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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)

22. Januar 2015(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 77/388/EWG – Mehrwertsteuer – Befreiungen – Art. 13 Teil B Buchst. b – Begriff der von der Steuer befreiten Vermietung von Grundstücken – Entgeltliche Überlassung eines Fußballstadions – Überlassungsvertrag, in dem sich der Eigentümer bestimmte Rechte und Befugnisse vorbehält – Erbringung verschiedener Dienstleistungen durch den Eigentümer, auf die 80 % der vertraglich vereinbarten Vergütung entfallen“

In der Rechtssache C-55/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour d’appel de Mons (Belgien) mit Entscheidung vom 31. Januar 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Februar 2014, in dem Verfahren

Régie communale autonome du stade Luc Varenne

gegen

État belge

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters J. Malenovský in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Neunten Kammer, des Richters M. Safjan (Berichterstatter) und der Richterin A. Prechal,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Régie communale autonome du stade Luc Varenne, vertreten durch W. Panis, avocat,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch I. Bakopoulos und V. Stroumpouli als Bevollmächtigte,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und M. Gijzen als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Soulay und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Régie communale autonome du stade Luc Varenne (im Folgenden: Régie) und dem État belge wegen der Abzugsfähigkeit der auf den Erwerb der Anlagen des Fußballstadions „Luc Varenne“ entfallenden Mehrwertsteuer in Höhe von 1 350 001,79 Euro.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 2 der Sechsten Richtlinie, der zu deren Abschnitt II („Steueranwendungsbereich“) gehört, bestimmt:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1.      Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;

…“

4        Art. 13 („Steuerbefreiungen im Inland“) der Sechsten Richtlinie bestimmt in seinem Teil B („Sonstige Steuerbefreiungen“):

„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

b)      die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken mit Ausnahme

1.      der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe entsprechend den gesetzlichen Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung, einschließlich der Vermietung in Ferienlagern oder auf als Campingplätze erschlossenen Grundstücken,

2.      der Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen,

3.      der Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen,

4.      der Vermietung von Schließfächern.

Die Mitgliedstaaten können weitere Ausnahmen vom Geltungsbereich dieser Befreiung vorsehen;

…“

5        Die in der vorstehenden Randnummer erwähnte Bestimmung der Sechsten Richtlinie wurde inhaltlich nahezu unverändert in Art. 135 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1), der Neufassung der Sechsten Richtlinie mit ihren späteren Änderungen, übernommen.

6        Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie (jetzt Art. 168 der Richtlinie 2006/112) bestimmt:

„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a)      die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden“.

 Belgisches Recht

7        Art. 19 § 1 des Mehrwertsteuergesetzbuchs in der im Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuergesetzbuch) lautet:

„Die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen oder den seines Personals oder ganz allgemein für außerhalb der Geschäftstätigkeit des Steuerpflichtigen liegende Zwecke wird einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Steuer berechtigt hat.“

8        Nach Art. 44 § 3 Nr. 2 des Mehrwertsteuergesetzbuchs sind folgende Umsätze von der Mehrwertsteuer befreit:

„Verpachtung, Vermietung und Abtretung eines Mietvertrags in Bezug auf naturgemäß unbewegliche Güter sowie die Nutzung solcher Güter unter den Voraussetzungen von Art. 19 § 1, ausgenommen:

a)      folgende Dienstleistungen:

–        Zurverfügungstellung von Stellplätzen für Fahrzeuge,

–        Zurverfügungstellung von Lagerraum für die Lagerung von Gütern,

–        Bereitstellung von möblierten Unterkünften in Hotels, Motels und Einrichtungen, in denen zahlende Gäste untergebracht sind,

–        Zurverfügungstellung von Stellplätzen auf Campingplätzen,

b)      Immobilienleasing, das von einem Unternehmen gewährt wird, das Immobilienleasing oder unter Immobilienleasing laufende Vermietungen betreibt, wenn dieses Unternehmen das Gebäude, auf das sich der Vertrag bezieht, unter Anwendung der Steuer errichtet, errichten lässt oder erwirbt und wenn der Leasingnehmer das Gut mietet, um es bei der Ausübung einer Tätigkeit als Steuerpflichtiger zu verwenden; der König bestimmt die Bedingungen, die der Immobilienleasingvertrag erfüllen muss, insbesondere was Vertragsdauer, Art und Bestimmung der Güter, die Gegenstand des Vertrags sind, und Rechte und Pflichten des Leasingnehmers betrifft,

c)      Vermietung von Schließfächern“.

9        Art. 45 § 1 Nr. 1 des Mehrwertsteuergesetzbuchs bestimmt:

„Steuerpflichtige sind berechtigt, von ihrer Steuerschuld die Steuern auf Güter und Dienstleistungen, die ihnen geliefert beziehungsweise erbracht worden sind, auf von ihnen eingeführte Güter und auf von ihnen bewirkte innergemeinschaftliche Erwerbe von Gütern abzuziehen, insofern sie die Güter und Dienstleistungen verwenden für:

1      besteuerte Umsätze …“

10      Art. 1 des Königlichen Erlasses Nr. 3 vom 10. Dezember 1969 über Vorsteuerabzüge für die Anwendung der Mehrwertsteuer bestimmt:

„§ 1      Unter Vorbehalt der Anwendung von Artikel 45 §§ 1bis, 2 und 3 des Mehrwertsteuergesetzbuches nehmen Steuerpflichtige unter den in den Artikeln 2 bis 4 des vorliegenden Erlasses vorgesehenen Bedingungen den Vorsteuerabzug auf Güter und Dienstleistungen vor, die sie zur Bewirkung von Umsätzen bestimmen, die in Artikel 45 § 1 Nr. 1 bis 5 des Gesetzbuches erwähnt sind.

Bewirken Steuerpflichtige im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit andere Umsätze, für die kein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, richten sie sich für die Festlegung der vorzunehmenden Vorsteuerabzüge nach den Bestimmungen der Artikel 46 und 48 des Gesetzbuches und 12 bis 21 des vorliegenden Erlasses.

§ 2 Steuern auf Güter und Dienstleistungen, die Steuerpflichtige zu privaten Zwecken oder zu anderen Zwecken als denen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit bestimmen, sind auf keinen Fall abzugsfähig.

Ist ein Gut oder eine Dienstleistung dazu bestimmt, teilweise zu solchen Zwecken verwendet zu werden, ist der Vorsteuerabzug im Verhältnis zu dieser Verwendung ausgeschlossen. Dieses Verhältnis ist von den Steuerpflichtigen unter Kontrolle der Verwaltung zu bestimmen.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

11      Die Régie ist Betreiberin des von ihr für 6 428 579,97 Euro zuzüglich 1 350 001,79 Euro Mehrwertsteuer erworbenen Fußballstadions „Luc Varenne“.

12      Am 25. August 2003 schloss sie mit dem Royal Football Club de Tournai ASBL (im Folgenden: RFCT) einen Vertrag, wonach der RFCT die Anlagen des Fußballstadions „Luc Varenne“ entgeltlich nutzt.

13      Die auf den Erwerb der genannten Anlagen entfallende Mehrwertsteuer zog die Régie in vollem Umfang ab.

14      Im Anschluss an zwei Außenprüfungen, die in den Jahren 2004 und 2006 am Sitz der Régie durchgeführt wurden, vertrat die belgische Finanzbehörde die Auffassung, die Régie tätige in mehrwertsteuerlicher Hinsicht mehrere Arten von Umsätzen:

–        steuerpflichtige Umsätze, die zum Vorsteuerabzug berechtigten,

–        nicht in den Anwendungsbereich der Steuer fallende Umsätze, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten, z. B. die unentgeltliche Überlassung bestimmter Anlagen des Fußballstadions „Luc Varenne“ an den RFCT, und

–        von der Mehrwertsteuer befreite Umsätze, die aus diesem Grund nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten.

15      Die Überlassung bestimmter Anlagen des Stadions an den RFCT sei nach dem Wortlaut des mit der Régie geschlossenen Vertrags als Vermietung von Grundstücken anzusehen und daher nach Art. 44 § 3 Nr. 2 des Mehrwertsteuergesetzbuchs von der Mehrwertsteuer befreit.

16      Im Protokoll vom 22. Dezember 2006 stellte die belgische Finanzverwaltung fest, die Analyse der Tätigkeiten der Régie nach der Methode der tatsächlichen Zuordnung habe ergeben, dass diese nach der in Art. 46 § 2 des Mehrwertsteuergesetzbuchs geregelten Technik des Pro-rata-Mehrwertsteuerabzugs Vorsteuer nur bis zu einer Höhe von 36 % hätte abziehen dürfen.

17      Am 10. Januar 2007 erließ die belgische Finanzverwaltung gegen die Régie eine Zahlungsaufforderung über die zu Unrecht abgezogene Mehrwertsteuer (864 001,15 Euro), eine Geldbuße (86 400 Euro) und Verzugszinsen.

18      Die Régie focht diese Zahlungsaufforderung vor dem Tribunal de première instance de Mons an. Mit Urteil vom 12. Mai 2011 stellte dieses Gericht fest, dass die Überlassung bestimmter Anlagen des Fußballstadions „Luc Varenne“ an den RFCT durch die Régie als Vermietung von Grundstücken einzustufen sei und die Verwaltung den Vorsteuerabzug zu Recht versagt habe. Die Régie legte gegen dieses Urteil bei der Cour d’appel de Mons Berufung ein.

19      Nach Auffassung der Cour d’appel de Mons hängt die Entscheidung des bei ihr anhängigen Rechtsstreits von der Auslegung bestimmter Bestimmungen der Sechsten Richtlinie ab. Sie hat das Verfahren daher ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Handelt es sich bei der Überlassung von Einrichtungen einer Sportinfrastruktur zu ausschließlich fußballerischen Zwecken – verstanden als die Befugnis, die Spielfläche des Fußballstadions (das Spielfeld) sowie die Umkleideräume für Spieler und Schiedsrichter an bis zu 18 Tagen pro Sportsaison (wobei eine Sportsaison am 1. Juli jedes Kalenderjahrs beginnt und am 30. Juni des folgenden Jahres endet) zu nutzen und zeitweilig in Anspruch zu nehmen – um eine Vermietung von Grundstücken, die nach Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie (Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Richtlinie 2006/112) von der Steuer befreit ist, wenn der Zedent des Nutzungs- und Bewirtschaftungsrechts

–        über die umfassende und uneingeschränkte Befugnis verfügt, anderen natürlichen oder juristischen Personen seiner Wahl für die Zeit außerhalb der genannten 18 Tage identische Rechte zu übertragen;

–        über das Recht verfügt, jederzeit und ohne vorheriges Einverständnis des Inhabers des Nutzungs- und Bewirtschaftungsrechts die genannten Einrichtungen zu betreten, um sich insbesondere ihrer ordnungsgemäßen Nutzung zu vergewissern und Schäden vorzubeugen, unter der einzigen Voraussetzung, dass die ordnungsgemäße Durchführung der Sportwettbewerbe nicht gestört wird;

–        zudem das Recht behält, den Zugang zu den Einrichtungen permanent zu kontrollieren, auch während des Zeitraums ihrer Nutzung durch den RFCT;

–        eine Pauschalvergütung in Höhe von 1 750 Euro pro Tag der Nutzung der Spielfläche und der Umkleideräume, der Imbissstände sowie des Hausmeister-, Überwachungs- und Kontrolldienstes für alle Einrichtungen verlangt, wobei von dem verlangten Betrag nach der vertraglichen Vereinbarung 20 % auf das Zugangsrecht zum Fußballfeld entfallen und 80 % die Gegenleistung für verschiedene Unterhalts-, Reinigungs- und Wartungsleistungen (Mähen und Aussaat des Rasens usw.) sowie für die regelgerechte Bereitstellung der Spielfläche und akzessorische Dienstleistungen darstellen, die vom Zedenten des Nutzungs- und Bewirtschaftungsrechts erbracht werden?

 Zur Vorlagefrage

20      Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die entgeltliche Überlassung eines Fußballstadions auf der Grundlage eines Vertrags, nach dem der Eigentümer bestimmte Rechte und Befugnisse behält und bestimmte Dienstleistungen zu erbringen hat, die u. a. den Unterhalt, die Reinigung, die Wartung und die regelgerechte Bereitstellung umfassen und auf die 80 % der vertraglich vorgesehenen Vergütung entfallen, eine „Vermietung von Grundstücken“ im Sinne der genannten Bestimmung darstellt.

21      Nach ständiger Rechtsprechung besteht das grundlegende Merkmal des Begriffs „Vermietung von Grundstücken“ im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie darin, dass dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre er dessen Eigentümer, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen. Für die Beurteilung, ob eine bestimmte Vereinbarung dieser Definition entspricht, sind alle Merkmale des Umsatzes sowie die Umstände zu berücksichtigen, unter denen er erfolgt. Maßgebend ist insoweit der objektive Inhalt des Umsatzes, unabhängig von der Bezeichnung, die die Parteien ihm gegeben haben (Urteil MacDonald Resorts, C-270/09, EU:C:2010:780, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Eine Vermietung eines Grundstücks im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie setzt voraus, dass sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind, die einen solchen Umsatz kennzeichnen, d. h., dass der Vermieter eines Grundstücks dem Mieter gegen Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer das Recht überträgt, das Grundstück in Besitz zu nehmen und andere von ihm auszuschließen (Urteil Medicom und Maison Patrice Alard, C-210/11 und C-211/11, EU:C:2013:479, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie stellt eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz dar, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt; daher sind die in dieser Vorschrift verwendeten Begriffe eng auszulegen. Fehlt eine der in der vorstehenden Randnummer genannten Voraussetzungen, kann die genannte Vorschrift nicht mit der Begründung entsprechend angewandt werden, dass die Nutzung des betreffenden Grundstücks einer Vermietung in ihrem Sinne am nächsten kommt (vgl. in diesem Sinne Urteil Medicom und Maison Patrice Alard, EU:C:2013:479, Rn. 27).

24      Grundsätzlich ist es Sache der nationalen Gerichte, die allein für die Würdigung des Sachverhalts zuständig sind, in Anbetracht der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls die wesentlichen Merkmale des in Rede stehenden Umsatzes zum Zweck seiner Einstufung nach der Sechsten Richtlinie festzustellen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Medicom und Maison Patrice Alard, EU:C:2013:479, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Speziell zur Einstufung der Nutzung von Sportanlagen hat der Gerichtshof bereits ausgeführt, dass Dienstleistungen, die mit Sport und Körperertüchtigung zusammenhängen, möglichst als Gesamtheit zu würdigen sind (Urteil Stockholm Lindöpark, C-150/99, EU:C:2001:34, Rn. 26).

26      So hat der Gerichtshof zur Vermietung eines Golfplatzes festgestellt, dass die Tätigkeit des Betriebs eines Golfplatzes nicht nur die passive Zurverfügungstellung eines Geländes, sondern außerdem u. a. eine Vielzahl geschäftlicher Tätigkeiten des Dienstleistenden wie Aufsicht, Verwaltung und ständige Unterhaltung sowie die Zurverfügungstellung anderer Anlagen umfasst, so dass die Vermietung des Golfplatzes, sofern nicht ganz besondere Umstände vorliegen, nicht die ausschlaggebende Dienstleistung darstellen kann (Urteil Stockholm Lindöpark, EU:C:2001:34, Rn. 26).

27      Zwar unterscheiden sich die Umstände des Ausgangsverfahrens von denen, die den Umsatz in der Rechtssache kennzeichneten, in der das Urteil Stockholm Lindöpark (EU:C:2001:34) ergangen ist. Erstens geht es im Ausgangsverfahren um eine „kollektive“ Nutzung der Anlagen durch einen Verein und nicht um einen individuellen Zugang der Spieler. Zweitens erfolgt die Nutzung regelmäßig und über einen längeren Zeitraum sowie während der festgelegten Tage grundsätzlich ausschließlich. Drittens hängen die Aufgaben und Befugnisse, die die Régie als Vermieterin hat, offenbar teilweise mit den Erfordernissen zusammen, die für den Betrieb von Sportanlagen, in denen eine Vielzahl von Gruppen und Einzelpersonen Aufnahme finden soll, zu Vermietungszwecken bestehen.

28      Aus der Vorlageentscheidung ist – unter dem Vorbehalt der dem vorlegenden Gericht obliegenden Würdigung des Sachverhalts – aber nicht ersichtlich, dass ganz besondere Umstände vorlägen, die den Schluss zuließen, dass die Nutzung des Fußballplatzes die ausschlaggebende Dienstleistung des Umsatzes darstellt, die ihn als Vermietung eines Grundstücks im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie charakterisiert.

29      Unter den Umständen des Ausgangsverfahrens erbringt die Régie, die sich um die Aufsicht, die Verwaltung, die Instandhaltung und die Reinigung der Sportanlagen kümmert, offenbar eine komplexere Dienstleistung der Verschaffung des Zugangs zu diesen Anlagen.

30      Was erstens die Aufsicht, d. h. die Zugangsrechte zu den Sportanlagen und die der Régie zustehenden Rechte zur Kontrolle dieses Zugangs, angeht, trifft es zu, dass sie für sich genommen die Einstufung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umsatzes als Vermietung im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie nicht ausschließen können. Solche Rechte können gerechtfertigt sein, um zu gewährleisten, dass Dritte die Nutzung der Anlagen durch die Mieter nicht stören. Der Gerichtshof hat nämlich bereits entschieden, dass Beschränkungen des an der Mietsache bestehenden Nutzungsrechts nicht ausschließen, dass es sich gegenüber allen anderen Personen, die nicht im Gesetz oder im Vertrag als Personen genannt sind, die ein Recht an der Sache, die Gegenstand des Mietvertrags ist, geltend machen können, um ein ausschließliches Nutzungsrecht handelt (Urteil Temco Europe, C-284/03, EU:C:2004:730, Rn. 25).

31      Unter den Umständen des Ausgangsverfahrens geht mit den Zugangsrechten zu den Sportanlagen und den Rechten zur Kontrolle dieses Zugangs aber offenbar eine ständige Anwesenheit von Vertretern der Régie in diesen Anlagen einher, was ein Indiz dafür sein könnte, dass der Régie eine aktivere Rolle zukommt als bei einer Vermietung von Grundstücken im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie.

32      Zweitens sind die verschiedenen Verwaltungs-, Unterhalts- und Reinigungsdienstleistungen in der Mehrzahl offenbar tatsächlich erforderlich, um zu gewährleisten, dass die Anlagen ihre bestimmungsgemäße Verwendung erfüllen können, nämlich die Veranstaltung von Sportereignissen, konkreter von Fußballspielen, im Einklang mit dem einschlägigen Sportreglement.

33      Mithin werden dem RFCT die hierzu erforderlichen Anlagen mittels der angebotenen Leistungen der Wartung und regelgerechten Bereitstellung so zur Verfügung gestellt, dass sie bestimmungsgemäß verwendet werden können, so dass die Verschaffung des Zugangs zu den Anlagen zu diesem bestimmten Zweck die charakteristische Leistung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umsatzes darstellt (vgl. entsprechend u. a. Urteile Part Service, C-425/06, EU:C:2008:108, Rn. 51 und 52, Field Fisher Waterhouse, C-392/11, EU:C:2012:597, Rn. 23, und RR Donnelley Global Turnkey Solutions Poland, C-155/12, EU:C:2013:434, Rn. 22).

34      Auch der wirtschaftliche Wert der verschiedenen Dienstleistungen, die nach den Angaben in der Vorlageentscheidung 80 % der vertraglich vereinbarten Vergütung ausmachen, spricht insoweit dafür, den in Rede stehenden Umsatz insgesamt als Dienstleistung und nicht als Vermietung eines Grundstücks im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie einzustufen.

35      Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob alle Dienstleistungen, die die Régie anbietet, tatsächlich erforderlich sind, um den Zugang zu den Sportanlagen zum vertraglich vorgesehenen Zweck, d. h. ausschließlich zur Austragung von Fußballspielen, zu verschaffen.

36      Was schließlich die Dauer der Benutzung des betreffenden Gegenstands angeht, die ein wesentliches Element eines Mietvertrags darstellt, hat der Gerichtshof für einen Golfplatz bereits entschieden, dass sie beschränkt sein kann (Urteil Stockholm Lindöpark, EU:C:2001:34, Rn. 27).

37      Die Benutzung darf aber nach der Rechtsprechung grundsätzlich nicht nur gelegentlichen oder vorübergehenden Charakter haben (vgl. in diesem Sinne Urteil Leichenich, C-532/11, EU:C:2012:720, Rn. 24).

38      Im Ausgangsverfahren beträgt die im Überlassungsvertrag festgelegte Nutzungsdauer höchstens 18 Spieltage. Eine solche Dauer ist grundsätzlich als nicht unerheblich anzusehen. Das vorlegende Gericht wird aber zu beurteilen haben, ob die vereinbarte Nutzung in Anbetracht sämtlicher Umstände nicht eher als gelegentlich und vorübergehend einzustufen ist, was ein weiteres Indiz dafür wäre, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Umsatz insgesamt als Dienstleistung und nicht als Vermietung eines Grundstücks einzustufen ist. Dabei ist u. a. zu prüfen, ob die Anlagen des Fußballstadions „Luc Varenne“ dem RFCT, wie die belgische Regierung geltend macht, über den Wortlaut des Vertrags hinaus in Wirklichkeit in weniger punktueller Weise zur Verfügung gestellt werden oder ob sich die tatsächliche Nutzung, wie die Régie vorträgt, auf die Fußballspiele beschränkt.

39      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die entgeltliche Überlassung eines Fußballstadions auf der Grundlage eines Vertrags, nach dem der Eigentümer bestimmte Rechte und Befugnisse behält und bestimmte Dienstleistungen zu erbringen hat, die u. a. den Unterhalt, die Reinigung, die Wartung und die regelgerechte Bereitstellung umfassen und auf die 80 % der vertraglich vorgesehenen Vergütung entfallen, grundsätzlich keine „Vermietung von Grundstücken“ im Sinne der genannten Bestimmung darstellt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu beurteilen.

 Kosten

40      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass die entgeltliche Überlassung eines Fußballstadions auf der Grundlage eines Vertrags, nach dem der Eigentümer bestimmte Rechte und Befugnisse behält und bestimmte Dienstleistungen zu erbringen hat, die u. a. den Unterhalt, die Reinigung, die Wartung und die regelgerechte Bereitstellung umfassen und auf die 80 % der vertraglich vorgesehenen Vergütung entfallen, grundsätzlich keine „Vermietung von Grundstücken“ im Sinne der genannten Bestimmung darstellt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dies zu beurteilen.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Französisch.