Available languages

Taxonomy tags

Info

References in this case

References to this case

Share

Highlight in text

Go

Rechtssache C-489/09

Vandoorne NV

gegen

Belgischer Staat

(Vorabentscheidungsersuchen des Hof van beroep te Gent)

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Art. 11 Teil C Abs. 1 und Art. 27 Abs. 1 und 5 – Besteuerungsgrundlage – Vereinfachungsmaßnahmen – Tabakwaren – Steuerbanderolen – Einmalige Erhebung der Mehrwertsteuer an der Quelle – Zwischenhändler – Vollständige oder teilweise Nichtzahlung des Preises – Verweigerung der Mehrwertsteuererstattung“

Leitsätze des Urteils

Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Besteuerungsgrundlage – Abweichende nationale Maßnahmen

(Richtlinie 77/388/EWG des Rates, Art. 11 Teil C Abs. 1 und Art. 27 Abs. 1 und 5)

Art. 11 Teil C Abs. 1 und Art. 27 Abs. 1 und 5 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern in der durch die Richtlinie 2004/7 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die dadurch, dass sie bei Tabakwaren zur Vereinfachung der Erhebung der Mehrwertsteuer und zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung oder -umgehung vorsieht, dass die Mehrwertsteuer mittels Steuerbanderolen in einem Mal und an der Quelle beim Hersteller oder Importeur der Tabakwaren erhoben wird, für Zwischenlieferanten, die zu einem späteren Zeitpunkt in der Kette der aufeinander folgenden Lieferungen tätig werden, das Recht auf Erstattung der Mehrwertsteuer ausschließt, wenn der Erwerber den Preis für diese Waren nicht zahlt.

Art. 27 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie steht nämlich nur solchen Maßnahmen entgegen, die den Betrag der im Stadium des Endverbrauchs fälligen Steuer in nicht unerheblichem Maße beeinflussen. Aber selbst wenn der Hersteller oder Importeur unter bestimmten Umständen, wie beim Verlust der Erzeugnisse, ihrem Verkauf mit Verlust oder ihrem unrechtmäßigen Verkauf zu einem anderen als dem auf den Steuerzeichen angegebenen Einzelhandelspreis, im Rahmen der vorgenannten Ausnahmeregelung einen höheren Mehrwertsteuerbetrag zu entrichten hätte als den, der normalerweise nach dem harmonisierten System der Mehrwertsteuererhebung anfiele, genügt die bloße Möglichkeit, dass solche Umstände eintreten, jedoch nicht für die Annahme, dass diese Regelung den Betrag der im Stadium des Endverbrauchs fälligen Steuer in nicht unerheblichem Maße beeinflussen könnte. Eine Vereinfachungsmaßnahme verfolgt nämlich naturgemäß einen umfassenderen Ansatz als die durch sie ersetzte Regel und entspricht deshalb nicht unbedingt der genauen Lage jedes einzelnen Steuerpflichtigen.

Außerdem können Zwischenlieferanten, da sie nicht zur Entrichtung der Mehrwertsteuer auf Lieferungen von Tabakwaren verpflichtet sind, keine Mehrwertsteuererstattung nach Art. 11 Teil C Abs. 1 der Sechsten Richtlinie verlangen, wenn der Erwerber den Preis für die betreffenden Lieferungen nicht zahlt. Insoweit ist unerheblich, dass der Mehrwertsteuerbetrag, der an der Quelle vom Hersteller oder Importeur mittels Steuerbanderolen entrichtet worden ist, wirtschaftlich betrachtet im Preis der an die Zwischenlieferanten erbrachten Lieferungen enthalten ist. Denn dieser Umstand ändert nichts daran, dass den betreffenden Zwischenlieferanten nach den Mehrwertsteuervorschriften keine Steuerschuld auferlegt ist.

Da im Rahmen einer Regelung zur vereinfachten Erhebung der Mehrwertsteuer der vom Hersteller oder Importeur mittels Steuerbanderolen entrichtete Mehrwertsteuerbetrag nicht an die Gegenleistung anknüpft, die der jeweilige Lieferant tatsächlich erhält, sondern an den Preis des Erzeugnisses im Stadium des Endverbrauchs, hat der Verlust der Forderung, die einem Zwischenlieferanten gegenüber seinem Vertragspartner zusteht, auch keine Verminderung der Besteuerungsgrundlage zur Folge.

Würde schließlich einem Zwischenlieferanten im Rahmen einer solchen Regelung ein Recht auf teilweise oder sogar vollständige Erstattung der Mehrwertsteuer zugestanden, wenn der Erwerber den Preis der Lieferungen nicht zahlt, könnte dies sowohl die Erhebung der Mehrwertsteuer deutlich erschweren als auch Missbräuchen und Steuerhinterziehung Vorschub leisten, während die Vereinfachung der Mehrwertsteuererhebung und die Verhinderung von Missbräuchen und Steuerhinterziehung gerade die Ziele sind, die mit dieser Regelung im Einklang mit Art. 27 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie verfolgt werden. Dass ein Zwischenlieferant keinen Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer hat, wenn der Erwerber den Preis für die ihm gelieferten Tabakwaren nicht zahlt, ist demzufolge die zwangsläufige Konsequenz einer solchen Regelung, die gemäß den in Art. 27 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie festgelegten Kriterien bezweckt und bewirkt, bei diesen Erzeugnissen die Erhebung der Mehrwertsteuer zu vereinfachen und Steuerhinterziehung oder -umgehung zu bekämpfen.

(vgl. Randnrn. 30-31, 38-40, 43, 45-46 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

27. Januar 2011(*)

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Art. 11 Teil C Abs. 1 und Art. 27 Abs. 1 und 5 – Besteuerungsgrundlage – Vereinfachungsmaßnahmen – Tabakwaren – Steuerbanderolen – Einmalige Erhebung der Mehrwertsteuer an der Quelle – Zwischenhändler – Vollständige oder teilweise Nichtzahlung des Preises – Verweigerung der Mehrwertsteuererstattung“

In der Rechtssache C-489/09

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Hof van beroep te Gent (Belgien) mit Entscheidung vom 17. November 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 30. November 2009, in dem Verfahren

Vandoorne NV

gegen

Belgischer Staat

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues, der Richter A. Arabadjiev, U. Lõhmus, A. Ó Caoimh (Berichterstatter) und der Richterin P. Lindh,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: A. Calot Escobar,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Vandoorne NV, vertreten durch D. Blommaert, advocaat,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und M. Afonso als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 11 Teil C Abs. 1 und Art. 27 Abs. 1 und 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2004/7/EG des Rates vom 20. Januar 2004 (ABl. L 27, S. 44) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Vandoorne NV (im Folgenden: Vandoorne) und dem Belgischen Staat wegen dessen Weigerung, Vandoorne die Mehrwertsteuer auf Tabakwarenlieferungen zu erstatten, die ihr Vertragspartner nicht bezahlt hatte.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 2 der Sechsten Richtlinie bestimmt:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1.      Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;

2.      die Einfuhr von Gegenständen.“

4        Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Als Lieferung eines Gegenstands gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.“

5        Der in Abschnitt VII „Steuertatbestand und Steueranspruch“ der Richtlinie enthaltene Art. 10 bestimmt:

„(1)      Im Sinne dieser Richtlinie gilt als

a)      Steuertatbestand: der Tatbestand, durch den die gesetzlichen Voraussetzungen für den Steueranspruch verwirklicht werden;

b)      Steueranspruch: der Anspruch, den der Fiskus nach dem Gesetz gegenüber dem Steuerschuldner von einem bestimmten Zeitpunkt ab auf die Zahlung der Steuer geltend machen kann, selbst wenn Zahlungsaufschub gewährt werden kann.

(2)      Der Steuertatbestand und der Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung des Gegenstands oder die Dienstleistung bewirkt wird. …“

6        Art. 11 Teil C Abs. 1 der Sechsten Richtlinie, der in ihrem Abschnitt VIII „Besteuerungsgrundlage“ steht, sieht vor:

„Im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes wird die Besteuerungsgrundlage unter von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert.

Jedoch können die Mitgliedstaaten im Falle der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung von dieser Regel abweichen.“

7        Der in Abschnitt XV „Vereinfachungsmaßnahmen“ dieser Richtlinie enthaltene Art. 27 bestimmt:

„(1) Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhindern. Die Maßnahmen zur Vereinfachung der Steuererhebung dürfen den Gesamtbetrag der von dem Mitgliedstaat im Stadium des Endverbrauchs erhobenen Steuer nur in unerheblichem Maße beeinflussen.

(5)      Die Mitgliedstaaten, die am 1. Januar 1977 Sondermaßnahmen von der Art der in Absatz 1 genannten angewandt haben, können sie aufrechterhalten, sofern sie diese der Kommission vor dem 1. Januar 1978 mitteilen und unter der Bedingung, dass diese Sondermaßnahmen – sofern es sich um Maßnahmen zur Erleichterung der Steuererhebung handelt – dem in Absatz 1 festgelegten Kriterium entsprechen.“

8        Die Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. L 76, S. 1), die auf Tabakwaren Anwendung findet, sieht in ihrem Art. 6 Abs. 1 vor, dass die Verbrauchsteuer mit der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr entsteht, d. h. u. a. bei der Herstellung oder Einfuhr dieser Erzeugnisse außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung.

9        Art. 10 der Richtlinie 95/59/EG des Rates vom 27. November 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer (ABl. L 291, S. 40) lautet:

„(1)      Spätestens in der Endstufe werden die Modalitäten der Erhebung der Verbrauchsteuer harmonisiert. In den vorhergehenden Stufen wird die Verbrauchsteuer grundsätzlich mittels Steuerzeichen entrichtet. Die Mitgliedstaaten haben, falls sie die Verbrauchsteuer mittels Steuerzeichen erheben, diese Zeichen den Herstellern und Händlern der anderen Mitgliedstaaten zur Verfügung zu stellen. Falls die Mitgliedstaaten die Verbrauchsteuer auf anderem Wege erheben, haben sie darauf zu achten, dass hieraus weder verwaltungsmäßige noch technische Hemmnisse für den Handel zwischen den Mitgliedstaaten entstehen.

(2)      Für die Importeure und die Hersteller von Tabakwaren gelten die in Absatz 1 genannten Modalitäten für die Erhebung und Zahlung der Verbrauchsteuer.“

 Nationales Recht

10      Art. 77 § 1 Nr. 7 des Mehrwertsteuergesetzbuchs lautet:

„Unbeschadet der Anwendung von Artikel 334 des Programmgesetzes vom 27. Dezember 2004 wird die Steuer auf Lieferungen von Gütern, Dienstleistungen oder innergemeinschaftliche Erwerbe von Gütern nach Verhältnis des entsprechenden Betrags erstattet:

7. bei Verlust der gesamten oder eines Teils der Preisforderung.“

11      Art. 58 § 1 des Mehrwertsteuergesetzbuchs bestimmt:

„In Bezug auf Tabakwaren, die in Belgien eingeführt, im Sinne von Artikel 25ter erworben oder hergestellt werden, wird die Steuer jedes Mal erhoben, wenn aufgrund der diesbezüglichen Gesetzes- und Verordnungsbestimmung für diese Waren belgische Akzisensteuer entrichtet werden muss. Die Steuer wird auf der Grundlage des auf der Steuerbanderole vermerkten Preises oder, wenn kein Preis angegeben ist, auf der für die Akzisensteuer berücksichtigten Besteuerungsgrundlage berechnet.

Die demgemäß erhobene Steuer ersetzt die Steuer, der Einfuhr, innergemeinschaftlicher Erwerb und Lieferung von Tabakwaren unterliegen.

Der König bestimmt die Einzelheiten der Erhebung der Steuer für Tabakwaren und die Personen, die zu deren Entrichtung verpflichtet sind.“

12      Art. 58 § 1 des Mehrwertsteuergesetzbuchs galt beim Erlass der Sechsten Richtlinie. Gemäß Art. 27 Abs. 5 dieser Richtlinie teilte das Königreich Belgien diese Bestimmung am 19. Dezember 1977 der Kommission mit. In dieser Mitteilung hieß es:

„B. Entrichtung der Steuer in einer vorhergehenden Phase

1.      Tabakwaren

Zur Erleichterung der Überwachung der Erhebung der Mehrwertsteuer in diesem Sektor wird die Steuer, die bei der Einfuhr und der Lieferung von Tabakwaren geschuldet wird, gleichzeitig mit den Akzisen [Verbrauchsteuern] erhoben. Beim Erwerb der Steuerbanderolen durch den Hersteller oder den Einführer wird die Mehrwertsteuer tatsächlich auf den Preis entrichtet, den der Verbraucher zu zahlen hat. Später wird keine Mehrwertsteuer erhoben, doch kann kein Abzug vorgenommen werden. Sämtliche Verkäufe von Tabakwaren sind einschließlich Steuer in Rechnung zu stellen …“

13      Der Königliche Erlass Nr. 13 vom 29. Dezember 1992 über die Mehrwertsteuerregelung für Tabakwaren (Belgisches Staatsblatt vom 31. Dezember 1992, S. 28086) bestimmt:

„Artikel 1

Der Anspruch auf Mehrwertsteuer für in Belgien eingeführte, im Sinne von Art. 25ter [des Mehrwertsteuergesetzbuchs] erworbene oder hergestellte Tabakwaren, einschließlich Tabakersatzstoffen, entsteht zum selben Zeitpunkt wie der Anspruch auf die Akzise.

Der gemäß Art. 58 § 1 [des Mehrwertsteuergesetzbuchs] berechnete Steuerbetrag ist vom Akzisenschuldner an den mit der Erhebung der Akzise beauftragten Einnehmer zu zahlen.

Artikel 2

Abweichend von Art. 5 Nrn. 8 und 9 des Königlichen Erlasses Nr. 1 über Maßnahmen im Hinblick auf die Gewährleistung der Zahlung der Mehrwertsteuer müssen Rechnungen über die Lieferung von Tabakwaren den Preis einschließlich der Mehrwertsteuer ausweisen. Die Rechnung muss außerdem die Angabe enthalten: ‚Tabakwaren: Mehrwertsteuer an der Quelle erhoben und nicht abzugsfähig‘.“

14      Nach Art. 6 des Gesetzes vom 10. Juni 1997 über die allgemeine Regelung, den Besitz, den Verkehr und die Kontrollen der Akzisenprodukte (Belgisches Staatsblatt vom 1. August 1997, S. 19836) entstehen Akzisen mit der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr, d. h. u. a. bei der Herstellung oder Einfuhr dieser Waren außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung.

15      Gemäß Art. 10 des Gesetzes vom 3. April 1997 über die Steuerregelung für verarbeiteten Tabak (Belgisches Staatsblatt vom 16. Mai 1997, S. 12105) müssen die Akzise, die Sonderakzise und die Mehrwertsteuer beim Bezug der Steuerzeichen entrichtet werden.

 Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage

16      Vandoorne ist für den Großhandel mit Tabakwaren als umsatzsteuerpflichtig im Register eingetragen. Sie ist insoweit als Zwischenhändlerin in der Handelskette für diese Erzeugnisse zwischen Herstellern und/oder Importeuren einerseits und den Verkäufern und/oder Einzelhändlern andererseits tätig.

17      Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass die Tabakwaren, die Vandoorne für die Ausübung ihrer Tätigkeiten geliefert wurden, bereits mit Steuerbanderolen versehen waren, die von Vandoornes Lieferanten in ihrer Eigenschaft als Hersteller oder Importeur gemäß Art. 58 § 1 des Mehrwertsteuergesetzbuchs und den Bestimmungen des Königlichen Erlasses Nr. 13 angebracht worden waren.

18      Es steht fest, dass die Rechnungen für diese an Vandoorne erbrachten Lieferungen gemäß Art. 2 des Königlichen Erlasses Nr. 13 die Angabe „Tabakwaren: Mehrwertsteuer an der Quelle erhoben und nicht abzugsfähig“ enthielten und demzufolge keinen gesonderten Mehrwertsteuerbetrag auswiesen. Die von Vandoorne vorgenommenen Lieferungen der betreffenden Erzeugnisse an ihre Vertragspartner enthielten die gleiche Angabe und wiesen daher ebenfalls keinen gesonderten Mehrwertsteuerbetrag aus.

19      In ihrer Umsatzsteueranmeldung für das erste Trimester 2006 beantragte Vandoorne bei der Steuerverwaltung die Erstattung der Mehrwertsteuer für Tabakwarenlieferungen an die Capitol BVBA (im Folgenden: Capitol) infolge des endgültigen Verlusts ihrer Forderung für diese Lieferungen nach der am 14. März 2005 erfolgten Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Capitol.

20      Dieser Antrag wurde von der Steuerverwaltung mit der Begründung zurückgewiesen, dass hinsichtlich dieser Lieferungen keine Mehrwertsteuer ausgewiesen sei, da die Mehrwertsteuer für die betreffenden Erzeugnisse vom Hersteller zusammen mit den Akzisen im Verfahren der einheitlichen Erhebung gemäß Art. 58 § 1 des Mehrwertsteuergesetzbuchs entrichtet worden sei.

21      Mit Urteil vom 8. Oktober 2008 wies die Rechtbank van eerste aanleg te Brugge den Antrag von Vandoorne ebenfalls als unbegründet zurück.

22      Der im Rechtsmittelverfahren angerufene Hof van beroep te Gent hat, ebenso wie der Belgische Staat, festgestellt, dass gemäß Art. 58 § 1 des Mehrwertsteuergesetzbuchs und den Bestimmungen des Königlichen Erlasses Nr. 13 keine Mehrwertsteuer auf der fraglichen Handelsstufe zwischen Vandoorne und Capitol erhoben worden sei, da diese vollständig an der Quelle beim Hersteller oder Importeur gleichzeitig mit den Verbrauchsteuern erhoben worden sei, und dass für die an Vandoorne erbrachten Lieferungen Rechnungen ausgestellt worden seien, auf denen die Mehrwertsteuer nicht als gesonderter Preisbestandteil ausgewiesen gewesen sei, so dass Vandoorne die Mehrwertsteuer auch nicht in Abzug gebracht habe. Auch auf der Rechnung von Vandoorne an Capitol sei die Mehrwertsteuer nicht gesondert ausgewiesen, was darauf hindeute, dass diese an der Quelle entrichtet worden und nicht abzugsfähig sei. Art. 77 § 1 des Mehrwertsteuergesetzbuchs sehe lediglich die Möglichkeit vor, dass die Mehrwertsteuer „auf Lieferungen von Gütern“ „erstattet“ werde.

23      Das vorlegende Gericht fragt sich jedoch, ob die Anwendung der in Art. 27 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Vereinfachungsmaßnahme zur Folge haben dürfe, dass einem solchen Zwischenhändler das Recht auf Erstattung der Mehrwertsteuer genommen werde, da diese in dem von dem betreffenden Zwischenhändler gezahlten Preis enthalten sei. Denn auch wenn es das System mit sich bringe, dass die Mehrwertsteuer mit der Anbringung der Steuerbanderolen durch den Hersteller oder Importeur ihren Charakter als Mehrwertsteuer verliere, könne nicht in Abrede gestellt werden, dass die Mehrwertsteuerbelastung auf jeder der folgenden Handelsstufen vollständig und ohne Abzugsmöglichkeit für den Steuerpflichtigen weitergegeben werde. Verliere ein Lieferant auf einer Zwischenstufe die Forderung gegenüber seinem Vertragspartner, könne er den entsprechenden Mehrwertsteuerbetrag nicht einziehen, obwohl er eben diesen Betrag an seinen eigenen Lieferanten gezahlt habe.

24      Vor diesem Hintergrund hat der Hof van beroep te Gent das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stehen die belgischen Rechtsvorschriften, insbesondere Art. 58 § 1 in Verbindung mit Art. 77 § 1 Nr. 7 des Mehrwertsteuergesetzbuchs, insoweit im Einklang mit Art. 27 der Sechsten Richtlinie, nach dem die Mitgliedstaaten Vereinfachungsmaßnahmen ergreifen können, und/oder mit Art. 11 Teil C Abs. 1 derselben Richtlinie, der bei vollständiger oder teilweiser Nichtzahlung einen Anspruch auf Erstattung von Mehrwertsteuer einräumt, als diese nationalen Rechtsvorschriften für die Lieferung von Tabakwaren eine Vereinfachung der Erhebung der Mehrwertsteuer in der Form vorsehen, dass diese Steuer einmalig an der Quelle erhoben wird, und den Steuerpflichtigen auf den verschiedenen Zwischenstufen, die die Mehrwertsteuer auf diese Tabakwaren getragen haben, den Anspruch auf Erstattung dieser Steuer bei Verlust der gesamten oder eines Teils der Preisforderung versagen?

 Zur Vorlagefrage

25      Eingangs ist daran zu erinnern, dass es im Verfahren nach Art. 267 AEUV nicht Sache des Gerichtshofs ist, über die Vereinbarkeit nationaler Vorschriften mit dem Unionsrecht zu befinden. Er kann jedoch dem vorlegenden Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts geben, die es diesem ermöglichen, die Frage der Vereinbarkeit bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu beurteilen (vgl. u. a. Urteile vom 5. Juli 2007, Fendt Italiana, C-145/06 und C-146/06, Slg. 2007, I-5869, Randnr. 30, sowie vom 9. März 2010, ERG u. a., C-379/08 und C-380/08, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 25).

26      Dementsprechend muss die Vorlagefrage so verstanden werden, dass das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen möchte, ob Art. 11 Teil C Abs. 1 und Art. 27 Abs. 1 und 5 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegenstehen, die dadurch, dass sie vorsieht, dass die Mehrwertsteuer mittels Steuerbanderolen in einem Mal und an der Quelle beim Hersteller oder Importeur von Tabakwaren erhoben wird, für Zwischenlieferanten, die zu einem späteren Zeitpunkt in der Kette der aufeinanderfolgenden Lieferungen tätig werden, das Recht auf Erstattung der Mehrwertsteuer ausschließt, wenn der Erwerber den Preis für diese Waren nicht zahlt.

27      Die in Art. 27 Abs. 1 und 5 der Sechsten Richtlinie genannten abweichenden Maßnahmen, die gestattet sind, „um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhüten“, sind eng auszulegen und dürfen von der in Art. 11 dieser Richtlinie geregelten Besteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer nur insoweit abweichen, als dies für die Erreichung dieses Ziels unbedingt erforderlich ist (vgl. Urteile vom 10. April 1984, Kommission/Belgien, 324/82, Slg. 1984, 1861, Randnr. 29, sowie vom 29. Mai 1997, Skripalle, C-63/96, Slg. 1997, I-2847, Randnr. 24). Überdies müssen sie zur Verwirklichung des mit ihnen verfolgten konkreten Ziels erforderlich und geeignet sein und dürfen die Ziele und Grundsätze der Sechsten Richtlinie nicht mehr als erforderlich beeinträchtigen (Urteile vom 19. September 2000, Ampafrance und Sanofi, C-177/99 und C-181/99, Slg. 2000, I-7013, Randnr. 60, sowie vom 29. April 2004, Sudholz, C-17/01, Slg. 2004, I-4243, Randnr. 46).

28      Im vorliegenden Fall hat die in den nationalen Vorschriften vorgesehene abweichende Regelung, die die Erhebung der Mehrwertsteuer mittels Steuerbanderolen gestattet – ebenso wie die niederländische Regelung, um die es in dem Urteil vom 15. Juni 2006, Heintz van Landewijck (C-494/04, Slg. 2006, I-5381, Randnrn. 24, 44, 54 und 62), ging – den Zweck und die Wirkung, Hinterziehungen und Missbrauch zu verhindern sowie die Steuererhebung zu vereinfachen, die aufgrund dieser abweichenden Regelung nur auf einer einzigen Stufe der Handelskette für die betreffenden Erzeugnisse erfolgt, indem die Mehrwertsteuer zum gleichen Zeitpunkt wie die Verbrauchsteuern erhoben wird, bevor der Steuertatbestand im Sinne von Art. 10 der Sechsten Richtlinie eintritt. Diese Regelung legt somit den Zeitpunkt der Entstehung des Mehrwertsteueranspruchs in der Weise fest, dass dieser mit demjenigen der Erhebung der Verbrauchsteuern zusammenfällt (vgl. Urteil vom 14. Juli 2005, British American Tobacco und Newman Shipping, C-435/03, Slg. 2005, I-7077, Randnrn. 45 und 46).

29      Im Übrigen steht fest, dass diese Regelung – wie sowohl aus Art. 58 § 1 des Mehrwertsteuergesetzbuchs als auch aus dem Text der in Randnr. 12 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Mitteilung des Königreichs Belgien gemäß Art. 27 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie hervorgeht – ebenso wie die niederländische Regelung, um die es in dem erwähnten Urteil Heintz van Landewijck (Randnr. 55) ging, den fälligen Mehrwertsteuerbetrag an den Preis des Erzeugnisses im Stadium des Endverbrauchs knüpft, da sich dieser Betrag im Verhältnis zu dem vom Verbraucher zu zahlenden Einzelhandelspreis bestimmt.

30      Art. 27 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie steht nur solchen Maßnahmen entgegen, die den Betrag der im Stadium des Endverbrauchs fälligen Steuer in nicht unerheblichem Maße beeinflussen (vgl. Urteile vom 12. Juli 1988, Direct Cosmetics und Laughtons Photographs, 138/86 und 139/86, Slg. 1988, 3937, Randnr. 52, sowie Heintz van Landewijck, Randnr. 57).

31      Selbst wenn der Hersteller oder Importeur unter bestimmten Umständen, wie beim Verlust der Erzeugnisse, ihrem Verkauf mit Verlust oder ihrem unrechtmäßigen Verkauf zu einem anderen als dem auf den Steuerzeichen angegebenen Einzelhandelspreis, im Rahmen einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden einen höheren Mehrwertsteuerbetrag zu entrichten hätte als den, der normalerweise nach dem harmonisierten System der Mehrwertsteuererhebung anfiele, genügt jedoch die bloße Möglichkeit, dass solche Umstände eintreten, nicht für die Annahme, dass diese Regelung den Betrag der im Stadium des Endverbrauchs fälligen Steuer in nicht unerheblichem Maße beeinflussen könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil Heintz van Landewijck, Randnrn. 56 bis 58). Eine Vereinfachungsmaßnahme verfolgt nämlich naturgemäß einen umfassenderen Ansatz als die durch sie ersetzte Regel und entspricht deshalb nicht unbedingt der genauen Lage jedes einzelnen Steuerpflichtigen (Urteil Sudholz, Randnr. 62).

32      Aus diesen Gründen verstößt eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht gegen die in Art. 27 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie festgelegten Kriterien und geht aus denselben Gründen nicht über das hinaus, was erforderlich ist, um die Erhebung der Mehrwertsteuer zu vereinfachen und Steuerhinterziehung oder -umgehung zu bekämpfen (vgl. in diesem Sinne Urteil Heintz van Landewijck, Randnrn. 58 und 59).

33      In ihren schriftlichen Erklärungen in der vorliegenden Rechtssache macht Vandoorne allerdings geltend, dass diese Regelung gegen Art. 11 Teil C Abs. 1 und Art. 27 Abs. 1 und 5 der Sechsten Richtlinie verstoße, da sie den Anspruch auf Mehrwertsteuererstattung im Fall der Nichtzahlung des Preises ausschließe. Art. 27 der Sechsten Richtlinie, der es den Mitgliedstaaten erlaube, abweichend von der allgemeinen Regel, wonach die Mehrwertsteuer auf jeder Stufe der Wirtschaftskette erhoben werde, eine Regelung einzuführen, nach der die Mehrwertsteuer einmalig erhoben werde, lasse nationale Maßnahmen zur Vereinfachung der Steuererhebung nämlich nur dann zu, wenn sie dazu bestimmt seien, Steuerhinterziehung oder -umgehung zu verhindern. Da jede Ausnahme eng auszulegen sei, dürfe eine solche abweichende Regelung jedoch keine Auswirkungen auf andere Mehrwertsteuerregelungen, wie die für die Erstattung dieser Steuer geltenden, haben. Im Übrigen verursache ihr der Verlust der Forderung, den sie im vorliegenden Fall erlitten habe, genau den gleichen Schaden, wie er einem normalen Steuerpflichtigen entstände, für den das System der aufgeteilten Mehrwertsteuer gelte, da im Rahmen der streitigen abweichenden Regelung jedes Zwischenglied in der Lieferkette die Mehrwertsteuer trage, die in dem an seinen Tabakwarenlieferanten gezahlten Preis enthalten sei.

34      Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

35      Wie nämlich aus Randnr. 28 des vorliegenden Urteils hervorgeht, steht fest, dass im Rahmen einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die Mehrwertsteuer auf Tabakwaren mittels Steuerbanderolen in einem Mal und im Voraus an der Quelle ausschließlich beim Hersteller oder Importeur dieser Erzeugnisse gleichzeitig mit den Verbrauchsteuern erhoben wird, bevor der Steuertatbestand im Sinne von Art. 10 der Sechsten Richtlinie eintritt.

36      Folglich müssen Zwischenlieferanten, die – wie Vandoorne im Ausgangsverfahren – in der Kette der aufeinanderfolgenden Lieferungen der betreffenden Erzeugnisse nach dem Hersteller oder Importeur tätig werden, einerseits bei Lieferungen, die sie von ihrem eigenen Lieferanten erhalten, keine Vorsteuer, die nach Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie sofort und vollständig abzugsfähig ist, entrichten und schulden andererseits keine Mehrwertsteuer auf der folgenden Stufe nach Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie bei an den Erwerber dieser Erzeugnisse erbrachten Lieferungen.

37      Es steht fest, dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens die Rechnungen über diese einzelnen Lieferungen – wie bereits in Randnr. 18 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist – gemäß dem in Randnr. 13 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Art. 2 des Königlichen Erlasses Nr. 13 keinen gesonderten Mehrwertsteuerbetrag ausweisen, da sie einen Preis angeben, der die vom Hersteller oder Importeur entrichtete Mehrwertsteuer einschließt, und den Hinweis „Tabakwaren: Mehrwertsteuer an der Quelle erhoben und nicht abzugsfähig“ enthalten.

38      Unter diesen Umständen können Zwischenlieferanten, da sie nicht zur Entrichtung der Mehrwertsteuer auf Lieferungen von Tabakwaren verpflichtet sind, keine Mehrwertsteuererstattung nach Art. 11 Teil C Abs. 1 der Sechsten Richtlinie verlangen, wenn der Erwerber den Preis für die betreffenden Lieferungen nicht zahlt.

39      Insoweit ist unerheblich, dass der Mehrwertsteuerbetrag, der an der Quelle vom Hersteller oder Importeur mittels Steuerbanderolen entrichtet worden ist, wirtschaftlich betrachtet im Preis der an die Zwischenlieferanten erbrachten Lieferungen enthalten ist. Denn dieser Umstand ändert nichts daran, dass den betreffenden Zwischenlieferanten nach den Mehrwertsteuervorschriften keine Steuerschuld auferlegt ist.

40      Da im Rahmen einer Regelung zur vereinfachten Erhebung der Mehrwertsteuer wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden der vom Hersteller oder Importeur mittels Steuerbanderolen entrichtete Mehrwertsteuerbetrag nicht an die Gegenleistung anknüpft, die der jeweilige Lieferant tatsächlich erhält, sondern – wie in Randnr. 29 des vorliegenden Urteils bereits festgestellt – an den Preis des Erzeugnisses im Stadium des Endverbrauchs, hat der Verlust der Forderung, die einem Zwischenlieferanten – wie der Klägerin des Ausgangsverfahrens – gegenüber seinem Vertragspartner zusteht, auch keine Verminderung der Besteuerungsgrundlage zur Folge.

41      Würde unter diesen Umständen einem solchen Zwischenlieferanten ein Mehrwertsteuerbetrag erstattet, wenn der Erwerber der Tabakwarenlieferungen den Preis nicht zahlt, so würde dies den im Stadium des Endverbrauchs geschuldeten Mehrwertsteuerbetrag und damit die dem Mitgliedstaat in diesem Stadium zufließenden Steuereinnahmen entgegen den Vorgaben von Art. 27 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie in erheblichem Maße beeinflussen, und zwar umso mehr, wenn sich der Antrag auf Erstattung der Mehrwertsteuer auf den gesamten vom Hersteller oder Importeur der Tabakwaren entrichteten Betrag richten müsste, weil die von ihnen im Voraus gezahlte Steuer in voller Höhe auf dem vom jeweiligen Zwischenlieferanten seinem Vertragspartner in Rechnung gestellten Preis lastet.

42      Wahrscheinlich können aber die betreffenden Erzeugnisse – wie die Kommission in ihren Erklärungen ausführt – aufgrund ihrer Eigenart noch an die Endverbraucher verkauft werden, insbesondere in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens durch den Vertreter des in Konkurs gefallenen Erwerbers. Es wäre somit nicht ausgeschlossen, dass diese Erzeugnisse entgegen dem Prinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems verbraucht würden, ohne dass die geschuldete Mehrwertsteuer teilweise oder sogar vollständig an den Fiskus entrichtet worden wäre.

43      Würde einem Zwischenlieferanten im Rahmen einer solchen Regelung ein Recht auf teilweise oder sogar vollständige Erstattung der Mehrwertsteuer zugestanden, wenn der Erwerber namentlich unter Berufung auf seine Insolvenz den Preis der Lieferungen nicht zahlt, könnte dies sowohl die Erhebung der Mehrwertsteuer deutlich erschweren als auch – wie die belgische und die tschechische Regierung in ihren Erklärungen vortragen – Missbräuchen und Steuerhinterziehung Vorschub leisten, während die Vereinfachung der Mehrwertsteuererhebung und die Verhinderung von Missbräuchen und Steuerhinterziehung gerade die Ziele sind, die mit dieser Regelung im Einklang mit Art. 27 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie verfolgt werden (vgl. entsprechend Urteile Heintz van Landewijck, Randnrn. 43, 62 und 65, sowie vom 13. Dezember 2007, BATIG, C-374/06, Slg. 2007, I-11271, Randnr. 39).

44      Der Zigarettenmarkt ist, wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, für die Entwicklung eines illegalen Handels besonders anfällig (vgl. Urteile vom 10. Dezember 2002, British American Tobacco [Investments] und Imperial Tobacco, C-491/01, Slg. 2002, I-11453, Randnr. 87, vom 29. April 2004, British American Tobacco, C-222/01, Slg. 2004, I-4683, Randnr. 72, sowie BATIG, Randnr. 34).

45      Dass ein Zwischenlieferant wie Vandoorne keinen Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer hat, wenn der Erwerber den Preis für die ihm gelieferten Tabakwaren nicht zahlt, ist demzufolge die zwangsläufige Konsequenz einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die gemäß den in Art. 27 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie festgelegten Kriterien bezweckt und bewirkt, bei diesen Erzeugnissen die Erhebung der Mehrwertsteuer zu vereinfachen und Steuerhinterziehung oder -umgehung zu bekämpfen.

46      Demzufolge ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 11 Teil C Abs. 1 und Art. 27 Abs. 1 und 5 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegenstehen, die dadurch, dass sie bei Tabakwaren zur Vereinfachung der Erhebung der Mehrwertsteuer und zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung oder -umgehung vorsieht, dass die Mehrwertsteuer mittels Steuerbanderolen in einem Mal und an der Quelle beim Hersteller oder Importeur der Tabakwaren erhoben wird, für Zwischenlieferanten, die zu einem späteren Zeitpunkt in der Kette der aufeinanderfolgenden Lieferungen tätig werden, das Recht auf Erstattung der Mehrwertsteuer ausschließt, wenn der Erwerber den Preis für diese Waren nicht zahlt.

 Kosten

47      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Art. 11 Teil C Abs. 1 und Art. 27 Abs. 1 und 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2004/7/EG des Rates vom 20. Januar 2004 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegenstehen, die dadurch, dass sie bei Tabakwaren zur Vereinfachung der Erhebung der Mehrwertsteuer und zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung oder -umgehung vorsieht, dass die Mehrwertsteuer mittels Steuerbanderolen in einem Mal und an der Quelle beim Hersteller oder Importeur der Tabakwaren erhoben wird, für Zwischenlieferanten, die zu einem späteren Zeitpunkt in der Kette der aufeinanderfolgenden Lieferungen tätig werden, das Recht auf Erstattung der Mehrwertsteuer ausschließt, wenn der Erwerber den Preis für diese Waren nicht zahlt.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Niederländisch.