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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

15. Mai 2014(*)

„Zollkodex der Gemeinschaft – Anwendungsbereich der Art. 203 und 204 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 – Externes Versandverfahren – Entstehung der Zollschuld wegen Nichterfüllung einer Pflicht – Verspätete Gestellung der Waren bei der Bestimmungsstelle – Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Art. 10 Abs. 3 – Zusammenhang zwischen der Entstehung der Zollschuld und der Entstehung der Mehrwertsteuerschuld – Begriff der steuerbaren Umsätze“

In der Rechtssache C-480/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 12. Oktober 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Oktober 2012, in dem Verfahren

Minister van Financiën

gegen

X BV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter) und E. Levits, der Richterin M. Berger sowie des Richters S. Rodin,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der X BV, vertreten durch A. Bal,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch C. S. Schillemans, C. Wissels und B. Koopman als Bevollmächtigte,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

–        der hellenischen Regierung, vertreten durch M. Tassopoulou und I. Pouli als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und W. Roels als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Februar 2014

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 203 und 204 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 648/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005 (ABl. L 117, S. 13) geänderten Fassung (im Folgenden: Zollkodex) in Verbindung mit den Art. 356 und 859 Nr. 2 Buchst. c der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92 (ABl. L 253, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 444/2002 der Kommission vom 11. März 2002 (ABl. L 68, S. 11) geänderten Fassung (im Folgenden: Durchführungsverordnung) und von Art. 7 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2004/66/EG des Rates vom 26. April 2004 (ABl. L 168, S. 35) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Minister van Financiën und der X BV (im Folgenden: X) wegen eines von dieser gestellten Antrags auf Erstattung von Zöllen und Umsatzsteuer, die wegen Überschreitens der Frist für die Gestellung der betreffenden Ware geschuldet waren.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 4 des Zollkodex sieht vor:

„Im Sinne dieses Zollkodex ist oder sind

13)      zollamtliche Überwachung: allgemeine Maßnahmen der Zollbehörden, um die Einhaltung des Zollrechts und gegebenenfalls der sonstigen für Waren unter zollamtlicher Überwachung geltenden Vorschriften zu gewährleisten;

14)      Zollkontrollen: besondere von den Zollbehörden durchgeführte Handlungen zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Anwendung der zollrechtlichen und sonstigen Vorschriften über den Eingang, den Ausgang, den Versand, die Beförderung und die besondere Verwendung von Waren, die zwischen dem Zollgebiet der Gemeinschaft und Drittländern befördert werden, sowie über das Vorhandensein von Waren ohne Gemeinschaftsstatus; zu diesen Handlungen können die Beschau der Waren, die Überprüfung der Anmeldungsdaten und des Vorhandenseins und der Echtheit elektronischer oder schriftlicher Unterlagen, die Prüfung der Unternehmensbuchführung und sonstiger Aufzeichnungen, die Kontrolle der Beförderungsmittel, die Kontrolle des Gepäcks und sonstiger Waren, die von oder an Personen mitgeführt werden, die Vornahme behördlicher Nachforschungen und andere ähnliche Handlungen gehören;

…“

4        Art. 37 des Zollkodex lautet:

„(1)      Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, unterliegen vom Zeitpunkt des Verbringens an der zollamtlichen Überwachung. Sie können nach dem geltenden Recht Zollkontrollen unterzogen werden.

(2)      Sie bleiben so lange unter zollamtlicher Überwachung, wie es für die Ermittlung ihres zollrechtlichen Status erforderlich ist, und, im Fall von Nichtgemeinschaftswaren unbeschadet des Artikels 82 Absatz 1, bis sie ihren zollrechtlichen Status wechseln, in eine Freizone oder ein Freilager verbracht, wiederausgeführt oder nach Artikel 182 vernichtet oder zerstört werden.“

5        Art. 50 des Zollkodex bestimmt:

„Bis zum Erhalt einer zollrechtlichen Bestimmung haben die gestellten Waren die Rechtsstellung von Waren in vorübergehender Verwahrung. Diese Waren werden nachstehend als ‚vorübergehend verwahrte Waren‘ bezeichnet.“

6        Art. 55 des Zollkodex sieht vor:

„Sobald Nichtgemeinschaftswaren, die in einem Versandverfahren befördert worden sind, am Bestimmungsort im Zollgebiet der Gemeinschaft nach Maßgabe der Vorschriften für das betreffende Versandverfahren gestellt worden sind, finden die Artikel 43 bis 53 Anwendung.“

7        In Art. 91 des Zollkodex heißt es:

„(1)      Im externen Versandverfahren können folgende Waren zwischen zwei innerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft gelegenen Orten befördert werden:

a)      Nichtgemeinschaftswaren, ohne dass diese Waren Einfuhrabgaben, anderen Abgaben oder handelspolitischen Maßnahmen unterliegen;

(2)      Die Beförderung nach Absatz 1 erfolgt

a)      im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren;

…“

8        Art. 92 des Zollkodex bestimmt:

„(1)      Das externe Versandverfahren endet und die Verpflichtungen des Inhabers des Verfahrens sind erfüllt, wenn die in dem Verfahren befindlichen Waren und die erforderlichen Dokumente entsprechend den Bestimmungen des betreffenden Verfahrens am Bestimmungsort der dortigen Zollstelle gestellt werden.

(2)      Die Zollbehörden erledigen das externe Versandverfahren, wenn für sie auf der Grundlage eines Vergleichs der der Abgangszollstelle zur Verfügung stehenden Angaben mit den der Bestimmungszollstelle zur Verfügung stehenden Angaben ersichtlich ist, dass das Verfahren ordnungsgemäß beendet ist.“

9        Art. 96 des Zollkodex lautet:

„(1)      Der Hauptverpflichtete ist der Inhaber des externen gemeinschaftlichen Versandverfahrens. Er hat

a)      die Waren innerhalb der vorgeschriebenen Frist unter Beachtung der von den Zollbehörden zur Nämlichkeitssicherung getroffenen Maßnahmen unverändert der Bestimmungszollstelle zu gestellen;

b)      die Vorschriften über das gemeinschaftliche Versandverfahren einzuhalten.

…“

10      Art. 203 des Zollkodex sieht vor:

„(1)      Eine Einfuhrzollschuld entsteht,

–        wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.

(2)      Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.

(3)      Zollschuldner sind:

–        die Person, welche die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen hat;

–        die Personen, die an dieser Entziehung beteiligt waren, obwohl sie wussten oder billigerweise hätten wissen müssen, dass sie die Ware der zollamtlichen Überwachung entziehen;

–        die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie im Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder billigerweise hätten wissen müssen, dass diese der zollamtlichen Überwachung entzogen worden war;

–        gegebenenfalls die Person, welche die Verpflichtungen einzuhalten hatte, die sich aus der vorübergehenden Verwahrung einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware oder aus der Inanspruchnahme des betreffenden Zollverfahrens ergeben.“

11      Art. 204 des Zollkodex lautet:

„(1)      Eine Einfuhrzollschuld entsteht, wenn in anderen als den in Artikel 204 genannten Fällen

a)      eine der Pflichten nicht erfüllt wird, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das sie übergeführt worden ist, ergeben, oder

b)      eine der Voraussetzungen für die Überführung einer Ware in das betreffende Verfahren oder für die Gewährung eines ermäßigten Einfuhrabgabensatzes oder einer Einfuhrabgabenfreiheit aufgrund der Verwendung der Ware zu besonderen Zwecken nicht erfüllt wird,

es sei denn, dass sich diese Verfehlungen nachweislich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben.

(2)      Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Pflicht, deren Nichterfüllung die Zollschuld entstehen lässt, nicht mehr erfüllt wird, oder dem Zeitpunkt, in dem die Ware in das betreffende Zollverfahren übergeführt worden ist, wenn sich nachträglich herausstellt, dass eine der Voraussetzungen für die Überführung dieser Ware in das Verfahren oder für die Gewährung eines ermäßigten Einfuhrabgabensatzes oder einer Einfuhrabgabenfreiheit aufgrund der Verwendung der Ware zu besonderen Zwecken nicht wirklich erfüllt war.

(3)      Zollschuldner ist die Person, welche die Pflichten zu erfüllen hat, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus deren vorübergehender Verwahrung oder aus der Inanspruchnahme des betreffenden Zollverfahrens ergeben, oder welche die Voraussetzungen für die Überführung der Ware in dieses Zollverfahren zu erfüllen hat.“

12      Art. 356 der Durchführungsverordnung bestimmt:

„(1)      Die Abgangsstelle legt die Frist fest, innerhalb der die Waren der Bestimmungsstelle zu gestellen sind; dabei berücksichtigt sie die vorgesehene Beförderungsstrecke, die einschlägigen Beförderungs- und sonstigen Rechtsvorschriften sowie gegebenenfalls die Angaben des Hauptverpflichteten.

(2)      Diese von der Abgangsstelle gesetzte Frist bindet die Zollbehörden der Länder, deren Gebiet bei einer Beförderung im gemeinsamen Versandverfahren berührt wird, und darf von diesen Behörden nicht geändert werden.

(3)      Werden Waren der Bestimmungsstelle erst nach Ablauf der von der Abgangsstelle gesetzten Frist gestellt, so gilt diese Frist als gewahrt, sofern gegenüber der Bestimmungsstelle glaubhaft gemacht wird, dass die Nichteinhaltung auf vom Beförderer oder Hauptverpflichteten nicht zu vertretende Umstände zurückzuführen ist.“

13      Art. 859 dieser Richtlinie lautet:

„Folgende Verfehlungen gelten im Sinne des Artikels 204 Absatz 1 des Zollkodex als Verfehlungen, die sich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben, sofern

–        es sich nicht um den Versuch handelt, die Waren der zollamtlichen Überwachung zu entziehen;

–        keine grobe Fahrlässigkeit des Beteiligten vorliegt;

–        alle notwendigen Förmlichkeiten erfüllt werden, um die Situation der Waren zu bereinigen:

1.      die Überschreitung der Frist, vor deren Ablauf die Waren eine der im Rahmen der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens vorgesehenen zollrechtlichen Bestimmungen erhalten haben müssen, wenn eine Fristverlängerung gewährt worden wäre, sofern sie rechtzeitig beantragt worden wäre;

2.      im Fall von in ein Versandverfahren überführten Waren, die Nichteinhaltung einer der aus der Inanspruchnahme des Verfahrens erwachsenen Verpflichtungen, sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a)      Die in das Verfahren überführten Waren sind der Bestimmungsstelle tatsächlich unverändert gestellt worden;

b)      die Bestimmungsstelle hat festgestellt, dass diese Waren nach Beendigung des Versandverfahrens eine zollrechtliche Bestimmung erhalten haben oder sich in der vorübergehenden Verwahrung befinden, und

c)      die gemäß Artikel 356 festgelegte Frist wurde zwar überschritten und Artikel 356 Absatz 3 findet keine Anwendung, aber die Waren wurden der Bestimmungsstelle dennoch innerhalb eines vertretbaren Zeitraums gestellt“.

…“

14      In Art. 860 dieser Verordnung heißt es:

„Die Zollbehörden betrachten eine Zollschuld als im Sinne des Artikels 204 Absatz 1 des Zollkodex entstanden, es sei denn, der vermutliche Zollschuldner weist nach, dass die Voraussetzungen des Artikels 859 erfüllt sind.“

15      Art. 865 dieser Verordnung bestimmt:

„Die Zollanmeldung einer Ware oder jede andere Handlung mit den gleichen Rechtswirkungen sowie die Vorlage eines Dokuments zur Bescheinigung durch die zuständigen Behörden stellen ein Entziehen der Ware aus der zollamtlichen Überwachung im Sinne des Artikels 203 Absatz 1 des Zollkodex dar, wenn dieses Vorgehen zur Folge hat, dass der Ware fälschlicherweise der zollrechtliche Status einer Gemeinschaftsware zuerkannt wird.

…“

16      Art. 866 der Durchführungsverordnung sieht vor:

„Ist eine Einfuhrzollschuld nach Artikel 202, 203, 204 oder 205 des Zollkodex entstanden und sind die Einfuhrabgaben entrichtet worden, so gilt unbeschadet der Einhaltung der auf die Ware gegebenenfalls anwendbaren Vorschriften über Verbote und Beschränkungen die betreffende Ware als Gemeinschaftsware, ohne dass es hierfür einer Anmeldung zur Überführung in den freien Verkehr bedarf.“

17      Art. 2 der Sechsten Richtlinie bestimmte:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen:

2.      die Einfuhr von Gegenständen.“

18      Art. 7 der Sechsten Richtlinie lautete:

„(1)      Die Einfuhr eines Gegenstands liegt vor,

a)      wenn ein Gegenstand, der nicht die Bedingungen der Artikel [23 EG und 24 EG] erfüllt oder wenn ein Gegenstand im Sinne des [EGKS-Vertrags], der sich nicht im freien Verkehr befindet, in die Gemeinschaft verbracht wird,

b)      wenn ein nicht unter Buchstabe a) fallender Gegenstand mit Herkunft aus einem Drittlandsgebiet in die Gemeinschaft verbracht wird.

(2)      Die Einfuhr eines Gegenstandes erfolgt in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Gegenstand zu dem Zeitpunkt befindet, in dem er in die Gemeinschaft verbracht wird.

(3)      Bei einem Gegenstand im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe a), der vom Zeitpunkt seiner Verbringung in die Gemeinschaft an einer der Regelungen nach Artikel 16 Absatz 1 Teil B, Buchstaben a), b), c) und d) der Regelung der vorübergehenden Einfuhr bei vollständiger Befreiung von Eingangsabgaben oder dem externen Versandverfahren unterliegt, erfolgt abweichend von Absatz 2 die Einfuhr in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Gegenstand nicht mehr diesen Regelungen unterliegt.

Unterliegt ein Gegenstand im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b) vom Zeitpunkt seiner Verbringung in die Gemeinschaft an einer der Regelungen nach Artikel 33a Absatz 1 Buchstabe b) oder c), so erfolgt die Einfuhr in den Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Gegenstand nicht mehr diesen Regelungen unterliegt.“

19      Art. 10 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie sah vor:

„Der Steuertatbestand und der Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Einfuhr des Gegenstands erfolgt. Unterliegen Gegenstände vom Zeitpunkt ihrer Verbringung in die Gemeinschaft an einer der Regelungen nach Art. 7 Abs. 3 dieser Richtlinie, so treten der Steuertatbestand und der Steueranspruch erst zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Gegenstände diesen Regelungen nicht mehr unterliegen.

…“

20      Art. 16 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie sah vor:

„Unbeschadet der übrigen gemeinschaftlichen Steuerbestimmungen können die Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Konsultation nach Artikel 29 Sondermaßnahmen treffen, um folgende Umsätze oder einige von ihnen nicht der Mehrwertsteuer zu unterwerfen, sofern diese nicht für eine endgültige Verwendung und/oder einen Endverbrauch bestimmt sind und sofern der bei dem Verbringen in den freien Verkehr erhobene Mehrwertsteuerbetrag der Höhe der Abgabe entspricht, die bei der Besteuerung dieser Umsätze bei der Einfuhr oder im Inland hätte erhoben werden müssen:

A.      die Einfuhr von Gegenständen, die einer anderen Lagerregelung als der Zolllagerregelung unterliegen sollen;

B.      die Lieferungen von Gegenständen,

a)      die zollamtlich erfasst und gegebenenfalls vorläufig verwahrt bleiben sollen,

b)      die einer Freizonenregelung oder einer Freilagerregelung unterliegen sollen,

c)      die einer Zolllagerregelung oder einer Regelung für den aktiven Veredelungsverkehr unterliegen sollen,

…“

 Niederländisches Recht

21      Art. 1 der Wet houdende vervanging van de bestaande omzetbelasting door een omzetbelasting volgens het stelsel van heffing over de toegevoegde waarde (Gesetz über die Ersetzung der bestehenden Umsatzsteuer durch eine Umsatzsteuer nach dem Mehrwertsteuersystem) vom 28. Juni 1968 bestimmt:

„Eine als ‚Umsatzsteuer‘ bezeichnete Steuer wird erhoben auf:

d)      die Einfuhr von Waren“.

22      Art. 18 dieses Gesetzes sieht vor:

„(1)  Als Einfuhr von Waren gilt:

a)       die Verbringung von Waren in die Niederlande, die nicht die Bedingungen der Art. 23 [EG] und 24 [EG] erfüllen;

b)       die Verbringung von anderen als den in Buchst. a genannten Waren aus einem Drittstaat in die Niederlande;

c)       die Beendigung eines Zollverfahrens in den Niederlanden oder der Umstand, dass Waren einem Zollverfahren in den Niederlanden entzogen werden;

(2)       Für die Anwendung dieses Artikels gelten als Zollverfahren:

a)       die vorübergehende Verwahrung im Sinne von Art. 50 des … Zollkodex;

c)       die Zollverfahren im Sinne von Art. 4 Abs. 16 Buchst. b, c, d, e und, im Fall einer vollständigen Befreiung von den Einfuhrabgaben, f des … Zollkodex.

(3)       Als Einfuhr gilt nicht die Verbringung von Waren im Sinne von Abs. 1 Buchst. a und b in die Niederlande, die sich in einem Zollverfahren befinden oder die nach ihrem Verbringen in die Niederlande in ein Zollverfahren überführt werden. Eine Einfuhr liegt auch nicht vor, wenn ein Zollverfahren in den Niederlanden endet und ein weiteres Zollverfahren sich anschließt.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

23      Am 26. Oktober nahm X eine elektronische Anmeldung vor, um einen Dieselmotor in das externe gemeinschaftliche Versandverfahren zu überführen. Die Frist für die Gestellung des Motors bei der Bestimmungsstelle wurde auf den 28. Oktober 2005 festgesetzt.

24      Der Motor wurde dieser Zollstelle erst am 14. November 2005, also 17 Tage nach Ablauf der gesetzten Frist, gestellt, und er wurde in das Zollverfahren des aktiven Veredelungsverkehrs mit Zollrückvergütung überführt. Die betreffende Zollstelle stellte nach der Annahme dieser Anmeldung fest, dass das vorangegangene Zollverfahren, also das externe gemeinschaftliche Versandverfahren, nicht ordnungsgemäß abgeschlossen worden sei und erklärte die Überführung für ungültig.

25      Der zuständige Inspecteur (im Folgenden: Inspecteur) setzte X von dieser Situation in Kenntnis und gab dieser Gesellschaft die Möglichkeit, den Nachweis dafür zu erbringen, dass das Zollverfahren ordnungsgemäß abgeschlossen worden sei; diesen Nachweis konnte sie nicht führen. Der Inspecteur gelangte daher zu dem Schluss, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Motor im Sinne von Art. 203 Abs. 1 des Zollkodex der zollamtlichen Überwachung entzogen worden sei. Aus diesem Grund forderte er von X Zölle und Umsatzsteuer nach.

26      Die Rechtbank te Haarlem erklärte die von X erhobene Klage für begründet und gab dem Inspecteur auf, den entrichteten Betrag an Zöllen und Umsatzsteuer zu erstatten. Der Inspecteur legte gegen das Urteil dieses Gerichts Berufung beim Gerechtshof te Amsterdam ein, der die Entscheidung der Rechtbank te Haarlem bestätigte.

27      Der Minister van Financiën legte beim Hoge Raad der Nederlanden Kassationsbeschwerde ein.

28      Das vorlegende Gericht stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen an die Überschreitung der nach Art. 356 Abs. 1 der Durchführungsverordnung gesetzten Frist zu knüpfen sind. Insbesondere stelle sich die Frage, ob ein Verstoß gegen diese Verpflichtung ohne Weiteres als eine Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung im Sinne von Art. 203 Abs. 1 des Zollkodex angesehen werden müsse, so dass Zoll geschuldet werde, oder ob es um die Nichterfüllung einer der sich aus der Inanspruchnahme des betreffenden Zollverfahrens ergebenden Pflichten gehe, bei der von einer Erhebung dieses Zolls abgesehen werden müsste, sofern es sich um eine Verfehlung ohne wirkliche Auswirkungen auf die ordnungsgemäße Abwicklung dieses Zollverfahrens im Sinne von Art. 204 Abs. 1 am Ende des Zollkodex in Verbindung mit Art. 859 der Durchführungsverordnung handelte. Sollte entschieden werden, dass eine Zollschuld nach Art. 204 Abs. 1 des Zollkodex entstanden sei, stelle sich zudem die Frage, ob nicht nur Zölle geschuldet würden, sondern auch Umsatzsteuer.

29      Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad der Nederlanden beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      a)     Sind die Art. 203 und 204 des Zollkodex in Verbindung mit Art. 859 (insbesondere Nr. 2 Buchst. c) der Durchführungsverordnung dahin auszulegen, dass das (bloße) Überschreiten der gemäß Art. 356 Abs. 1 der Durchführungsverordnung festgelegten Versandfrist nicht zu einer Zollschuld wegen Entziehens aus der zollamtlichen Überwachung im Sinne von Art. 203 des Zollkodex führt, sondern zu einer Zollschuld nach Art. 204 des Zollkodex?

b)      Ist für eine Bejahung der Frage 1. a) erforderlich, dass die Betroffenen den Zollbehörden gegenüber Angaben zu den Gründen der Fristüberschreitung machen oder ihnen gegenüber wenigstens erklären, wo sich die Waren in dem Zeitraum zwischen dem gemäß Art. 356 der Durchführungsverordnung festgelegten Fristende und dem Zeitpunkt der tatsächlichen Gestellung bei der Bestimmungszollstelle befunden haben?

2.      Ist die Sechste Richtlinie, insbesondere ihr Art. 7, dahin auszulegen, dass Mehrwertsteuer geschuldet wird, wenn eine Zollschuld ausschließlich nach Art. 204 des Zollkodex entsteht?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

30      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Gestellung von Waren bei der Bestimmungszollstelle nach Ablauf der vorgesehenen Frist eine Zollschuld nach Art. 203 oder nach Art. 204 des Zollkodex entstehen lässt. Es fragt ferner danach, ob das Entstehen einer Zollschuld gemäß Art. 204 des Zollkodex voraussetzt, dass die Betroffenen Angaben zu den Gründen der Überschreitung der gemäß Art. 356 Abs. 1 der Durchführungsverordnung festgelegten Versandfrist oder dazu machen, wo sich die Waren in dem betreffenden Zeitraum befunden haben.

31      Zur Beantwortung der auf diese Weise umformulierten ersten Frage ist zunächst der Hinweis angebracht, dass die Art. 203 und 204 des Zollkodex einen unterschiedlichen Anwendungsbereich haben. Während der erstgenannte Artikel die Handlungen betrifft, die dazu führen, dass die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird, bezieht sich der zweitgenannte auf Pflichtverletzungen und die Nichterfüllung von Voraussetzungen im Zusammenhang mit den verschiedenen Zollverfahren, die sich auf die zollamtliche Überwachung nicht ausgewirkt haben (Urteil Hamann International, C-337/01, EU:C:2004:90, Rn. 28).

32      Art. 204 des Zollkodex findet nach seinem Wortlaut nur in den Fällen Anwendung, die nicht unter Art. 203 dieses Kodex fallen (Urteil Hamann International, EU:C:2004:90, Rn. 29).

33      Um entscheiden zu können, welcher dieser beiden Artikel die Grundlage für die Entstehung einer Einfuhrzollschuld ist, ist daher in erster Linie zu untersuchen, ob die betreffenden Handlungen eine Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung im Sinne von Art. 203 Abs. 1 des Zollkodex darstellen. Nur wenn dies zu verneinen ist, kann eine Anwendung von Art. 204 des Zollkodex in Betracht kommen (Urteil Hamann International, EU:C:2004:90, Rn. 30).

34      Im Einzelnen ist zu dem Begriff der Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung in Art. 203 Abs. 1 des Zollkodex zu bemerken, dass dieser Begriff nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs so zu verstehen ist, dass er jede Handlung oder Unterlassung umfasst, die dazu führt, dass die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und der Durchführung der in Art. 37 Abs. 1 des Zollkodex vorgesehenen Prüfungen gehindert wird (Urteile D. Wandel, C-66/99, EU:C:2001:69, Rn. 47; Liberexim, C-371/99, EU:C:2002:433, Rn. 55, und Hamann International, EU:C:2004:90, Rn. 31).

35      Angesichts dieser Auslegung ist festzustellen, dass – wie der Generalanwalt in den Nrn. 42 und 43 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – auch wenn bei der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ware mehr als zwei Wochen lang nicht bekannt war, wo sie sich befand und somit eine Unmöglichkeit des Zugriffs auf sie nur vorübergehender Natur bestanden haben kann, nach der Rechtsprechung die Anwendung von Art. 203 des Zollkodex gerechtfertigt ist, wenn das Verschwinden der Ware die Gefahr eines Eintritts in den Wirtschaftskreislauf der Europäischen Union mit sich brachte (vgl. in diesem Sinne Urteile Liberexim, EU:C:2002:433, Rn. 56, und Honeywell Aerospace, C-300/03, EU:C:2005:43, Rn. 20).

36      Das Vorhandensein von Nichtgemeinschaftswaren im Zollgebiet der Union birgt nämlich die Gefahr, dass diese Waren letztlich unverzollt in den Wirtschaftskreislauf der Mitgliedstaaten gelangen, wobei Art. 203 des Zollkodex dazu beiträgt, dass diese Gefahr sich nicht verwirklicht (vgl. entsprechend Urteil DSV Road, C-234/09, EU:C:2010:435, Rn. 31).

37       Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, wurde die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Ware der Bestimmungszollstelle um 17 Tage verspätet gestellt. Mithin steht fest, dass diese Ware nicht ohne Abfertigung in den Wirtschaftskreislauf gelangt ist. Folglich ist es – vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht – dem Anschein nach ausgeschlossen, dass Art. 203 des Zollkodex auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens Anwendung findet.

38      Daher ist zu prüfen, ob der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens unter Art. 204 Abs. 1 Buchst. a des Zollkodex fallen kann.

39      Gemäß Art. 204 Abs. 1 Buchst. a des Zollkodex entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine der Pflichten nicht erfüllt wird, die sich bei einer einfuhrabgabenpflichtigen Ware aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens, in das sie übergeführt worden ist, ergeben, es sei denn, dass sich diese Verfehlung nachweislich auf die ordnungsgemäße Abwicklung des Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt hat. Für jeden Fall, der nicht unter diese Ausnahme fällt, gilt Art. 204 des Zollkodex (vgl. Urteil Döhler Neuenkirchen, C-262/10, EU:C:2012:559, Rn. 35).

40      Es ist darauf hinzuweisen, dass Art. 859 der Durchführungsverordnung in Verbindung mit deren Art. 860 eine abschließende Regelung von zehn Verfehlungen im Sinne des Art. 204 Abs. 1 Buchst. a des Zollkodex ist, die „sich auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt haben“.

41      Ferner sieht Art. 859 Nr. 2 Buchst. c der Durchführungsverordnung ausdrücklich vor, dass dann, wenn die gemäß Art. 356 dieser Verordnung festgelegte Frist überschritten wurde und die verspätete Gestellung der Ware nicht nach dessen Abs. 3 gerechtfertigt werden kann, davon auszugehen ist, dass sich die Überschreitung der Gestellungsfrist auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens nicht wirklich ausgewirkt hat, da die Ware der Bestimmungsstelle dennoch innerhalb eines vertretbaren Zeitraums gestellt wurde. Es ist insoweit Aufgabe des vorlegenden Gerichts, die im Rahmen der Anwendung der Art. 356 Abs. 3 und 859 Nr. 2 Buchst. c der Durchführungsverordnung vorgelegten Nachweise zu beurteilen.

42      Da außerdem, wie der Generalanwalt in Nr. 46 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Überschreitung der Gestellungsfrist in Art. 859 der Durchführungsverordnung, der nur für die in Art. 204 des Zollkodex genannten Fälle gilt, ausdrücklich vorgesehen ist, ginge diese Bestimmung ins Leere, wenn die Überschreitung dieser Frist unter den Begriff „Entziehung“ nach Art. 203 des Zollkodex fallen müsste.

43      Was die Frage betrifft, ob das Entstehen einer Zollschuld gemäß Art. 204 des Zollkodex voraussetzt, dass die Betroffenen Angaben zu den Gründen der Überschreitung der gemäß Art. 356 Abs. 1 der Durchführungsverordnung festgelegten Versandfrist oder dazu machen, wo sich die Waren in dem betreffenden Zeitraum befunden haben, ist festzustellen, dass nach Art. 356 Abs. 3 dieser Verordnung, werden Waren der Bestimmungsstelle erst nach Ablauf der von der Abgangsstelle gesetzten Frist gestellt, diese Frist als gewahrt gilt, sofern gegenüber der Bestimmungsstelle glaubhaft gemacht wird, dass die Nichteinhaltung auf vom Beförderer oder Hauptverpflichteten nicht zu vertretende Umstände zurückzuführen ist.

44      Die von den Betroffenen zu erteilenden Auskünfte über die Gründe der Überschreitung dieser Frist oder darüber, wo sich die in Rede stehende Ware in dem betreffenden Zeitraum befunden hat, dienen somit dem Zweck, das Entstehen einer Zollschuld gemäß Art. 204 des Zollkodex zu verhindern, keineswegs aber dazu, diesen Artikel durchzuführen.

45      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Art. 203 und 204 des Zollkodex in Verbindung mit Art. 859 Nr. 2 Buchst. c der Durchführungsverordnung dahin auszulegen sind, dass das bloße Überschreiten der gemäß Art. 356 Abs. 1 der Durchführungsverordnung festgelegten Gestellungsfrist nicht zu einer Zollschuld wegen Entziehung der betreffenden Waren aus der zollamtlichen Überwachung im Sinne von Art. 203 des Zollkodex führt, sondern zu einer Zollschuld, die Art. 204 des Zollkodex zur Grundlage hat, und dass das Entstehen einer Zollschuld gemäß diesem Art. 204 nicht erfordert, dass die Betroffenen den Zollbehörden Angaben zu den Gründen der Überschreitung der gemäß Art. 356 der Durchführungsverordnung festgelegten Frist oder dazu machen, an welchem Ort sich die betreffenden Waren in dem Zeitraum zwischen dem Ablauf dieser Frist und der tatsächlichen Gestellung der Waren bei der Bestimmungszollstelle befunden haben.

 Zur zweiten Frage

46      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass Mehrwertsteuer geschuldet wird, falls eine Zollschuld ausschließlich auf der Grundlage von Art. 204 des Zollkodex entstanden ist.

47      Zunächst ist daran zu erinnern, dass nach Art. 2 der Sechsten Richtlinie die Einfuhr von Gegenständen sowie Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer unterliegen.

48      Als Erstes ist zu prüfen, ob eine Ware wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Sechsten Richtlinie eingeführt worden ist (Urteil Profitube, C-165/11, EU:C:2012:692, Rn. 41).

49      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie liegt eine „Einfuhr eines Gegenstands“ vor, wenn ein Gegenstand, der nicht die Bedingungen der Art. 23 EG und 24 EG erfüllt, in die Gemeinschaft verbracht wird.

50      Ferner präzisiert Art. 7 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie, dass bei einem solchen Gegenstand, der vom Zeitpunkt seiner Verbringung in die Gemeinschaft an einer der Regelungen nach Art. 16 Abs. 1 Teil B Buchst. a, b, c und d dieser Richtlinie oder dem externen Versandverfahren unterliegt, die Einfuhr in dem Mitgliedstaat erfolgt, in dessen Hoheitsgebiet der Gegenstand nicht mehr diesen Regelungen unterliegt.

51      Außerdem gilt nach Art. 866 der Durchführungsverordnung, ist eine Einfuhrzollschuld u. a. nach den Art. 203 oder 204 des Zollkodex entstanden und sind die Einfuhrabgaben entrichtet worden, die betreffende Ware als Gemeinschaftsware, ohne dass es hierfür einer Anmeldung zur Überführung in den freien Verkehr bedarf.

52      Im vorliegenden Fall wird das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung der Erwägungen in Rn. 45 des vorliegenden Urteils daher zu prüfen haben, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Ware dem externen gemeinschaftlichen Versandverfahren noch oder nicht mehr unterliegt, was gegebenenfalls zum Entstehen einer Zollschuld gemäß den Art. 203 oder 204 des Zollkodex führt.

53      Sollte das vorlegende Gericht zu dem Ergebnis gelangen, dass in Bezug auf die betreffende Ware keine Zollschuld nach den genannten Bestimmungen entstanden ist, wäre davon auszugehen, dass diese Ware vom Zeitpunkt ihrer Verbringung in die Union an den in den Art. 7 Abs. 3 und 16 Abs. 1 Teil B Buchst. a der Sechsten Richtlinie genannten Regelungen unterlag. In diesem Fall würde die Mehrwertsteuer daher nicht geschuldet.

54      In dem Fall jedoch, in dem diese Ware zum Zeitpunkt ihrer Wiederausfuhr aufgrund des Entstehens einer Zollschuld diesen Regelungen bereits nicht mehr unterliegt, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat, wäre davon auszugehen, dass sie Gegenstand einer Einfuhr im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Sechsten Richtlinie war.

55      Demnach ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass Mehrwertsteuer geschuldet wird, wenn die betreffenden Waren nicht mehr den in diesem Artikel genannten Regelungen unterliegen, und zwar auch dann, wenn eine Zollschuld ausschließlich auf der Grundlage von Art. 204 des Zollkodex entstanden ist.

 Kosten

56      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Art. 203 und 204 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der durch die Verordnung (EG) Nr. 648/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005 geänderten Fassung in Verbindung mit Art. 859 Nr. 2 Buchst. c der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 444/2002 der Kommission vom 11. März 2002 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass das bloße Überschreiten der gemäß Art. 356 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2454/93 in der durch die Verordnung Nr. 444/2002 geänderten Fassung festgelegten Gestellungsfrist nicht zu einer Zollschuld wegen Entziehung der betreffenden Waren aus der zollamtlichen Überwachung im Sinne von Art. 203 der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung Nr. 648/2005 geänderten Fassung führt, sondern zu einer Zollschuld, die Art. 204 des Zollkodex zur Grundlage hat, und dass das Entstehen einer Zollschuld gemäß diesem Art. 204 nicht erfordert, dass die Betroffenen den Zollbehörden Angaben zu den Gründen der Überschreitung der gemäß Art. 356 der Verordnung Nr. 2454/93 in der durch die Verordnung Nr. 444/2002 geänderten Fassung festgelegten Frist oder dazu machen, an welchem Ort sich die Waren in dem Zeitraum zwischen dem Ablauf dieser Frist und der tatsächlichen Gestellung der Waren bei der Bestimmungszollstelle befunden haben.

2.      Art. 7 Abs. 3 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 2004/66/EG des Rates vom 26. April 2004 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Mehrwertsteuer geschuldet wird, wenn die betreffenden Waren nicht mehr den in diesem Artikel genannten Regelungen unterliegen, und zwar auch dann, wenn eine Zollschuld ausschließlich auf der Grundlage von Art. 204 der Verordnung Nr. 2913/92 in der durch die Verordnung Nr. 648/2005 geänderten Fassung entstanden ist.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Niederländisch.