Available languages

Taxonomy tags

Info

References in this case

References to this case

Share

Highlight in text

Go

Avis juridique important

|

61999J0177

Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 19. September 2000. - Ampafrance SA gegen Directeur des services fiscaux de Maine-et-Loire (C-177/99) und Sanofi Synthelabo gegen Directeur des services fiscaux du Val-de-Marne (C-181/99). - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal administratif de Nantes und Tribunal administratif de Melun - Frankreich. - Mehrwertsteuer - Vorsteuerabzug - Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug - Repräsentationsaufwendungen - Verhältnismäßigkeit. - Verbundene Rechtssachen C-177/99 und C-181/99.

Sammlung der Rechtsprechung 2000 Seite I-07013


Leitsätze
Parteien
Entscheidungsgründe
Kostenentscheidung
Tenor

Schlüsselwörter


1 Steuerrecht - Harmonisierung - Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem - Vorsteuerabzug - Einführung abweichender Sondermaßnahmen - Bekämpfung von Steuerhinterziehung oder -umgehung - Entscheidung 89/487 - Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug bei bestimmten Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen - Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - Rechtswidrigkeit

(Richtlinie 77/388 des Rates, Artikel 27; Entscheidung 89/487 des Rates)

2 Gemeinschaftsrecht - Grundsatz des Vertrauensschutzes - Berufung eines Mitgliedstaats auf den Grundsatz, um den Folgen einer Entscheidung des Gerichtshofes zu entgehen, mit der die Ungültigkeit einer Handlung der Gemeinschaft festgestellt wird - Unzulässigkeit

Leitsätze


1 Die Entscheidung 89/487 des Rates, die auf der Grundlage von Artikel 27 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern erlassen wurde, wonach ein Mitgliedstaat ermächtigt werden kann, von der Sechsten Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhüten, und mit der die Französische Republik ermächtigt wurde, eine von Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie abweichende Sondermaßnahme zu treffen, ist im Hinblick auf den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit insofern ungültig, als sie diesen Staat dazu ermächtigt, den Wirtschaftsteilnehmern das Recht zu verwehren, die Mehrwertsteuer selbst für Aufwendungen abzuziehen, deren streng geschäftlichen Charakter sie nachweisen können.

Die Maßnahme, mit der alle Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen vom Vorsteuerabzugsrecht, einem Grundprinzip des von der Sechsten Richtlinie geschaffenen Systems der Mehrwertsteuer, grundsätzlich ausgeschlossen werden, ist nicht erforderlich, um Steuerhinterziehungen und -umgehungen zu bekämpfen, wenn geeignete Mittel in Betracht kommen oder in der innerstaatlichen Rechtsordnung bereits bestehen, die dieses Prinzip bezüglich bestimmter Aufwendungen weniger beeinträchtigen; eine solche Maßnahme steht beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts außer Verhältnis zu dem genannten Ziel und beeinträchtigt die Ziele und Grundsätze der Sechsten Richtlinie übermäßig.

(vgl. Randnrn. 35, 57, 61-62 und Tenor)

2 Auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes, der zwingend aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit folgt und in der Regel von Privatpersonen (Wirtschaftsteilnehmern) geltend gemacht wird, die sich auf von staatlichen Stellen gewecktes Vertrauen berufen, kann sich ein Mitgliedstaat nicht zu dem Zweck berufen, den Folgen einer Entscheidung des Gerichtshofes zu entgehen, mit der die Ungültigkeit einer Handlung der Gemeinschaft festgestellt wird; damit würde er den Schutz von Privatpersonen gegen staatliches Handeln in Frage stellen, das auf rechtswidrigen Bestimmungen beruht.

(vgl. Randnr. 67)

Parteien


In den verbundenen Rechtssachen C-177/99 und C-181/99

betreffend dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Tribunal administratif Nantes (C-177/99) (Frankreich) und vom Tribunal administratif Melun (C-181/99) (Frankreich) in den bei diesen anhängigen Rechtsstreitigkeiten

Ampafrance SA

gegen

Directeur des services fiscaux de Maine-et-Loire (C-177/99)

und

Sanofi Synthelabo, ehemals Sanofi Winthrop SA

gegen

Directeur des services fiscaux du Val-de-Marne (C-181/99)

vorgelegte Ersuchen um Vorabentscheidung über die Gültigkeit der Entscheidung 89/487/EWG des Rates vom 28. Juli 1989 zur Ermächtigung der Französischen Republik, eine von Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichende Sondermaßnahme zu treffen (ABl. L 239, S. 21),

erlässt

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. A. O. Edward sowie der Richter L. Sevón, P. J. G. Kapteyn, H. Ragnemalm und M. Wathelet (Berichterstatter),

Generalanwalt: G. Cosmas

Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- von Ampafrance SA, vertreten durch die Rechtsanwälte J.-C. Bouchard und O. Cortez, Hauts-de-Seine,

- von Sanofi Synthelabo, vertreten durch Finanzdirektor J.-C. Leroy,

- der französischen Regierung, vertreten durch K. Rispal-Bellanger, Abteilungsleiterin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, und S. Seam, Sekretär für auswärtige Angelegenheiten in derselben Direktion, als Bevollmächtigte,

- des Rates der Europäischen Union, vertreten durch J. Monteiro, Rechtsberater, und M.-J. Vernier, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa, Rechtsberater, und H. Michard, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Ampafrance SA, vertreten durch die Rechtsanwälte J.-C. Bouchard und O. Cortez, von Sanofi Synthelabo, vertreten durch die Rechtsanwälte B. Geneste und O. Davidson, Hauts-de-Seine, der französischen Regierung, vertreten durch S. Seam, des Rates, vertreten durch J. Monteiro und M.-J. Vernier, und der Kommission, vertreten durch H. Michard, in der Sitzung vom 27. Januar 2000,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. März 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe


1 Das Tribunal administratif Melun (C-181/99) und das Tribunal administratif Nantes (C-177/99) haben mit Urteilen vom 3. Dezember 1998 und vom 11. Mai 1999, beim Gerichtshof eingegangen am 14. und 17. Mai 1999, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) jeweils eine Frage nach der Gültigkeit der Entscheidung 89/487/EWG des Rates vom 28. Juli 1989 zur Ermächtigung der Französischen Republik, eine von Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichende Sondermaßnahme zu treffen (ABl. L 239, S. 21), zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen von zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen der Gesellschaft Ampafrance SA (im Folgenden: Ampafrance) (C-177/99) bzw. der Gesellschaft Sanofi Winthrop SA, die nach einer Verschmelzung durch Übernahme am 12. Mai 1998 zu Sanofi und dann am 18. Mai 1999 zu Sanofi Synthelabo geworden ist, (im Folgenden: Sanofi) (C-181/99) und der Steuerverwaltung wegen Steuernacherhebungen bei diesen Gesellschaften, die auf den Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug bei Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen gestützt wurden.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsregelung

3 Artikel 2 Absatz 2 der Ersten Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (ABl. 1967, Nr. 71, S. 1301; im Folgenden: Erste Richtlinie) lautet:

"Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat."

4 Artikel 17 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im Folgenden: Sechste Richtlinie), der das Recht der Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug regelt, sieht in Absatz 2 Buchstabe a vor:

"Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a) die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden".

5 Artikel 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie enthält eine Stillhalteklausel (oder "Stand-still"-Klausel), die die Beibehaltung der innerstaatlichen Ausschlüsse des Rechts auf Vorsteuerabzug vorsieht, die vor dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie, also vor dem 1. Januar 1979, galten. Diese Bestimmung lautet:

"Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission vor Ablauf eines Zeitraums von vier Jahren nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie einstimmig fest, bei welchen Ausgaben die Mehrwertsteuer nicht abziehbar ist. Auf jeden Fall werden diejenigen Ausgaben vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen.

Bis zum Inkrafttreten der vorstehend bezeichneten Bestimmungen können die Mitgliedstaaten alle Ausschlüsse beibehalten, die ... in ihren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind."

6 Bis heute sind die in Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 1 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Gemeinschaftsbestimmungen mangels einer Einigung im Rat über die Ausgaben, bei denen ein Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug in Betracht kommt, noch nicht erlassen worden.

7 Artikel 27 der Sechsten Richtlinie sieht vor:

"(1) Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhüten. Die Maßnahmen zur Vereinfachung der Steuererhebung dürfen den Betrag der im Stadium des Endverbrauchs fälligen Steuer nur in unerheblichem Maße beeinflussen.

(2) Der Mitgliedstaat, der die in Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen einführen möchte, befasst die Kommission damit und übermittelt ihr alle zur Beurteilung zweckdienlichen Angaben.

(3) Die Kommission macht den anderen Mitgliedstaaten hiervon innerhalb eines Monats Mitteilung.

(4) Der Beschluss des Rates gilt als gefasst, wenn innerhalb von zwei Monaten nach der Mitteilung nach Absatz 3 weder die Kommission noch ein Mitgliedstaat beantragt hat, die Angelegenheit im Rat zu erörtern.

(5) ..."

Nationale Regelung

8 In Frankreich wurde der Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug bei Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen von 1967 bis 1979 schrittweise eingeführt.

9 Die das Vorsteuerabzugsrecht bezüglich bestimmter Gegenstände und Dienstleistungen ausschließenden Vorschriften, die vor dem 1. Januar 1979, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sechsten Richtlinie, galten, fanden sich in den Artikeln 7 und 11 des Dekrets Nr. 67-604 vom 27. Juli 1967 (JORF vom 28. Juli 1967, S. 7541).

10 Artikel 7 dieses Dekrets bestimmte:

"Die Steuer, die auf Aufwendungen für die Unterkunft oder Unterbringung der Führungskräfte und des Personals der Unternehmen entfällt, ist nicht abziehbar.

Dieser Ausschluss betrifft jedoch nicht die Steuer, die auf Aufwendungen für die unentgeltliche Unterkunft des für die Sicherheit oder die Überwachung eines Betriebsgeländes oder einer Baustelle zuständigen Personals am Arbeitsort entfällt."

11 Artikel 11 des Dekrets Nr. 67-604 sah vor:

"Die Steuer, die auf Aufwendungen zur Befriedigung der individuellen Bedürfnisse der Führungskräfte und des Personals der Unternehmen und insbesondere auf Kosten für Empfänge, Bewirtung sowie Aufführungen entfällt, ist nicht abziehbar.

Dieser Ausschluss betrifft jedoch nicht die Aufwendungen

für Gegenstände, die Sachanlagen darstellen und der allgemeinen Befriedigung der Bedürfnisse des Personals am Arbeitsort besonders zugeordnet sind;

für Arbeits- oder Schutzkleidung, mit der ein Unternehmen sein Personal ausstattet."

12 Das Dekret Nr. 79-1163 vom 29. Dezember 1979 (JORF vom 31. Dezember 1979, S. 3333), das nach dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie erlassen wurde, sah in Artikel 25 vor, Artikel 236 des Anhangs II des französischen Code général des impôts (Allgemeines Steuergesetzbuch) durch folgenden Text zu ersetzen:

"Nicht abziehbar ist die Steuer auf Gegenstände oder Dienstleistungen, die von Dritten, den Führungskräften oder dem Personal des Unternehmens genutzt werden, wie die Unterkunft oder Unterbringung, die Kosten für Empfänge, Bewirtung, Aufführungen oder alle Aufwendungen, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit Fahrten oder mit dem Wohnen stehen.

Dieser Ausschluss betrifft jedoch nicht die Arbeits- oder Schutzkleidung, die Räume und das dem Personal am Arbeitsort zur Verfügung gestellte Material sowie die unentgeltliche Unterkunft des am Arbeitsort für die Sicherheit oder die Überwachung zuständigen Personals."

13 Der französische Conseil d'État entschied mit Urteil vom 3. Februar 1989, Compagnie Alitalia (im Folgenden: Urteil Alitalia), dass Artikel 25 des Dekrets Nr. 79-1163 insofern ungültig sei, als er das Vorsteuerabzugsrecht bezüglich aller Gegenstände und Dienstleistungen, die von Dritten genutzt würden, ausschließe und damit das in Artikel 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie festgelegte Ziel der Nichtausweitung der bestehenden Ausschlüsse missachte.

14 Aufgrund des Urteils Alitalia beantragte die Französische Republik mit Schreiben vom 13. April 1989 beim Rat auf der Grundlage von Artikel 27 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie, bis zum Inkrafttreten der endgültigen Bestimmungen des Artikels 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie von den Anordnungen dieses Artikels abweichen zu dürfen, um in ihrem Recht eine Vorschrift einzuführen, die den Abzug von Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen ausschließt.

15 Die französische Regierung teilte mit:

Diese Sondermaßnahme soll Steuerhinterziehungen und -umgehungen verhindern, die sich aus der steuerlichen Entlastung von Aufwendungen ergeben würden, die ihrem Wesen nach einen Endverbrauch darstellen. Die Gefahr von Steuerhinterziehungen und -umgehungen ist erheblich, da die Unternehmen veranlasst würden, Sachzuwendungen oder Geschenke als steuerlich entlasteten Endverbrauch zu gewähren und nicht korrekt zwischen Aufwendungen betreffend die Führungskräfte und das Personal und solchen bezüglich Dritter zu unterscheiden.

Der Ausschluss würde jedoch nicht betreffen

- Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die Bereitstellung von Unterkunft, Verpflegung, Nahrungsmitteln oder Getränken gegen Entgelt;

- Aufwendungen für die unentgeltliche Bereitstellung von Unterkünften auf Baustellen oder auf dem Betriebsgelände von Sicherheitsdienst-Unternehmen sowie Wach- und Schließgesellschaften;

- Aufwendungen eines Steuerpflichtigen aufgrund einer vertraglichen oder gesetzlichen Haftung gegenüber seinen Kunden (Beispiel: Aufwendungen einer Fluggesellschaft für die Unterbringung und Verpflegung von Passagieren infolge eines verlängerten Aufenthalts in einem Flughafen).

16 Am 28. Juli 1989 erließ der Rat die Entscheidung 89/487. Deren zweite und dritte Begründungserwägung lauten:

"Die Französische Republik hat mit einem am 17. April 1989 bei der Kommission eingegangenen Schreiben darum ersucht, sie zu einer von Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie abweichenden Sondermaßnahme zu ermächtigen.

Bestimmte Leistungen an einen Steuerpflichtigen, die insbesondere betriebliche Repräsentationsaufwendungen betreffen, sind in Frankreich in Übereinstimmung mit Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Durch die beantragte Maßnahme sollen weitere Aufwendungen für Unterbringung, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen werden, um Steuerhinterziehungen und -umgehungen zu verhindern. Der Ausschluss soll jedoch weder die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die Bereitstellung von Unterkunft, Verpflegung, Nahrungsmitteln oder Getränken gegen Entgelt noch die Aufwendungen für die unentgeltliche Bereitstellung von Unterkünften auf Baustellen oder auf dem Betriebsgelände von Sicherheitsdienst-Unternehmen sowie Wach- und Schließgesellschaften noch die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen aufgrund einer vertraglichen oder gesetzlichen Haftung gegenüber seinen Kunden betreffen."

17 Artikel 1 der Entscheidung 89/487 sieht vor:

"(1) Abweichend von Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie wird die Französische Republik ermächtigt, vorübergehend und längstens bis zum Inkrafttreten der Gemeinschaftsvorschriften zur steuerlichen Behandlung der in Unterabsatz 1 desselben Absatzes genannten Ausgaben die Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge sowie Aufführungen vom Vorsteuerabzugsrecht auszuschließen.

(2) Der Ausschluss nach Absatz 1 gilt jedoch nicht für

- Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die Bereitstellung von Unterkunft, Verpflegung, Nahrungsmitteln oder Getränken gegen Entgelt;

- Aufwendungen für die unentgeltliche Bereitstellung von Unterkünften auf Baustellen oder auf dem Betriebsgelände von Sicherheitsdienst-Unternehmen sowie Wach- und Schließgesellschaften;

- Aufwendungen eines Steuerpflichtigen aufgrund einer vertraglichen oder gesetzlichen Haftung gegenüber seinen Kunden."

18 Aufgrund der Entscheidung 89/487 änderte die französische Regierung durch Artikel 4 des Dekrets Nr. 89-885 vom 14. Dezember 1989 (JORF vom 15. Dezember 1989, S. 15578) den Wortlaut des Artikels 236 des Anhangs II des Code général des impôts. Dieser Artikel ist nunmehr folgendermaßen abgefasst:

"... Vorübergehend werden Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge sowie Aufführungen vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen.

Dieser Ausschluss gilt jedoch nicht für

1. Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die Bereitstellung von Unterkunft, Verpflegung, Nahrungsmitteln oder Getränken gegen Entgelt;

2. Aufwendungen für die unentgeltliche Bereitstellung von Unterkünften auf Baustellen oder auf dem Betriebsgelände von Sicherheitsdienst-Unternehmen sowie Wach- und Schließgesellschaften;

3. Aufwendungen eines Steuerpflichtigen aufgrund einer vertraglichen oder gesetzlichen Haftung gegenüber seinen Kunden."

Die Ausgangsverfahren

Rechtssache C-177/99

19 Die Klägerin Ampafrance trägt im Rahmen der Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit verschiedene Ausgaben für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen. Sie zog die Mehrwertsteuer ab, mit der die Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen belastet waren, die sie im Juni 1993 sowohl für ihr Personal als auch für Dritte getätigt hatte.

20 Am 30. November 1993 richtete die Steuerverwaltung einen Steuerbescheid über 252 086 FRF an Ampafrance. Dieser Betrag entsprach der für die oben genannten Aufwendungen abgezogenen Mehrwertsteuer. Diese Nacherhebung wurde auf Artikel 236 des Anhangs II des Code général des impôts gestützt, der die Entscheidung 89/487 in das französische Recht umgesetzt hat und die Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen vom Vorsteuerabzugsrecht ausschließt.

21 Der Einspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wurde von der Steuerverwaltung Maine-et-Loire zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin beim Tribunal administratif Nantes Klage erhoben.

22 Dabei hat sie die Erstattung des Betrages, den sie für Umsätze im Juni 1993 als Mehrwertsteuer gezahlt hatte, und hilfsweise die Vorlage der Frage der Gültigkeit der Entscheidung 89/487 an den Gerichtshof beantragt.

Rechtssache C-181/99

23 Die Steuerverwaltung richtete 1995 ebenfalls auf der Grundlage von Artikel 236 des Anhangs II des Code général des impôts Steuerbescheide an die Laboratorien Choay, Millot Solac und Clin Midy, und zwar über 260 524 FRF an das Laboratorium Choay, über 661 796 FRF an das Laboratorium Millot Solac und über 635 422 FRF an das Laboratorium Clin Midy. Diese Beträge entsprachen der von den Laboratorien abgezogenen Mehrwertsteuer, die auf Aufwendungen für Empfänge zugunsten von Lieferanten und Kunden im November und Dezember 1993 entfallen war.

24 Die Einsprüche gegen diese Steuerbescheide wurden durch Entscheidungen des Leiters der Steuerverwaltung Val-de-Marne zurückgewiesen. Die Klägerin Sanofi, die die Rechte und Pflichten der Laboratorien Choay, Millot Solac und Clin Midy übernommen hatte, hat gegen diese Entscheidungen Klage beim Tribunal administratif Paris erhoben. Nach der Errichtung des Tribunal administratif Melun ist die Rechtssache an dieses Gericht verwiesen worden, das örtlich zuständig ist.

25 Vor dem Tribunal administratif Melun hat die Klägerin u. a. geltend gemacht, dass die Entscheidung 89/487, auf der Artikel 236 des Anhangs II des Code général des impôts beruhe, ungültig sei. Hierzu hat sie fünf Ungültigkeitsgründe angeführt, von denen vier vom vorlegenden Gericht zurückgewiesen wurden. Mit ihrem fünften Klagegrund hat die Klägerin vorgetragen, dass die Entscheidung 89/487 gegen den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.

Vorlagefragen

26 In der Rechtssache C-177/99 hat das Tribunal administratif Nantes das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage vorgelegt:

Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob die Entscheidung des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 28. Juli 1989, die die französische Regierung ermächtigt, von der Stillhalteklausel, die die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Mai 1977 für Ausschlusstatbestände vorsieht, abzuweichen und die Ausschlüsse vom Vorsteuerabzug bei Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen auf Dritte zu erstrecken, zum einen mit den Zielen der Sechsten Richtlinie und insbesondere mit dem Artikel 27, wonach "der Rat ... auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen [kann], von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhüten", und zum anderen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen dem verfolgten fiskalischen Ziel und den angewandten Mitteln vereinbar ist. Erst die Antwort auf diese Frage, deren Entscheidung nicht offensichtlich ist, lässt eine Beurteilung der Begründetheit der Klage zu.

27 In der Rechtssache C-181/99 hat das Tribunal administratif Melun entschieden:

Es steht fest, dass die vorübergehende Ermächtigung zum Ausschluss der Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge sowie Aufführungen vom Vorsteuerabzugsrecht nicht mit der Feststellung systematischer Steuerhinterziehung oder -umgehung, die solche Aufwendungen hervorgerufen hätten, begründet wurde, sondern mit einer Vermutung aufgrund ihres gemischten Charakters, der sie besonders für solche Unregelmäßigkeiten anfällig macht. Wenn die Verwaltung dennoch die Begründetheit dieses umfassenden Ausschlusses [der Aufwendungen vom Vorsteuerabzugsrecht] mit der Schwierigkeit rechtfertigt, den geschäftlichen Charakter der fraglichen Aufwendungen wirksam zu kontrollieren, so ist dazu anzumerken, dass der Abzug solcher Aufwendungen von den der Körperschaftsteuer oder der Einkommensteuer unterliegenden Gewinnen, der nach Artikel 39.5.b und f des Code général des impôts erlaubt ist, Gegenstand einer solchen Kontrolle durch Belege oder an Ort und Stelle durch die Steuerverwaltung unter der Aufsicht des zuständigen Gerichts ist, deren Verfahren - ungeachtet der Unterschiede bei den Voraussetzungen der Erklärung und der Eintreibung der jeweiligen Steuern - offensichtlich übertragbar ist. Das verfolgte Ziel ließe sich auch durch eine pauschale Beschränkung des Betrages der erlaubten Abzüge erreichen. Aus diesen Gründen und in Anbetracht der Tatsache, dass diese abweichende Maßnahme von allgemeiner, umfassender Tragweite auch Aufwendungen vom Vorsteuerabzug ausschließt, deren streng geschäftlicher Charakter unbestritten ist, bestehen im Hinblick auf die verfolgten Ziele ernste Zweifel an der unbedingten Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Abweichung, die der Französischen Republik durch ... [die Entscheidung 89/487] gestattet worden ist.

28 Daher hat es beschlossen,

die Entscheidung über die Klage auf Erstattung der streitigen Steuern auszusetzen, bis der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften über die Gültigkeit der Entscheidung ... [89/487] im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entschieden hat.

29 Mit Beschluss des Präsidenten der Fünften Kammer vom 18. November 1999 sind die beiden Rechtssachen zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

Zu den Vorlagefragen

30 Mit ihren Vorlagefragen möchten die beiden vorlegenden Gerichte vom Gerichtshof wissen, ob die Entscheidung 89/487 gültig ist.

31 Bevor die Gültigkeit der Entscheidung 89/487 überprüft wird, ist zunächst deren Bedeutung zu ermitteln.

Die Bedeutung der Entscheidung 89/487

32 Nach Auffassung der Klägerinnen ergibt sich aus dem Wortlaut der Entscheidung 89/487, die den Antrag der französischen Regierung wiedergebe, dass die gestattete Abweichung allgemeine Bedeutung habe und alle Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen erfasse, ohne danach zu unterscheiden, ob sie zugunsten der Führungskräfte oder des Personals des Unternehmens oder zugunsten von nicht zum Unternehmen gehörenden Dritten oder ob sie zu geschäftlichen Zwecken oder zur Befriedigung des individuellen Bedarfs getätigt worden seien. Wenn also der Gerichtshof die Entscheidung 89/487 für ungültig halten sollte, würde der Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug bei dieser Art von Aufwendungen insgesamt in Frankreich unanwendbar.

33 Die französische Regierung und die Kommission sind der Ansicht, dass die Entscheidung 89/487, die den Antrag der französischen Regierung wiedergebe, zwar allgemein auf Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen abstelle, ihre Bedeutung aber in Wirklichkeit begrenzter sei und nur Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen erfasse, die zugunsten von nicht zum Unternehmen gehörenden Dritten getätigt worden seien. Diese restriktive Auslegung ergebe sich aus dem Urteil Alitalia, in dem der Conseil d'État Artikel 25 des Dekrets Nr. 79-1163 nur insoweit für mit Artikel 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie unvereinbar gehalten habe, als er die zugunsten von nicht zum Unternehmen gehörenden Dritten getätigten Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen habe.

34 Nach dem Grundprinzip des Mehrwertsteuersystems, das sich aus Artikel 2 der Ersten und Artikel 2 der Sechsten Richtlinie ergibt, wird die Mehrwertsteuer auf jeden Produktions- oder Vertriebsvorgang erhoben, wobei die Mehrwertsteuer abgezogen wird, mit der die zuvor getätigten Umsätze unmittelbar belastet worden sind (Urteil vom 6. Juli 1995 in der Rechtssache C-62/93, BP Soupergaz, Slg. 1995, I-1883, Randnr. 16). Nach ständiger Rechtsprechung ist das in den Artikeln 17 ff. der Sechsten Richtlinie geregelte Recht auf Vorsteuerabzug integrierender Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Dieses Recht kann für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden (vgl. insbesondere Urteile BP Soupergaz, Randnr. 18, und vom 21. März 2000 in der Rechtssache C-110/98 bis C-147/98, Gabalfrisa u. a., Slg. 2000, I-0000, Randnr. 43). Eine Einschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug wirkt sich auf die Höhe der steuerlichen Belastung aus und muss in allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise gelten. Ausnahmen sind daher nur in den in der Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig (Urteil BP Soupergaz, Randnr. 18).

35 In diesem Rahmen ist die Bedeutung der Entscheidung 89/487 zu beurteilen, die auf der Grundlage von Artikel 27 der Sechsten Richtlinie erlassen wurde, wonach ein Mitgliedstaat ermächtigt werden kann, von der Sechsten Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhüten.

36 Diese Entscheidung ermächtigt die Französische Republik, von den Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, nämlich von dem in Artikel 17 der Richtlinie niedergelegten allgemeinen Grundsatz des Rechts auf Vorsteuerabzug abzuweichen.

37 Da sie auf Artikel 27 der Sechsten Richtlinie gestützt ist, muss davon ausgegangen werden, dass die Entscheidung 89/487 ungeachtet des allgemeinen Wortlauts der der Französischen Republik gestatteten Abweichung diese ermächtigt, in ihr innerstaatliches Recht mit Bezug auf Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen das Recht auf Vorsteuerabzug über die Regelungen hinaus auszuschließen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sechsten Richtlinie galten.

38 Diese Auslegung beruht auf dem Wortlaut des Artikels 27 der Sechsten Richtlinie, der den Ausdruck "einführen" verwendet und in Verbindung mit Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 dieser Richtlinie gelesen werden muss, der den Mitgliedstaaten die Beibehaltung der Ausschlüsse des Rechts auf Vorsteuerabzug gestattet, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sechsten Richtlinie in ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehen waren.

39 Die Ausschlüsse des Rechts auf Vorsteuerabzug, die vor Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie bestanden, wurden im französischen Recht unverändert beibehalten, jedoch auf bestimmte andere Fälle erstreckt. Daher waren die Aufwendungen, die bereits aufgrund des Dekrets Nr. 67-604 vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen waren, von der Stillhalteklausel des Artikels 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie gedeckt.

40 Die durch die Entscheidung 89/487 gestattete Abweichung betrifft daher in Wirklichkeit zum einen die Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen zugunsten von nicht zum Unternehmen gehörenden Dritten, die nicht vom Dekret Nr. 67-604 erfasst waren, und zum anderen diejenigen Aufwendungen dieser Art zugunsten der Führungskräfte und des Personals des Unternehmens, die nicht vom Ausschluss des Dekrets Nr. 67-604 gedeckt waren. Dabei schloss das Dekret Nr. 67-604 die Aufwendungen für die Unterkunft der Führungskräfte oder des Personals des Unternehmens - unabhängig davon, ob sie zu geschäftlichen Zwecken oder zur Befriedigung der individuellen Bedürfnisse getätigt wurden - und die Aufwendungen für Empfänge, Bewirtung sowie Aufführungen zur Befriedigung der individuellen Bedürfnisse der Führungskräfte oder des Personals des Unternehmens vom Vorsteuerabzugsrecht aus.

41 Das also ist die Bedeutung der durch die Entscheidung 89/487 gestatteten Abweichung. Nunmehr soll die Gültigkeit dieser Entscheidung im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geprüft werden, wie es die vorlegenden Gerichte verlangen.

Die Gültigkeit der Entscheidung 89/487

42 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehört nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts (vgl. insbesondere Urteil vom 11. Juli 1989 in der Rechtssache 265/87, Schräder, Slg. 1989, 2237, Randnr. 21). Daher kann die Gültigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane an diesem allgemeinen Rechtsgrundsatz gemessen werden (Urteil vom 15. April 1997 in der Rechtssache C-27/95, Bakers of Nailsea, Slg. 1997, I-1847, Randnr. 17).

43 Hierbei ist zu prüfen, ob die Entscheidung 89/487 zur Verwirklichung des mit ihr verfolgten konkreten Zieles erforderlich und geeignet ist und die Ziele und Grundsätze der Sechsten Richtlinie nicht mehr als erforderlich beeinträchtigt.

44 Die Klägerinnen gehen von der Ungültigkeit der Entscheidung 89/487 aus. Sie tragen zunächst vor, dass diese auf unverhältnismäßige Mittel zurückgreife, um Steuerhinterziehungen und -umgehungen zu bekämpfen, da sie einen allgemeinen und umfassenden Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug einführe, dem die Vermutung einer Gefahr von Steuerhinterziehung oder -umgehung zugrunde liege, die sich aus dem gemischten Charakter (privat und geschäftlich) der betreffenden Aufwendungen ergebe. Denn es sei unverhältnismäßig, bestimmte Aufwendungen im Namen der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung vom Vorsteuerabzugsrecht auszuschließen, ohne nachweisen zu müssen, dass eine Gefahr von Steuerhinterziehung oder -umgehung wirklich vorliege, und ohne dem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, das Nichtvorliegen einer Steuerhinterziehung oder -umgehung dadurch nachzuweisen, dass er darlege, dass die Aufwendungen tatsächlich zu geschäftlichen Zwecken getätigt worden seien.

45 Die Klägerin Ampafrance macht ferner geltend, dass der Rat gemäß dem Urteil vom 29. Mai 1997 in der Rechtssache C-63/96 (Skripalle, Slg. 1997, I-2847, Randnr. 30) die Einführung von nationalen Abweichungen nicht zur Verwirklichung von anderen als den in Artikel 27 der Sechsten Richtlinie abschließend genannten Zielen habe gestatten können. Bei ihrem Antrag, von den Bestimmungen des Sechsten Richtlinie abweichen zu dürfen, sei es den französischen Stellen nicht darum gegangen, die Gefahr von Steuerhinterziehungen und -umgehungen zu bekämpfen, sondern darum, einen Mechanismus einzurichten, der es ihnen erlaube, den geschäftlichen Charakter von bestimmten Aufwendungen nicht mehr überprüfen zu müssen.

46 Die Klägerinnen tragen außerdem vor, dass die Entscheidung 89/487 gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, weil das mit ihr verfolgte Ziel mit anderen Mitteln habe erreicht werden können, die die Grundsätze und Ziele der Sechsten Richtlinie weniger beeinträchtigt hätten. So gebe es im französischen Recht andere Maßnahmen, die es den Steuerbehörden erlaubten, dem Problem der Steuerhinterziehung und -umgehung wirksam zu begegnen, und die für die Steuerpflichtigen weniger einschneidend seien als ein allgemeiner und umfassender Ausschluss der streitigen Aufwendungen vom Vorsteuerabzugsrecht.

47 Die Klägerinnen weisen in diesem Zusammenhang zunächst darauf hin, dass es im französischen Recht bereits eine Vorschrift gebe, die die Abzugsfähigkeit der Mehrwertsteuer bei Aufwendungen von Steuerpflichtigen zu privaten Zwecken ausschließe. So sehe Artikel 230 Absatz 1 des Anhangs II des Code général des impôts vor, dass die Mehrwertsteuer auf Gegenstände und Dienstleistungen, die die Steuerpflichtigen erwürben oder sich selbst lieferten, nur dann abziehbar sei, wenn diese Gegenstände oder Dienstleistungen für den Betrieb "erforderlich" seien.

48 Ferner macht die Klägerin Ampafrance geltend, dass es im französischen Recht ein System zur wirksamen Kontrolle der betreffenden Aufwendungen gebe, nämlich die Verpflichtung zur Vorlage einer detaillierten Aufstellung der allgemeinen Kosten (Vordruck Nr. 2067), die der jährlichen Erklärung der Erträge beizufügen sei. Diese Auflistung umfasse fünf Kategorien von allgemeinen Kosten, darunter die Kosten für Bewirtung und Aufführungen.

49 Schließlich tragen die Klägerinnen vor, dass nach den französischen Rechtsvorschriften über die Körperschaftsteuer (Artikel 39.1.1 des Code général des impôts) die Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen mit geschäftlichem Charakter von dem der Körperschaftsteuer unterliegenden Gewinn abgezogen werden könnten, wenn nachgewiesen werde, dass sie im Interesse des Unternehmens getätigt worden seien. Nach dem Vorlageurteil in der Rechtssache C-181/99 ist der Abzug solcher Aufwendungen von den besteuerbaren Gewinnen Gegenstand einer Kontrolle bezüglich ihres geschäftlichen Charakters durch Belege oder an Ort und Stelle durch die Steuerverwaltung unter der Aufsicht des zuständigen Gerichts.

50 Schließlich ergibt sich nach Auffassung der Klägerin Sanofi aus der vierten Begründungserwägung der Entscheidung 89/487, dass die Ermächtigung der Französischen Republik, von den Bestimmungen der Sechsten Richtlinie über das Recht auf Vorsteuerabzug abweichende Maßnahmen einzuführen, nur vorübergehend und längstens bis zur Inkraftsetzung der Gemeinschaftsvorschriften zur Festlegung der Ausgaben gelte, bei denen die Mehrwertsteuer nicht abziehbar sei. Die Unfähigkeit des Rates, die in Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 1 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Bestimmungen zu erlassen, habe diese vorläufige Situation fortbestehen lassen, so dass die Abweichung zwangsläufig zu dem mit ihr verfolgten Ziel außer Verhältnis geraten sei.

51 Die französische Regierung, der Rat und die Kommission bestreiten diese Argumente.

52 Zunächst sind der Rat und die französische Regierung der Auffassung, dass die Entscheidung 89/487 unabhängig von der Feststellung beabsichtigter oder bestehender systematischer Steuerhinterziehungen oder -umgehungen gerechtfertigt sei. Denn die Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen könnten ihrem Wesen nach als Mittel zur Steuerhinterziehung und -umgehung eingesetzt werden, da die Gefahr eines steuerfreien Endverbrauchs bestehe, die von der Verwaltung schwer überprüfbar sei, da nicht einfach zu bestimmen sei, ob solche Aufwendungen zur Befriedigung des geschäftlichen oder privaten Bedarfs getätigt würden. In dieser Hinsicht sei von Bedeutung, dass gemäß Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 1 der Sechsten Richtlinie die zu erlassenden Gemeinschaftsbestimmungen auf jeden Fall diejenigen Ausgaben vom Vorsteuerabzugsrecht ausschließen würden, die keinen streng geschäftlichen Charakter hätten, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen.

53 Ferner sind die französische Regierung, der Rat und die Kommission der Ansicht, dass der Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug bei Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen kein im Hinblick auf das in Artikel 27 der Sechsten Richtlinie festgelegte Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung unverhältnismäßiges Mittel sei, da der Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug im vorliegenden Fall ausdrücklich auf Fälle begrenzt worden sei, in denen eine wirkliche Gefahr von Steuerhinterziehungen und -umgehungen bestehe, also auf Fälle, in denen es unmöglich sei, die geschäftliche oder private Natur der Aufwendungen zu bestimmen.

54 Die französische Regierung und die Kommission machen hierzu geltend, dass die französischen Stellen in ihrem Antrag auf Abweichung den Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug auf Aufwendungen beschränkt hätten, bei denen eine ernste Gefahr von Steuerhinterziehung und -umgehung bestehe, da sie beantragt hätten, dass die Ermächtigung zum Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug in drei Fällen nicht gelte, in denen eine solche Gefahr von Steuerhinterziehung oder -umgehung nicht bestehe. Der Rat gelangt aufgrund der gleichen Argumente zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung 89/487, die den Antrag der französischen Regierung im Wortlaut wiedergebe, den Anforderungen entspreche, die der Gerichtshof zur Verhältnismäßigkeit der angewandten Mittel aufgestellt habe.

55 Schließlich sind der Rat und die französische Regierung der Auffassung, dass der Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug bei den in der Entscheidung 89/487 bezeichneten Aufwendungen erforderlich sei, um das verfolgte Ziel wirksam zu erreichen. Der Rat räumt ein, dass andere Maßnahmen denkbar gewesen seien, wie die pauschale Beschränkung des Betrages der erlaubten Abzüge. Diese Maßnahme sei jedoch nicht wirksam, da sie entweder minimale Auswirkungen auf die Situation der Steuerpflichtigen haben könnte, falls der Pauschalbetrag sehr niedrig festgesetzt würde, oder - im umgekehrten Fall eines sehr hohen Pauschalbetrags - das verfolgte Ziel nicht erreichen könnte. Die französische Regierung macht geltend, dass der Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug bei Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen erforderlich sei, um das in Artikel 27 der Sechsten Richtlinie festgelegte Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung zu erreichen, da es keine anderen befriedigenden Mittel gebe, um die Natur der fraglichen Aufwendungen überprüfen zu können.

56 Es ist vorgebracht worden, der Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug sei gerechtfertigt, weil die geschäftliche Natur der streitigen Aufwendungen nicht wirksam kontrolliert werden könne; er verfolge daher das Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung. In der Tat kann es sich bei Ausgaben wie den Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen als schwierig erweisen, sie nach privater und geschäftlicher Nutzung aufzuschlüsseln, selbst wenn sie im Rahmen des normalen Geschäftsbetriebs anfallen. Unbestreitbar kann die Gefahr von Steuerhinterziehung oder -umgehung bestehen, die Sondermaßnahmen rechtfertigt, wie sie nach Artikel 27 der Sechsten Richtlinie eingeführt werden dürfen. Diese Gefahr besteht jedoch nicht, wenn sich aus objektiven Umständen ergibt, dass die Aufwendungen zu streng geschäftlichen Zwecken getätigt wurden.

57 Aus diesem Grund kann dem Vorbringen der französischen Regierung, des Rates und der Kommission, das in den Randnummern 53 und 54 dargestellt ist, nicht gefolgt werden. Die Entscheidung 89/487 ermächtigt die Französische Republik nämlich ungeachtet der in Artikel 1 Absatz 2 erwähnten drei Ausnahmen von dem Ausschluss dazu, den Wirtschaftsteilnehmern das Recht zu verwehren, die Mehrwertsteuer selbst für Aufwendungen abzuziehen, deren streng geschäftlichen Charakter sie nachweisen können.

58 Folglich kann die Anwendung der durch die Entscheidung 89/487 gestatteten Regelung dazu führen, dass Unternehmen der Abzug der Mehrwertsteuer für geschäftliche Ausgaben untersagt wird und somit bestimmte Formen von Vorleistungen der Mehrwertsteuer unterworfen werden, was gegen den Grundsatz des Rechts auf Vorsteuerabzug verstößt, der die Neutralität dieser Steuer gewährleistet.

59 Der beantragte Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug ist auch nicht erforderlich. Zum einen legt die Entscheidung 89/487 nicht dar, inwiefern die von der französischen Regierung beantragte Abweichung erforderlich wäre, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhindern.

60 Zum anderen ist eine Handlung der Gemeinschaft, die das System der Mehrwertsteuer betrifft, nur dann mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar, wenn sie zur Erreichung des mit ihr verfolgten konkreten Zieles erforderlich ist und die Ziele und Grundsätze der Sechsten Richtlinie nicht mehr als erforderlich beeinträchtigt.

61 Eine Maßnahme, mit der alle Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen vom Vorsteuerabzugsrecht, einem Grundprinzip des von der Sechsten Richtlinie geschaffenen Systems der Mehrwertsteuer, grundsätzlich ausgeschlossen werden, ist nicht erforderlich, um Steuerhinterziehungen und -umgehungen zu bekämpfen, wenn geeignete Mittel in Betracht kommen oder in der innerstaatlichen Rechtsordnung bereits bestehen, die dieses Prinzip bezüglich bestimmter Aufwendungen weniger beeinträchtigen.

62 Auch wenn es nicht Sache des Gerichtshofes ist, sich zur Angemessenheit anderer denkbarer Mittel zur Bekämpfung von Steuerhinterziehungen und -umgehungen zu äußern, etwa zur pauschalen Beschränkung des Betrages der erlaubten Abzüge oder zu einer Kontrolle, wie sie im Rahmen der Einkommensteuer oder der Körperschaftsteuer erfolgt, so ist doch festzustellen, dass nationale Rechtsvorschriften, die Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen vom Vorsteuerabzugsrecht ausschließen, ohne dass der Steuerpflichtige aufgrund des Nachweises, dass keine Steuerhinterziehung oder -umgehung vorliegt, dieses Recht erlangen könnte, beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts außer Verhältnis zum Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung stehen und die Ziele und Grundsätze der Sechsten Richtlinie übermäßig beeinträchtigen.

63 Daher ist auf die Vorlagefragen des Tribunal administratif Nantes und des Tribunal administratif Melun zu antworten, dass die Entscheidung 89/487 ungültig ist.

Zur zeitlichen Beschränkung der Wirkungen des Urteils

64 In der mündlichen Verhandlung hat die französische Regierung darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof - falls die Entscheidung 89/487 nach seiner Auffassung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen sollte - die Wirkungen des vorliegenden Urteils zeitlich beschränken könne.

65 Zur Begründung hat sich die französische Regierung auf den Schutz des berechtigten Vertrauens berufen, das sie in die Vereinbarkeit der Entscheidung 89/487 mit dem Gemeinschaftsrecht habe setzen können. Sie habe den durch Artikel 27 der Sechsten Richtlinie gesetzten Rahmen eingehalten und zunächst die Billigung der Kommission und anschließend eine Entscheidung des Rates erhalten, die die französischen Stellen ermächtige, abweichend und in Erwartung des Erlasses der harmonisierten Regelung bezüglich der Ausschlüsse des Rechts auf Vorsteuerabzug einen solchen Ausschluss bei Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen zugunsten von nicht zum Unternehmen gehörenden Dritten anzuwenden. Die Billigung der Kommission und die Entscheidung des Rates hätten bei der französischen Regierung unbegründete Hoffnungen bezüglich der Vereinbarkeit der Entscheidung 89/487 mit dem Gemeinschaftsrecht entstehen lassen.

66 Der Gerichtshof kann das Recht der Betroffenen, sich auf seine Auslegung einer Bestimmung zu dem Zweck zu berufen, in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen, nur ausnahmsweise aufgrund des der Gemeinschaftsrechtsordnung innewohnenden allgemeinen Grundsatzes der Rechtssicherheit beschränken. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes muss eine solche Beschränkung in dem Urteil selbst enthalten sein, durch das über das Auslegungsersuchen entschieden wird. Bei der Entscheidung darüber, ob die Tragweite eines Urteils zeitlich zu begrenzen ist, muss berücksichtigt werden, dass zwar bei allen gerichtlichen Entscheidungen deren praktische Auswirkungen sorgfältig zu erwägen sind, dass dies aber nicht so weit gehen darf, dass die Objektivität des Rechts gebeugt und seine zukünftige Anwendung unterbunden wird, nur weil eine Gerichtsentscheidung für die Vergangenheit gewisse Auswirkungen haben kann (Urteile vom 2. Februar 1988 in der Rechtssache 24/86, Blaizot, Slg. 1988, 379, Randnrn. 28 und 30, und vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-163/90, Legros u. a., Slg. 1992, I-4625, Randnr. 30).

67 In den vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren wird der Grundsatz des Vertrauensschutzes zum ersten Mal von einer Regierung geltend gemacht, um einen Antrag auf zeitliche Beschränkung der Wirkungen eines Urteils zu begründen. Dieser Grundsatz, der zwingend aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit folgt (Urteile vom 15. Februar 1996 in der Rechtssache C-63/93, Duff u. a., Slg. 1996, I-569, Randnr. 20, und vom 18. Mai 2000 in der Rechtssache C-107/97, Rombi und Arkopharma, Slg. 2000, I-0000, Randnr. 66), wird in der Regel von Privatpersonen (Wirtschaftsteilnehmern) geltend gemacht, die sich auf von staatlichen Stellen gewecktes Vertrauen berufen (vgl. z. B. Urteil Duff, Randnr. 22, und die dort zitierte Rechtsprechung). Wie der Generalanwalt in Nummer 83 seiner Schlussanträge festgestellt hat, kann sich eine Regierung nicht zu dem Zweck auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, den Folgen einer Entscheidung des Gerichtshofes zu entgehen, mit der die Ungültigkeit einer Handlung der Gemeinschaft festgestellt wird; damit würde sie den Schutz von Privatpersonen gegen staatliches Handeln in Frage stellen, das auf rechtswidrigen Bestimmungen beruht.

68 Auch wenn die Kommission und der Rat im vorliegenden Fall den Antrag der französischen Stellen auf Abweichung von den Bestimmungen des Artikels 17 der Sechsten Richtlinie aus Gründen der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung gebilligt haben, so muss abgeleitetes Recht nach der klaren Rechtsprechung des Gerichtshofes doch die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und vor allem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juli 1977 in der Rechtssache 114/76, Bela-Mühle, Slg. 1977, 1211, Randnr. 7, und vom 11. Juni 1998 in der Rechtssache C-361/96, Grandes sources d'eaux minérales françaises, Slg. 1998, I-3495, Randnr. 30). Der Gerichtshof hat insbesondere bereits entschieden, dass eine auf Artikel 27 der Sechsten Richtlinie gestützte Maßnahme zur Verhütung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen von einem Grundsatz der Sechsten Richtlinie nur insoweit abweichen darf, als dies für die Erreichung dieses Zieles unbedingt erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. April 1984 in der Rechtssache 324/82, Kommission/Belgien, Slg. 1984, 1861, Randnr. 29), und somit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten muss.

69 Im vorliegenden Fall haben die französischen Stellen den Inhalt der Entscheidung 89/487 maßgeblich beeinflusst; diese Entscheidung, die ihren Antrag auf Abweichung im Wortlaut wiedergibt (Punkte 9 und 10 des Schreibens vom 13. April 1989), gestattet als Sondermaßnahme zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und -umgehung den Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug, selbst wenn es sich um Aufwendungen handelt, deren streng geschäftlicher Charakter nachgewiesen werden kann. Unter diesen Umständen mussten die französischen Stellen wissen, dass die Entscheidung 89/487 aufgrund ihres Inhalts nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar war. Sie können sich daher nicht darauf berufen, dass sie von der Gültigkeit der Entscheidung ausgehen durften.

70 Demzufolge sind die Wirkungen des vorliegenden Urteils nicht zeitlich zu beschränken.

Kostenentscheidung


Kosten

71 Die Auslagen der französischen Regierung, des Rates und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei den vorlegenden Gerichten anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieser Gerichte.

Tenor


Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Tribunal administratif Nantes mit Urteil vom 3. Dezember 1998 und vom Tribunal administratif Melun mit Urteil vom 11. Mai 1999 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Die Entscheidung 89/487/EWG des Rates vom 28. Juli 1989 zur Ermächtigung der Französischen Republik, eine von Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichende Sondermaßnahme zu treffen, ist ungültig.