob diese Person endgültig jede Berufstätigkeit aufgegeben hatte und in ihrem neuen Wohnstaat keine solche Tätigkeit aufnehmen würde.

44 Obwohl dieser Fall in keiner Bestimmung des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71 ausdrücklich geregelt ist, hat der Gerichtshof im Urteil Ten Holder entschieden, daß eine solche Person gemäß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe a weiterhin den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats ihrer letzten Beschäftigung unterliege.

45 Der Gemeinschaftsgesetzgeber wollte also durch die Einfügung des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 den Fall einer Person, die sich in einer solchen Lage befindet, ausdrücklich regeln.

46 Wie der Generalanwalt in Nummer 56 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ergibt sich dies im übrigen aus der Begründung des Änderungsvorschlags der Kommission, der zum Erlaß des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe f geführt hat. Nach dieser Begründung sollte nämlich die durch das Urteil Ten Holder aufgezeigte "Lücke" in Titel II der Verordnung Nr. 1408/71 geschlossen werden, die deshalb vorhanden gewesen sei, weil es dort "keine ausdrückliche Bestimmung zur Festlegung der Rechtsvorschriften [gab], die für Personen gelten, die aufgehört haben, irgendeine Erwerbstätigkeit im Schutze der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats auszuüben, und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen".

47 Die vorstehende Auslegung wird im übrigen durch eine weitere, vom Gemeinschaftsgesetzgeber gleichzeitig vorgenommene Änderung der fraglichen Regelung bestätigt, die nach der dritten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2195/91 eng mit dem Erlaß des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe f zusammenhängt.

48 Nach dieser Begründungserwägung bedingte nämlich die Aufnahme des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe f in die Verordnung Nr. 1408/71 eine Anpassung des Artikels 17, die es zwei oder mehr Mitgliedstaaten, den zuständigen Behörden dieser Staaten oder den von diesen Behörden bezeichneten Stellen erlaubt, Ausnahmen von den Artikeln 13 bis 16 zu vereinbaren.

49 Nach dieser Anpassung können solche Ausnahmen nunmehr nicht nur im Interesse von Personen vereinbart werden, die im Lohn- oder Gehaltsverhältnis beschäftigt sind oder eine selbständige Tätigkeit ausüben, sondern im Interesse aller Personen, unabhängig davon, ob sie eine solche Tätigkeit ausüben.

50 Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 ist demnach auf eine Person anwendbar, die ihre Berufstätigkeit im Gebiet eines Mitgliedstaats beendet hat und in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats umgezogen ist, und steht Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegen, die für den Beitritt zu einem System der sozialen Sicherheit dieses Mitgliedstaats eine Wohnortvoraussetzung aufstellen.

51 Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, daß der durch die Verordnung Nr. 2195/91 eingefügte Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, nach denen eine Person, die jede Berufstätigkeit im Gebiet dieses Staates aufgegeben hat, nur dann weiterhin unter die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats fallen kann, wenn sie auch ferner dort wohnt.

Zur dritten Frage

52 Mit seiner dritten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob Artikel 22 der Verordnung Nr. 1408/71 Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach denen eine Person, die jede Berufstätigkeit im Gebiet dieses Staates aufgegeben hat, den Anspruch auf die weitere Gewährung von Erziehungsgeld der im Ausgangsverfahren fraglichen Art verliert, wenn sie in einen anderen Mitgliedstaat umgezogen ist.

53 Artikel 22 gehört zu Kapitel 1 "Krankheit und Mutterschaft" des Titels III der Verordnung Nr. 1408/71. Seine Anwendung setzt daher voraus, daß das im Ausgangsverfahren fragliche Erziehungsgeld Leistungen bei Krankheit oder Mutterschaft im Sinne dieses Kapitels darstellt.

54 Wie sich aus Randnummer 5 dieses Urteils ergibt, hatte die schwedische Regierung beim Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1408/71 im schwedischen Hoheitsgebiet gemäß Artikel 5 dieser Verordnung angegeben, daß das Erziehungsgeld eine Leistung bei Mutterschaft sei.

55 In ihren Erklärungen vor dem Gerichtshof hat die schwedische Regierung jedoch darauf hingewiesen, daß die im Ausgangsverfahren fraglichen Leistungen unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofes vom 10. Oktober 1996 in den Rechtssachen C-245/94 und C-312/94 (Höver und Zachow, Slg. 1996, I-4895) nunmehr als Familienleistungen im Sinne der Verordnung Nr. 1408/71 anzusehen seien.

56 Eine sachgerechte Beantwortung der Frage des vorlegenden Gerichts verlangt daher die Einordnung des im Ausgangsverfahren streitigen Erziehungsgelds anhand der Verordnung Nr. 1408/71.

57 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Leistung dann eine in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallende Leistung der sozialen Sicherheit, wenn sie den Begünstigten aufgrund eines gesetzlich umschriebenen Tatbestands gewährt wird, ohne daß im Einzelfall eine in das Ermessen gestellte Prüfung des persönlichen Bedarfs erfolgt, und wenn sie sich auf eines der in Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht (Urteil vom 5. März 1998 in der Rechtssache C-160/96, Molenaar, Slg. 1998, I-0000, Randnr. 20).

58 Was die erste dieser beiden Voraussetzungen anbelangt, so steht fest, daß die Vorschriften über die Gewährung des Erziehungsgelds für die Begünstigten einen gesetzlich umschriebenen Anspruch begründen und daß diese Leistungen Personen gewährt werden, die bestimmte objektive Kriterien erfuellen, ohne daß im Einzelfall eine in das Ermessen gestellte Prüfung ihres persönlichen Bedarfs erfolgt.

59 Im Hinblick auf die zweite Voraussetzung ist darauf hinzuweisen, daß in Artikel 1 Buchstabe u Ziffer i der Verordnung Nr. 1408/71 der Begriff der "Familienleistungen" wie folgt definiert wird: "$Familienleistungen`: alle Sach- oder Geldleistungen, die zum Ausgleich von Familienlasten im Rahmen der in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe h) genannten Rechtsvorschriften bestimmt sind, jedoch mit Ausnahme der in Anhang II aufgeführten besonderen Geburtsbeihilfen".

60 Wie sich aus dem Urteil Höver und Zachow ergibt, ist eine Leistung, die einem Elternteil ermöglichen soll, sich in der ersten Lebensphase eines Kindes dessen Erziehung zu widmen, und die genauer betrachtet dazu dient, die Erziehung des Kindes zu vergüten, die anderen Betreuungs- und Erziehungskosten auszugleichen und gegebenenfalls die finanziellen Nachteile, die der Verzicht auf ein Erwerbseinkommen bedeutet, abzumildern, einer Familienleistung im Sinne der Artikel 1 Buchstabe u Ziffer i und 4 Absatz 1 Buchstabe h der Verordnung Nr. 1408/71 gleichzustellen.

61 Nach den Akten entspricht das im Ausgangsverfahren fragliche Erziehungsgeld diesen Kriterien.

62 Diese anläßlich der Geburt eines Kindes gewährte Leistung wird beiden Elternteilen gemeinsam bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes oder spätestens bis zur Beendigung seines ersten Schuljahres für einen Zeitraum von höchstens 450 Tagen gewährt, während dessen ein Elternteil nicht zu arbeiten braucht. Üben die Eltern die elterliche Sorge für das Kind gemeinsam aus, so bezieht jeder von ihnen die Leistung während der Hälfte der Zeit. Übt ein Elternteil das Sorgerecht für das Kind allein aus, so hat er für den gesamten vorgesehenen Zeitraum Anspruch auf Erziehungsgeld.

63 Zwar erhält die Mutter vom sechzigsten Tag vor dem voraussichtlichen Geburtstermin des Kindes an Erziehungsgeld, doch hat während des weitaus überwiegenden Teils des Leistungszeitraums der Elternteil Anspruch auf Erziehungsgeld, der in erster Linie die elterliche Sorge für das Kind ausübt, welcher also auch der Vater sein kann.

64 Ferner richtet sich der Leistungsbetrag, unter bestimmten Voraussetzungen und mit bestimmten Einschränkungen, unmittelbar nach dem Erwerbseinkommen des betroffenen Elternteils. Dieser Elternteil hat nämlich unter der Voraussetzung, daß er vor der Geburt oder dem voraussichtlichen Geburtstermin mindestens 240 Tage ohne Unterbrechung bei einer Krankenkasse versichert gewesen ist, für 360 der 450 Tage, für die das Erziehungsgeld gewährt wird, Anspruch auf eine Leistung, die den garantierten Mindestbetrag von 60 SKR pro Tag übersteigt und im allgemeinen 75 % des zuvor von ihm bezogenen Erwerbseinkommens entspricht.

65 Diese Bestimmungen zeigen, daß das Erziehungsgeld den Eltern ermöglichen soll, während der ersten Lebensphase eines Kindes bis zur Erreichung des Schulalters die elterliche Sorge abwechselnd auszuüben, und daß es in bestimmtem Umfang den Einkommensverlust ausgleichen soll, der sich für den die elterliche Sorge ausübenden Elternteil aus dem vorübergehenden Verzicht auf die Ausübung seiner Berufstätigkeit ergibt.

66 Demnach sind die Sonderbestimmungen für Familienleistungen des Kapitels 7 des Titels III der Verordnung Nr. 1408/71 für die Frage heranzuziehen, ob eine Person in der Lage der Klägerin weiterhin Anspruch auf Familienleistungen hat, die ihr nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gewährt worden sind, auch wenn sie jede Berufstätigkeit im Gebiet dieses Mitgliedstaats aufgegeben hat und in einen anderen Mitgliedstaat umgezogen ist.

67 Artikel 73 der Verordnung Nr. 1408/71 in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 3427/89 des Rates vom 30. Oktober 1989 (ABl. L 331, S. 1) lautet: "Ein Arbeitnehmer oder ein Selbständiger, der den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegt, hat, vorbehaltlich der Bestimmungen in Anhang VI für seine Familienangehörigen, die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates, als ob diese Familienangehörigen im Gebiet dieses Staates wohnten."

68 Wie der Gerichtshof in dem Urteil vom 17. Mai 1984 in der Rechtssache 101/83 (Brusse, Slg. 1984, 2223, Randnr. 30) festgestellt hat, begründet dieser Artikel zugunsten des Arbeitnehmers, der den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen unterliegt, in dessen Gebiet seine Familienangehörigen wohnen, einen echten Anspruch auf Gewährung von Familienleistungen nach den anwendbaren Rechtsvorschriften, der nicht durch die Anwendung einer in diesen Rechtsvorschriften enthaltenen Klausel entzogen werden darf, nach der Familienleistungen nur an Personen gezahlt werden, die im Gebiet des betreffenden Mitgliedstaats wohnen.

69 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Februar 1981 in der Rechtssache 104/80, Beeck, Slg. 1981, 503, Randnrn. 7 und 8, vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-78/91, Hughes, Slg. 1992, I-4839, Randnr. 28, und Urteil Höver und Zachow, Randnr. 38) ist diese Vorschrift auch auf einen Arbeitnehmer anwendbar, der mit seiner Familie in einem anderen Mitgliedstaat lebt als demjenigen, dessen Rechtsvorschriften er unterliegt.

70 Das gleiche gilt für Artikel 74 der Verordnung Nr. 1408/71 in der Fassung der Verordnung Nr. 3427/89, durch den die Regel des Artikels 73 auf einen arbeitslosen Arbeitnehmer oder einen arbeitslosen Selbständigen angewandt wird, der nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats Leistungen bei Arbeitslosigkeit bezieht.

71 Eine Person in der Lage der Klägerin erfuellt jedoch weder die Voraussetzungen des Artikels 73 noch des Artikels 74 der Verordnung Nr. 1408/71, weil weder sie noch ihre Familienangehörigen jemals in einem anderen Mitgliedstaat gewohnt haben als demjenigen, dessen Rechtsvorschriften die Klägerin unterlag. Dies folgt insbesondere daraus, daß eine Person in einer solchen Lage nach ihrem Umzug in einen anderen Mitgliedstaat gemäß Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung Nr. 1408/71 den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats unterliegt, wie sich aus der Antwort auf die Frage 2 ergibt.

72 Artikel 10 der Verordnung Nr. 1408/71, nach dem bestimmte Leistungen, auf die nach den Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten ein Anspruch erworben worden ist, u. a. nicht deshalb entzogen werden dürfen, weil der Berechtigte im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats als des Staates wohnt, in dessen Gebiet der zur Zahlung verpflichtete Träger seinen Sitz hat, gilt nur für die dort ausdrücklich genannten Leistungen, zu denen die Familienleistungen nicht gehören.

73 Auf die dritte Frage ist daher zu antworten, daß die Verordnung Nr. 1408/71 Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, nach denen eine Person, die jede Berufstätigkeit im Gebiet dieses Staates aufgegeben hat, den Anspruch auf die weitere Gewährung von nach diesen Rechtsvorschriften gewährten Familienleistungen verliert, wenn sie in einen anderen Mitgliedstaat umgezogen ist, in dem sie mit ihren Familienangehörigen wohnt.

Kostenentscheidung


Kosten

74 Die Auslagen der schwedischen, der niederländischen, der finnischen und der norwegischen Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor


Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

auf die ihm vom Kammarrätt Sundsvall mit Beschluß vom 6. August 1996 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung ist auf eine Person anwendbar, die zunächst in einem Mitgliedstaat erwerbstätig war und sich später bei Inkrafttreten der genannten Verordnung in diesem Staat als Arbeitslose dort aufhielt und daher nach dem System der sozialen Sicherheit dieses Staates Leistungen bei Arbeitslosigkeit bezog.

2. Der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2195/91 des Rates vom 25. Juni 1991 in die Verordnung Nr. 1408/71 eingefügte Artikel 13 Absatz 2 Buchstabe f steht Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegen, nach denen eine Person, die jede Berufstätigkeit im Gebiet dieses Staates aufgegeben hat, nur dann weiterhin unter die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats fallen kann, wenn sie auch ferner dort wohnt.

3. Die Verordnung Nr. 1408/71 steht Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegen, nach denen eine Person, die jede Berufstätigkeit im Gebiet dieses Staates aufgegeben hat, den Anspruch auf die weitere Gewährung von nach diesen Rechtsvorschriften gewährten Familienleistungen verliert, wenn sie in einen anderen Mitgliedstaat umgezogen ist, in dem sie mit ihren Familienangehörigen wohnt.