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Rechtssache C-582/08

Europäische Kommission

gegen

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 169 bis 171 – Dreizehnte Richtlinie 86/560/EWG – Art. 2 – Erstattung – Nicht in der Union ansässiger Steuerpflichtiger – Versicherungsumsätze – Finanzumsätze“

Leitsätze des Urteils

Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Erstattung der Steuer an nicht in der Union ansässige Steuerpflichtige

(Richtlinien 86/560 des Rates, Art. 2 Abs. 1, und 2006/112 des Rates, Art. 169 Buchst. c, 170 und 171)

Ein Mitgliedstaat, der bei in Art 169 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem genannten Versicherungs- und Finanzumsätzen, die von nicht in der Union ansässigen Steuerpflichtigen bewirkt werden, die Erstattung der Vorsteuer ausschließt, verstößt nicht gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 169 bis 171 der Richtlinie 2006/112 und aus Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie 86/560 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern.

Die Bestimmungen der Dreizehnten Richtlinie und insbesondere deren Art. 2 Abs. 1, der nicht auf die in Art. 169 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 genannten Umsätze verweist, sind nämlich als lex specialis gegenüber den Art. 170 und 171 der Richtlinie 2006/112 anzusehen, so dass der generelle Erstattungsanspruch des Art. 170 keinen Vorrang vor dem klaren und genauen Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie haben kann.

Auch wenn es sich bei dem Fehlen eines Verweises auf Art. 169 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 um einen Fehler des Unionsgesetzgebers handeln sollte, ist es nicht Aufgabe des Gerichtshofs, eine solche berichtigende Auslegung von Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie vorzunehmen. Zudem kann einem Mitgliedstaat, dessen Regelung im Einklang mit dem klaren und genauen Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie steht, nicht vorgeworfen werden, er habe gegen seine Verpflichtungen aus eben dieser Bestimmung verstoßen, indem er versäumt habe, diese Bestimmung berichtigend auszulegen, um sie der allgemeinen Logik des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems anzupassen und einem Fehler des Unionsgesetzgebers abzuhelfen. Eine Unionsregelung muss es nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit den Betroffenen ermöglichen, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen. Denn die Einzelnen müssen ihre Rechte und Pflichten eindeutig erkennen und sich darauf einstellen können. Dieser Grundsatz ist auch im Rahmen der Umsetzung einer steuerrechtlichen Richtlinie einschlägig. Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie kann nämlich nicht ungeachtet seines klaren und genauen Wortlauts in einer Weise ausgelegt werden, die auf seine Berichtigung und dadurch auf eine Erweiterung der in dieser Hinsicht bestehenden Verpflichtungen der Mitgliedstaaten abzielt.

(vgl. Randnrn. 35, 46, 48-51)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

15. Juli 2010(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 169 bis 171 – Dreizehnte Richtlinie 86/560/EWG – Art. 2 – Erstattung – Nicht in der Union ansässiger Steuerpflichtiger – Versicherungsumsätze – Finanzumsätze“

In der Rechtssache C-582/08

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 29. Dezember 2008,

Europäische Kommission, vertreten durch R. Lyal und M. Afonso als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch I. Rao und S. Hathaway als Bevollmächtigte im Beistand von K. Lasok, QC,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richter E. Juhász, G. Arestis, T. von Danwitz (Berichterstatter) und D. Šváby,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: M.-A. Gaudissart, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2010,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. Mai 2010

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 169 bis 171 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) und aus Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie 86/560/EWG des Rates vom 17. November 1986 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige (ABl. L 326, S. 40, im Folgenden: Dreizehnte Richtlinie) verstoßen hat, dass es bei bestimmten Umsätzen, die von nicht im Gebiet der Europäischen Union ansässigen Steuerpflichtigen bewirkt werden, die Erstattung der Vorsteuer verweigert.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

2        Art. 17 Abs. 3 und 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2004/66/EG des Rates vom 26. April 2004 (ABl. L 168, S. 35) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie) bestimmte in seiner sich aus Art. 28f Nr. 1 der Sechsten Richtlinie ergebenden Fassung:

„(3)      Die Mitgliedstaaten gewähren jedem Steuerpflichtigen darüber hinaus den Abzug oder die Erstattung der in Absatz 2 genannten Mehrwertsteuer, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden für Zwecke:

a)      seiner Umsätze, die sich aus den im Ausland ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 ergeben, für die das Recht auf Vorsteuerabzug bestünde, wenn diese Umsätze im Inland bewirkt worden wären;

b)      seiner nach Artikel 14 Absatz 1 Buchstaben g und i, Artikel 15, Artikel 16 Absatz 1 Teile B, C, D und E und Absatz 2 sowie Artikel 28c Teile A und C befreiten Umsätze;

c)      seiner nach Artikel 13 Teil B Buchstaben a) und d) Nummern 1 bis 5 befreiten Umsätze, wenn der Leistungsempfänger außerhalb der Gemeinschaft ansässig ist oder wenn diese Umsätze unmittelbar mit zur Ausfuhr in ein Drittlandsgebiet bestimmten Gegenständen zusammenhängen.

(4)      Mehrwertsteuererstattungen nach Absatz 3 erfolgen

–       an nicht im Inland, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige entsprechend den in der Richtlinie 79/1072/EWG festgelegten Bestimmungen;

–       an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige entsprechend den in der Richtlinie 86/560/EWG festgelegten Bestimmungen.

…“

3        Art. 17 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie bestimmte in seiner ursprünglichen Fassung:

„Der Rat wird möglichst vor dem 31. Dezember 1977 auf Vorschlag der Kommission einstimmig gemeinschaftliche Durchführungsbestimmungen erlassen, nach denen Erstattungen nach Absatz 3 an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige erfolgen. Bis zum Inkrafttreten dieser gemeinschaftlichen Durchführungsbestimmungen legen die Mitgliedstaaten die Einzelheiten der Erstattung selbst fest. Ist der Steuerpflichtige nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässig, so können die Mitgliedstaaten die Erstattung ausschließen oder von zusätzlichen Bedingungen abhängig machen.“

4        Art. 17 Abs. 3 und 4 der Sechsten Richtlinie wurde zum 1. Januar 2007 durch die Art. 169 bis 171 der Mehrwertsteuerrichtlinie ersetzt.

5        Art. 169 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Über den Vorsteuerabzug nach Artikel 168 hinaus hat der Steuerpflichtige das Recht, die in jenem Artikel genannte Mehrwertsteuer abzuziehen, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke folgender Umsätze verwendet werden:

a)      für seine Umsätze, die sich aus den in Artikel 9 Absatz 1 Unterabsatz 2 genannten Tätigkeiten ergeben, die außerhalb des Mitgliedstaats, in dem diese Steuer geschuldet oder entrichtet wird, bewirkt werden und für die das Recht auf Vorsteuerabzug bestünde, wenn sie in diesem Mitgliedstaat bewirkt worden wären;

b)      für seine Umsätze, die gemäß den Artikeln 138, 142, 144, 146 bis 149, 151, 152, 153, 156, dem Artikel 157 Absatz 1 Buchstabe b, den Artikeln 158 bis 161 und Artikel 164 befreit sind;

c)      für seine gemäß Artikel 135 Absatz 1 Buchstaben a bis f befreiten Umsätze, wenn der Dienstleistungsempfänger außerhalb der Gemeinschaft ansässig ist oder wenn diese Umsätze unmittelbar mit Gegenständen zusammenhängen, die zur Ausfuhr aus der Gemeinschaft bestimmt sind.“

6        Art. 170 dieser Richtlinie sieht vor:

„Jeder Steuerpflichtige, der im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 79/1072/EWG, des Artikels 1 der Richtlinie 86/560/EWG und des Artikels 171 der vorliegenden Richtlinie nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem er die Gegenstände und Dienstleistungen erwirbt oder mit der Mehrwertsteuer belastete Gegenstände einführt, hat Anspruch auf Erstattung dieser Steuer, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke folgender Umsätze verwendet werden:

a)      die in Artikel 169 genannten Umsätze;

b)      die Umsätze, bei denen die Steuer nach den Artikeln 194 bis 197 und 199 lediglich vom Empfänger geschuldet wird.“

7        Art. 171 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Die Erstattung der Mehrwertsteuer an Steuerpflichtige, die nicht in dem Mitgliedstaat, in dem sie die Gegenstände und Dienstleistungen erwerben oder mit der Mehrwertsteuer belastete Gegenstände einführen, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, erfolgt nach dem in der Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vorgesehenen Verfahren.

(2)      Die Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige erfolgt nach dem in der Richtlinie 86/560/EWG vorgesehenen Verfahren.

(3)      Die Richtlinien 79/1072/EWG und 86/560/EWG finden keine Anwendung auf Lieferungen von Gegenständen, die von der Steuer befreit sind oder gemäß Artikel 138 befreit werden können, wenn die gelieferten Gegenstände vom Erwerber oder für dessen Rechnung versandt oder befördert werden.“

8        Befreite Umsätze im Sinne von Art. 169 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie sind nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis f die in dieser Bestimmung festgelegten Versicherungs- und Finanzumsätze.

9        Art. 2 der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige (ABl. L 331, S. 11, im Folgenden: Achte Richtlinie) sieht vor:

„Jeder Mitgliedstaat erstattet einem Steuerpflichtigen, der nicht im Inland, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, unter den nachstehend festgelegten Bedingungen die Mehrwertsteuer, mit der die ihm von anderen Steuerpflichtigen im Inland erbrachten Dienstleistungen oder gelieferten beweglichen Gegenstände belastet wurden oder mit der die Einfuhr von Gegenständen ins Inland belastet wurde, soweit diese Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke der in Artikel 17 Absatz 3 Buchstaben a) und b) der Richtlinie 77/388/EWG bezeichneten Umsätze oder der in Artikel 1 Buchstabe b) bezeichneten Dienstleistungen verwendet werden.“

10      Art. 8 der Achten Richtlinie, der durch Art. 7 der Dreizehnten Richtlinie aufgehoben worden ist, bestimmte:

„Es steht den Mitgliedstaaten frei, bei nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässigen Steuerpflichtigen die Erstattung auszuschließen oder von besonderen Bedingungen abhängig zu machen.

Die Erstattung darf nicht zu günstigeren Bedingungen erfolgen als für die in der Gemeinschaft ansässigen Steuerpflichtigen.“

11      In der Begründung des Vorschlags der Kommission vom 3. Januar 1978 für eine Achte Richtlinie des Rates (KOM[77] 721 endg.) (im Folgenden: Vorschlag für eine Achte Richtlinie) heißt es zu Art. 2 des Richtlinienvorschlags:

„Die Bezugnahme in Artikel 17 Absatz 4 der Sechsten Richtlinie (‚nach Absatz 3‘) bedeutet, dass lediglich die Steuer auf den Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen oder auf die Einfuhr von Gegenständen erstattet werden darf, die der ausländische Steuerpflichtige zu den in Artikel 17 Absatz 3 der Richtlinie genannten Tätigkeiten verwendet. Von den drei unter den Buchstaben a, b und c dieses Absatzes genannten Fällen scheinen jedoch nur die ersten beiden davon betroffen zu sein. …

Was die in Artikel 17 Absatz 3 Buchstabe c der Richtlinie genannten Fälle betrifft, so kann – da der Ort der dort genannten Versicherungs- oder Bankumsätze stets in einem Drittland liegt – niemals davon ausgegangen werden, dass der Dienstleistungserbringer eines Mitgliedstaates einen Umsatz im Erstattungsland bewirkt; diese Fälle gehören folglich zu den unter Buchstabe a genannten (ausländischer Steuerpflichtiger, der im Erstattungsland keinen steuerbaren Umsatz bewirkt) und fallen unter die dafür geltende Regelung.“

12      Der vom Europäischen Parlament gebilligte Art. 2 des Vorschlags für eine Achte Richtlinie betraf die Erstattung der Mehrwertsteuer auf Dienstleistungen und Gegenstände, „soweit diese Gegenstände und Dienstleistungen zu den in Artikel 17 Absatz 3 der Sechsten Richtlinie … genannten Zwecken verwendet werden“.

13      Der zweite Erwägungsgrund der Dreizehnten Richtlinie lautet:

„Eine harmonische Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und den Drittländern sollte dadurch gewährleistet werden, dass man sich an der Richtlinie 79/1072/EWG ausrichtet und dabei den unterschiedlichen Verhältnissen in den Drittländern Rechnung trägt.“

14      Art. 2 der Dreizehnten Richtlinie bestimmt:

„(1)      Unbeschadet der Artikel 3 und 4 erstattet jeder Mitgliedstaat einem Steuerpflichtigen, der nicht im Gebiet der Gemeinschaft ansässig ist, unter den nachstehend festgelegten Bedingungen die Mehrwertsteuer, mit der die ihm von anderen Steuerpflichtigen im Inland erbrachten Dienstleistungen oder gelieferten beweglichen Gegenständen belastet wurden oder mit der die Einfuhr von Gegenständen ins Inland belastet wurde, soweit diese Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke der in Artikel 17 Absatz 3 Buchstaben a) und b) der Richtlinie 77/388/EWG bezeichneten Umsätze oder der in Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b) der vorliegenden Richtlinie bezeichneten Dienstleistungen verwendet werden.

(2)      Die Mitgliedstaaten können die Erstattung nach Absatz 1 von der Gewährung vergleichbarer Vorteile im Bereich der Umsatzsteuern durch die Drittländer abhängig machen.

…“

15      Art. 4 der Dreizehnten Richtlinie sieht vor:

„(1)      Für die Anwendung dieser Richtlinie wird der Anspruch auf Erstattung nach Artikel 17 der Richtlinie 77/388/EWG, wie dieser im Mitgliedstaat der Erstattung angewendet wird, bestimmt.

(2)      Die Mitgliedstaaten können jedoch den Ausschluss bestimmter Ausgaben vorsehen oder die Erstattung von zusätzlichen Bedingungen abhängig machen.

(3)      Die vorliegende Richtlinie gilt nicht für Lieferungen von Gegenständen, die steuerfrei sind oder nach Artikel 15 Nummer 2 der Richtlinie 77/388/EWG von der Steuer befreit werden können.“

16      Art. 5 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (ABl. L 44, S. 23), die zum 1. Januar 2010 die Achte Richtlinie ersetzt hat, lautet:

„Jeder Mitgliedstaat erstattet einem nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässigen Steuerpflichtigen die Mehrwertsteuer, mit der die ihm von anderen Steuerpflichtigen in diesem Mitgliedstaat gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen oder die Einfuhr von Gegenständen in diesen Mitgliedstaat belastet wurden, sofern die betreffenden Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke der folgenden Umsätze verwendet werden:

a)      in Artikel 169 Buchstaben a und b der Richtlinie 2006/112/EG genannte Umsätze;

b)      Umsätze, deren Empfänger nach den Artikeln 194 bis 197 und Artikel 199 der Richtlinie 2006/112/EG, wie sie im Mitgliedstaat der Erstattung angewendet werden, Schuldner der Mehrwertsteuer ist.

Unbeschadet des Artikels 6 wird für die Anwendung dieser Richtlinie der Anspruch auf Vorsteuererstattung nach der Richtlinie 2006/112/EG, wie diese Richtlinie im Mitgliedstaat der Erstattung angewendet wird, bestimmt.“

 Nationales Recht

17      Nach den Sections 26 und 39 des Value Added Tax Act (Mehrwertsteuergesetz) 1994, Art. 3 der Value Added Tax (Input Tax) (Specified Supplies) Order (Mehrwertsteuerverordnung [Vorsteuer] [Besonders aufgeführte Lieferungen]) 1999 und Regulation 190 der Value Added Tax Regulations (Mehrwertsteuerverordnung) 1995 in der durch die Value Added Tax (Amendment) (No. 4) Regulations (Mehrwertsteueränderungsverordnung [Nr. 4]) 2004 geänderten Fassung haben nicht in der Union ansässige Wirtschaftsteilnehmer keinen Anspruch auf Erstattung der Vorsteuer, mit der die in Art. 169 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Umsätze belastet worden sind.

 Vorverfahren

18      Am 13. Januar 2006 teilte die Kommission dem Vereinigten Königreich mit, dass sie der Ansicht sei, Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Mehrwertsteuerrichtlinie könne nicht dahin ausgelegt werden, dass er die Erstattung der Mehrwertsteuer ausschließe, mit der Gegenstände oder Dienstleistungen belastet worden seien, die für Zwecke der in Art. 17 Abs. 3 Buchst. c der Sechsten Richtlinie genannten Versicherungs- und Finanzumsätze verwendet würden, dessen Inhalt in Art. 169 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie übernommen worden sei. Mit Schreiben vom 12. Mai 2006 vertrat das Vereinigte Königreich die gegenteilige Auffassung und erklärte, seine Rechtsvorschriften stünden mit dem einschlägigen Unionsrecht im Einklang.

19      Die Kommission leitete daraufhin das Verfahren nach Art. 226 EG ein, indem sie dem Vereinigten Königreich mit Mahnschreiben vom 12. Oktober 2006 vorwarf, es habe gegen seine Verpflichtungen aus Art. 17 Abs. 3 und 4 der Sechsten Richtlinie sowie Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie verstoßen.

20      Da das Vorbringen des Vereinigten Königreichs in seiner Antwort vom 14. Dezember 2006 die Kommission nicht überzeugte, forderte sie diesen Mitgliedstaat in einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 27. Juni 2007 auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Erfordernissen der Art. 169 bis 171 der Mehrwertsteuerrichtlinie und des Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Stellungnahme nachzukommen.

21      Das Vereinigte Königreich antwortete auf die mit Gründen versehene Stellungnahme mit Schreiben vom 29. August 2007, in dem es seine Auslegung der Dreizehnten Richtlinie und der Art. 169 bis 171 der Mehrwertsteuerrichtlinie bekräftigte. Da die Kommission diese Auslegung für unzutreffend hielt und dabei blieb, dass die betreffenden Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs mit den Erfordernissen des Unionsrechts unvereinbar seien, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

 Zur Klage

22      Einleitend ist festzustellen, dass ein außerhalb der Union ansässiger Wirtschaftsteilnehmer unstreitig nach der Regelung des Vereinigten Königreichs keinen Anspruch auf Erstattung der Vorsteuer hat, die er in diesem Mitgliedstaat auf Gegenstände oder Dienstleistungen gezahlt hat, die für Zwecke von Umsätzen der in Art. 169 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Kategorien verwendet werden, also für bestimmte Versicherungs- oder Finanzumsätze.

23      Die Klage betrifft somit allein die Frage, ob die Art. 169 bis 171 der Mehrwertsteuerrichtlinie und Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie Wirtschaftsteilnehmern, die außerhalb der Union ansässig sind, einen solchen Anspruch gewähren.

24      Nach Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie erstattet jeder Mitgliedstaat einem Steuerpflichtigen, der nicht im Gebiet der Union ansässig ist, die Mehrwertsteuer, mit der die ihm von anderen Steuerpflichtigen im Inland erbrachten Dienstleistungen oder gelieferten beweglichen Gegenständen belastet wurden oder mit der die Einfuhr von Gegenständen ins Inland belastet wurde, soweit diese Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke der in Art. 17 Abs. 3 Buchst. a und b der Sechsten Richtlinie genannten Umsätze verwendet werden.

25      Zur Verweisung auf Art. 17 Abs. 3 Buchst. a und b der Sechsten Richtlinie in Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie ist zum einen zu bemerken, dass der Wortlaut der letztgenannten Richtlinie nach dem Inkrafttreten der Mehrwertsteuerrichtlinie, deren Art. 169 Buchst. a und b den Art. 17 Abs. 3 Buchst. a und b der Sechsten Richtlinie ersetzt hat, nicht angepasst wurde. Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie ist daher so zu verstehen, dass er auf Art. 169 Buchst. a und b verweist.

26      Zum anderen ist festzustellen, dass die Versicherungs- und Finanzumsätze, um die es in der vorliegenden Rechtssache geht, in Art. 169 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie genannt sind.

27      Das Vereinigte Königreich entnimmt dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie, der nur auf die in Art. 169 Buchst. a und b der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Umsätze ausdrücklich verweist, dass bei den in Art. 169 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Umsätzen kein Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer bestehe.

28      Die Kommission dagegen räumt zwar ein, dass Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie nicht auf die in Art. 169 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Umsätze verweist, macht aber mit aus den Vorarbeiten, der Systematik und dem Zweck der fraglichen Bestimmungen hergeleiteten Argumenten geltend, dass Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit den Art. 169 bis 171 der Mehrwertsteuerrichtlinie so zu verstehen sei, dass er auch bei den in Art. 169 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Umsätzen einen Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer gewähre.

29      Zu prüfen ist somit, ob die Argumente, auf die die Kommission ihre Auslegung des Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie und der Art. 169 bis 171 der Mehrwertsteuerrichtlinie stützt, es rechtfertigen können, diese Artikel so zu verstehen, dass sie bei den in Art. 169 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Umsätzen einen Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer gewähren, obwohl Art. 2 Abs. 1 nach seinem klaren und genauen Wortlaut nur auf Art. 169 Buchst. a und b der Mehrwertsteuerrichtlinie verweist.

30      Nach Auffassung der Kommission ergibt sich der Anspruch der außerhalb der Union ansässigen Wirtschaftsteilnehmer auf Erstattung der Vorsteuer, die in einem Mitgliedstaat für Zwecke der in Art. 169 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Umsätze gezahlt worden sei, bereits aus den Art. 169 bis 171 dieser Richtlinie. Art. 170 der Richtlinie schreibe diesen Anspruch für alle in Art. 169 genannten Umsätze fest und sehe keine Ausnahmen vor. Da die Mehrwertsteuerrichtlinie die Grundregel festlege, während die Dreizehnte Richtlinie nur Durchführungsbestimmungen über das Verfahren der Erstattung enthalte, müsse der vorbehaltlose Wortlaut von Art. 170 der Mehrwertsteuerrichtlinie Vorrang vor dem Wortlaut des Art. 2 der Dreizehnten Richtlinie haben.

31      Zwar sieht Art. 170 der Mehrwertsteuerrichtlinie – wie zuvor Art. 17 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie – einen generellen Anspruch auf Erstattung der Vorsteuer vor, wenn die mit Mehrwertsteuer belasteten Gegenstände und Dienstleistungen für „die in Artikel 169 [der Mehrwertsteuerrichtlinie] genannten Umsätze“ verwendet werden.

32      Weiter steht fest, dass die Achte Richtlinie das Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer festlegen soll, die in einem Mitgliedstaat von Steuerpflichtigen entrichtet worden ist, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, dass also ihr Zweck ist, die Regeln für den Erstattungsanspruch, der sich aus Art. 17 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie ergibt, zu harmonisieren (vgl. Urteile vom 13. Juli 2000, Monte Dei Paschi Di Siena, C-136/99, Slg. 2000, I-6109, Randnr. 20, und vom 15. März 2007, Reemtsma Cigarettenfabriken, C-35/05, Slg. 2007, I-2425, Randnr. 26), was im Fall der Dreizehnten Richtlinie gleichermaßen für in Drittstaaten ansässige Steuerpflichtige gilt.

33      Daraus kann aber entgegen der Annahme der Kommission nicht geschlossen werden, dass Art. 170 der Mehrwertsteuerrichtlinie es erlaubt, vom klaren und genauen Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie abzuweichen.

34      Die Dreizehnte Richtlinie regelt nämlich nicht lediglich die formalen Voraussetzungen für die Durchsetzung des Anspruchs auf Erstattung der Mehrwertsteuer, sondern sieht einige Ausnahmen von diesem Anspruch vor, wie auch die Kommission in ihren Schriftsätzen einräumt, ohne die Gültigkeit dieser Bestimmungen in Abrede zu stellen. Zu diesen Ausnahmen gehört, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 2 Abs. 2 dieser Richtlinie die Erstattung von der Gewährung vergleichbarer Vorteile durch Drittländer abhängig machen und nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie den Ausschluss bestimmter Ausgaben von der Erstattung vorsehen oder diese von zusätzlichen Bedingungen abhängig machen können.

35      Die Bestimmungen der Dreizehnten Richtlinie und insbesondere deren Art. 2 Abs. 1 sind mithin als lex specialis gegenüber den Art. 170 und 171 der Mehrwertsteuerrichtlinie anzusehen, so dass der generelle Erstattungsanspruch des Art. 170 keinen Vorrang vor dem klaren und genauen Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie haben kann.

36      Die Frage, ob die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, außerhalb der Union ansässigen Steuerpflichtigen bei den in Art. 169 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Umsätzen einen Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer zu gewähren, ist folglich allein anhand von Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie zu beantworten.

37      Zur Auslegung dieses Art. 2 Abs. 1 trägt die Kommission vor, aus den Vorarbeiten ergebe sich, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Unionsgesetzgeber, indem er in Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie nur die in Art. 169 Buchst. a und b der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Umsätze erwähnt habe, die Erstattung der Mehrwertsteuer für die in Art. 169 Buchst. c dieser Richtlinie genannten Umsätze habe ausschließen wollen. Der Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie beruhe auf einer Fehlbeurteilung, die dem Unionsgesetzgeber beim Erlass von Art. 2 der Achten Richtlinie unterlaufen sei, dessen Wortlaut mit dem von Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie nahezu identisch sei und als Muster für die Abfassung der letztgenannten Bestimmung gedient habe.

38      Die Kommission beruft sich insoweit zunächst auf die Begründung des Vorschlags für eine Achte Richtlinie und macht geltend, der Gesetzgeber habe es beim Erlass dieser Richtlinie versäumt, auf Art. 17 Abs. 3 Buchst. c der Sechsten Richtlinie zu verweisen, weil er irrtümlich angenommen habe, dass die betreffenden Umsätze bereits in Art. 17 Abs. 3 Buchst. a dieser Richtlinie berücksichtigt seien, der in Art. 2 der Achten Richtlinie aufgeführt sei.

39      Außerdem verlange die Logik des Mehrwertsteuersystems, dass bei den in Art. 169 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Umsätzen ein Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer gewährt werde. Nach dieser Logik und internationaler Praxis dürfe keine Steuer geschuldet werden, wenn Gegenstände und Dienstleistungen ausgeführt würden. Was insbesondere befreite Umsätze wie die Versicherungs- und Finanzumsätze angehe, bei denen normalerweise keine Möglichkeit eines Vorsteuerabzugs bestehe, solle Art. 169 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie die Wiedererlangung der Mehrwertsteuer ermöglichen, die im Preis für den Erwerb von für die Bewirkung dieser Umsätze genutzten Gegenständen und Dienstleistungen inbegriffen sei. Durch die Gewährung eines Anspruchs auf Erstattung der Mehrwertsteuer werde demnach verhindert, dass in der Union ansässige Wirtschaftsteilnehmer schlechter gestellt würden als ihre außerhalb der Union ansässigen Wettbewerber.

40      Schließlich ergebe der Vergleich zwischen Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie und Art. 2 der Achten Richtlinie, dass diese beiden Bestimmungen einheitlich auszulegen seien. Obwohl diese Bestimmungen nahezu gleichlautend seien, lege aber das Vereinigte Königreich Art. 2 der Achten Richtlinie so aus, dass er die in Art. 169 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie erwähnten Umsätze umfasse, und vertrete damit einen widersprüchlichen Standpunkt. Die vom Vereinigten Königreich vertretene Auslegung von Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie müsste, wenn sie richtig wäre, auch für Art. 2 der Achten Richtlinie gelten und sich auf alle Mitgliedstaaten auswirken, die Art. 2 auf diese Weise auslegten.

41      Zunächst ist das letztgenannte Argument als irrelevant zurückzuweisen.

42      Die vorliegende Vertragsverletzungsklage betrifft nämlich nur die Frage, ob das Vereinigte Königreich dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Art. 169 bis 171 der Mehrwertsteuerrichtlinie und aus Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie verstoßen hat, dass es bei in Art. 169 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Umsätzen, die von nicht im Gebiet der Union ansässigen Steuerpflichtigen bewirkt werden, die Erstattung der Vorsteuer verweigert.

43      Weder der Umstand, dass das Vereinigte Königreich und die übrigen Mitgliedstaaten nach der Achten Richtlinie den in der Union ansässigen Wirtschaftsteilnehmern einen solchen Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer gewähren, noch das mögliche Fehlen von Gründen, die es rechtfertigen, die unter diese Richtlinie fallenden Wirtschaftsteilnehmer und die von der Dreizehnten Richtlinie erfassten Wirtschaftsteilnehmer unterschiedlich zu behandeln, noch die etwaigen Auswirkungen, die das Fehlen solcher Gründe auf der Ebene der Mitgliedstaaten hätte, sind Faktoren, die die von der Kommission vertretene Auslegung des Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie stützen können.

44      Zu dem aus den Vorarbeiten hergeleiteten Argument ist zunächst festzustellen, dass in Art. 2 des Vorschlags für eine Achte Richtlinie, auf dessen Begründung die Kommission Bezug nimmt, ohne weitere Präzisierung von „den in Artikel 17 Absatz 3 der Sechsten Richtlinie … genannten Zwecken“ die Rede ist. Daher kann nicht als erwiesen angesehen werden, dass die etwaige Fehlbeurteilung, die nach Ansicht der Kommission in dieser Begründung erfolgt ist, tatsächlich dem Wortlaut von Art. 2 der Achten Richtlinie oder Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie zugrunde liegt.

45      Außerdem verweist Art. 5 der Richtlinie 2008/9, die die Achte Richtlinie ersetzt hat, genauso wie deren Art. 2 auf Art. 169 „Buchstaben a und b“ der Mehrwertsteuerrichtlinie. Nach der Sichtweise der Kommission hätte also der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Achten Richtlinie einen Fehler begangen, der sich in der Dreizehnten Richtlinie wiederholt hätte, und er hätte den gleichen Fehler beim Erlass der Richtlinie 2008/9 begangen.

46      Selbst wenn das Vorbringen der Kommission, dass ein Fehler vorliege und ihre Lesart der fraglichen Bestimmungen der Logik des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems eher gerecht werde, zuträfe, ist es, wie der Generalanwalt in Nr. 65 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nicht Aufgabe des Gerichtshofs, eine solche berichtigende Auslegung von Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie vorzunehmen.

47      Der Gerichtshof hat insoweit im Urteil vom 5. Oktober 2004, Kommission/Griechenland (C-475/01, Slg. 2004, I-8923), entschieden, dass die Hellenische Republik berechtigt war, ihre nationalen Rechtsvorschriften auf den klaren Wortlaut von Art. 23 Nr. 2 der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke (ABl. L 316, S. 21) zu stützen, wonach sie auf Ouzo einen ermäßigten Verbrauchsteuersatz anwenden darf, der den Mindestsatz unterschreitet. Infolgedessen hat der Gerichtshof die Klage der Kommission abgewiesen, mit der diese geltend gemacht hatte, dass dieser Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus Art. 90 Abs. 1 EG verstoßen habe und dass die Mitgliedstaaten selbst dann, wenn das abgeleitete Recht eine solche ausdrückliche Erlaubnis enthalte, nicht von der Pflicht zur Beachtung des Primärrechts befreit seien, was bedeute, dass der Mitgliedstaat, wenn sich die nationale Maßnahme als mit dem Primärrecht unvereinbar erweisen würde, nicht befugt sei, von der Erlaubnis Gebrauch zu machen.

48      Entsprechend kann dem Vereinigten Königreich, dessen nationale Regelung im Einklang mit dem klaren und genauen Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie steht, nicht vorgeworfen werden, es habe gegen seine Verpflichtungen aus eben dieser Bestimmung verstoßen, indem es versäumt habe, diese Bestimmung berichtigend auszulegen, um sie der allgemeinen Logik des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems anzupassen und einem Fehler des Unionsgesetzgebers abzuhelfen, den die Kommission geltend macht und der ihres Erachtens aus der Begründung für den Vorschlag für eine Achte Richtlinie hervorgeht.

49      Nach ständiger Rechtsprechung muss es eine Unionsregelung nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit den Betroffenen ermöglichen, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen. Denn die Einzelnen müssen ihre Rechte und Pflichten eindeutig erkennen und sich darauf einstellen können (Urteil vom 10. März 2009, Heinrich, C-345/06, Slg. 2009, I-1659, Randnr. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50      Diese Rechtsprechung betrifft zwar die Beziehungen zwischen dem Einzelnen und der öffentlichen Gewalt. Wie der Generalanwalt in Nr. 64 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist diese Rechtsprechung aber auch im Rahmen der Umsetzung einer steuerrechtlichen Richtlinie einschlägig.

51      Eine Bestimmung wie Art. 2 Abs. 1 der Dreizehnten Richtlinie kann nämlich nicht ungeachtet ihres klaren und genauen Wortlauts in einer Weise ausgelegt werden, die auf ihre Berichtigung und dadurch auf eine Erweiterung der in dieser Hinsicht bestehenden Verpflichtungen der Mitgliedstaaten abzielt (vgl. entsprechend Urteil vom 22. Dezember 2008, Les Vergers du Vieux Tauves, C-48/07, Slg. 2008, I-10627, Randnr. 44).

52      Nach alledem ist die Klage der Kommission abzuweisen.

 Kosten

53      Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des Vereinigten Königreichs die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Europäische Kommission trägt die Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.