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Rechtssache C-174/06

Ministero delle Finanze – Ufficio IVA di Milano

gegen

CO.GE.P. Srl

(Vorabentscheidungsersuchen der Corte suprema di cassazione)

„Sechste Richtlinie – Mehrwertsteuer – Befreite Umsätze – Vermietung von Grundstücken – Im Eigentum der öffentlichen Hand stehende Sache“

Leitsätze des Urteils

Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Befreiungen nach der Sechsten Richtlinie

(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 13 Teil B Buchst. b)

Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ist dahin auszulegen, dass ein Rechtsverhältnis, in dessen Rahmen einer Person das Recht eingeräumt wird, eine öffentliche Sache, nämlich Bereiche des Seegebiets, in Besitz zu nehmen und für bestimmte Zeit gegen eine Vergütung – auch ausschließlich – zu nutzen, unter den Begriff „Vermietung von Grundstücken“ im Sinne dieses Artikels fällt. Das grundlegende Merkmal eines solchen Rechtsverhältnisses, das es mit der Vermietung eines Grundstücks gemeinsam hat, besteht nämlich darin, dass eine Fläche, und zwar ein Teil des Seegebiets, gegen Vergütung zur Verfügung gestellt wird, wobei dem Vertragspartner das Recht zum Besitz oder zur Nutzung dieser Fläche sowie zum Ausschluss jeder anderen Person von diesem Recht garantiert wird. Daher führen die Beachtung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer und das Erfordernis einer kohärenten Anwendung der Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, insbesondere der vorgesehenen Befreiungen, dazu, das genannte Rechtsverhältnis der Vermietung von Grundstücken im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. b der genannten Richtlinie gleichzustellen.

(vgl. Randnrn. 34-36 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

25. Oktober 2007(*)

„Sechste Richtlinie – Mehrwertsteuer – Steuerbefreite Umsätze – Vermietung von Grundstücken – Im Eigentum der öffentlichen Hand stehende Sache“

In der Rechtssache C-174/06

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Corte suprema di cassazione (Italien) mit Entscheidung vom 13. Januar 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 3. April 2006, in dem Verfahren

Ministero delle Finanze – Ufficio IVA di Milano

gegen

CO.GE.P. srl

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter K. Schiemann, J. Makarczyk (Berichterstatter) und J.-C. Bonichot sowie der Richterin C. Toader,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Italienischen Republik, vertreten durch S. Fiorentino als Bevollmächtigten,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Aresu und M. Afonso als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2        Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Ministero delle Finanze – Ufficio IVA di Milano (im Folgenden: Ufficio) und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung CO.GE.P., die auf dem Gebiet der Herstellung und Mischung von Ölderivaten tätig ist (im Folgenden: CO.GE.P.), darüber, ob vom Consorzio Autonomo del Porto di Genova (Autonomes Konsortium des Hafens Genua, im Folgenden: Konsortium) an die CO.GE.P. gerichtete Rechnungen in mehrwertsteuerrechtlicher Hinsicht ordnungsgemäß sind, die die Konzession zur Nutzung von Bereichen für die Lagerung, die Herstellung und den Umschlag von Mineralöl betreffen, die zum im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Seegebiet gehören.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

3        Nach ihrem elften Erwägungsgrund soll mit der Sechsten Richtlinie u. a. im Hinblick auf eine gleichmäßige Erhebung der eigenen Mittel eine gemeinsame Liste der Befreiungen von der Mehrwertsteuer aufgestellt werden.

4        Nach Art. 2 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“.

5        Art. 4 Abs. 1, 2 und 5 der Richtlinie sieht vor:

„(1)      Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

(2)      Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.

(5)      Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.

Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Die vorstehend genannten Einrichtungen gelten in jedem Fall als Steuerpflichtige in Bezug auf die in Anhang D aufgeführten Tätigkeiten, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist.

Die Mitgliedstaaten können die Tätigkeiten der vorstehend genannten Einrichtungen, die nach Artikel 13 oder 28 von der Steuer befreit sind, als Tätigkeiten behandeln, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen.“

6        Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie in Abschnitt X dieser Richtlinie, der die Überschrift „Steuerbefreiungen“ trägt, bestimmt:

„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

b)      die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken mit Ausnahme

1.      der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe entsprechend den gesetzlichen Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung, einschließlich der Vermietung in Ferienlagern oder auf als Campingplätze erschlossenen Grundstücken,

2.      der Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen,

3.      der Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen,

4.      der Vermietung von Schließfächern.

Die Mitgliedstaaten können weitere Ausnahmen vom Geltungsbereich dieser Befreiung vorsehen“.

 Nationales Recht

7        Art. 1 des Decreto del Presidente della Repubblica Nr. 633 vom 26. Oktober 1972 (im Folgenden: DPR Nr. 633/72), das die Mehrwertsteuer einführt und regelt, sieht vor:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die im Hoheitsgebiet des Staates beim Betrieb eines Unternehmens oder bei der Ausübung eines Handwerks oder Gewerbes bewirkt werden, sowie Einfuhren, unabhängig davon, wer sie vornimmt.“

8        Nach Art. 10 Abs. 8 des DPR Nr. 633/72 in der durch Art. 35-bis des Decreto-legge Nr. 69 vom 2. März 1989, später, nach Änderungen, Gesetz Nr. 154 vom 27. April 1989, geänderten Fassung sind von der Mehrwertsteuer befreit die Vermietung (ausgenommen Leasing) und Verpachtung, einschließlich darauf bezogener Übertragungen, Aufhebungen und Verlängerungen, von Grundstücken und landwirtschaftlichen Betrieben, Flächen mit Ausnahme jener, die zum Abstellen von Fahrzeugen bestimmt sind, Gebäuden, einschließlich Zubehörs, Lagerbeständen und im Allgemeinen solcher beweglichen Sachen, die auf Dauer zur Unterhaltung der vermieteten oder verpachteten Grundstücke bestimmt sind, ausgenommen jene Mittel, die aufgrund ihrer Merkmale ohne eingehende Bearbeitung nicht zu einer anderen Verwendung geeignet sind, und jene, die zur Verwendung für private Wohnräume bestimmt sind und von Unternehmen, die sie zum Verkauf hergestellt haben, vermietet werden.

9        Nach Art. 36 des Codice della navigazione approvato con Regio decreto Nr. 327 (mit Königlichem Dekret Nr. 327 genehmigtes Schifffahrtsgesetzbuch) vom 30. März 1942 (Sonderausgabe der Gazzetta Ufficiale vom 18. April 1942, Nr. 93) kann die Seeverwaltung auf bestimmte Zeit vorbehaltlich der Nutzungsbedürfnisse der Allgemeinheit die Inbesitznahme und die – auch ausschließliche – Nutzung von im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden Sachen und Teilen der Küstengewässer gestatten.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

10      Nachdem die Konzession zur Nutzung der Bereiche des Seegebiets vom Konsortium als von der Mehrwertsteuer befreite Umsätze eingestuft worden war, sandte es an CO.GE.P. Rechnungen ohne Mehrwertsteuerausweis. Die Steuerverwaltung stellte der Gesellschaft indessen für die Jahre 1991 bis 1993 Mehrwertsteuerberichtigungsbescheide zu.

11      Mit am 30. Mai 1996 bei der Commissione tributaria di primo grado di Milano (Finanzgericht erster Instanz Mailand) eingereichter Klage focht CO.GE.P. diese Berichtigungsbescheide an und vertrat die Auffassung, dass die vom Konsortium erbrachten Dienstleistungen nicht der Mehrwertsteuer unterlägen, weil es insbesondere an den Anwendungsvoraussetzungen der Mehrwertsteuer fehle.

12      Das angerufene Gericht gab mit Urteil vom 19. November 1996 der Klage statt.

13      Das Ufficio legte am 2. Februar 1998 gegen dieses Urteil mit der Begründung Berufung ein, die getätigten Umsätze müssten als im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erbrachte Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterliegen.

14      Mit Urteil vom 20. September und 20. Oktober 1999 wies die Commissione tributaria regionale della Lombardia (Regionalfinanzgericht Lombardei) die Berufung des Ufficio zurück und schloss sich der Auffassung von CO.GE.P. an, der zufolge Konzessionen hinsichtlich im Eigentum der öffentlichen Hand stehender Sachen im Unterschied zur eigentlichen Vermietung von Grundstücken weder als Übertragung von Gegenständen noch als Dienstleistungen im Sinne der Mehrwertsteuervorschriften erachtet werden und folglich nicht der Mehrwertsteuer unterliegen könnten.

15      Mit am 13. März 2000 eingereichtem Schriftsatz legte das Ufficio Kassationsbeschwerde zum vorlegenden Gericht ein.

16      Vor diesem trägt das Ufficio vor, dass das Konsortium unbestreitbar eine öffentliche Einrichtung wirtschaftlicher Art sei.

17      Das Ufficio macht außerdem geltend, dass sich die Konzessionserteilung, auch wenn sie ein Ermessen impliziere, das seiner Art nach dem öffentlichen Recht zuzuordnen sei, dennoch als in Ausübung wirtschaftlicher und kaufmännischer Tätigkeiten zu dem Zweck geschlossenes Geschäft darstelle, hieraus Einnahmen in Form von Gebühren zu erzielen, die für die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit der öffentlichen Einrichtung bestimmt seien. Außerdem diene die Konzession für ein Küstendepot zur Lagerung von Mineralöl, wie im Ausgangsverfahren, keinem Interesse der Allgemeinheit und auch nicht dem Gemeinwohl, sondern wirtschaftlichen Zielen.

18      Hierzu führt das vorlegende Gericht aus, nach Ansicht der italienischen Steuerverwaltung gehöre die Erteilung einer solchen Konzession, wenn sie wie im Ausgangsverfahren durch eine Hafeneinrichtung und nicht durch die Seeverwaltung erfolge, in Anbetracht der gewerblichen Natur der genannten Einrichtung zur Ausübung wirtschaftlicher und kaufmännischer Tätigkeiten.

19      Insoweit erläutert das vorlegende Gericht bestimmte Aspekte des innerstaatlichen Rechts.

20      Danach werde zwar das Verhältnis zwischen Konzessionsgeber und -nehmer durch einen einseitigen, im Ermessen der Behörde liegenden Akt der Staatsgewalt bestimmt, doch setze dieser zwingend eine Bekundung des Willens des Betreffenden voraus, die Konzession zu erhalten. Die Beziehungen zwischen Konzessionsgeber und -nehmer würden durch eine zweiseitige Vereinbarung geregelt.

21      Außerdem schließt das vorlegende Gericht aus, dass beim derzeitigen Stand des innerstaatlichen Rechts Konzessionen, die sich auf zum Hafenbereich gehörende Sachen bezögen, als „Dienstleistungen des Hafens“ anzusehen seien.

22      Schließlich heißt es in der Vorlageentscheidung, dass nach der Rechtsprechung der Corte suprema di cassazione (Urteile vom 26. Mai 1992, Nr. 6281, und vom 25. Juli 2001, Nr. 10097) trotz ihrer öffentlich-rechtlichen Natur Konzessionen über im Eigentum der öffentlichen Hand stehende Sachen, wenn sie von öffentlichen Hafeneinrichtungen erteilt würden, nicht dem Muster der öffentlich-rechtlichen Konzessionen vergleichbar seien, die ein ausschließliches Nutzungsrecht an derartigen Sachen verliehen. In dem Maße nämlich, wie die genannten Handlungen in die von diesen Einrichtungen ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten eingebettet seien, seien sie ausdrücklich und ungeachtet ihrer unterschiedlichen Rechtsnatur den Verträgen über die Vermietung von Grundstücken gleichgestellt.

23      Unter diesen Voraussetzungen hat die Corte suprema di cassazione beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Liegt ein gemäß Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer ausgenommener Fall der Vermietung von Grundstücken vor, wenn durch einen Verwaltungsakt einer öffentlichen Einrichtung, die ein Unternehmen führt, anstelle eines Vertrags einer Person auf Antrag das Recht zur ausschließlichen oder nicht ausschließlichen Nutzung einer öffentlichen Sache auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung, die deutlich unter dem Wert der Sache liegt, übertragen wird, ohne dass dabei Dienstleistungen erbracht werden, die die Einräumung des Nutzungsrechts überwiegen, wie dies bei der Vergabe einer Konzession über im Eigentum der öffentlichen Hand stehende Sachen nach nationalem Recht der Fall ist?

 Zur Vorlagefrage

24      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, dass das Konsortium eine öffentliche Einrichtung wirtschaftlicher Art ist, die hinsichtlich der Verwaltung der im Eigentum der öffentlichen Hand stehenden, ihr anvertrauten Sachen nicht im Namen und für Rechnung des Staates handelt, der Eigentümer dieser Sachen bleibt, sondern in eigenem Namen, soweit sie die genannten Sachen insbesondere durch Erlass autonomer Entscheidungen verwaltet.

25      Somit sind für das Konsortium die kumulativen Voraussetzungen für die Anwendung der Vorschrift über die Steuerfreiheit in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie nicht erfüllt, nämlich die Ausübung von Tätigkeiten durch eine öffentliche Einrichtung und die Vornahme dieser Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Dezember 2000, Fazenda Pública, C-446/98, Slg. 2000, I-11435, Randnr. 15).

26      Hinsichtlich der Frage, ob das im Ausgangsverfahren fragliche Rechtsverhältnis unter den Begriff der „Vermietung von Grundstücken“ im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie fällt, ist erstens daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung die in Art. 13 der genannten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen eigenständige Begriffe des Gemeinschaftsrechts darstellen und daher eine gemeinschaftsrechtliche Definition erfordern (vgl. Urteile vom 12. Juni 2003, Sinclair Collis, C-275/01, Slg. 2003, I-5965, Randnr. 22, vom 18. November 2004, Temco Europe, C-284/03, Slg. 2004, I-11237, Randnr. 16, und vom 3. März 2005, Fonden Marselisborg Lystbådehavn, C-428/02, Slg. 2005, I-1527, Randnr. 27).

27      Zweitens sind die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Art. 13 der Sechsten Richtlinie umschrieben werden, eng auszulegen, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt (vgl. insbesondere Urteile vom 12. September 2000, Kommission/Irland, C-358/97, Slg. 2000, I-6301, Randnr. 52, vom 18. Januar 2001, Stockholm Lindöpark, C-150/99, Slg. 2001, I-493, Randnr. 25, und Sinclair Collis, Randnr. 23).

28      Jedoch bedeutet diese Regel einer engen Auslegung nicht, dass die zur Erläuterung der Befreiungen verwendeten Begriffe so auszulegen sind, dass sie den Befreiungen ihre Wirkung nehmen (vgl. Urteil Temco Europe, Randnr. 17).

29      Drittens ist festzustellen, dass Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie den Begriff „Vermietung“ nicht definiert und auch nicht auf dessen jeweilige Definition in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten verweist (vgl. Urteil vom 4. Oktober 2001, „Goed Wonen“, C-326/99, Slg. 2001, I-6831, Randnr. 44).

30      Diese Vorschrift ist daher nach ihrem Sachzusammenhang sowie nach den Zielsetzungen und der Systematik der Sechsten Richtlinie auszulegen, wobei insbesondere der Normzweck der von ihr vorgesehenen Steuerbefreiung zu berücksichtigen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile „Goed Wonen“, Randnr. 50, und Fonden Marselisborg Lystbådehavn, Randnr. 28).

31      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs besteht die Vermietung von Grundstücken im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie im Wesentlichen darin, dass ein Vermieter dem Mieter für einen vereinbarten Zeitraum gegen eine Vergütung das Recht einräumt, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als ob er dessen Eigentümer wäre, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen (vgl. in diesem Sinne Urteile „Goed Wonen“, Randnr. 55, vom 9. Oktober 2001, Mirror Group, C-409/98, Slg. 2001, I-7175, Randnr. 31, vom 8. Mai 2003, Seeling, C-269/00, Slg. 2003, I-4101, Randnr. 49, und Temco Europe, Randnr. 19).

32      Im Ausgangsverfahren geht es um ein Rechtsverhältnis, in dessen Rahmen einer Gesellschaft das Recht eingeräumt wird, Bereiche, die zum Seegebiet gehören, in Besitz zu nehmen und für eine bestimmte Zeit gegen eine deutlich unter dem Wert der Sache liegende Vergütung – auch ausschließlich – zu nutzen, nämlich ein Küstendepot für die Lagerung, die Herstellung und den Umschlag von Mineralöl.

33      In Anbetracht seines Inhalts ist ein derartiges Rechtsverhältnis einem vertraglichen Rechtsgeschäft verwandt, das in den Rahmen der gewerblichen Tätigkeiten des Konsortiums eingebettet ist.

34      Das grundlegende Merkmal dieses Rechtsverhältnisses, das es mit der Vermietung eines Grundstücks gemeinsam hat, besteht nämlich darin, dass eine Fläche, und zwar ein Teil des Seegebiets, gegen Vergütung zur Verfügung gestellt wird, wobei dem Vertragspartner das Recht zum Besitz oder zur Nutzung dieser Fläche sowie zum Ausschluss jeder anderen Personen von diesem Recht garantiert wird.

35      Daher führen die Beachtung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer und das Erfordernis einer kohärenten Anwendung der Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, insbesondere der vorgesehenen Befreiungen, dazu, ein Rechtsverhältnis wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende der Vermietung von Grundstücken im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. b der genannten Richtlinie gleichzustellen.

36      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass ein Rechtsverhältnis wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, in dessen Rahmen einer Person das Recht eingeräumt wird, eine öffentliche Sache, nämlich Bereiche des Seegebiets, in Besitz zu nehmen und für bestimmte Zeit gegen eine Vergütung – auch ausschließlich – zu nutzen, unter den Begriff „Vermietung von Grundstücken“ im Sinne dieses Artikels fällt.

 Kosten

37      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass ein Rechtsverhältnis wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, in dessen Rahmen einer Person das Recht eingeräumt wird, eine öffentliche Sache, nämlich Bereiche des Seegebiets, in Besitz zu nehmen und für eine bestimmte Zeit gegen eine Vergütung – auch ausschließlich – zu nutzen, unter den Begriff „Vermietung von Grundstücken“ im Sinne dieses Artikels fällt.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Italienisch.