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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

21. April 2015(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Mehrwertsteuer – Sechste Richtlinie 77/388/EWG – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 132 Abs. 1 Buchst. a und Art. 135 Abs. 1 Buchst. h – Befreiungen – Öffentliche Posteinrichtungen – Postwertzeichen – Richtlinie 97/67/EG“

In der Rechtssache C-114/14

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 10. März 2014,

Europäische Kommission, vertreten durch J. Enegren und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Königreich Schweden, vertreten durch U. Persson und A. Falk als Bevollmächtigte,

Beklagter,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen, T. von Danwitz, J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und S. Rodin, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe sowie der Richter A. Rosas, E. Juhász, A. Borg Barthet, J. Malenovský und E. Levits,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass das Königreich Schweden dadurch, dass es von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen und dazugehörende Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen sowie die Lieferung von im Inland gültigen Postwertzeichen zum aufgedruckten Wert nicht von der Mehrwertsteuer befreit hat, gegen seine Verpflichtungen aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. a und Art. 135 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1) verstoßen hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Richtlinie 2006/112

2        Titel IX („Steuerbefreiungen“) der Richtlinie 2006/112 enthält ein Kapitel 2 über „Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“. Darin bestimmt Art. 132 Abs. 1 Buchst. a:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

a)      von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen und dazugehörende Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen“.

3        Im folgenden Kapitel („Steuerbefreiungen für andere Tätigkeiten“) sieht Art. 135 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2006/112 vor:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

h)      Lieferung von in ihrem jeweiligen Gebiet gültigen Postwertzeichen, von Steuerzeichen und von sonstigen ähnlichen Wertzeichen zum aufgedruckten Wert“.

4        Die in den Rn. 2 und 3 des vorliegenden Urteils genannten Bestimmungen sind inhaltlich identisch mit den früher anwendbaren Bestimmungen von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. a und Teil B Buchst. e der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1), die durch die Richtlinie 2006/112 aufgehoben und ersetzt wurde.

 Richtlinie 97/67/EG

5        Die Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. 1998, L 15, S. 14) in der durch die Richtlinie 2002/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Juni 2002 (ABl. L 176, S. 21) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 97/67) enthält nach ihrem Art. 1 gemeinsame Vorschriften u. a. für die Bereitstellung eines postalischen Universaldienstes in der Europäischen Gemeinschaft und die Kriterien zur Abgrenzung der für die Anbieter von Universaldienstleistungen reservierbaren Dienste.

6        Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 97/67 lautet:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass den Nutzern ein Universaldienst zur Verfügung steht, der ständig flächendeckend postalische Dienstleistungen einer bestimmten Qualität zu tragbaren Preisen für alle Nutzer bietet.“

7        Art. 4 der Richtlinie 97/67 sieht vor:

„Jeder Mitgliedstaat stellt sicher, dass die Erbringung des Universaldienstes gewährleistet ist, und unterrichtet die Kommission über die von ihm unternommenen Schritte zur Erfüllung dieser Verpflichtung sowie insbesondere über die Identität seines Anbieters bzw. seiner Anbieter von Universaldienstleistungen. Er legt außerdem unter Einhaltung des Gemeinschaftsrechts die Verpflichtungen und Rechte des Anbieters bzw. der Anbieter von Universaldienstleistungen fest und veröffentlicht sie.“

 Vorgerichtliches Verfahren und Verfahren vor dem Gerichtshof

8        Am 10. April 2006 sandte die Kommission ein Mahnschreiben an das Königreich Schweden, in dem sie diesem vorwarf, dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. a und Teil B Buchst. e der Sechsten Richtlinie 77/388 verstoßen zu haben, dass es von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen und dazugehörende Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen sowie die Lieferung von im Inland gültigen Postwertzeichen zum aufgedruckten Wert nicht von der Mehrwertsteuer befreit habe.

9        Mit Schreiben vom 7. Juni 2006 beantworteten die schwedischen Behörden dieses Schreiben und bestritten, gegen ihre Verpflichtungen aus der Sechsten Richtlinie 77/388 verstoßen zu haben.

10      Mit Schreiben vom 18. Juli 2007 richtete die Kommission, die diese Antwort nicht als ausreichend ansah, eine mit Gründen versehene Stellungnahme an das Königreich Schweden und forderte dieses auf, seinen Verpflichtungen innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt dieser Stellungnahme nachzukommen.

11      Mit Schreiben vom 17. September 2007 antwortete das Königreich Schweden auf die mit Gründen versehene Stellungnahme und machte geltend, dass die in der Richtlinie 2006/112 in gleicher Weise wie in der Richtlinie 77/388 vorgesehene Befreiung von von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachten Dienstleistungen auf dem schwedischen Markt keine Anwendung finde, da es dort keine solchen Einrichtungen gebe.

12      Da die Stellungnahme des Königreichs Schweden sie nicht zufriedenstellte, hat die Kommission beim Gerichtshof die vorliegende Klage erhoben.

13      Das Königreich Schweden hat gemäß Art. 16 Abs. 3 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union beantragt, dass der Gerichtshof als Große Kammer tagt.

 Zur Klage

 Zur ersten Rüge: fehlerhafte Umsetzung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112

 Vorbringen der Parteien

14      Die Kommission trägt vor, das Königreich Schweden sei verpflichtet, die Dienstleistungen und dazugehörenden Lieferungen von Gegenständen – mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen –, die die Posten AB gemäß der Richtlinie 97/67 zu erbringen habe, von der Mehrwertsteuer zu befreien.

15      Die Dienstleistungen, die ein Anbieter von Universaldienstleistungen gemäß den ihm nach den Art. 3 bis 6 der Richtlinie 97/67 obliegenden Verpflichtungen erbringe, fielen unter den Begriff „von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112.

16      Hierzu führt die Kommission aus, dass die Posten AB, eine Gesellschaft privaten Rechts, als Anbieterin des postalischen Universaldienstes in Schweden benannt worden sei. Sie stützt diese Behauptung auf den Rechtsstreit zwischen der Posten AB und der schwedischen Post- und Telekommunikationsbehörde über die Entscheidung dieser Behörde, die der Posten AB für die Ausübung einer Posttätigkeit erteilte Genehmigung mit Auflagen im Zusammenhang mit ihrer Benennung als Anbieterin des Universaldienstes zu verbinden. Aus dem Urteil des Kammarrätt i Stockholm (Verwaltungsberufungsgericht Stockholm) gehe klar hervor, dass sich die von der Posten AB vorgenommenen Geschäfte insoweit von denen anderer Anbieter auf dem schwedischen Markt unterschieden.

17      Das Königreich Schweden sei verpflichtet, die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 vorgesehene Befreiung auch dann anzuwenden, wenn es der Auffassung sei, die steuerliche Neutralität mit anderen Mitteln besser gewährleisten zu können. Die Kommission stützt sich insoweit auf das Urteil Kommission/Spanien (C-204/03, EU:C:2005:588, Rn. 28).

18      Außerdem schließt die Kommission aus dem Urteil TNT Post UK (C-357/07, EU:C:2009:248), dass die fragliche Mehrwertsteuerbefreiung nicht gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verstoße.

19      Schließlich könne eine Wettbewerbsverzerrung – unter der Annahme, es liege eine vor – das Königreich Schweden nicht von seiner Verpflichtung entbinden, die Steuerbefreiung anzuwenden, die in Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112, der sich von anderen Bestimmungen dieser Richtlinie durch seine Unbedingtheit unterscheide, vorgesehen sei. Vielmehr könnten gerade dadurch, dass alle Mitgliedstaaten bis auf einen diese Steuerbefreiung anwendeten, Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt entstehen.

20      Das Königreich Schweden trägt hingegen vor, dass es der Richtlinie 2006/112, den Bestimmungen des AEU-Vertrags über den Wettbewerb und den Zielen der Richtlinie 97/67 zuwiderliefe, die Posten AB im Rahmen der für öffentliche Posteinrichtungen vorgesehenen Ausnahme von der Mehrwertsteuer zu befreien.

21      In Schweden seien um die 30 Unternehmen unter gleichen finanziellen Bedingungen auf dem bereits seit Langem – nämlich noch vor dem Beitritt des Königreichs Schweden zur Europäischen Union – liberalisierten Postmarkt tätig, auf dem es keine „öffentliche Posteinrichtungen“ mehr gebe. Insbesondere erhalte die Posten AB vom Staat keinen Ausgleich für ihre Verpflichtungen im Rahmen des Universaldienstes, wie es Art. 7 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 97/67 hingegen erlaube.

22      Außerdem unterscheide sich der schwedische Markt für Postdienstleistungen insofern von dem britischen Markt, der Gegenstand der Rechtssache gewesen sei, in der das Urteil TNT Post UK (C-357/07, EU:C:2009:248) ergangen sei, als zum Zeitpunkt der Verkündung jenes Urteils zahlreiche öffentliche Postdienste in der Union öffentlichen Unternehmen mit Monopolstellung übertragen gewesen seien, während dies nicht mehr der Fall sei, seit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 97/67 es nicht mehr zulasse, in diesem Bereich ausschließliche oder besondere Rechte zu erteilen.

23      Daher würde der Posten AB durch eine Befreiung von der Mehrwertsteuer ein künstlicher preislicher Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Konkurrenten gewährt, der bis zur Höhe des anwendbaren Mehrwertsteuersatzes von 20 % gehen könne. Dies würde den Wettbewerbsdruck auf dem Postmarkt zum Nachteil des Endverbrauchers verringern. Zudem würde eine solche Befreiung die Preise der von der Posten AB in Anspruch genommenen externen Dienstleistungen verteuern, da die Posten AB die Mehrwertsteuer auf ihre Käufe nicht mehr als Vorsteuer in Abzug bringen könnte und so veranlasst werden könnte, ihre Tätigkeit neu zu organisieren, um mehr Leistungen intern selbst erbringen zu können.

24      Im Übrigen werde in Schweden seit 1993 Mehrwertsteuer auf sämtliche Postdienstleistungen erhoben, ohne dass es gegen diese Regelung Einwände gebe, außer von Seiten des Banken- und Versicherungssektors, gerade wegen der für diesen geltenden Mehrwertsteuersteuerbefreiung, die ihn daran hindere, die Mehrwertsteuer auf die von ihm in Anspruch genommenen Postdienstleistungen als Vorsteuer in Abzug zu bringen.

25      Schließlich gehe es in der vorliegenden Rechtssache in erster Linie um das Funktionieren des Postmarkts. Damit dieser Markt bestmöglich funktionieren könne, würden die Bestimmungen über die Mehrwertsteuerbefreiung nicht benötigt.

 Würdigung durch den Gerichtshof

26      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich das Königreich Schweden auf die Richtlinie 97/67 in der durch die Richtlinie 2008/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 2008 (ABl. L 52, S. 3) geänderten Fassung stützt. Diese letztgenannte Richtlinie war jedoch zum Zeitpunkt des Ablaufs der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist noch nicht in Kraft getreten. Somit ist die vorliegende Klage auf der Grundlage der Richtlinie 97/67 in der durch die Richtlinie 2002/39 geänderten Fassung zu prüfen.

27      Das Königreich Schweden meint, dass es in seinem Hoheitsgebiet, seit es im Jahr 1993 das Monopol seines etablierten Anbieters abgeschafft habe, keine „öffentliche Posteinrichtung“ im Sinne der Richtlinie 2006/112 mehr gebe und damit auch keine Verpflichtung mehr bestehe, Anbieter von Postdienstleistungen von der Mehrwertsteuer zu befreien. Daher habe es die Dienstleistungen und dazugehörenden Lieferungen von Gegenständen sämtlicher Anbieter von Postdienstleistungen der Mehrwertsteuer unterworfen.

28      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass der Ausdruck „öffentliche Posteinrichtungen“ in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie 77/388, der in Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 wortgleich übernommen wurde, dahin auszulegen ist, dass er für öffentliche oder private Betreiber gilt, die sich verpflichten, in einem Mitgliedstaat den gesamten „postalischen Universaldienst“ im Sinne der Richtlinie 97/67 oder einen Teil davon zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteil TNT Post UK, C-357/07, EU:C:2009:248, Rn. 40).

29      Unstreitig ist, dass bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 18. Juli 2007 gesetzten Frist die Posten AB in Schweden als „Anbieter von [postalischen] Universaldienstleistungen“ im Sinne der Richtlinie 97/67 benannt worden war.

30      Darüber hinaus geht aus den Schriftsätzen des Königreichs Schweden hervor, dass die nationalen Rechtsvorschriften, wie in Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 97/67 vorgesehen, der Posten AB besondere Verpflichtungen auferlegen, mit denen sichergestellt werden soll, dass sie den postalischen Universaldienst im Sinne dieser Richtlinie im gesamten Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats gewährleistet.

31      Daraus folgt, dass die Posten AB, da sie in Schweden den gesamten „postalischen Universaldienst“ im Sinne der Richtlinie 97/67 oder einen Teil davon gewährleistet, als „öffentliche Posteinrichtung“ im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 zu qualifizieren ist und dass somit die von ihr als Anbieter von Universaldienstleistungen erbrachten Dienstleistungen und dazugehörenden Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen von der Mehrwertsteuer zu befreien sind.

32      Diese Schlussfolgerung kann nicht durch das Vorbringen des Königreichs Schweden in Frage gestellt werden, wonach der Grundsatz der Neutralität der von der Kommission vorgeschlagenen Auslegung der Richtlinie 2006/112 entgegenstehe, da die Situation auf dem Postmarkt in Schweden insofern deutlich von der vom Gerichtshof im Urteil TNT Post UK (C-357/07, EU:C:2009:248) geprüften Situation abweiche, als sich die von der Posten AB erbrachten Dienstleistungen nicht von den Dienstleistungen anderer Anbieter auf dem schwedischen Markt unterschieden.

33      Aus den Rn. 37 bis 39 des Urteils TNT Post UK (C-357/07, EU:C:2009:248) ergibt sich nämlich, dass der Unterschied zwischen „öffentlichen Posteinrichtungen“ und anderen Anbietern nicht auf der Art der erbrachten Dienstleistungen beruht, sondern darauf, dass für die Anbieter, die den gesamten postalischen Universaldienst oder einen Teil davon gewährleisten, eine besondere rechtliche Grundlage gilt, die besondere Verpflichtungen umfasst. Aus Rn. 30 des vorliegenden Urteils ergibt sich indessen, dass die Posten AB tatsächlich solchen Verpflichtungen unterliegt.

34      Die Schlussfolgerung in Rn. 31 des vorliegenden Urteils wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Urteil TNT Post UK (C-357/07, EU:C:2009:248) nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 18. Juli 2007 gesetzten Frist für die Anpassung des schwedischen Rechts ergangen ist.

35      Ergibt sich eine Verpflichtung aus einer Auslegung des Unionsrechts durch den Gerichtshof, hat dieser nämlich erläutert und verdeutlicht, in welchem Sinne und mit welcher Tragweite eine Vorschrift seit ihrem Inkrafttreten zu verstehen und anzuwenden gewesen wäre, so dass die Mitgliedstaaten seit diesem Zeitpunkt gehalten waren, das Unionsrecht so auszulegen und anzuwenden, wie es sich aus dem Urteil des Gerichtshofs ergibt, auch wenn dieses später ergangen ist. Etwas anderes gilt nur, wenn der Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit ausnahmsweise die Möglichkeit, sich auf die so ausgelegten Rechtsvorschriften zu berufen, um Rechtsverhältnisse in Frage zu stellen, für die Vergangenheit beschränkt hat (vgl. Urteil Denkavit italiana, 61/79, EU:C:1980:100, Rn. 16 und 17). Dies ist beim Urteil TNT Post UK (C-357/07, EU:C:2009:248) nicht der Fall.

36      Somit ist der ersten Rüge, auf die die Kommission ihre Klage stützt, stattzugeben.

 Zur zweiten Rüge: fehlerhafte Umsetzung von Art. 135 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2006/112

 Vorbringen der Parteien

37      Die Kommission meint, dass das Königreich Schweden die Lieferung von im Inland gültigen Postwertzeichen zum aufgedruckten Wert von der Mehrwertsteuer befreien müsse.

38      Postwertzeichen stellten ein Zahlungsmittel für Postdienstleistungen dar, und der Umfang der dafür vorgesehenen Befreiung müsse jedenfalls dem Umfang der für öffentliche Posteinrichtungen geltenden Befreiung entsprechen.

39      Das Königreich Schweden macht sich das Vorbringen der Kommission zu eigen, zieht daraus aber einen gegenteiligen Schluss. Da öffentliche Posteinrichtungen nicht von der Mehrwertsteuer zu befreien seien, gelte dies auch für Postwertzeichen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

40      Bereits aus dem Wortlaut von Art. 135 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2006/112 ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten die Lieferung von in ihrem Gebiet gültigen Postwertzeichen zum aufgedruckten Wert von der Mehrwertsteuer befreien müssen.

41      Zum einen geht aus den in der dem Gerichtshof unterbreiteten Akte enthaltenen Schriftstücken hervor, dass die schwedischen Rechtsvorschriften bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 18. Juli 2007 gesetzten Frist nicht die Befreiung von Postwertzeichen nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2006/112 vorsahen.

42      Zum anderen macht das Königreich Schweden zur Stützung seines auf die Zurückweisung der Rüge gerichteten Vorbringens im Wesentlichen lediglich geltend, dass die Lieferung von im Inland gültigen Postwertzeichen zum aufgedruckten Wert deshalb nicht von der Mehrwertsteuer zu befreien sei, weil Lieferungen von Gegenständen, die zu von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachten Dienstleistungen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen gehörten, der Mehrwertsteuer unterlägen. In den Rn. 26 bis 32 des vorliegenden Urteils ist jedoch gerade festgestellt worden, dass diese Mehrwertsteuerpflichtigkeit Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 zuwiderläuft.

43      Unter diesen Umständen ist auch der zweiten Rüge stattzugeben.

44      Die von der Kommission erhobene Klage ist somit in vollem Umfang begründet.

45      Nach alledem hat das Königreich Schweden dadurch, dass es von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen und dazugehörende Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen sowie die Lieferung von im Inland gültigen Postwertzeichen zum aufgedruckten Wert nicht von der Mehrwertsteuer befreit hat, gegen seine Verpflichtungen aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. a und Art. 135 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2006/112 verstoßen.

 Kosten

46      Gemäß Art. 138 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung des Königreichs Schweden zur Tragung der Kosten beantragt hat und dieses mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Königreich Schweden hat dadurch, dass es von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen und dazugehörende Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme von Personenbeförderungs- und Telekommunikationsdienstleistungen sowie die Lieferung von im Inland gültigen Postwertzeichen zum aufgedruckten Wert nicht von der Mehrwertsteuer befreit hat, gegen seine Verpflichtungen aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. a und Art. 135 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verstoßen.

2.      Das Königreich Schweden trägt die Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Schwedisch.