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Rechtssache C-105/08

Europäische Kommission

gegen

Portugiesische Republik

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Freier Dienstleistungsverkehr und freier Kapitalverkehr – Art. 49 EG und 56 EG sowie 36 und 40 des EWR-Abkommens – Direkte Steuern – Besteuerung der Zinseinkünfte – Schlechterstellung der Gebietsfremden – Beweislast“

Leitsätze des Urteils

Vertragsverletzungsklage – Nachweis der Vertragsverletzung – Obliegenheit der Kommission

(Art. 226 EG)

Im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EG obliegt es der Kommission, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen. Sie muss dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte liefern, anhand deren er das Vorliegen der Vertragsverletzung prüfen kann, und kann sich dabei nicht auf irgendeine Vermutung stützen.

So hat die Kommission für die Darlegung, dass eine nationale Steuerregelung zu einer höheren Besteuerung der an gebietsfremde Institute gezahlten Zinsen führt, bei der sie sich auf ein mit Zahlen belegtes Beispiel stützt, zu belegen, dass die Zahlen, auf denen ihre Berechnung beruht, den wirtschaftlichen Tatsachen entsprechen, wenn zum einen diese Berechnung, die sie selbst als „theoretisch“ bezeichnet, von der nationalen Regierung mit der Begründung bestritten wird, dass die Annahme, auf der sie beruhe, in keinem Zusammenhang mit der Wirklichkeit stehe, und zum anderen diese Regierung eine Berechnung vorlegt, die auf einer anderen Gewinnspanne beruht und die zu einer Lösung führt, bei der die gebietsansässigen Institute höher besteuert werden. So kann die Kommission insbesondere statistische Daten vorlegen oder Angaben zu dem Zinsniveau für Bankdarlehen und zu den Refinanzierungsbedingungen für Banken machen, um die Plausibilität ihrer Angaben zu belegen. Wenn daher die Kommission weder im schriftlichen Verfahren noch in der mündlichen Verhandlung und nicht einmal nach ausdrücklicher Aufforderung durch den Gerichtshof auch nur den geringsten Beleg dafür vorlegt, dass die von ihr zur Stützung ihrer Ansicht vorgetragenen Zahlen der Wirklichkeit entsprechen und dass das mit Zahlen belegte Beispiel, das sie vorgelegt hat, nicht eine bloße Hypothese darstellt, legt sie die beanstandete Vertragsverletzung nicht dar.

(vgl. Randnrn. 26-27, 29-31)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

17. Juni 2010(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Freier Dienstleistungsverkehr und freier Kapitalverkehr – Art. 49 EG und 56 EG sowie 36 und 40 des EWR-Abkommens – Direkte Steuern – Besteuerung der Zinseinkünfte – Schlechterstellung der Gebietsfremden – Beweislast“

In der Rechtssache C-105/08

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 6. März 2008,

Europäische Kommission, vertreten durch R. Lyal und M. Afonso als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Portugiesische Republik, vertreten durch L. Inez Fernandes, J. Menezes Leitão und C. Guerra Santos als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Republik Litauen, vertreten durch D. Kriaučiūnas und V. Kazlauskaitė-Švenčionienė als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet, M. Ilešič und J.-J. Kasel (Berichterstatter) sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2010,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 25. März 2010

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass die Portugiesische Republik dadurch, dass sie Zinszahlungen an gebietsfremde Kreditinstitute höher besteuert als Zinszahlungen an Kreditinstitute mit Sitz im portugiesischen Hoheitsgebiet, die freie Erbringung von Hypothekar- und sonstigen Darlehensdienstleistungen durch Kreditinstitute mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten und in am Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) beteiligten Staaten beschränkt und infolgedessen gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 49 EG und 56 EG sowie 36 und 40 des EWR-Abkommens verstoßen hat.

 Rechtlicher Rahmen

2        Gemäß Art. 4 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzbuchs (Código do Imposto sobre o Rendimento Pessoas Colectivas), gebilligt durch Gesetzesdekret Nr. 442/B/88 vom 30. November 1988, in seiner Fassung aufgrund des Gesetzesdekrets Nr. 211/2005 vom 7. Dezember 2005 (Diário da República I, Serie A, Nr. 234, vom 7. Dezember 2005, im Folgenden: CIRC), unterliegen juristische Personen und sonstige Körperschaften, die im portugiesischen Hoheitsgebiet weder ihren Sitz noch ihre tatsächliche Geschäftsleitung haben, der Körperschaftsteuer (Imposto sobre o Rendimento das Pessoas Colectivas, im Folgenden: IRC) nur bezüglich der in diesem Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte. Zu den betreffenden Einkünften gehören gemäß Art. 4 Abs. 3 Buchst. c CIRC Zinszahlungen von Schuldnern, die im portugiesischen Hoheitsgebiet wohnen bzw. dort ihren Sitz oder ihre tatsächliche Geschäftsleitung haben, oder Zinszahlungen, die einer festen Betriebsstätte in diesem Staat zuzurechnen sind.

3        Bei Fehlen eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (im Folgenden: DBA) werden derartige Einkünfte gemäß Art. 80 Abs. 2 Buchst. c CIRC grundsätzlich zu einem Satz von 20 % besteuert.

4        Die in Rede stehende IRC wird gemäß Art. 88 Abs. 1 Buchst. c, 3 Buchst. b und 5 CIRC als definitive Steuer an der Quelle erhoben.

5        Die zwischen der Portugiesischen Republik und den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie den am EWR-Abkommen beteiligten Staaten geschlossenen DBA sehen gemäß Art. 11 des von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) entwickelten Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vor, dass der Satz, der auf diese Einkünfte von dem Staat angewandt wird, aus dem sie stammen, zwischen 10 % und 15 % liegt. Nach Art. 90-A Abs. 1 CIRC ist in solchen Fällen die Verpflichtung zur Einbehaltung an der Quelle auf den entsprechenden Teil der IRC beschränkt. Bei den beiden Staaten, mit denen die Portugiesische Republik kein DBA geschlossen hat, nämlich der Republik Zypern und dem Fürstentum Liechtenstein, beläuft sich dieser Satz auf 20 %.

6        Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist unstreitig, dass Besteuerungsgrundlage für die Zinseinkünfte gebietsfremder Kreditinstitute der Bruttobetrag der Einkünfte ist, während Zinseinkünfte der gebietsansässigen Kreditinstitute in deren steuerpflichtigen Gewinn einbezogen werden. Bei der Berechnung dieses Gewinns werden die Betriebsausgaben abgezogen. Dieser Gewinn wird nach Art. 80 Abs. 1 CIRC zum allgemeinen Satz von 25 % besteuert. Nach dem Vorbringen der Portugiesischen Republik ist davon auszugehen, dass im letztgenannten Fall die Steuer vom Nettobetrag der Zinsen erhoben wird, der im Einzelnen dem Unterschied zwischen den eingenommenen Zinsen und den Zinsen entsprechen kann, die Dritten für die Gewinnung des zur Durchführung des Darlehensvorgangs erforderlichen Kapitals gezahlt werden.

 Das Vorverfahren und das Verfahren vor dem Gerichtshof

7        Am 21. März 2005 übersandte die Kommission der Portugiesischen Republik ein Mahnschreiben, in dem sie die portugiesischen Behörden darauf hinwies, dass die Portugiesische Republik dadurch, dass sie die von gebietsfremden Kreditinstituten vereinnahmten Hypothekarzinsen höher als die von gebietsansässigen Kreditinstituten vereinnahmten besteuere, die Erbringung von Hypothekar- und sonstigen Darlehensdienstleistungen durch ausländische Kreditinstitute beschränke und auf diese Weise gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 49 EG und 56 EG sowie 36 und 40 des EWR-Abkommens verstoße.

8        Da die Antwort der Portugiesischen Republik die Kommission nicht überzeugte, übersandte sie dieser am 19. Dezember 2005 eine mit Gründen versehene Stellungnahme und forderte sie auf, die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich seien, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten ab ihrem Zugang nachzukommen.

9        Am 24. Februar 2006 antwortete die Portugiesische Republik, sie erhalte ihren Standpunkt aufrecht, wonach der CIRC im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht stehe und auf alle Fälle aus Gründen der Kohärenz und des inneren Aufbaus des nationalen Steuersystems gerechtfertigt sei. Zudem bedeute die von der Kommission bevorzugte Lösung die Offenlegung von Einzelheiten, die für die Bestimmung der Nettoeinkünfte der gebietsfremden Kreditinstitute erforderlich seien. Die Überwachung dieser Umstände bereite der portugiesischen Steuerverwaltung auf der Hand liegende Schwierigkeiten.

10      Da die Antwort der Portugiesischen Republik die Kommission nicht zufriedenstellte, hat diese beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

11      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 4. August 2008 ist die Republik Litauen als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Portugiesischen Republik zugelassen worden.

 Zur Klage

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

12      Die Kommission führt aus, auch wenn der auf die Einkünfte gebietsfremder Kreditinstitute anwendbare Steuersatz niedriger als derjenige für vergleichbare Einkünfte gebietsansässiger Kreditinstitute sei, sei die steuerliche Belastung der Erstgenannten in Portugal tatsächlich deutlich höher, da sie im Unterschied zu den gebietsansässigen Einrichtungen die unmittelbar im Zusammenhang mit der ausgeübten Tätigkeit stehenden Betriebsausgaben nicht vom Betrag der besteuerten Einkünfte abziehen könnten. Eine solche unterschiedliche Behandlung stelle jedoch, wie aus dem Urteil vom 11. Oktober 2007, Hollmann (C-443/06, Slg. 2007, I-8491, Randnrn. 35 bis 38), hervorgehe, eine Diskriminierung gebietsfremder Kreditinstitute dar.

13      Dadurch, dass die in Rede stehende Regelung eine Einbehaltung an der Quelle zu einem Satz von 10 % bis zu 20 % vom Bruttobetrag der in Portugal erzielten Zinsen vorsehe, schrecke sie ausländische Kreditinstitute davon ab, ihre Dienstleistungen in Portugal anzubieten, sofern nicht ihre Gewinnspanne bei den betreffenden Geschäften deutlich höher als der Satz der an der Quelle einbehaltenen Steuer sei. In Anbetracht des außerordentlich starken Wettbewerbs auf den internationalen Finanzmärkten, des durch das Bestehen einer gemeinsamen Währung in der Eurozone geschaffenen Kontexts und des ähnlichen Niveaus der Zinssätze in den meisten Mitgliedstaaten sei es ziemlich unwahrscheinlich, dass es einem ausländischen Kreditinstitut gelinge, eine höhere Gewinnspanne als 10 % zu erzielen. Ferner müssten gebietsfremde Kreditinstitute für die Wiederherstellung der Gleichheit mit den gebietsansässigen Kreditinstituten, die einer Steuerbelastung von 25 % ihrer Nettokosten unterlägen, Gewinnspannen erzielen, die viermal so hoch wie diejenigen seien, die die gebietsansässigen Kreditinstitute bei ihren in Portugal ausgeübten Tätigkeiten erzielten.

14      Nach Ansicht der Kommission kann im vorliegenden Fall nicht angenommen werden, dass gebietsansässige und gebietsfremde Kreditinstitute sich nicht in einer objektiv vergleichbaren Situation befänden. Denn wie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs und insbesondere den Urteilen vom 12. Juni 2003, Gerritse (C-234/01, Slg. 2003, I-5933, Randnr. 27), und vom 15. Februar 2007, Centro Equestre da Lezíria Grande (C-345/04, Slg. 2007, I-1425, Randnr. 24), hervorgehe, befänden sich im Bereich der Betriebsausgaben, die mit der von einem Gebietsfremden in einem Mitgliedstaat ausgeübten Tätigkeit, mit der steuerbare Einkünfte erzielt worden seien, unmittelbar im Zusammenhang stünden, Gebietsansässige und Gebietsfremde in einer vergleichbaren Situation, so dass diese Ausgaben grundsätzlich in diesem Staat berücksichtigt werden müssten, da bei Gebietsansässigen dort die Nettoeinkünfte besteuert würden, d. h. die Einkünfte nach Abzug solcher Ausgaben. Nach dem Urteil Hollmann (Randnrn. 50 und 51) verlange das Diskriminierungsverbot im Übrigen, dass bei Anwendung der gleichen Steuer auf Gebietsansässige und Gebietsfremde die Einkünfte der Gebietsfremden nicht zu einem höheren Satz besteuert werden dürften, als er auf die Einkünfte der Gebietsansässigen angewandt werde, und dass die Besteuerungsgrundlage nicht umfangreicher als die für die Gebietsansässigen vorgesehene sein dürfe. Den gebietsfremden Kreditinstituten müsse daher zumindest erlaubt werden, den Betrag der Zinsen abzuziehen, die sie Dritten hätten zahlen müssen, um das bei den in Portugal getätigten Darlehensgeschäften verwendete Kapital zu erlangen.

15      Entgegen der Ansicht der Portugiesischen Republik sei es nicht Sache des Sitzstaats, durch Maßnahmen aufgrund von Abkommen oder einseitige Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die steuerliche Belastung festzulegen, die der Investor letzten Endes zu tragen habe. Vielmehr obliege es einem Mitgliedstaat, dessen Regelung eine Diskriminierung enthalte, diese zu beseitigen. Im vorliegenden Fall sei das Vorbringen der Portugiesischen Republik im Übrigen unerheblich, da der von ihr erhobene Steuerabzug an der Quelle so hoch sei, dass er den gesamten Gewinn aus einem unter normalen Marktbedingungen getätigten Darlehensgeschäft absorbiere.

16      Zu dem Argument schließlich, dass die unterschiedliche Behandlung im vorliegenden Fall aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, nämlich zum einen zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten und zum anderen zur Bekämpfung von Steuerumgehungen gerechtfertigt sei, führt die Kommission insbesondere aus, es gebe andere Maßnahmen, insbesondere die in der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (ABl. L 336, S. 15) vorgesehenen, die es den Mitgliedstaaten erlaubten, die sich aus diesen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses ergebenden Ziele unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu erreichen.

17      Die Kommission stellt in ihrer Erwiderung klar, dass die beanstandete Vertragsverletzung nicht darin bestehe, dass es tatsächlich Situationen wie die im vorliegenden Verfahren als Beispiel angeführte gebe, sondern in der Beibehaltung nationaler Bestimmungen, deren Anwendung zu einem offenkundigen Unterschied bei der steuerlichen Behandlung zwischen gebietsansässigen und gebietsfremden Kreditinstituten zum Nachteil der Letztgenannten führe.

18      Die Kommission räumt ein, dass es nicht möglich sei, zu bestimmen, welche der bei Dritten erlangten Kapitalbeträge konkret von einem Institut für die Finanzierung einzelner in einem bestimmten Staat durchgeführter Darlehensgeschäfte verwendet worden seien. Es sei jedoch nicht unmöglich, den Betrag der von diesem Institut erzielten Einkünfte für die Besteuerung in dem Staat zu berechnen, in dem sich die Quelle der Einkünfte befinde. Es genüge im vorliegenden Fall, dass die Portugiesische Republik es dem Steuerpflichtigen erlaube, vom Betrag der im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats erzielten Bruttoeinkünfte einen Betrag entsprechend dem Durchschnitt der Ausgaben abzuziehen, die allgemein von demselben Steuerpflichtigen aufgewandt würden, um vergleichbare Einkünfte im Sitzstaat zu erzielen. Um zu vermeiden, dass gebietsfremde Kreditinstitute Durchschnittsausgaben abzögen, die von dem Staat, in dem sich die Quelle der Einkünfte befinde, als übermäßig erachtet werden könnten, könne der letztgenannte Staat die Möglichkeit zum Ausgabenabzug auf einen Höchstbetrag beschränken, der beispielsweise nach Maßgabe des Durchschnittsbetrags der Ausgaben festgesetzt werde, die gebietsansässige Banken für vergleichbare Geschäfte aufwendeten. Auf alle Fälle stelle die Schwierigkeit, bestimmte Ausgaben bestimmten besonderen Einkünften zuzurechnen, keinen Grund dar, um die Besteuerung der Bruttoeinkünfte Gebietsfremder in dem Staat, in dem sich die Quelle dieser Einkünfte befinde, oder eine höhere tatsächliche steuerliche Belastung dieser Einkünfte als diejenige, die von vergleichbaren Einkünften gebietsansässiger Steuerpflichtiger erhoben werde, zu rechtfertigen.

19      Die Portugiesische Republik macht geltend, dass die von der Kommission gerügte Diskriminierung auf einer bloßen Vermutung beruhe. Da die Kommission das Vorliegen der gerügten Vertragsverletzung nicht dargetan habe, sei ihre Klage abzuweisen.

20      Selbst unterstellt, es gebe Fälle, in denen in Anbetracht der konkreten Umstände des Finanzgeschäfts ein Unterschied in der steuerlichen Belastung zwischen der Besteuerung der Zinsen, die von gebietsansässigen Kreditinstituten erzielt würden, und der Zinsen, die von gebietsfremden Kreditinstituten vereinnahmt würden, festgestellt werden könne, sei diese unterschiedliche Behandlung nicht diskriminierend und bewirke keine Beschränkung der in den Art. 49 EG und 56 EG sowie 36 und 40 des EWR-Abkommens verankerten Freiheiten.

21      Die Situation der gebietsansässigen Kreditinstitute und diejenige der gebietsfremden Kreditinstitute seien nicht objektiv vergleichbar, so dass eine unterschiedliche Behandlung in Bezug auf die Besteuerungsgrundlage für die in Portugal vereinnahmten Zinsen gerechtfertigt sei. Dieser Unterschied beruhe auf dem besonderen Charakter der Finanzgeschäfte und der Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Gewährung von Darlehen, die mit dem Umstand verbunden sei, dass allgemein kein charakteristischer Zusammenhang zwischen den getätigten Ausgaben und den erzielten Einkünften festgestellt werden könne und dass auch die erzielten Gewinne und die für die Finanzierung verwendeten Mittel nicht für jedes Geschäft miteinander verknüpft werden könnten. Daher müsse die Besteuerungsgrundlage für die von gebietsfremden Kreditinstituten eingenommenen Zinsen auf den Bruttoeinkünften beruhen, während die Besteuerung der Einkünfte der gebietsansässigen Kreditinstitute auf der Grundlage der Nettoeinkünfte erfolge. Da bei den Letztgenannten sämtliche Einkünfte unabhängig von dem Ort, an dem sie erzielt worden seien, berücksichtigt würden, könnten auch sämtliche getätigten Ausgaben berücksichtigt werden.

22      Auf alle Fälle sei die in Rede stehende Regelung auch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Die Portugiesische Republik verweist in diesem Zusammenhang auf die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis gemäß dem steuerlichen Territorialitätsgrundsatz und die Bekämpfung von Steuerumgehungen.

23      In ihrer Gegenerwiderung führt die Portugiesische Republik weiter aus, da die Kommission einräume, dass nicht bestimmt werden könne, welche Kapitalbeträge konkret von einem Institut für die Finanzierung von in einem bestimmten Mitgliedstaat durchgeführten Darlehensgeschäften verwendet worden seien, gehe das „rechtliche Konstrukt“, auf dem die Argumentation der Kommission beruhe, über das hinaus, was das Gemeinschaftsrecht zulasse. Die fragliche Regelung könne daher nicht als mit dem EG-Vertrag oder dem EWR-Abkommen unvereinbar betrachtet werden.

24      Die von der Kommission vertretene Regelung laufe darauf hinaus, einen abstrakten und künstlichen Abzug von den Einkünften der gebietsfremden Kreditinstitute vorzunehmen, was bedeute, dass das Ergebnis des Vorgangs in keiner Weise der konkreten Wirklichkeit der Nettoeinkünfte der gebietsfremden Wirtschaftsteilnehmer entspreche. Im Übrigen bestehe bei einer solchen Regelung entgegen den Anforderungen der Rechtsprechung, auf die sich die Kommission hierfür berufe, kein Zusammenhang zwischen den berücksichtigten Ausgaben und der Tätigkeit, bei der die steuerbaren Einkünfte erzielt worden seien. Somit befänden sich in Anbetracht der im vorliegenden Fall in Rede stehenden Regelung die gebietsansässigen Kreditinstitute und die gebietsfremden Kreditinstitute nicht in einer objektiv vergleichbaren Situation.

25      Die Republik Litauen, die dem Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Portugiesischen Republik beigetreten ist, vertritt die Ansicht, es könne nur dann bestimmt werden, ob eine unterschiedliche Behandlung zum Nachteil der gebietsfremden Kreditinstitute vorliege, wenn nicht nur die Steuer berücksichtigt werde, die in dem Staat, in dem sich die Quelle der Einkünfte befinde, einbehalten werde, sondern auch die Steuer, die im Staat des Sitzes der betreffenden Institute erhoben werde. Im vorliegenden Fall prüfe die Kommission jedoch nur die Behandlung aufgrund der Anwendung der portugiesischen Regelung und berücksichtige nicht die Wirkungen, die die Regelung des Sitzstaats dieser Institute auf deren Fähigkeit und Willen, ihre Dienstleistungen in Portugal anzubieten, hervorrufe. Daher sei zu schließen, dass die Kommission die geltend gemachte Vertragsverletzung nicht dargetan habe.

 Würdigung durch den Gerichtshof

26      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung in einem Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EG der Kommission obliegt, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen. Sie muss dem Gerichtshof sämtliche erforderlichen Anhaltspunkte liefern, anhand deren er das Vorliegen der Vertragsverletzung prüfen kann, und kann sich dabei nicht auf irgendeine Vermutung stützen (vgl. insbesondere Urteile vom 5. Oktober 1989, Kommission/Niederlande, 290/87, Slg. 1989, 3083, Randnrn. 11 und 12, und vom 4. März 2010, Kommission/Frankreich, C-241/08, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 22).

27      Im vorliegenden Fall stützt sich die Kommission für die Darlegung, dass die portugiesische Regelung, von der nicht bestritten ist, dass sie gebietsansässige Institute und gebietsfremde Institute in Bezug auf die IRC unterschiedlich behandelt, zu einer höheren Besteuerung der Letztgenannten führt, auf ein mit Zahlen belegtes Beispiel, das auf der Annahme beruht, dass die vom in Rede stehenden Institut erzielte Gewinnmarge 10 % beträgt.

28      Wie aus der von der Generalanwältin in Nr. 31 ihrer Schlussanträge erstellten Tabelle und den eingehender in den Nrn. 37 bis 39 dieser Schlussanträge beschriebenen Gründen hervorgeht, spielt diese Gewinnspanne eine maßgebliche Rolle bei der Prüfung, ob eine Regelung wie die im vorliegenden Fall in Rede stehende zu einer höheren Besteuerung gebietsfremder Institute führt, da der Steuersatz tatsächlich nicht der einzige Umstand ist, der in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden muss.

29      Da zum einen diese Berechnung, die die Kommission selbst als „theoretisch“ bezeichnet, von der portugiesischen Regierung mit der Begründung bestritten wird, dass die Annahme, auf der sie beruhe, in keinem Zusammenhang mit der Wirklichkeit stehe, und zum anderen die portugiesische Regierung eine Berechnung vorlegt, die auf einer anderen Gewinnspanne beruht und die zu einer Lösung führt, bei der die gebietsansässigen Institute höher besteuert werden, oblag es, wie die Generalanwältin in Nr. 40 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, der Kommission, zu belegen, dass die Zahlen, auf denen ihre Berechnung beruht, den wirtschaftlichen Tatsachen entsprechen. So hätte die Kommission insbesondere statistische Daten vorlegen oder Angaben zu dem Zinsniveau für Bankdarlehen und zu den Refinanzierungsbedingungen für Banken machen können, um die Plausibilität ihrer Angaben zu belegen.

30      Es ist jedoch festzustellen, dass die Kommission weder im schriftlichen Verfahren noch in der mündlichen Verhandlung und nicht einmal nach ausdrücklicher Aufforderung durch den Gerichtshof auch nur den geringsten Beleg dafür vorgelegt hat, dass die von ihr zur Stützung ihrer Ansicht vorgetragenen Zahlen der Wirklichkeit entsprächen und dass das mit Zahlen belegte Beispiel, das sie vorgelegt hat, nicht eine bloße Lehrhypothese darstellt.

31      Unter diesen Umständen hat im vorliegenden Fall die Kommission die der Portugiesischen Republik zur Last gelegte Vertragsverletzung nicht dargetan.

32      Infolgedessen ist die Klage der Kommission abzuweisen.

 Kosten

33      Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Portugiesische Republik die Verurteilung der Kommission beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen. Die Republik Litauen, die dem Rechtsstreit als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Portugiesischen Republik beigetreten ist, trägt nach Art. 69 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

3.      Die Republik Litauen trägt ihre eigenen Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Portugiesisch.