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Rechtssache C-462/05

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

gegen

Portugiesische Republik

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Zulässigkeit – Rechtskraft – Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1, Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Art. 28 Abs. 2 Buchst. e“

Leitsätze des Urteils

1.        Verfahren – Nichtigkeitsurteil – Reichweite – Unzulässigkeit einer zweiten Klage – Voraussetzungen – Gleicher Gegenstand

2.        Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, vorübergehend einen ermäßigten Satz anzuwenden

(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 12 und 28)

1.        Im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage gegen einen Mitgliedstaat kann dieser Staat nicht mit Erfolg den Einwand der Rechtskraft erheben, wenn sich der Gegenstand des betreffenden Rechtsstreits von dem der mit dem vorhergehenden Urteil abgeschlossenen Rechtssache gerade wegen der Angaben, die dieser Mitgliedstaat gegenüber der Kommission im betreffenden Verfahren gemacht hat, unterscheidet.

(vgl. Randnr. 27)

2.        Ein Mitgliedstaat, der bei der Maut für eine Straßenbrücke, die von einem unabhängigen Dritten betrieben wird, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 5 % beibehält, obwohl dieser Staat auf diese Dienstleistungen von 1992–1994 den normalen Mehrwertsteuersatz erhoben hat, verstößt gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 12 und 28 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern. Der gegebenenfalls anwendbare ermäßigte Satz darf nämlich nach Art. 28 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie nicht unter 12 % liegen. Ferner kann sich ein Mitgliedstaat, der in Bezug auf andere als die in Anhang H der Sechsten Richtlinie aufgeführten Dienstleistungen den harmonisierten Bestimmungen der Sechsten Richtlinie nachgekommen ist, nicht unter Berufung auf Art. 28 Abs. 2 Buchst. e von diesen Verpflichtungen befreien, da diese Vorschrift genau das entgegengesetzte Ziel verfolgt, nämlich die schrittweise Anpassung der nationalen Bestimmungen an diejenigen der Sechsten Richtlinie, und daher kann ihm nicht gestattet werden, für diese Dienstleistungen wieder einen ermäßigten Satz einzuführen.

(vgl. Randnrn. 49, 55-56, 59 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

12. Juni 2008(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Zulässigkeit – Rechtskraft – Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1, Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Art. 28 Abs. 2 Buchst. e“

In der Rechtssache C-462/05

betreffend eine Vertragsverletzungsklage gemäß Art. 226 EG, eingereicht am 22. Dezember 2005,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und M. Afonso als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Portugiesische Republik, vertreten durch L. Fernandes, Â. Seiça Neves und R. Laires als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Juhász, J. Malenovský und T. von Danwitz,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2008,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 12 und 28 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2001/4/EG des Rates vom 19. Januar 2001 (ABl. L 22, S. 17) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie) verstoßen hat, dass sie gesetzliche Vorschriften aufrechterhalten hat, nach denen auf die Maut für die Straßenbrücken über den Tejo in Lissabon ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz von 5 % angewendet wird.

 Rechtlicher Rahmen

 Die Sechste Richtlinie

2        Der 19. Erwägungsgrund der Sechsten Richtlinie lautet:

„Es muss ein Übergangszeitraum vorgesehen werden, der eine schrittweise Anpassung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften in den betreffenden Bereichen ermöglicht“.

3        Nach Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“.

4        Art. 4 Abs. 1 und 5 der Sechsten Richtlinie bestimmt:

(1)      Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

(5)      Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.

Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Die vorstehend genannten Einrichtungen gelten in jedem Fall als Steuerpflichtige in Bezug auf die in Anhang D aufgeführten Tätigkeiten, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist.

…“

5        In Bezug auf den Mehrwertsteuersatz bestimmt Art. 12 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 1 bis 3:

„Der Normalsatz der Mehrwertsteuer wird von jedem Mitgliedstaat als ein Prozentsatz der Besteuerungsgrundlage festgelegt, der für Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist. Vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2005 darf dieser Satz nicht niedriger als 15 % sein.

Auf Vorschlag der Kommission und nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses entscheidet der Rat einstimmig über die Höhe des nach dem 31. Dezember 2005 geltenden Normalsatzes.

Die Mitgliedstaaten können außerdem einen oder zwei ermäßigte Sätze anwenden. Diese ermäßigten Sätze werden als ein Prozentsatz der Besteuerungsgrundlage festgelegt, der nicht niedriger als 5 % sein darf, und sind nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H genannten Kategorien anwendbar.“

6        Dienstleistungen, die darin bestehen, den Benutzern eine Straßeninfrastruktur gegen Entrichtung einer Maut zur Verfügung zu stellen, sind weder in der Liste des Anhangs D noch in der Liste des Anhangs H der Sechsten Richtlinie aufgeführt.

7        In Art. 28 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie ist Folgendes bestimmt:

„Unbeschadet des Artikels 12 Absatz 3 finden die nachstehenden Bestimmungen während der in Artikel 28l genannten Übergangszeit Anwendung.

d)      Die Mitgliedstaaten, die am 1. Januar 1991 auf Umsätze im Gaststättengewerbe und auf Umsätze von Kinderkleidung und Kinderschuhen sowie von Wohnungen einen ermäßigten Satz angewandt haben, können diesen Satz weiter anwenden.

e)      Mitgliedstaaten, die am 1. Januar 1991 einen ermäßigten Satz auf Umsätze mit anderen als den in Anhang H aufgeführten Gegenständen und Dienstleistungen angewandt haben, können für solche Umsätze den ermäßigten Satz oder einen der beiden ermäßigten Sätze gemäß Artikel 12 Absatz 3 anwenden, sofern der Satz mindestens 12 % beträgt.“

 Nationales Recht

8        Der Código do Imposto sobre o Valor Acrescentado (portugiesisches Mehrwertsteuergesetz, im Folgenden: CIVA) sieht in Art. 18 Abs. 1 Buchst. a vor, dass die in der Liste I im Anhang zum CIVA genannte Einfuhr sowie die Lieferung von Gegenständen und Erbringung von Dienstleistungen einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 5 % unterliegen. Unter Nr. 2.19 dieser Liste ist die „Maut für die Benutzung der Straßenbrücken über den Tejo in Lissabon“ aufgeführt.

9        Die Entwicklung der portugiesischen Regelung über den auf diese Art Maut anwendbaren Mehrwertsteuersatz verlief wie folgt:

–        Am 1. Januar 1991 trat ein ermäßigter Satz von 8 % in Kraft, der dem Satz für die Autobahnmaut entsprach;

–        vom 24. März 1992 bis zum 31. Dezember 1994 wurde nach dem Gesetz Nr. 2/92 vom 9. März 1992 der Normalsatz der Mehrwertsteuer angewandt;

–        seit dem 1. Januar 1995 wird gemäß dem Gesetz Nr. 39-B/94 vom 27. Dezember 1994 auf die Maut für die Benutzung der Straßenbrücken über den Tejo in Lissabon der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 5 % angewandt, während für die anderen Mautstrecken der Normalsatz gilt.

 Der Sachverhalt und das Vorverfahren

 Die Vorgeschichte des Rechtsstreits

10      Die Anwendung eines Mehrwertsteuersatzes von 5 % auf die Maut für die Benutzung der Straßenbrücken über den Tejo in Lissabon durch die Portugiesische Republik war Gegenstand eines ersten Vertragsverletzungsverfahrens, das die Kommission im April 1996 eingeleitet hatte. Dieses Verfahren wurde mit dem Urteil vom 8. März 2001, Kommission/Portugal (C-276/98, Slg. 2001, I-1699), abgeschlossen.

11      Diese Rechtssache betraf nicht nur die Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Übergang über den Tejo über mautpflichtige Brücken, sondern auch Umsätze mit bestimmten Gegenständen. Die Kommission machte geltend, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 12 und 28 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie verstoßen habe, dass sie auf diese Dienstleistungen und diese Umsätze einen Mehrwertsteuersatz von 5 % angewandt habe.

12      Im erwähnten Urteil Kommission/Portugal gab der Gerichtshof der Klage der Kommission in Bezug auf die Gegenstände statt, wies sie aber in Bezug auf die Maut ab. Dieses Urteil wurde wie folgt begründet:

„22      Die Kommission wirft der Portugiesischen Republik vor, sie verstoße gegen die Artikel 12 Absatz 3 und 28 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie, indem sie die Maut für die Benutzung der Brücke über den Tejo in Lissabon einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 5 % anstelle des in Portugal 17 % betragenden Normalsatzes unterwerfe.

23      Die Kommission hat gegenüber dem Gerichtshof jedoch keine Anhaltspunkte vorgebracht, aufgrund deren dieser das Vorliegen der angeblichen Vertragsverletzung feststellen könnte. Es ist nämlich nicht der Nachweis erbracht, dass die fragliche Dienstleistung der Mehrwertsteuer unterlag.

24      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie der Mehrwertsteuer nur Dienstleistungen unterliegen, die ein Steuerpflichtiger als solcher ausführt.

25      Nach Artikel 4 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie gelten Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie dabei gegen Entgelt tätig werden. Wie der Gerichtshof wiederholt festgestellt hat, ergibt sich aus dieser Bestimmung unter Berücksichtigung der Ziele der Richtlinie eindeutig, dass für die Nichteinbeziehung in die Steuerpflicht kumulativ zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, nämlich die Ausübung von Tätigkeiten durch eine öffentliche Einrichtung und die Vornahme dieser Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt (u. a. Urteile vom 12. September 2000 in den Rechtssachen C-260/98, Kommission/Griechenland, Slg. 2000, I-6537, Randnr. 34, C-276/97, Kommission/Frankreich, Slg. 2000, I-6251, Randnr. 39, C-358/97, Kommission/Irland, Slg. 2000, I-6301, Randnr. 37, C-359/97, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 2000, I-6355, Randnr. 49, und C-408/97, Kommission/Niederlande, Slg. 2000, I-[6417], Randnr. 34).

26      Die Kommission hat nicht bestritten, dass es, wie die portugiesische Regierung in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, eine in Ausübung öffentlicher Gewalt handelnde Einrichtung des öffentlichen Rechts ist, die die mautpflichtige Brücke über den Tejo in Lissabon für die Benutzer bereitstellt.

27      Da die Voraussetzungen des Artikels 4 Absatz 5 Unterabsatz 1 der Sechsten Richtlinie im vorliegenden Fall erfüllt sind, sind die von der Einrichtung des öffentlichen Rechts erbrachten Dienstleistungen somit nicht steuerbar. Die Kommission behauptet in diesem Zusammenhang zu Unrecht, die betreffende Vorschrift ermögliche es lediglich, von dem in Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie aufgestellten allgemeinen Besteuerungsgrundsatz abzuweichen. Denn aus dem Wortlaut des Artikels 4 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie geht eindeutig hervor, dass die Mitgliedstaaten nicht berechtigt sind, Einrichtungen des öffentlichen Rechts in Bezug auf eine ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegende Tätigkeit als steuerpflichtig zu behandeln, die, wie hier, nicht im Anhang D der Sechsten Richtlinie aufgeführt ist und nicht die Voraussetzungen des Artikels 4 Absatz 5 Unterabsatz 2 erfüllt. Folglich dürfen sie die von diesen Einrichtungen getätigten Umsätze nicht gemäß Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie besteuern (in diesem Sinn Urteil vom 17. Oktober 1989 in den Rechtssachen 231/87 und 129/88, Comune di Carpaneto Piacentino u. a., Slg. 1989, 3233, Randnr. 33).

28      Wenn es zu größeren Wettbewerbsverzerrungen im Sinne von Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie führen würde, die fragliche Tätigkeit als nicht der Mehrwertsteuer unterworfen zu behandeln, wäre die Bereitstellung der genannten Brücke gegen eine Maut zwar nach derselben Bestimmung steuerbar. Die Kommission hat aber im Vorverfahren zu keinem Zeitpunkt das Vorliegen solcher Verzerrungen geltend gemacht.

29      Somit hat die Portugiesische Republik dadurch, dass sie den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf die Maut für die Benutzung der Brücke über den Tejo eingeführt oder aufrechterhalten hat, entgegen dem Vorwurf der Kommission nicht gegen die Artikel 12 Absatz 3 und 28 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie verstoßen. Im Rahmen der vorliegenden Klage ist eine Antwort auf die Frage, ob der betreffende Mitgliedstaat andere Bestimmungen derselben Richtlinie verletzt hat, entbehrlich. Denn im Vorverfahren ist von der Kommission kein Vorwurf erhoben worden, der auf einen Verstoß gegen andere Vorschriften als die Artikel 12 Absatz 3 und 28 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie gestützt gewesen wäre, so dass ein solcher Verstoß nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist.

30      Die Klage der Kommission ist daher abzuweisen, soweit sie die Maut für die Benutzung der Brücke über den Tejo in Lissabon betrifft.“

 Das Vorverfahren im vorliegenden Vertragsverletzungsverfahren

13      Nach Verkündung des erwähnten Urteils Kommission/Portugal beschloss die Kommission, ein neues Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Im Mahnschreiben vom 19. Dezember 2003 führte sie zwei Rügen gegenüber der Portugiesischen Republik an:

–        Die gerügte Vertragsverletzung beruhe auf der Unvereinbarkeit des CIVA mit Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie, da die in Rede stehenden Dienstleistungen von einer nicht mehrwertsteuerpflichtigen Einrichtung erbracht worden seien und daher nicht der Mehrwertsteuer hätten unterworfen werden dürfen;

–        hilfsweise, für den Fall, dass die portugiesischen Behörden die in Rede stehenden Dienstleistungen als steuerbar betrachteten, bestehe die Vertragsverletzung in der Unvereinbarkeit des CIVA mit den Art. 12 und 28 der Richtlinie, da im vorliegenden Fall der normale und kein ermäßigter Mehrwertsteuersatz angewandt werden müsse.

14      In Anbetracht der Antwort der portugiesischen Behörden auf dieses Mahnschreiben übersandte die Kommission der Portugiesischen Republik am 9. Juli 2004 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie ihr Haupt- und Hilfsvorbringen wiederholte und die Portugiesische Republik aufforderte, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um ihren Verpflichtungen gemäß dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten ab deren Zugang nachzukommen. Da der Mitgliedstaat innerhalb der gesetzten Frist keine Maßnahmen zur Änderung seiner Regelung erließ, beschloss die Kommission, die vorliegende Vertragsverletzungsklage zu erheben.

15      Die Kommission beruft sich zur Stützung ihrer Klage nur auf die zweite der beiden in Randnr. 13 des vorliegenden Urteils erwähnten Rügen, mit der beanstandet wird, dass auf die Maut für die Benutzung der Straßenbrücken über den Tejo in Lissabon nicht der Normalsatz der Mehrwertsteuer, sondern der Satz von 5 % angewandt wird.

 Zur Klage

16      Mit besonderem Schriftsatz hat die Portugiesische Republik eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Art. 91 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs erhoben. Dieser hat mit Entscheidung vom 16. Januar 2007 beschlossen, die Entscheidung über diese Einrede dem Endurteil vorzubehalten und sie zusammen mit der Hauptsache zu prüfen.

 Zur Einrede der Unzulässigkeit

 Vorbringen der Parteien

17      Die Portugiesische Republik erhebt eine Einrede der Unzulässigkeit wegen entgegenstehender Rechtskraft. In dem erwähnten Urteil Kommission/Portugal habe der Gerichtshof bereits zur gleichen Frage Stellung nehmen müssen wie der, die in der vorliegenden Rechtssache aufgeworfen werde. Da sich weder der Sachverhalt noch das anwendbare nationale Recht oder Gemeinschaftsrecht geändert hätten, sei die Feststellung des Gerichtshofs in Randnr. 29 dieses Urteils, dass kein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 3 und Art. 28 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie vorliege, rechtskräftig und müsse zur Unzulässigkeit der Klage führen.

18      Selbst wenn das Mahnschreiben oder die mit Gründen versehene Stellungnahme im vorliegenden Verfahren andere Verstöße der portugiesischen Regelung gegen die Sechste Richtlinie, insbesondere den Verstoß gegen Art. 4 Abs. 5 dieser Richtlinie, betreffe, werde der Gegenstand der Klage letztlich durch die Art. 12 und 28 der Richtlinie bestimmt, die bereits in der mit dem erwähnten Urteil Kommission/Portugal abgeschlossenen Rechtssache geltend gemacht worden seien.

19      Die Kommission bestreitet die von der portugiesischen Regierung gegen ihre Klage eingewandte Unzulässigkeit.

20      Zum einen erstrecke sich die Rechtskraft lediglich auf diejenigen Tatsachen- und Rechtsfragen, die tatsächlich oder notwendigerweise Gegenstand des Urteils Kommission/Portugal gewesen seien. Aus den Randnrn. 23 bis 28 dieses Urteils lasse sich nicht die Feststellung herleiten, dass die portugiesische Regelung mit den Art. 12 und 28 der Sechsten Richtlinie vereinbar sei. In dem Urteil habe der Gerichtshof lediglich entschieden, dass die Kommission den privatrechtlichen Charakter des Erbringers der in Rede stehenden Dienstleistungen nicht dargetan habe.

21      Zum anderen sei offenkundig, dass die tatsächlichen Umstände, die 2001 als feststehend angesehen worden seien, sich geändert hätten, so dass das Urteil Kommission/Portugal nicht die Wirkung einer rechtskräftigen Entscheidung in Bezug auf ein neues Verfahren zwischen denselben Parteien und mit dem gleichen Gegenstand wie das mit diesem Urteil abgeschlossene Verfahren habe erlangen können.

22      Hierzu verweist die Kommission auf den mehrdeutigen und offensichtlich widersprüchlichen Charakter der verschiedenen Standpunkte, die die portugiesischen Behörden nacheinander zur Rechtsstellung der mit dem Betrieb der mautpflichtigen Straßenbrücken über den Tejo in Lissabon betrauten Einrichtung eingenommen hätten. In der mündlichen Verhandlung in dem Verfahren, das zum Urteil Kommission/Portugal geführt habe, hätten diese Behörden die Ansicht vertreten, dass der Betreiber eine öffentlich-rechtliche Einrichtung sei, im Vorverfahren in der vorliegenden Rechtssache hätten sie hingegen geltend gemacht, dass es sich bei dem Betreiber um eine Handelsgesellschaft des Privatrechts handele und die Beurteilung des Gerichtshofs in dem genannten Urteil auf einem Missverständnis bezüglich der schriftlichen und mündlichen Erklärungen der Bevollmächtigten der Portugiesischen Republik beruhe.

 Würdigung durch den Gerichtshof

23      Nach ständiger Rechtsprechung erstreckt sich die Rechtskraft lediglich auf diejenigen Tatsachen- und Rechtsfragen, die tatsächlich oder notwendigerweise Gegenstand der betreffenden gerichtlichen Entscheidung waren (Urteil vom 19. Februar 1991, Italien/Kommission, C-281/89, Slg. 1991, I-347, Randnr. 14, Beschluss vom 28. November 1996, Lenz/Kommission, C-277/95 P, Slg. 1996, I-6109, Randnr. 50, und Urteil vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C-238/99 P, C-244/99 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-252/99 P und C-254/99 P, Slg. 2002, I-8375, Randnr. 44).

24      Im vorliegenden Fall wird zwar ebenso wie in der erwähnten Rechtssache Kommission/Portugal als Vertragsverletzung ein Verstoß gegen die Art. 12 und 28 der Sechsten Richtlinie gerügt, doch hatte die Portugiesische Republik in jener Rechtssache weder im Vorverfahren noch im schriftlichen Verfahren vor dem Gerichtshof etwas zum Konzessionärscharakter des Brückenbetreibers vorgetragen. Die einzige Feststellung zur Rechtsnatur des Betreibers wurde in der mündlichen Verhandlung getroffen, in der der Bevollmächtigte dieses Mitgliedstaats lediglich darauf hinwies, dass es sich bei dem Betreiber um eine in Ausübung öffentlicher Gewalt handelnde Einrichtung des öffentlichen Rechts handele (vgl. hierzu Urteil Kommission/Portugal, Randnr. 26).

25      Im Vorverfahren in der vorliegenden Rechtssache hat die Portugiesische Republik jedoch erstmals eingeräumt, dass der Betreiber der Straßenbrücken über den Tejo in Lissabon, die Lusoponte – Concessionária para a travessia do Tejo SA (im Folgenden: Lusoponte), ein Unternehmenskonsortium sei, dem im Rahmen einer internationalen Ausschreibung eine Konzession erteilt worden sei, die am 24. März 2030 auslaufe und sich auf die Planung des Vorhabens, die Errichtung, die Finanzierung, den Betrieb und den Unterhalt der neuen Vasco-da-Gama-Brücke sowie den Betrieb und den Unterhalt der bereits bestehenden Brücke, nämlich der Brücke des 25. April, erstrecke.

26      Nach ständiger Rechtsprechung hat die Kommission im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EG zwar die behauptete Vertragsverletzung zu beweisen, doch sind die Mitgliedstaaten nach Art. 10 EG verpflichtet, ihr die Erfüllung ihrer Aufgabe zu erleichtern, zu denen es gemäß Art. 211 EG insbesondere gehört, für die Anwendung des EG-Vertrags sowie der von den Organen aufgrund des Vertrags getroffenen Bestimmungen Sorge zu tragen. Bei der Prüfung der Frage, ob die nationalen Bestimmungen, mit denen die wirksame Durchführung einer Richtlinie sichergestellt werden soll, in der Praxis ordnungsgemäß angewandt werden, ist die Kommission weitgehend auf die Angaben des betroffenen Mitgliedstaats angewiesen, der daher nicht geltend machen kann, die Angaben der Kommission zur innerstaatlichen Regelung und Praxis seien nicht konkret genug und die Klage sei daher unzulässig (vgl. Urteil Kommission/Niederlande, Randnrn. 15 bis 17 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Urteil vom 25. Oktober 2007, Kommission/Irland, C-248/05, Slg. 2007, I-0000, Randnrn. 67 und 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).

27      Die neuen Angaben der Portugiesischen Republik zur Rechtsnatur des Brückenbetreibers verändern entscheidend die tatsächliche Ausgangslage, auf die der Gerichtshof im Urteil Kommission/Portugal in Bezug auf die Maut für die Benutzung der Straßenbrücken über den Tejo in Lissabon seine Feststellung, dass Art. 4 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie anwendbar ist, und dementsprechend die Zurückweisung der Rüge einer Verletzung der Art. 12 und 28 dieser Richtlinie gestützt hatte. Unter diesen Umständen kann die Portugiesische Republik nicht mit Erfolg den Einwand der Rechtskraft erheben, da sich der Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits von dem der mit dem Urteil Kommission/Portugal abgeschlossenen Rechtssache gerade wegen der Angaben, die dieser Mitgliedstaat gegenüber der Kommission im anhängigen Verfahren gemacht hat, unterscheidet.

28      Somit ist die von der Portugiesischen Republik gegen die Klage der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit als unbegründet zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit

29      Einleitend ist festzustellen, dass eine Vertragsverletzung wegen irrtümlicher Anwendung der Steuersätze, die gemäß den Art. 11 und 28 der Sechsten Richtlinie festgesetzt werden können, voraussetzt, dass Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie auf den vorliegenden Fall nicht oder gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 anwendbar ist.

30      Wäre nämlich Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie anwendbar, könnten die Lieferung von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungen, die im Inland gegen Entgelt ausgeführt werden, nicht besteuert werden, da sie von einer nicht mehrwertsteuerpflichtigen Einrichtung ausgeführt werden. Nur wenn die Behandlung als Nichtsteuerpflichtige im Sinne von Unterabs. 1 zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde, müssten nach Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 die in Rede stehenden Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterworfen werden.

 Zur Anwendbarkeit von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie

–       Vorbringen der Parteien zu Unterabs. 1

31      Die Kommission macht geltend, Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die portugiesischen Behörden hätten in ihren Antworten im Lauf des Vorverfahrens bestätigt, dass Lusoponte ein privates Unternehmen mit einer Konzession für den Betrieb eines öffentlichen Bauwerks sei, dem der Betrieb der Straßenbrücken über den Tejo in Lissabon und die Erhebung der Brückenmaut vom 1. Januar 1996 an für die Brücke des 25. April und vom 29. März 1998 an für die Vasco-da-Gama-Brücke übertragen sei. Daher sei die erste der zwei Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der erwähnten Bestimmung, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs kumulativ vorliegen müssten, nämlich dass der Betreiber eine Einrichtung des öffentlichen Rechts sei, nicht erfüllt.

32      Die Portugiesische Republik räumt ein, dass Betreiber der erwähnten mautpflichtigen Brücken ein Konsortium sei, das aus portugiesischen Unternehmen sowie einem englischen und einem französischen Unternehmen bestehe. Dieses Konsortium sei jedoch in Anbetracht von Gegenstand und Zweck des ihm übertragenen Betriebs, des Umstands, dass es mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet sei und dass es dem Verwaltungsrecht unterliege, eine Einrichtung des öffentlichen Rechts.

33      Die Portugiesische Republik ist der Ansicht, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie nicht erkennen lasse, ob die Behandlung der Einrichtungen als nicht mehrwertsteuerpflichtig nach dieser Bestimmung nur für „öffentliche Einrichtungen“, also solche, die organisatorisch in die Verwaltung eingegliedert seien, in Betracht komme, oder ob vielmehr die „Einrichtungen des öffentlichen Rechts“ ebenfalls von dieser Bestimmung erfasst würden. Sowohl der Wortlaut der Bestimmung als auch der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer verlangten es, auch „Einrichtungen des öffentlichen Rechts“ wie Lusoponte als Nichtsteuerpflichtige zu behandeln.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

34      Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass die Gestattung der Benutzung einer Straßenanlage gegen eine Gebühr eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie darstellt (Urteile Kommission/Frankreich, Randnr. 36, vom 12. September 2000, Kommission/Irland, Randnr. 34, Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 46, Kommission/Niederlande, Randnr. 30, Kommission/Griechenland, Randnr. 31, und vom 18. Januar 2001, Kommission/Spanien, C-83/99, Slg. 2001, I-445, Randnr. 11).

35      Ebenso ergibt sich, wie der Gerichtshof mehrfach betont hat, aus der Untersuchung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie im Licht der Ziele der Richtlinie klar, dass die Behandlung als Nichtsteuerpflichtiger nur möglich ist, wenn zwei Voraussetzungen nebeneinander erfüllt sind: Die Tätigkeiten müssen von einer Einrichtung des öffentlichen Rechts und sie müssen im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt werden (Urteile vom 26. März 1987, Kommission/Niederlande, 235/85, Slg. 1987, 1471, Randnr. 21, Comune di Carpaneto Piacentino u. a., Randnr. 12, und vom 25. Juli 1991, Ayuntamiento de Sevilla, C-202/90, Slg. 1991, I-4247, Randnr. 18. Vgl. auch die erwähnten Urteile Kommission/Frankreich, Randnr. 39, vom 12. September 2000, Kommission/Irland, Randnr. 37, Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnr. 49, vom 12. September 2000, Kommission/Niederlande, Randnr. 34, Kommission/Griechenland, Randnr. 34, Kommission/Spanien, Randnr. 11, und vom 13. Dezember 2007, Götz, C-408/06, Slg. 2007, I-0000, Randnr. 41).

36      Im vorliegenden Rechtsstreit führt die Portugiesische Republik in allen Einzelheiten aus, weshalb Lusoponte als Einrichtung des öffentlichen Rechts anzusehen sei, doch fehlt eine Untersuchung der körperschaftlichen oder behördlichen Struktur dieser Einrichtung. Allein der Gegenstand oder der Zweck ihrer Tätigkeit erlaube es, sie als Einrichtung des öffentlichen Rechts einzustufen. Ob diese Einrichtung unmittelbar oder mittelbar von der öffentlichen Verwaltung abhänge oder sogar in diese eingegliedert sei, spiele in diesem Zusammenhang keine Rolle.

37      Dem Vorbringen der Portugiesischen Republik kann nicht gefolgt werden.

38      Was die erste Voraussetzung des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie angeht, dass nämlich der Wirtschaftsteilnehmer eine Einrichtung des öffentlichen Rechts sein muss, so hat der Gerichtshof entschieden, dass die Tätigkeit einer Privatperson nicht schon deswegen von der Mehrwertsteuer befreit ist, weil sie in der Vornahme von an sich der öffentlichen Gewalt vorbehaltenen Handlungen besteht (Urteile vom 26. März 1987, Kommission/Niederlande, Randnr. 21, und Ayuntamiento de Sevilla, Randnr. 19).

39      Wird nämlich eine Tätigkeit, die in der Vornahme von an sich der öffentlichen Gewalt vorbehaltenen Handlungen besteht, einem unabhängigen Dritten übertragen oder wird sie von Einrichtungen, die nicht in die Organisation der öffentlichen Verwaltung eingegliedert sind, in Form einer unabhängigen wirtschaftlichen Tätigkeit ausgeübt, so kann die in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Befreiung nicht greifen (vgl. im diesem Sinne Urteile vom 26. März 1987, Kommission/Niederlande, Randnr. 22, und Ayuntamiento de Sevilla, Randnr. 20).

40      Im vorliegenden Fall steht fest, dass Lusoponte ein Dritter ist, der nicht in die öffentliche Verwaltung eingegliedert ist und in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu ihr steht. Konkret handelt es sich, wie in Randnr. 25 des Urteils ausgeführt worden ist, um ein Konsortium in Form einer Aktiengesellschaft, die sich im Besitz von portugiesischen Unternehmen sowie einem französischen Unternehmen und einem Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich befindet. Diesem Konsortium wurde von der portugiesischen Verwaltung im Rahmen einer Ausschreibung eine Konzession erteilt.

41      Unter diesen Umständen kann Lusoponte nicht als „Einrichtung des öffentlichen Rechts“ im Sinne von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie betrachtet werden. Infolgedessen ist diese Bestimmung auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht anwendbar.

42      Da Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, gilt das Gleiche für Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2, da diese Bestimmung nur auf die Einrichtungen im Sinne von Unterabs. 1 Anwendung findet.

 Zur Verletzung von Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Art. 28 Abs. 2 Buchst. e der Sechsten Richtlinie

–       Vorbringen der Parteien

43      Die Kommission vertritt die Ansicht, die portugiesische Regelung verstoße gegen Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der Sechsten Richtlinie, weil die in Rede stehenden Dienstleistungen nicht in Anhang H dieser Richtlinie aufgeführt seien und der ermäßigte Mehrwertsteuersatz daher nicht anwendbar sei.

44      Art. 28 Abs. 2 Buchst. e der Sechsten Richtlinie erlaube ebenfalls nicht die Anwendung des im CIVA vorgesehenen ermäßigten Steuersatzes. Selbst wenn am 1. Januar 1991 ein ermäßigter Satz angewandt worden sei, könne, da die in Rede stehenden Dienstleistungen im konkreten Fall vom 24. März 1992 bis zum 31. Dezember 1994 zu einem normalen Satz besteuert worden seien, ein ermäßigter Satz nicht wieder eingeführt werden. Diese Auslegung gründe sich auf das Ziel einer stärkeren Annäherung der Mehrwertsteuersätze, wie es im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 92/77/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388 (ABl. L 316, S. 1) formuliert sei, und auf den Ausnahme- und Übergangscharakter dieser Bestimmung, der eine enge Auslegung gebiete.

45      Selbst wenn der Gerichtshof sich nicht in der Lage sähe, einer solch engen Auslegung zu folgen, sei jedenfalls festzustellen, dass die portugiesische Regelung dadurch gegen Art. 28 Abs. 2 Buchst. e der Sechsten Richtlinie verstoße, dass sie für die Maut für die Straßenbrücken über den Tejo in Lissabon einen Satz von weniger als 12 % vorsehe.

46      Die Portugiesische Republik macht geltend, der im vorliegenden Fall angewandte Satz beruhe auf Art. 28 Abs. 2 Buchst. e der Sechsten Richtlinie, da im Gegensatz zu Art. 28 Abs. 2 Buchst. d in der erstgenannten Bestimmung als einzige Voraussetzung ausdrücklich nur genannt sei, dass am 1. Januar 1991 auf die in Rede stehenden Dienstleistungen ein ermäßigter Satz angewandt worden sei.

47      Die Portugiesische Republik gelangt zu dem Ergebnis, dass der Gerichtshof in dem zu erlassenden Urteil nicht über die Feststellung der eventuellen Unanwendbarkeit des Satzes von 5 % hinausgehen und einen Satz festsetzen könne, der anstelle des im CIVA vorgesehenen Satzes anzuwenden sei. Jedenfalls bestünden, selbst wenn der Gerichtshof einen Verstoß gegen Art. 12 und 28 der Sechsten Richtlinie feststellen sollte, weiterhin gute Gründe für die Anwendung eines mittleren Satzes von 12 % anstelle des Normalsatzes von 21 %.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

48      Der Anwendung der Übergangsregelung, wie sie in Art. 28 Abs. 2 Buchst. e der Sechsten Richtlinie vorgesehen ist, stehen im vorliegenden Fall zwei rechtliche Gründe entgegen.

49      Zum einen darf nach dem Wortlaut dieser Bestimmung der gegebenenfalls anwendbare ermäßigte Satz nicht unter 12 % liegen. Im vorliegenden Fall steht zwar fest, dass die Portugiesische Republik am 1. Januar 1991 einen ermäßigten Satz auf die Maut für die Straßenbrücken über den Tejo in Lissabon angewandt hat, doch lag dieser Satz von diesem Zeitpunkt bis heute stets unter 12 %.

50      Zum anderen hatte die Portugiesische Republik, wie die Kommission ausgeführt hat, auf die in Rede stehenden Dienstleistungen vom 24. März 1992 bis 31. Dezember 1994 den normalen Mehrwertsteuersatz angewandt und war daher nicht berechtigt, wieder einen ermäßigten Satz einzuführen.

51      Es ist nämlich daran zu erinnern, dass das gemeinsame Mehrwertsteuersystem das Ergebnis einer schrittweisen Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften im Rahmen der Art. 93 EG und 94 EG ist. Wie der Gerichtshof wiederholt festgestellt hat, ist diese Harmonisierung, wie sie durch aufeinanderfolgende Richtlinien und insbesondere durch die Sechste Richtlinie verwirklicht worden ist, erst eine teilweise Harmonisierung (Urteile vom 5. Dezember 1989, ORO Amsterdam Beheer und Concerto, C-165/88, Slg. 1989, 4081, Randnr. 21, und vom 7. Dezember 2006, Eurodental, C-240/05, Slg. 2006, I-11479, Randnr. 50).

52      Daher steht die angestrebte Harmonisierung noch aus, soweit die Mitgliedstaaten nach Art. 28 der Sechsten Richtlinie befugt sind, bestimmte nationale Rechtsvorschriften beizubehalten oder zu erlassen, die ohne diese Befugnis mit der Richtlinie unvereinbar wären (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. Juli 2000, Idéal tourisme, C-36/99, Slg. 2000, I-6049, Randnr. 38, und Eurodental, Randnr. 51).

53      Wie jedoch aus der Überschrift des Titels XVI der Sechsten Richtlinie und ihrem 19. Erwägungsgrund hervorgeht, soll Art. 28 während eines Übergangszeitraums eine schrittweise Anpassung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften in bestimmten Bereichen ermöglichen.

54      Da es sich somit um eine Ausnahme- und Übergangsregelung handelt, muss Art. 28 der Sechsten Richtlinie in Einklang mit dem mit ihm verfolgten Ziel ausgelegt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. März 2002, Kommission/Finnland, C-169/00, Slg. 2002, I-2433, Randnr. 34, und Eurodental, Randnr. 54).

55      Da im vorliegenden Fall feststeht, dass in der Zeit vom 24. März 1992 bis zum 31. Dezember 1994 auf die in Rede stehenden Dienstleistungen der normale Mehrwertsteuersatz angewandt worden ist, kann der Portugiesischen Republik nicht gestattet werden, für diese Dienstleistungen wieder einen ermäßigten Satz einzuführen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Oktober 1991, Kommission/Spanien, C-35/90, Slg. 1991, I-5073, Randnr. 7, vom 27. Oktober 1992, Kommission/Deutschland, C-74/91, Slg. 1992, I-5437, Randnr. 15, vom 16. September 1999, Kommission/Spanien, C-414/97, Slg. 1999, I-5585, Randnr. 29, und Eurodental, Randnr. 55).

56      Nachdem die Portugiesische Republik in Bezug auf die in Rede stehenden Dienstleistungen den harmonisierten Bestimmungen der Sechsten Richtlinie nachgekommen ist, kann sie sich nämlich nicht unter Berufung auf Art. 28 Abs. 2 Buchst. e dieser Richtlinie von ihren Verpflichtungen befreien, da diese Vorschrift genau das entgegengesetzte Ziel verfolgt, nämlich die schrittweise Anpassung der nationalen Bestimmungen an diejenigen der Sechsten Richtlinie.

57      Der von der Portugiesischen Republik geltend gemachte Unterschied zwischen dem Wortlaut von Art. 28 Abs. 2 Buchst. e der Sechsten Richtlinie und demjenigen von Art. 28 Abs. 2 Buchst. d kann keine andere Entscheidung rechtfertigen als die, die aus den beiden vorhergehenden Randnummern folgt, da das Ziel der schrittweisen Anpassung diesen Übergangsbestimmungen gemeinsam ist.

58      Da die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 28 Abs. 2 Buchst. e der Sechsten Richtlinie im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind, hätte auf die Maut für die Straßenbrücken über den Tejo in Lissabon der normale Mehrwertsteuersatz angewandt werden müssen.

59      Nach allem ist festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 12 und 28 der Sechsten Richtlinie verstoßen hat, dass sie bei der Maut für die Straßenbrücken über den Tejo in Lissabon einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 5 % beibehalten hat.

 Kosten

60      Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Portugiesischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 12 und 28 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2001/4/EG des Rates vom 19. Januar 2001 geänderten Fassung verstoßen, dass sie bei der Maut für die Straßenbrücken über den Tejo in Lissabon einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 5 % beibehalten hat.

2.      Die Portugiesische Republik trägt die Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Portugiesisch.