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61997J0311

Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 29. April 1999. - Royal Bank of Scotland plc gegen Elliniko Dimosio (Griechischer Staat). - Ersuchen um Vorabentscheidung: Dioikitiko Protodikeio Peiraios - Griechenland. - Niederlassungsfreiheit - Steuerrecht - Steuer auf die Gewinne von Gesellschaften. - Rechtssache C-311/97.

Sammlung der Rechtsprechung 1999 Seite I-02651


Leitsätze
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor

Schlüsselwörter


Freizuegigkeit - Niederlassungsfreiheit - Steuerrecht - Steuer auf die Gewinne von Gesellschaften - Gesellschaft, die im Inland tätig ist, ohne dort ihren Sitz zu haben - Höhere Besteuerung als die der gebietsansässigen Gesellschaften - Unzulässigkeit

(EG-Vertrag, Artikel 52 und 58)

Leitsätze


Die Artikel 52 und 58 des Vertrages sind dahin auszulegen, daß sie steuerrechtlichen Vorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die Gesellschaften, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben und im ersten Mitgliedstaat durch eine dort bestehende dauerhafte Niederlassung tätig sind, die Gesellschaften mit Sitz im ersten Mitgliedstaat eingeräumte Möglichkeit, in den Genuß eines niedrigeren Steuersatzes auf Gewinne zu gelangen, vorenthalten, wenn kein objektiver Unterschied zwischen den beiden Gruppen von Gesellschaften besteht, der eine solche Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte.

Entscheidungsgründe


1 Das Dioikitiko Protodikeio Piräus hat mit Urteil vom 30. Juni 1997, beim Gerichtshof eingegangen am 8. September 1997, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Artikel 7 EWG-Vertrag (jetzt Artikel 6 EG-Vertrag) und 52 EG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Royal Bank of Scotland plc (im folgenden: Royal Bank of Scotland) und dem DOY (für die Direktbesteuerung von Aktiengesellschaften zuständiges Finanzamt) über die Besteuerung der von der Zweigniederlassung dieser Bank in Griechenland im Geschäftsjahr 1994/95 erzielten Gewinne mit einem höheren Steuersatz, als er auf Banken mit Sitz in Griechenland Anwendung findet.

3 Die Royal Bank of Scotland hat ihren Sitz im Vereinigten Königreich. Sie ist in Griechenland durch eine Zweigniederlassung mit Sitz in Piräus tätig.

4 Am 14. Februar 1996 gab die Royal Bank of Scotland beim DOY Piräus ihre Körperschaftsteuererklärung für das Geschäftsjahr 1994/95 ab. Sie gab an, daß die steuerbaren Gewinne aus der Tätigkeit ihrer Zweigniederlassung sich für die Zeit vom 1. Oktober 1994 bis zum 30. September 1995 auf 1 031 256 016 DR belaufen hätten und daß die Steuer auf diese Gewinne bei Anwendung des in Artikel 109 Absatz 1 Buchstabe a des Gesetzes Nr. 2238 vom 16. September 1994 (Amtsblatt der Griechischen Republik Nr. 151, Ausgabe A; im folgenden: Gesetz Nr. 2238/1994) vorgesehenen Steuersatzes von 40 % sich auf einen Betrag von 412 502 406 DR belaufe.

5 Die Royal Bank of Scotland versah ihre Steuererklärung mit einem Vorbehalt, wonach die Gewinne ihrer Zweigniederlassung gemäß Artikel 109 Absatz 1 Buchstabe b des Gesetzes Nr. 2238/1994, d. h. mit einem Satz von 35 %, zu versteuern gewesen seien, der auf inländische Banken Anwendung finde.

6 In der Erwägung, daß sie durch die Anwendung des Steuersatzes von 40 % höher besteuert werde als die inländischen Banken, berief sich die Royal Bank of Scotland in diesem Vorbehalt zunächst auf Artikel XVI des Abkommens über die Vermeidung von Doppelbesteuerung und die Verhinderung von Steuerumgehung auf dem Gebiet der Einkommensteuer zwischen der Griechischen Republik und dem Vereinigten Königreich, das am 25. Juni 1953 geschlossen und in Griechenland durch die gesetzesvertretende Verordnung Nr. 2732/1953 (Amtsblatt der Griechischen Republik Nr. 329 vom 12. November 1953, Ausgabe A) ratifiziert worden ist, in dem es heisst: "1. Die Staatsangehörigen einer der Vertragsparteien unterliegen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei keiner irgendwie gearteten Besteuerung oder damit zusammenhängenden Verpflichtung, die anders, höher oder belastender als die Besteuerung oder die damit zusammenhängenden Verpflichtungen ist, denen die Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei unterliegen oder unterworfen werden können." Sie berief sich ausserdem auf Artikel 52 Absatz 1 des Vertrages und machte geltend, sie unterliege einer diskriminierenden steuerlichen Behandlung.

7 Dieser Vorbehalt wurde mit dem Bescheid Nr. 3814 des Vorstehers des DOY Piräus vom 19. Februar 1996 mit der Begründung zurückgewiesen, daß für die Royal Bank of Scotland in bezug auf die Körperschaftsteuer Artikel 109 Absatz 1 Buchstabe a des Gesetzes Nr. 2238/1994 gelte, der für ausländische Gesellschaften und Organisationen, die in Griechenland eine Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht ausübten, einen Steuersatz von 40 % vorsehe.

8 Die Royal Bank of Scotland erhob Anfechtungsklage gegen die Entscheidung über die Zurückweisung ihres Vorbehalts und beantragte darüber hinaus die Erstattung eines Betrages von 51 562 800 DR, den sie nach ihrem Vorbringen ohne Rechtsgrund gezahlt hat, zuzueglich der gesetzlichen Zinsen.

9 Die Besteuerung des Einkommens natürlicher und juristischer Personen ist in Griechenland durch das Gesetz Nr. 2238/1994, das Einkommensteuergesetzbuch, geregelt.

10 Für juristische Personen ergibt sich aus Artikel 98 des Einkommensteuergesetzbuchs, daß der Reingewinn aus allen Quellen besteuert wird, der von einer der in Artikel 101 des Einkommensteuergesetzbuchs genannten juristischen Personen erzielt wird. Zu diesen juristischen Personen gehören die inländischen Aktiengesellschaften (Artikel 101 Absatz 1 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzbuchs) sowie die "ausländischen Unternehmen, unabhängig von der Gesellschaftsform, in der sie tätig sind, sowie die ausländischen Organisationen jeder Art mit Gewinnerzielungsabsicht" (Artikel 101 Absatz 1 Buchstabe d des Einkommensteuergesetzbuchs).

11 Nach Artikel 99 Absatz 1 des Einkommensteuergesetzbuchs unterliegen der Körperschaftsteuer für juristische Personen:

"a) bei inländischen Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, mit Ausnahme der Banken und Versicherungsgesellschaften, das gesamte Nettoeinkommen oder der gesamte Reingewinn, die in Griechenland oder im Ausland erzielt worden sind. Die ausgeschütteten Gewinne entsprechen den nicht ausgeschütteten Gewinnen nach Abzug der Körperschaftsteuer. Bei inländischen Banken und Versicherungsgesellschaften das gesamte Nettoeinkommen oder der gesamte Reingewinn, die in Griechenland oder im Ausland erzielt worden sind, nach Abzug des Teils, der den nicht steuerbaren Einnahmen oder dem Einkommen entspricht, das einer zum Erlöschen der Steuerschuld führenden Sondersteuer unterliegt. Zur Ermittlung des Gewinnanteils, der den nicht steuerbaren Einnahmen oder dem Einkommen entspricht, das einer zum Erlöschen der Steuerschuld führenden Sondersteuer unterliegt, werden die gesamten Reingewinne anteilmässig auf die Beträge der steuerbaren Einnahmen und der nicht steuerbaren Einnahmen oder auf das Einkommen verteilt, das einer zum Erlöschen der Steuerschuld führenden Sondersteuer unterliegt;

...

d) bei ausländischen Unternehmen, unabhängig von der Gesellschaftsform, in der sie in Griechenland tätig sind, sowie bei ausländischen Organisationen jeder Art mit Gewinnerzielungsabsicht das Nettoeinkommen oder der Reingewinn, die aus einer Quelle herrühren, die sich in Griechenland befindet, sowie der Reingewinn, der sich aus der dauerhaften Niederlassung des Unternehmens in Griechenland im Sinne von Artikel 100 ergibt. Zur Ermittlung der steuerbaren Gewinne von Zweigniederlassungen der Banken und Versicherungsgesellschaften, die rechtmässig in Griechenland tätig sind und die ausserdem Einnahmen erzielen, die steuerbefreit sind oder einer zum Erlöschen der Steuerschuld führenden Sondersteuer unterliegen, wird von den im vorherigen Absatz genannten Reingewinnen der den erwähnten Einnahmen entsprechende Gewinnanteil abgezogen, der dadurch berechnet wird, daß diese Gewinne anteilmässig auf die steuerbaren Bruttoeinnahmen und die Einnahmen verteilt werden, die steuerbefreit sind oder einer zum Erlöschen der Steuerschuld führenden Sondersteuer unterliegen."

12 Nach Artikel 100 Absatz 1 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzbuchs liegt eine dauerhafte Niederlassung einer ausländischen Gesellschaft oder Organisation in Griechenland vor, wenn diese Gesellschaft oder Organisation

"in Griechenland ein oder mehrere Geschäfte, Agenturen, Zweigniederlassungen, Tochtergesellschaften, Lager, Fabriken oder Werkstätten und Anlagen zur Ausbeutung natürlicher Ressourcen" hat.

13 Artikel 105 des Einkommensteuergesetzbuchs legt das Verfahren zur Ermittlung der Brutto- und der Nettöinnahmen juristischer Personen fest. Er unterscheidet nicht zwischen inländischen und ausländischen Gesellschaften.

14 Die Ermittlung des Steuersatzes ist in Artikel 109 des Einkommensteuergesetzbuchs geregelt, der bestimmt:

"1. Die Steuer wird nach dem gesamten steuerbaren Einkommen der juristischen Person nach Steuersätzen veranlagt, die je nach Gattung der Steuerpflichtigen wie folgt festgesetzt werden:

a) für inländische Aktiengesellschaften, deren Aktien bei Ablauf der Rechnungsperiode bei der Börse von Athen nicht zugelassene Inhaberaktien sind, und für ausländische Gesellschaften und Organisationen mit Gewinnerzielungsabsicht auf 40 %;

b) für die sonstigen inländischen Aktiengesellschaften auf 35 %. Bei inländischen Aktiengesellschaften, die Namensaktien und bei der Börse von Athen nicht zugelassene Inhaberaktien haben, wird der Satz gemäß Buchstabe a auf den Teil der Gewinne erhoben, der der Zahl der vorhandenen Inhaberaktien entspricht. Zur Ermittlung des obengenannten Gewinnanteils werden die gesamten Reingewinne entsprechend der Zahl der Namensaktien und der Inhaberaktien aufgeteilt, die sich bei Ablauf der Rechnungsperiode aus den geführten Büchern ergeben."

15 Ferner wurde, was Banken betrifft, Artikel 109 des Einkommensteuergesetzbuchs durch Artikel 13 Absatz 4 des Gesetzes Nr. 2459/1997 geändert, wonach der Körperschaftsteuersatz für Gewinne von Banken mit Sitz in Griechenland von 35 % auf 40 % angehoben wurde und seither somit ebenso hoch ist wie derjenige, der auf Gewinne von Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften Anwendung findet. Diese Änderung betrifft allerdings nur die Gewinne, die sich aus nach dem 31. Dezember 1996 abgeschlossenen Bilanzen ergeben, und gilt daher im Ausgangsfall nicht.

16 Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß es sich bei Aktien der Kreditinstitute gemäß Artikel 11a Absatz 2 des Gesetzes Nr. 2190/1920 um Namensaktien handelt. Nach dem Gesetz Nr. 5076/1931 über Aktiengesellschaften und Banken dürfen Banken nur in der Rechtsform von Aktiengesellschaften gegründet werden und tätig sein.

17 Mit Urteil vom 30. Juni 1997 hat das Dioikitiko Protodikeio Piräus, das Zweifel an der Vereinbarkeit der innerstaatlichen Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht hegt, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist die genannte Regelung in Artikel 109 Absatz 1 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzbuchs (Gesetz Nr. 2238/1994, Amtsblatt der Griechischen Republik Nr. 151, Ausgabe A), die eine unterschiedliche steuerliche Belastung zum Nachteil der ausländischen Gesellschaften durch die Anwendung des Steuersatzes von 40 % auf ihre steuerbaren Einnahmen im Gegensatz zu den inländischen Gesellschaften vorschreibt, bei denen ein Steuersatz von 35 % angewandt wird, nach dem Gemeinschaftsrecht erlaubt und zulässig, und steht sie insbesondere im Einklang mit den Artikeln 7 und 52 des Vertrages? Mit anderen Worten: Ist der griechische Staat berechtigt, diese unterschiedliche steuerliche Behandlung zu Lasten der ausländischen Gesellschaften vorzuschreiben?

18 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die steuerrechtlichen Vorschriften, um die es im Ausgangsverfahren geht und die den Gesellschaften, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben und im ersten Mitgliedstaat durch eine dortige dauerhafte Niederlassung tätig sind, die allein Gesellschaften mit Sitz im ersten Mitgliedstaat zuerkannte Möglichkeit, in den Genuß eines niedrigeren Steuersatzes auf Gewinne zu gelangen, vorenthalten, mit dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere mit Artikel 7 EWG-Vertrag (jetzt Artikel 6 EG-Vertrag) und 52 EG-Vertrag vereinbar sind.

19 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, daß diese ihre Befugnisse jedoch unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben und deshalb jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit unterlassen müssen (Urteile vom 14. Februar 1995 in der Rechtssache C-279/93, Schumacker, Slg. 1995, I-225, Randnrn. 21 und 26, vom 11. August 1995 in der Rechtssache C-80/94, Wielockx, Slg. 1995, I-2493, Randnr. 16, vom 27. Juni 1996 in der Rechtssache C-107/94, Asscher, Slg. 1996, I-3089, Randnr. 36, und vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache C-250/95, Futura Participations und Singer, Slg. 1997, I-2471, Randnr. 19).

20 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist ausserdem das allgemeine Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, das Artikel 7 EWG-Vertrag (jetzt Artikel 6 EG-Vertrag) aufstellt, durch die Artikel 48, 52 und 59 des Vertrages in den besonderen Bereichen, die sie regeln, umgesetzt worden. Jede Regelung, die mit diesen Bestimmungen unvereinbar ist, ist folglich auch mit Artikel 6 des Vertrages unvereinbar (Urteil vom 30. Mai 1989 in der Rechtssache 305/87, Kommission/Griechenland, Slg. 1989, 1461, Randnr. 12). Artikel 6 des Vertrages kann daher autonom nur auf durch das Gemeinschaftsrecht geregelte Fallgestaltungen angewendet werden, für die der Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsieht (Urteile Kommission/Griechenland, Randnr. 13, und vom 12. April 1994 in der Rechtssache C-1/93, Halliburton Services, Slg. 1994, I-1137, Randnr. 12).

21 Es steht jedoch fest, daß Artikel 52 des Vertrages im wesentlichen darauf abzielt, den in Artikel 6 des Vertrages verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung im Bereich der selbständigen Erwerbstätigkeiten umzusetzen. Folglich kann die letztgenannte Bestimmung im Ausgangsverfahren keine Anwendung finden.

22 Artikel 52 des Vertrages stellt eine der grundlegenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts dar und ist seit dem Ablauf der Übergangszeit in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar. Nach dieser Vorschrift umfasst die Niederlassungsfreiheit der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen nach den Bestimmungen des Niederlassungsstaats für seine eigenen Angehörigen. Die Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit erstreckt sich auch auf Beschränkungen der Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ansässig sind (Urteil vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 270/83, Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 273, Randnr. 13).

23 Mit der Niederlassungsfreiheit, die Artikel 52 den Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats zuerkennt und die für sie die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten unter den gleichen Bedingungen, wie sie im Recht des Niederlassungsstaats für dessen eigene Angehörigen festgelegt sind, umfasst, ist gemäß Artikel 58 EG-Vertrag für die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmässigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, das Recht verbunden, ihre Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat durch eine Zweigniederlassung oder Agentur auszuüben. Bei Gesellschaften dient der Sitz im genannten Sinn, ebenso wie die Staatsangehörigkeit bei natürlichen Personen, dazu, ihre Zugehörigkeit zur Rechtsordnung eines Staates zu bestimmen. Würde man also zulassen, daß der Mitgliedstaat der Niederlassung nach seinem Belieben eine ungleiche Behandlung allein deshalb vornehmen kann, weil sich der Sitz einer Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat befindet, so würde diese Vorschrift ausgehöhlt (Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 18).

24 Insoweit ergibt sich aus den Akten und insbesondere dem Wortlaut des Vorlageurteils selbst, daß Artikel 109 des Einkommensteuergesetzbuchs bei der Berechnung der Steuer auf Gewinne von Gesellschaften eine Ungleichbehandlung einführt, je nachdem, ob diese Gesellschaften ihren Sitz in Griechenland oder ausserhalb dieses Mitgliedstaats haben. Auf Gewinne von Gesellschaften mit Sitz in Griechenland können nämlich zwei Steuersätze Anwendung finden, wobei die Gesellschaften unter bestimmten, von ihrer Rechtsform und der Rechtsnatur der von ihnen emittierten Aktien abhängigen Voraussetzungen in den Genuß des Steuersatzes von 35 % anstelle des Satzes von 40 % gelangen können. Dagegen findet auf die in Griechenland steuerbaren Gewinne von Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, unabhängig von deren Rechtsform und der Rechtsnatur der von ihnen emittierten Aktien, nur ein einziger, der höhere, Steuersatz Anwendung.

25 Im übrigen verlangen die innerstaatlichen Rechtsvorschriften über Banken - nämlich die Gesetze Nr. 2190/1920 und Nr. 5076/1931 - von einer Gesellschaft mit Sitz in Griechenland, die dort eine Geschäftstätigkeit im Banksektor ausüben will, daß sie diese Tätigkeit in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft ausübt und Namensaktien emittiert, so daß dadurch der Steuersatz von 40 % auf sie nicht angewandt werden kann, der in Artikel 109 Absatz 1 Buchstabe a allein "für inländische Aktiengesellschaften, deren Aktien bei Ablauf der Rechnungsperiode bei der Börse von Athen nicht zugelassene Inhaberaktien sind, und für ausländische Gesellschaften und Organisationen mit Gewinnerzielungsabsicht" vorgesehen ist. Demnach gilt bei Banken der höhere Steuersatz nur für die Banken, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat und eine dauerhafte Niederlassung in Griechenland haben.

26 Zur Beantwortung der Frage, ob eine steuerliche Ungleichbehandlung wie die, die sich aus Artikel 109 des Einkommensteuergesetzbuchs ergibt, diskriminierend ist, ist zu prüfen, ob eine Gesellschaft mit Sitz in Griechenland und eine in Griechenland ansässige Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat für die Zwecke der Besteuerung in Griechenland entstandener Gewinne sich in einer objektiv vergleichbaren Situation befinden. Nach ständiger Rechtsprechung besteht nämlich eine Diskriminierung darin, daß unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt werden oder daß dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird (vgl. beispielsweise die Urteile Schumacker, Randnr. 30, Wielockx, Randnr. 17, und Asscher, Randnr. 40).

27 Im Hinblick auf die direkten Steuern hat der Gerichtshof in Rechtssachen, die die Einkommensbesteuerung natürlicher Personen betrafen, festgestellt, daß sich in einem bestimmten Staat ansässige Personen und Gebietsfremde in der Regel nicht in einer gleichartigen Situation befinden, denn zwischen ihnen bestehen sowohl hinsichtlich der Einkunftsquelle wie auch hinsichtlich der persönlichen Steuerkraft oder der persönlichen Lage und des Familienstands objektive Unterschiede (Urteile Schumacker, Randnrn. 31 bis 34, Wielockx, Randnr. 18, und Asscher, Randnr. 41). Jedoch kann bei einer Steuervergünstigung, die Gebietsfremden nicht gewährt wird, eine Ungleichbehandlung dieser beiden Gruppen von Steuerpflichtigen als Diskriminierung im Sinne des Vertrages angesehen werden, wenn kein objektiver Unterschied zwischen den beiden Gruppen von Steuerpflichtigen besteht, der eine solche Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte (Urteile Schumacker, Randnrn. 36 bis 38, und Asscher, Randnr. 42).

28 Was das Verfahren zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlage betrifft, treffen die griechischen Steuervorschriften zwischen den Gesellschaften, die ihren Sitz in Griechenland haben, und denen, die zwar ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, in Griechenland jedoch eine dauerhafte Niederlassung haben, keine Unterscheidung, die eine Ungleichbehandlung zwischen den beiden Gruppen von Gesellschaften rechtfertigen könnte. Die Steuer wird nämlich, wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, ohne daß dies in der mündlichen Verhandlung bestritten worden wäre, gemäß Artikel 99 Absatz 1 Buchstabe d in Verbindung mit Artikel 105 des Einkommensteuergesetzbuchs für inländische wie für ausländische Gesellschaften von den Nettöinnahmen oder vom Reingewinn berechnet, nach Abzug des Gewinnanteils, der den nicht steuerbaren Einnahmen entspricht; der Gewinn wird für die inländischen wie für die ausländischen Gesellschaften nach diesem Verfahren ermittelt.

29 Zwar werden die Gesellschaften, die ihren Sitz in Griechenland haben, dort auf der Grundlage ihrer weltweit erzielten Einnahmen besteuert (unbeschränkte Steuerpflicht), während die ausländischen Gesellschaften, die in diesem Staat durch eine dauerhafte Niederlassung eine Geschäftstätigkeit ausüben, dort nur auf der Grundlage der Gewinne besteuert werden, die diese dauerhafte Niederlassung dort erzielt (beschränkte Steuerpflicht). Dieser Umstand, der darauf beruht, daß der Staat, in dem sich die Einkommensquelle befindet, im Verhältnis zu dem Staat, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat, nur über eine beschränkte Steuerhoheit verfügt, hindert jedoch nicht daran, die Situation beider Gruppen von Gesellschaften bei Gleichartigkeit sämtlicher übrigen Faktoren in bezug auf das Verfahren zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlage als vergleichbar anzusehen.

30 Demnach führen einzelstaatliche Rechtsvorschriften wie die griechischen Steuervorschriften, die zum einen für die Zwecke der Einkommensbesteuerung zwischen den Gesellschaften, die ihren Sitz in Griechenland haben, und denen, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, in Griechenland aber eine dauerhafte Niederlassung haben, keine Unterscheidung treffen, die im Rahmen der Erhebung derselben Steuer eine Ungleichbehandlung zwischen den beiden Gruppen von Gesellschaften rechtfertigen könnte, und die zum anderen in bezug auf den Körperschaftsteuersatz eine Ungleichbehandlung vorsehen, insoweit zu einer Diskriminierung der Gesellschaften, deren Sitz sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet, als sie für diese, unabhängig von deren Rechtsform und der Rechtsnatur der von ihnen emittierten Aktien, einen Steuersatz von 40 % festlegen, während der Steuersatz von 35 % ausschließlich für Gesellschaften gilt, deren Sitz sich in Griechenland befindet.

31 Ausserdem kommt, wie die Französische Republik in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, ohne daß dies in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten worden wäre, hinzu, daß der Umstand, daß die in Artikel 109 des Einkommensteuergesetzbuchs vorgesehene unterschiedliche Art und Weise der Gewinnbesteuerung nicht auf irgendeinem objektiven Unterschied zwischen der Situation von Gesellschaften mit Sitz in den anderen Mitgliedstaaten und der von Gesellschaften mit Sitz in Griechenland beruht, dadurch bestätigt wird, daß die griechische Zweigniederlassung einer Bank mit Sitz im Vereinigten Königreich im Rahmen des Abkommens über die Vermeidung von Doppelbesteuerung zwischen der Griechischen Republik und dem Vereinigten Königreich, insbesondere nach dessen Artikeln II, III und XVI, in Griechenland eine dauerhafte Niederlassung darstellt, die steuerlich einer gebietsansässigen Gesellschaft gleichgestellt ist, so daß dadurch vertraglich anerkannt ist, daß sie sich in einer Situation befindet, die der einer inländischen Gesellschaft objektiv vergleichbar ist.

32 Schließlich ist zu prüfen, ob eine Diskriminierung wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, gerechtfertigt werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung könnte nur eine ausdrücklich abweichende Bestimmung wie Artikel 56 EG-Vertrag zur Vereinbarkeit einer solchen Diskriminierung mit dem Gemeinschaftsrecht führen (vgl. Urteile vom 26. April 1988 in der Rechtssache 352/85, Bond van Adverteerders u. a., Slg. 1988, 2085, Randnrn. 32 und 33, und vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-288/89, Collectieve Antennevoorziening Gouda u. a., Slg. 1991, I-4007, Randnr. 11).

33 Die griechische Regierung hat keinen der in Artikel 56 des Vertrages genannten Gründe geltend gemacht, um die in den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsvorschriften enthaltene Diskriminierung zu rechtfertigen.

34 Demnach ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, daß die Artikel 52 und 58 des Vertrages dahin auszulegen sind, daß sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie den steuerrechtlichen Vorschriften, um die es im Ausgangsverfahren geht, entgegenstehen, die Gesellschaften, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben und im ersten Mitgliedstaat durch eine dort bestehende dauerhafte Niederlassung tätig sind, die Gesellschaften mit Sitz im ersten Mitgliedstaat eingeräumte Möglichkeit, in den Genuß eines niedrigeren Steuersatzes auf Gewinne zu gelangen, vorenthalten, wenn kein objektiver Unterschied zwischen den beiden Gruppen von Gesellschaften besteht, der eine solche Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte.

Kostenentscheidung


Kosten

35 Die Auslagen der griechischen und der französischen Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor


Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Dioikitiko Protodikeio Piräus mit Urteil vom 30. Juni 1997 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Die Artikel 52 und 58 EG-Vertrag sind dahin auszulegen, daß sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie den steuerrechtlichen Vorschriften, um die es im Ausgangsverfahren geht, entgegenstehen, die Gesellschaften, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben und im ersten Mitgliedstaat durch eine dort bestehende dauerhafte Niederlassung tätig sind, die Gesellschaften mit Sitz im ersten Mitgliedstaat eingeräumte Möglichkeit, in den Genuß eines niedrigeren Steuersatzes auf Gewinne zu gelangen, vorenthalten, wenn kein objektiver Unterschied zwischen den beiden Gruppen von Gesellschaften besteht, der eine solche Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte.