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Verbundene Rechtssachen C-89/10 und C-96/10

Q-Beef NV

gegen

Belgische Staat

und

Frans Bosschaert

gegen

Belgische Staat u. a.

(Vorabentscheidungsersuchen der

Rechtbank van eerste aanleg te Brussel)

„Mit dem Unionsrecht unvereinbare nationale Abgaben – Abgaben, die aufgrund eines für mit dem Unionsrecht unvereinbar erklärten beitragsgestützten Systems der finanziellen Unterstützung entrichtet wurden – System, das durch ein neues, für mit dem Unionsrecht vereinbar erklärtes System ersetzt wurde – Rückerstattung der zu Unrecht erhobenen Abgaben – Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität – Dauer der Verjährungsfrist – Tag des Fristbeginns – Vom Staat und von Einzelnen beizutreibende Forderungen – Unterschiedliche Fristen“

Leitsätze des Urteils

1.        Unionsrecht – Unmittelbare Wirkung – Mit dem Unionsrecht unvereinbare nationale Abgaben – Erstattung – Umstände – Anwendung des nationalen Rechts – Darin festgelegte Verjährungs- oder Ausschlussfristen

2.        Unionsrecht – Unmittelbare Wirkung – Mit dem Unionsrecht unvereinbare nationale Abgaben – Erstattung – Umstände – Anwendung des nationalen Rechts – Darin festgelegte Verjährungsfrist für den Anspruch auf die Erstattung von Abgaben, die länger ist, wenn sich der Anspruch gegen einen als Vermittler aufgetretenen Einzelnen richtet, als wenn er sich gegen den Staat richtet – Zulässigkeit – Voraussetzung

3.        Vorabentscheidungsverfahren – Auslegung – Zeitliche Wirkung der Auslegungsurteile – Rückwirkung – Urteil, durch das die Unvereinbarkeit der Rückwirkung einer nationalen Regelung mit dem Unionsrecht festgestellt wird

(Art. 267 AEUV)

1.        Das Unionsrecht verbietet nicht, eine Verjährungsfrist von fünf Jahren, die die innerstaatliche Rechtsordnung eines Mitgliedstaats für Forderungen gegen diesen Staat vorsieht, auf Klagen anzuwenden, mit denen Abgaben zurückgefordert werden, die aufgrund eines mit dem Unionsrecht unvereinbaren „gemischten Beihilfe- und Abgabensystems“ entrichtet worden sind.

Die Mitgliedstaaten dürfen in Ermangelung harmonisierter Vorschriften über die Rückerstattung von unionsrechtswidrig erhobenen Abgaben weiterhin die Verfahrensvorschriften ihres innerstaatlichen Rechts, u. a. über die Ausschlussfristen, anwenden, sofern sie dabei die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität einhalten.

Der Grundsatz der Äquivalenz wird nicht dadurch verletzt, dass eine Verjährungsfrist von fünf Jahren auf alle Forderungen gegen den fraglichen Mitgliedstaat Anwendung findet und ihre Anwendbarkeit nicht davon abhängt, ob diese Forderungen auf einem Verstoß gegen nationales oder gegen Unionsrecht beruhen, was vom nationalen Gericht zu überprüfen ist. In Bezug auf den Effektivitätsgrundsatz ist die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Abgabepflichtigen und die Behörde schützt, mit dem Unionsrecht vereinbar. Solche Fristen sind nämlich nicht geeignet, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, auch wenn ihr Ablauf naturgemäß die vollständige oder teilweise Abweisung der erhobenen Klage zur Folge hat.

(vgl. Randnrn. 34-36, 38, Tenor 1)

2.        Das Unionsrecht steht einer nationalen Regelung, wonach für den Anspruch eines Einzelnen gegenüber einem anderen Einzelnen auf Erstattung der Abgaben, die Ersterer an Letzteren, der als Vermittler aufgetreten ist, rechtsgrundlos gezahlt hatte und die dieser für Rechnung des Erstgenannten an den Staat entrichtet hatte, eine längere Verjährungsfrist gilt, während für den Anspruch des Ersteren, wenn er die Abgaben unmittelbar an den Staat entrichtet hätte, eine kürzere, von der allgemeinen Regelung für Ansprüche auf Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge abweichende Frist gegolten hätte, nicht entgegen, sofern die als Vermittler auftretenden Einzelnem die eventuell für andere Einzelne entrichteten Beträge vom Staat tatsächlich zurückverlangen können.

(vgl. Randnr. 45, Tenor 2)

3.        Die Tatsache, dass der Gerichtshof in einem auf ein Vorabentscheidungsersuchen ergangenen Urteil die Rückwirkung der fraglichen nationalen Regelung für mit dem Unionsrecht unvereinbar erklärt hat, wirkt sich nicht auf den Beginn der im nationalen Recht für Forderungen gegen den fraglichen Mitgliedstaat vorgesehenen Verjährungsfrist aus.

Zum einen bestimmt sich der Beginn der Verjährungsfrist grundsätzlich nach nationalem Recht. Zum anderen ist eine auf ein entsprechendes Ersuchen ergangene Vorabentscheidung nicht konstitutiver, sondern rein deklaratorischer Natur und wirkt daher grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ausgelegten Vorschrift zurück. Das Unionsrecht verwehrt es einer nationalen Behörde folglich nur dann, sich auf den Ablauf einer angemessenen Verjährungsfrist zu berufen, wenn ihr Verhalten in Verbindung mit einer Ausschlussfrist dem Betroffenen jede Möglichkeit genommen hat, seine Rechte vor den nationalen Gerichten geltend zu machen.

(vgl. Randnrn. 47-48, 51, 53, Tenor 3)








URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

8. September 2011(*)

„Mit dem Unionsrecht unvereinbare nationale Abgaben – Abgaben, die aufgrund eines für mit dem Unionsrecht unvereinbar erklärten beitragsgestützten Systems der finanziellen Unterstützung entrichtet wurden – System, das durch ein neues, für mit dem Unionsrecht vereinbar erklärtes System ersetzt wurde – Rückerstattung der zu Unrecht erhobenen Abgaben – Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität – Dauer der Verjährungsfrist – Tag des Fristbeginns – Vom Staat und von Einzelnen beizutreibende Forderungen – Unterschiedliche Fristen“

In den verbundenen Rechtssachen C-89/10 und C-96/10

betreffend Vorabentscheidungsersuchen, eingereicht von der Rechtbank van eerste aanleg te Brussel (Belgien) mit Entscheidungen vom 29. Januar und 12. Januar 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 17. und 22. Februar 2010, in den Verfahren

Q-Beef NV (C-89/10)

gegen

Belgische Staat

und

Frans Bosschaert (C-96/10)

gegen

Belgische Staat,

Vleesgroothandel Georges Goossens en Zonen NV,

Slachthuizen Goossens NV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, des Richters L. Bay Larsen, der Richterinnen C. Toader (Berichterstatterin) und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Q-Beef NV und von F. Bosschaert, vertreten durch J. Arnauts-Smeets, advocaat,

–        der Vleesgroothandel Georges Goossens en Zonen NV und der Slachthuizen Goossens NV, vertreten durch A. D’Halluin und F. van Remoortel, advocaten,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux als Bevollmächtigten im Beistand von Y. Vastersavendts und E. Jacubowitz, advocaten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Thomas und H. van Vliet als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Mai 2011

folgendes

Urteil

1        Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Vereinbarkeit einer besonderen Verjährungsfrist von fünf Jahren des nationalen Rechts des Königreichs Belgien mit den unionsrechtlichen Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität sowie die Bestimmung des Fristbeginns.

2        Die Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Q-Beef NV (im Folgenden: Q-Beef) und dem belgischen Staat (C-89/10) und zwischen Herrn Bosschaert einerseits sowie den Gesellschaften Vleesgroothandel Georges Goossens en Zonen NV und Slachthuizen Goossens NV (im Folgenden zusammen: Goossens) andererseits (C-96/10) wegen der Möglichkeit, auf Klagen gegen den belgischen Staat auf Erstattung der an den Fonds für die Tiergesundheit und -erzeugung (im Folgenden: Fonds) entrichteten Beträge eine Verjährungsfrist von fünf Jahren anzuwenden.

 Rechtlicher Rahmen

 Nationale Rechtsvorschriften über den Fonds

 Regelung von 1987

3        Mit der belgischen Dierengezondheidswet (Gesetz über die Tiergesundheit) vom 24. März 1987 (Belgisch Staatsblad vom 17. April 1987, S. 5788, im Folgenden: Gesetz von 1987) wurde ein System zur Finanzierung von Leistungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Tierkrankheiten und der Verbesserung der Hygiene, der Gesundheit und der Qualität von Tieren und tierischen Erzeugnissen eingeführt (im Folgenden: Regelung von 1987). Das Gesetz von 1987 hat gemäß Art. 2 zum Ziel, die „Tierkrankheiten zu bekämpfen und somit die Volksgesundheit und den wirtschaftlichen Wohlstand der Tierhalter zu fördern“.

4        Art. 32 Abs. 2 des Gesetzes von 1987 bestimmte:

„Der [Fonds] wird beim Landwirtschaftsministerium eingerichtet … Der Fonds soll zur Finanzierung von Vergütungen, Zuschüssen und anderen Leistungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Tierkrankheiten und der Verbesserung der Hygiene, der Gesundheit und der Qualität von Tieren und tierischen Erzeugnissen beitragen. Der Fonds wird gespeist aus:

1.      Pflichtbeiträgen zulasten der natürlichen oder juristischen Personen, die Tiere … herstellen, verarbeiten, transportieren, bearbeiten, verkaufen oder vermarkten;

Wird der Pflichtbeitrag zulasten von Personen erhoben, die Tiere oder tierische Erzeugnisse verarbeiten, transportieren, bearbeiten, verkaufen oder vermarkten, so wird er bei jedem Verkaufsvorgang bis zur Erzeugerstufe abgewälzt.“

5        Nach dem Gesetz von 1987 konnte der König die Höhe dieser Pflichtbeiträge und die Art und Weise ihrer Erhebung durch Verordnung festlegen. Mit Koninklijk besluit betreffende de verplichte bijdragen aan het Fonds voor de gezondheid en de produktie van de dieren (Königlicher Erlass über die Pflichtbeiträge an den Fonds für Tiergesundheit und tierische Erzeugung) vom 11. Dezember 1987 (Belgisch Staatsblad vom 23. Dezember 1987, S. 19317, im Folgenden: Erlass von 1987) wurde von den Schlachthöfen und den Exporteuren mit Wirkung vom 1. Januar 1988 ein Pflichtbeitrag je geschlachtetes oder lebend ausgeführtes Kalb, Rind oder Schwein erhoben. Die Schlachthöfe und Exporteure sollten die ihnen auferlegten Pflichtbeiträge auf den Lieferanten der Tiere abwälzen, der diese gegebenenfalls an den Verkäufer bis hin zum Erzeuger abwälzte. Das Gesetz und der Erlass von 1987 wurden danach mehrfach geändert. Die Kommission ist von keiner dieser Regelungen gemäß Art. 93 Abs. 3 EWG-Vertrag (dann Art. 93 Abs. 3 EG-Vertrag, dann Art. 88 Abs. 3 EG) unterrichtet worden.

 Gesetz von 1998

6        Aufgrund der Entscheidung 91/538/EWG der Kommission vom 7. Mai 1991 über den Fonds für Tiergesundheit und tierische Erzeugung in Belgien (ABl. L 294, S. 43), mit der die Regelung von 1987 für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt wurde, und gemäß der Wet betreffende de oprichting van een Begrotingsfonds voor de gezondheid en de kwaliteit van de dieren en de dierlijke producten (Gesetz über die Schaffung eines Haushaltsfonds für Gesundheit und Qualität der Tiere und tierischen Erzeugnisse) vom 23. März 1998 (Belgisch Staatsblad vom 30. April 1998, S. 13469, im Folgenden: Gesetz von 1998) wurde die Regelung von 1987 aufgehoben und durch eine neue Regelung (im Folgenden: Regelung von 1998) mit einem rückwirkend zum 1. Januar 1988 geltenden neuen System von Pflichtbeiträgen und einem neuen Fonds, dem Haushaltsfonds für Gesundheit und Qualität der Tiere und tierischen Erzeugnisse (im Folgenden zusammen mit dem Fonds der Regelung von 1987: Fonds), ersetzt. Die Regelung von 1998 unterscheidet sich insofern wesentlich von der Regelung von 1987, als sie keinen Beitrag für eingeführte Tiere mehr vorsieht und ab dem 1. Januar 1997 die Beiträge für ausgeführte Tiere nicht mehr zu entrichten sind.

7        Art. 5 des Gesetzes von 1998 bestimmt, dass der Fonds von 1998 u. a. aus Beiträgen gespeist wird, die von natürlichen und juristischen Personen erhoben werden, die Tiere oder tierische Erzeugnisse herstellen, verarbeiten, transportieren, bearbeiten, verkaufen oder vermarkten.

8        Art. 14 des Gesetzes von 1998 sieht Beiträge für Schlachthöfe und Exporteure vor. Diese Beiträge sind je nach Zeitraum, für den sie geschuldet werden, unterschiedlich hoch. Diese Vorschrift bestimmt:

„Folgende Pflichtbeiträge an den Fonds werden Schlachthöfen und Exporteuren auferlegt:

Diese Pflichtbeiträge werden auf den Erzeuger überwälzt.

Die Pflichtbeiträge sind nur für inländische Tiere zu entrichten. Sie sind nicht für eingeführte Tiere zu entrichten. Sie sind ab dem 1. Januar 1997 nicht mehr für ausgeführte Tiere zu entrichten.

Was eingeführte Tiere betrifft, werden die ab dem 1. Januar 1988 in Anwendung des [Erlasses von 1987], abgeändert durch die Königlichen Erlasse vom 8. April 1989, 23. November 1990, 19. April 1993, 15. Mai 1995, 25. Februar 1996 und 13. März 1997, gezahlten Pflichtbeiträge den Gläubigern zurückgezahlt, die den Beweis erbringen, dass die von ihnen gezahlten Pflichtbeiträge eingeführte Tiere betrafen, dass diese Pflichtbeiträge nicht auf den Erzeuger überwälzt worden sind oder dass ihre Überwälzung annulliert worden ist und dass sie die gesamten Pflichtbeiträge für inländische Tiere, einschließlich ausgeführter Schlachttiere und der ausgeführten Zucht- und Nutztiere, gezahlt haben.“

9        Mit den Art. 15 und 16 des Gesetzes von 1998 werden den Verantwortlichen von Betrieben mit Schweinehaltung sowie Milchbetrieben und Inhabern von Genehmigungen für den Verkauf von Milcherzeugnissen Beiträge auferlegt.

10      Art. 17 Abs. 2 des Gesetzes von 1998 sieht vor, dass von Rechts wegen ein Ausgleich vorgenommen wird zwischen den nach der Regelung von 1987 gezahlten Beiträgen und den nach der Regelung von 1998 geschuldeten Beiträgen.

 Nationale Rechtsvorschriften, die die Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge und die Verjährung betreffen

11      Art. 1376 Burgerlijk Wetboek (Zivilgesetzbuch) lautet:

„Wer irrtümlicherweise oder wissentlich etwas erhalten hat, was ihm nicht geschuldet war, ist verpflichtet, es demjenigen zurückzugeben, von dem er es ohne Rechtsgrund erhalten hat.“

12      Art. 2262bis Abs. 1 Unterabs. 1 Burgerlijk Wetboek in der Fassung des am 27. Juli 1998 in Kraft getretenen Gesetzes vom 10. Juni 1998 sieht vor:

„Alle persönlichen Ansprüche verjähren nach zehn Jahren.“

13      Art. 2244 Burgerlijk Wetboek definiert die wesentlichen Gründe für eine Unterbrechung der Verjährung und sieht in seinen ersten beiden Absätzen Folgendes vor:

„Die zivilrechtliche Fristunterbrechung erfolgt durch Zustellung einer Klageschrift, einer Zahlungsaufforderung oder eines Pfändungsbeschlusses an denjenigen, dem gegenüber die Verjährung unterbrochen werden soll.

Die Klageerhebung unterbricht die Verjährung bis zur Verkündung einer rechtskräftigen Entscheidung.“

14      Art. 100 Nr. 1 der Gecoördineerde wetten op de Rijkscomptabiliteit (koordinierte Gesetze über die Rechnungsführung des Staates) vom 17. Juli 1991 (Belgisch Staatsblad vom 21. August 1991, S. 17960) bestimmt:

„Verjährt und dauerhaft an den Staat gefallen sind unbeschadet der Verfallserklärungen aufgrund anderer einschlägiger Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder Vertragsbestimmungen:

1.      Forderungen, deren in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften festgelegte Anmeldung nicht innerhalb einer Frist von fünf Jahren ab dem 1. Januar des Haushaltsjahrs erfolgt ist, in dessen Verlauf sie entstanden sind;

…“

15      Art. 101 der koordinierten Gesetze über die Rechnungsführung des Staates bestimmt:

„Die Verjährung wird durch die Klageerhebung bis zur Verkündung einer rechtskräftigen Entscheidung unterbrochen.“

16      Zur Verjährung einer Regressklage sieht Art. 2257 Burgerlijk Wetboek Folgendes vor:

„Die Verjährung beginnt

bei einer Regressklage erst mit der Abweisung des Hauptantrags;

…“

 Verfahren vor der Kommission

17      Die Kommission stellte mit der Entscheidung 91/538 gemäß dem Verfahren nach Art. 93 EG-Vertrag fest, dass die Regelung von 1987 im Sinne von Art. 92 EWG-Vertrag (dann Art. 92 EG-Vertrag, dann nach Änderung Art. 87 EG) mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist und daher nicht mehr durchgeführt werden darf, soweit die Pflichtabgaben auf der Schlachtstufe auch auf aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte Tiere und Erzeugnisse erhoben werden.

18      Mit Schreiben vom 7. Dezember 1995 und 20. Mai 1996 unterrichtete das Königreich Belgien die Kommission gemäß Art. 93 Abs. 3 EG-Vertrag über einen Entwurf gesetzgeberischer Maßnahmen, mit denen die Regelung von 1987 abgeschafft und durch eine neue Regelung ersetzt werden sollte.

19      Dieser Entwurf, aus dem das Gesetz von 1998 hervorging, regelte u. a. das Problem der Erhebung von Abgaben auf eingeführte Tiere, das die Kommission veranlasst hatte, in ihrer Entscheidung 91/538 festzustellen, dass die Regelung von 1987 mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist.

20      Der Gesetzesentwurf wurde mit Entscheidung der Kommission vom 30. Juli 1996 zur Genehmigung staatlicher Beihilfen gemäß den Artikeln [87] und [88] des EG-Vertrags (ABl. 1997, C 1, S. 2) für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

 Rechtssache C-89/10

21      Q-Beef ist ein belgisches Unternehmen, das mit Tieren handelt und diese u. a. ausführt. Im Rahmen seiner Ausfuhren entrichtete sie Beiträge an den belgischen Staat gemäß der für den Fonds geltenden Regelung. Q-Beef macht geltend, sie habe zwischen Januar 1993 und April 1998 einen Gesamtbetrag von 137 164 Euro gezahlt, den sie vom belgischen Staat zurückverlangt.

22      Nach dem Urteil vom 21. Oktober 2003, van Calster u. a. (C-261/01 und C-262/01, Slg. 2003, I-12249), in dem festgestellt worden war, dass das Gesetz von 1998 nicht rückwirkend für die Zeit vor der Entscheidung, mit der die Kommission den Gesetzesentwurf, der zu diesem Gesetz geführt hatte, als mit dem Gemeinsamen Markt für vereinbar erklärt hatte, angewendet werden durfte, erhob Q-Beef am 2. April 2007 bei der Rechtbank van eerste aanleg te Brussel Klage gegen den belgischen Staat auf Erstattung der betreffenden Beiträge.

23      Das vorlegende Gericht hat ausgeführt, dass die für die Forderung von Q-Beef gegen den belgischen Staat geltende Verjährungsfrist von fünf Jahren gemäß Art. 100 Nr. 1 der koordinierten Gesetze über die Rechnungsführung des Staates am 1. Januar des Haushaltsjahrs, in dem die Forderung entstanden sei, begonnen habe. Im vorliegenden Fall sei dies das Jahr, in dem das Gesetz von 1998 in Kraft getreten sei, d. h. der 1. Januar 1998, denn durch dieses Gesetz sei der Ausgleich zwischen den nach dem neuen System geschuldeten Forderungen und den nach der Regelung von 1987 entrichteten Beiträgen am 1. Januar 1998 eingeführt worden. Die Frist habe am 31. Dezember 2002 um Mitternacht geendet. Da am 2. April 2007 gegen den belgischen Staat Klage erhoben worden sei, sei die Forderung von Q-Beef gegen den belgischen Staat nach innerstaatlichem belgischem Recht verjährt gewesen. Entgegen den Ausführungen von Q-Beef habe das Urteil van Calster u. a. nach nationalem Recht nur deklaratorische Wirkung, so dass es die Verjährung nicht in Lauf gesetzt habe.

24      Unter diesen Umständen hat die Rechtbank van eerste aanleg te Brussel das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Hindert das Unionsrecht das nationale Gericht daran, die Verjährungsfrist von fünf Jahren, die in der innerstaatlichen Rechtsordnung für Forderungen gegen den Staat vorgesehen ist, auf Forderungen betreffend die Erstattung von Abgaben anzuwenden, die an einen Mitgliedstaat aufgrund eines gemischten Systems von Beihilfen und Abgaben entrichtet wurden, das nicht nur teilweise rechtswidrig, sondern zugleich teilweise unvereinbar mit dem Unionsrecht war, und die vor dem Inkrafttreten eines neuen Beihilfe- und Pflichtbeitragssystems gezahlt wurden, das das erste System ersetzt und das durch eine abschließende Entscheidung der Kommission für mit dem Unionsrecht vereinbar erklärt wurde, jedoch nicht, soweit diese Beiträge für einen vor Erlass der entsprechenden Entscheidung liegenden Zeitraum rückwirkend auferlegt werden?

2.      Hindert das Unionsrecht einen Mitgliedstaat daran, sich auf im Vergleich mit dem innerstaatlichen allgemeinen Recht für ihn besonders günstige nationale Verjährungsfristen zu berufen zur Verteidigung in einem von einem Einzelnen gegen ihn eingeleiteten Verfahren zum Schutz von Rechten des Einzelnen aus dem EG-Vertrag in einem Fall wie dem vom nationalen Gericht vorgelegten, in dem diese besonders günstigen nationalen Verjährungsfristen zur Folge haben, dass die Rückforderung von Abgaben, die aufgrund eines nicht nur teilweise rechtswidrigen, sondern zugleich mit dem Unionsrecht teilweise unvereinbaren gemischten Beihilfe- und Abgabensystems an den Mitgliedstaat entrichtet wurden, unmöglich wird, obwohl die Unvereinbarkeit mit dem Unionsrecht durch den Gerichtshof erst nach Ablauf dieser besonders günstigen Verjährungsfristen festgestellt wurde, auch wenn die Rechtswidrigkeit schon vorher bestand?

 Rechtssache C-96/10

25      Herr Bosschaert ist von Beruf Landwirt und zahlte für den Zeitraum von 1989 bis 1996 an Goossens die Beiträge an den Fonds für die Tiere, die für seine Rechnung geschlachtet worden waren. Er zahlte die Beiträge an die Vleesgroothandel Georges Goossens en Zonen NV, diese leitete sie weiter an die Slachthuizen Goossens NV, die sie schließlich an den Fonds übertrug. Herr Bosschaert verlangt die Rückerstattung dieser Beiträge, insgesamt 38 842,46 Euro, da sie zu Unrecht von ihm erhoben worden seien, weil das entsprechende Gesetz gegen das Unionsrecht verstoße.

26      Am 31. Juli 2007, also nach dem Erlass des Urteils van Calster u. a., erhob Herr Bosschaert bei der Rechtbank van eerste aanleg te Brussel Klage gegen den belgischen Staat auf Rückerstattung der von ihm zu Unrecht erhobenen Beiträge, hilfsweise gegen Goossens für den Fall, dass seiner Klage gegen den belgischen Staat nicht stattgegeben würde.

27      Mit ihren im Rahmen dieses Verfahrens eingereichten Schriftsätzen vom 21. November 2007 stellte Goossens zwei Zwischenanträge gegen den belgischen Staat, zum einen eine Regressklage für den Fall, dass sie zur Rückerstattung der von Herrn Bosschaert erhobenen Beiträge verurteilt würde, und zum anderen eine Klage auf Rückerstattung der von ihr an den Fonds gezahlten Beiträge.

28      Wie auch in der Rechtssache C-89/10 führt das vorlegende Gericht aus, dass die Erstattungsansprüche von Herrn Bosschaert und von Goossens gegen den belgischen Staat nach innerstaatlichem belgischem Recht verjährt seien. Entgegen den Ausführungen von Herrn Bosschaert und Goossens sei die Vorabentscheidung in der Rechtssache van Calster u. a. rein deklaratorisch und nicht konstitutiv für die Rechtsgrundlosigkeit der Zahlungen, da sie sich auf die Feststellung beschränke, dass die Abgaben wegen ihrer rückwirkenden Erhebung rechtswidrig gewesen seien.

29      Da jedoch die von Herrn Bosschaert gegen Goossens erhobenen Klagen als „persönliche Ansprüche“ anzusehen seien, betrage die Verjährungsfrist für diese zehn Jahre. Diese Frist sei für Rechtsstreitigkeiten zwischen Privatparteien durch das Gesetz vom 10. Juni 1998 zur Änderung des Burgerlijk Wetboek eingeführt worden und habe erst am 27. Juli 1998, dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes, begonnen. Folglich sei am 31. Juli 2007, als die Klagen erhoben worden seien, noch keine Verjährung eingetreten gewesen. Die am 21. November 2007 erhobenen Regressklagen von Goossens gegen den belgischen Staat seien erst recht nicht verjährt, weil sie auf die von Herrn Bosschaert im Juli 2007 erhobenen Klagen folgten.

30      Unter diesen Umständen hat die Rechtbank van eerste aanleg te Brussel das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, von denen die erste und die dritte Frage mit der ersten und der zweiten Frage in der Rechtssache C-89/10 identisch sind und die zweite Frage folgenden Wortlaut hat:

Steht in dem Fall, dass ein Mitgliedstaat einem Einzelnen Abgaben auferlegt, der seinerseits verpflichtet ist, die Abgaben an andere Einzelne abzuwälzen, mit denen er eine Handelstätigkeit in einem Sektor ausübt, für den der Mitgliedstaat ein gemischtes System von Beihilfen und Abgaben vorgesehen hat, das sich jedoch später nicht nur als teilweise rechtswidrig, sondern auch als mit dem Unionsrecht unvereinbar erwies, das Unionsrecht dem entgegen, dass für diese Einzelnen gemäß den nationalen Vorschriften eine kürzere Verjährungsfrist für die Rückforderung mit dem Unionsrecht unvereinbarer Beiträge gegenüber dem Mitgliedstaat gilt, während gegenüber einer privaten Zwischenperson eine längere Verjährungsfrist für die Rückforderung der gleichen Beiträge gilt, so dass diese Zwischenperson sich möglicherweise in einer Situation befindet, in der die Forderung gegen ihn nicht verjährt ist, wohl aber die Forderung gegenüber dem Mitgliedstaat, und diese Zwischenperson damit von anderen Wirtschaftsteilnehmern in Anspruch genommen werden kann und gegebenenfalls gegen den Mitgliedstaat Regressklage erheben muss, jedoch die Beiträge, die sie selbst unmittelbar an den Mitgliedstaat geleistet hat, von diesem nicht zurückfordern kann?

31      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 6. April 2010 sind die Rechtssachen C-89/10 und C-96/10 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

 Zu den Vorlagefragen

 Vorbemerkung

32      Nach ständiger Rechtsprechung ist mangels einer einschlägigen Unionsregelung die Bestimmung der zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, wobei diese Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein dürfen als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Grundsatz der Effektivität) (vgl. u. a. Urteil vom 19. Mai 2011, Iaia u. a., C-452/09, Slg. 2011, I-0000, Randnr. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 Zur ersten Frage in den Rechtssachen C-89/10 und C-96/10

33      Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren das Unionsrecht verbietet, eine Verjährungsfrist von fünf Jahren, die die innerstaatliche Rechtsordnung für Forderungen gegen den Staat vorsieht, auf Klagen anzuwenden, mit denen Abgaben zurückgefordert werden, die aufgrund eines mit dem Unionsrecht unvereinbaren „gemischten Beihilfe- und Abgabensystems“ entrichtet worden sind.

34      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten in Ermangelung harmonisierter Vorschriften über die Rückerstattung von unionsrechtswidrig erhobenen Abgaben weiterhin die Verfahrensvorschriften ihres innerstaatlichen Rechts, u. a. über die Ausschlussfristen, anwenden dürfen, sofern sie dabei die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität einhalten.

35      Im vorliegenden Fall ist der Grundsatz der Äquivalenz offensichtlich nicht verletzt, da die Verjährungsfrist von fünf Jahren auf alle Forderungen gegen den belgischen Staat Anwendung findet und ihre Anwendbarkeit nicht davon abhängt, ob diese Forderungen auf einem Verstoß gegen nationales oder gegen Unionsrecht beruhen, was vom vorlegenden Gericht noch zu überprüfen ist.

36      Zum Effektivitätsgrundsatz hat der Gerichtshof entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Abgabepflichtigen und die Behörde schützt, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Solche Fristen sind nämlich nicht geeignet, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren, auch wenn ihr Ablauf naturgemäß die vollständige oder teilweise Abweisung der erhobenen Klage zur Folge hat (vgl. Urteil Iaia u. a., Randnr. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung). So wurde beispielsweise eine nationale Verjährungsfrist von drei Jahren für angemessen gehalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. April 2010, Barth, C-542/08, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 29).

37      Wie aus den Vorlagebeschlüssen hervorgeht, wird in den Ausgangsverfahren nicht bestritten, dass die anzuwendende Verjährungsfrist fünf Jahre beträgt. Da dem Gerichtshof keine besonderen Umstände zur Kenntnis gebracht worden sind, kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Frist gegen den Grundsatz der Effektivität verstößt.

38      Folglich ist auf die erste Frage in den Rechtssachen C-89/10 und C-96/10 zu antworten, dass das Unionsrecht unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren nicht verbietet, eine Verjährungsfrist von fünf Jahren, die die innerstaatliche Rechtsordnung für Forderungen gegen den Staat vorsieht, auf Klagen anzuwenden, mit denen Abgaben zurückgefordert werden, die aufgrund eines mit dem Unionsrecht unvereinbaren „gemischten Beihilfe- und Abgabensystems“ entrichtet worden sind.

 Zur zweiten Frage in der Rechtssache C-96/10

39      Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens für den Anspruch eines Einzelnen gegenüber einem anderen Einzelnen auf Erstattung der Abgaben, die Ersterer an Letzteren, der als Zwischenperson aufgetreten ist, rechtsgrundlos gezahlt hatte und die dieser für Rechnung des Erstgenannten an den Staat entrichtet hatte, eine längere Verjährungsfrist gilt, während für den Anspruch des Ersteren eine kürzere Frist gegolten hätte, wenn er die Abgaben unmittelbar an den Staat entrichtet hätte.

40      Nach Angaben des vorlegenden Gerichts sind die Erstattungsansprüche von Herrn Bosschaert und von Goossens gegen den Staat aufgrund der für Forderungen gegen den Staat geltenden besonderen Verjährungsfrist von fünf Jahren verjährt, während der Anspruch von Herrn Bosschaert gegen Goossens nicht verjährt ist, weil er innerhalb der für Ansprüche gegen Private auf Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge geltenden Verjährungsfrist von zehn Jahren erhoben worden ist.

41      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Unionsrecht es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, sich gegenüber Klagen auf Erstattung von Abgaben, die unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben worden sind, auf eine dreijährige nationale Ausschlussfrist zu berufen, die von der in der allgemeinen Regelung vorgesehenen günstigeren Frist für Klagen gegen Private auf Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge abweicht, wenn diese Ausschlussfrist in gleicher Weise auf alle Klagen auf Erstattung von Abgaben unabhängig davon angewandt wird, ob sie auf das Unionsrecht oder auf das innerstaatliche Recht gestützt werden (vgl. Urteile vom 15. September 1998, Edis, C-231/96, Slg. 1998, I-4951, Randnr. 39, und Spac, C-260/96, Slg. 1998, I-4997, Randnr. 23, sowie vom 10. September 2002, Prisco und CASER, C-216/99 und C-222/99, Slg. 2002, I-6761, Randnr. 70).

42      Überdies erfüllen die Verjährungsfristen allgemein den Zweck, Rechtssicherheit zu gewährleisten, die gleichermaßen den betroffenen Steuerpflichtigen und die betroffene Verwaltung schützt (vgl. in diesem Sinne Urteile Edis, Randnr. 35, und vom 28. Oktober 2010, SGS Belgium u. a., C-367/09, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 68). Der Gerichtshof hat außerdem festgestellt, dass der Grundsatz der Effektivität nicht verletzt ist, wenn für die Finanzverwaltung eine angeblich günstigere nationale Verjährungsfrist gilt als für den Einzelnen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Mai 2008, Ecotrade, C-95/07 und C-96/07, Slg. 2008, I-3457, Randnrn. 49 bis 54).

43      Dagegen wäre der Grundsatz der Effektivität verletzt, wenn Goossens weder einen Anspruch auf Erstattung der betreffenden Abgabe während der Frist von fünf Jahren noch nach einer von Herrn Bosschaert nach Ablauf dieser Frist gegen Goossens erhobenen Klage auf Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge ein Rückgriffsrecht gegen den Staat gehabt hätte und als Zwischenperson die Folgen der vom Staat zu verantwortenden rechtsgrundlosen Zahlung der Abgaben allein hätte tragen müssen.

44      Goossens könnte jedoch im Ausgangsverfahren gemäß den Ausführungen des vorlegenden Gerichts und entgegen dem Vorbringen der belgischen Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen, wenn sie dazu verurteilt würde, Herrn Bosschaert die nicht geschuldeten Beträge zu erstatten, diese vom Staat zurückfordern, zwar nicht mit einer Klage auf Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge, weil ein solcher Anspruch aufgrund der besonderen Frist bereits nach fünf Jahren verjährt ist, wohl aber mit einer Regressklage wegen einer persönlichen Forderung. Nach Angabe des vorlegenden Gerichts sind nämlich die Regressklagen von Goossens, die sie am 21. November 2007 gegen den belgischen Staat erhoben hat, nicht verjährt.

45      Folglich ist die zweite Frage in der Rechtssache C-96/10 dahin zu beantworten, dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung, wonach unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens für den Anspruch eines Einzelnen gegenüber einem anderen Einzelnen auf Erstattung der Abgaben, die Ersterer an Letzteren, der als Zwischenperson aufgetreten ist, rechtsgrundlos gezahlt hatte und die dieser für Rechnung des Erstgenannten an den Staat entrichtet hatte, eine längere Verjährungsfrist gilt, während für den Anspruch des Ersteren, wenn er die Abgaben unmittelbar an den Staat entrichtet hätte, eine kürzere, von der allgemeinen Regelung für Ansprüche auf Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge abweichende Frist gegolten hätte, nicht entgegensteht, sofern der als Zwischenperson auftretende Einzelne die eventuell für andere Einzelne entrichteten Beträge vom Staat tatsächlich zurückverlangen kann.

 Zur zweiten Frage in der Rechtssache C-89/10 und zur dritten Frage in der Rechtssache C-96/10

46      Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob sich unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren die Tatsache, dass der Gerichtshof in einem auf ein Vorabentscheidungsersuchen ergangenen Urteil die Rückwirkung der fraglichen nationalen Regelung für mit dem Unionsrecht unvereinbar erklärt hat, auf den Beginn der im nationalen Recht für Forderungen gegen den Staat vorgesehenen Verjährungsfrist auswirkt.

47      Erstens ist darauf hinzuweisen, dass sich, wie der Generalanwalt in Nr. 55 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der Beginn der Verjährungsfrist grundsätzlich nach nationalem Recht bestimmt. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine etwaige Feststellung eines Unionsrechtsverstoßes durch den Gerichtshof für den Beginn der Verjährungsfrist grundsätzlich unerheblich (vgl. Urteil Iaia u. a., Randnr. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Zweitens ist entgegen den Ausführungen der Kläger der Ausgangsverfahren und nach gefestigter Rechtsprechung eine auf ein entsprechendes Ersuchen ergangene Vorabentscheidung nicht konstitutiver, sondern rein deklaratorischer Natur und wirkt daher grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ausgelegten Vorschrift zurück (vgl. Urteil vom 12. Februar 2008, Kempter, C-2/06, Slg. 2008, I-411, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Zwar hatte der Gerichtshof zum Beginn der Verjährungsfrist festgestellt, dass sich der säumige Mitgliedstaat bis zum Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Umsetzung einer Richtlinie nicht auf die Verspätung einer Klage berufen kann, die ein Einzelner zum Schutz der ihm durch diese Richtlinie verliehenen Rechte gegen ihn erhoben hat, da eine Klagefrist des nationalen Rechts erst zu diesem Zeitpunkt beginnen kann (vgl. Urteil vom 25. Juli 1991, Emmott, C-208/90, Slg. 1991, I-4269, Randnr. 23).

50      Gleichwohl hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung im Anschluss an das Urteil Emmott es für zulässig erklärt, dass der säumige Mitgliedstaat gegen Klagen Ausschlussfristen einwenden kann, auch wenn er im Zeitpunkt der Erhebung der Klagen die betreffende Richtlinie noch nicht ordnungsgemäß umgesetzt hatte, und die Entscheidung in der Rechtssache Emmott mit den besonderen Umständen jenes Falles gerechtfertigt, in dem die Ausschlusswirkung dazu geführt hatte, dass der Klägerin des Ausgangsverfahrens jegliche Möglichkeit genommen wurde, ihren auf eine Richtlinie gestützten Anspruch geltend zu machen (vgl. Urteil Iaia u. a., Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

51      Der Gerichtshof hat dazu ausgeführt, dass das Unionsrecht es einer nationalen Behörde nur dann verwehrt, sich auf den Ablauf einer angemessenen Verjährungsfrist zu berufen, wenn ihr Verhalten in Verbindung mit einer Ausschlussfrist dem Betroffenen jede Möglichkeit genommen hat, seine Rechte vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteile Barth, Randnr. 33, sowie Iaia u. a., Randnr. 21).

52      Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts begann in den Ausgangsverfahren die Verjährungsfrist am 1. Januar 1998 und endete am 31. Dezember 2002, während das Urteil van Calster u. a. erst am 21. Oktober 2003, also nach Ablauf der besonderen Verjährungsfrist von fünf Jahren, verkündet wurde. Die Festsetzung des Beginns dieser Frist auf den 1. Januar 1998 nahm den Betroffenen jedoch nicht jede Möglichkeit, ihre Rechte aus dem Unionsrecht vor den nationalen Gerichten geltend zu machen, wie sich aus den bei den belgischen Gerichten erhobenen Klagen in den dem Urteil van Calster u. a. zugrunde liegenden Rechtssachen ergibt.

53      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auf die zweite Frage in der Rechtssache C-89/10 und die dritte Frage in der Rechtssache C-96/10 zu antworten, dass sich unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren die Tatsache, dass der Gerichtshof in einem auf ein Vorabentscheidungsersuchen ergangenen Urteil die Rückwirkung der fraglichen nationalen Regelung für mit dem Unionsrecht unvereinbar erklärt hat, nicht auf den Beginn der im nationalen Recht für Forderungen gegen den Staat vorgesehenen Verjährungsfrist auswirkt.

 Kosten

54      Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren verbietet das Unionsrecht nicht, eine Verjährungsfrist von fünf Jahren, die die innerstaatliche Rechtsordnung für Forderungen gegen den Staat vorsieht, auf Klagen anzuwenden, mit denen Abgaben zurückgefordert werden, die aufgrund eines mit dem Unionsrecht unvereinbaren „gemischten Beihilfe- und Abgabensystems“ entrichtet worden sind.

2.      Das Unionsrecht steht einer nationalen Regelung, wonach unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens für den Anspruch eines Einzelnen gegenüber einem anderen Einzelnen auf Erstattung der Abgaben, die Ersterer an Letzteren, der als Zwischenperson aufgetreten ist, rechtsgrundlos gezahlt hatte und die dieser für Rechnung des Erstgenannten an den Staat entrichtet hatte, eine längere Verjährungsfrist gilt, während für den Anspruch des Ersteren, wenn er die Abgaben unmittelbar an den Staat entrichtet hätte, eine kürzere, von der allgemeinen Regelung für Ansprüche auf Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge abweichende Frist gegolten hätte, nicht entgegen, sofern der als Zwischenperson auftretende Einzelne die eventuell für andere Einzelne entrichteten Beträge vom Staat tatsächlich zurückverlangen kann.

3.      Unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren wirkt sich die Tatsache, dass der Gerichtshof in einem auf ein Vorabentscheidungsersuchen ergangenen Urteil die Rückwirkung der fraglichen nationalen Regelung für mit dem Unionsrecht unvereinbar erklärt hat, nicht auf den Beginn der im nationalen Recht für Forderungen gegen den Staat vorgesehenen Verjährungsfrist aus.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Niederländisch.