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29.8.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 314/11


Vorabentscheidungsersuchen des Spetsializiran nakazatelen sad (Bulgarien), eingereicht am 31. Mai 2016 — Strafverfahren gegen Petar Dzivev

(Rechtssache C-310/16)

(2016/C 314/17)

Verfahrenssprache: Bulgarisch

Vorlegendes Gericht

Spetsializiran nakazatelen sad

Beteiligter des Ausgangsverfahrens

Petar Dzivev

Vorlagefragen

1.

Ist es vereinbar mit:

Art. 325 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der vorsieht, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen zum effektiven Schutz vor Betrügereien und sonstige gegen die finanziellen Interessen der Union gerichtete rechtswidrige Handlungen treffen;

Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Buchst. b des Übereinkommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (SFI-Übereinkommen) in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses [des Rates vom 7. Juni 2007 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften] 2007/436/EG [Euratom], wonach jeder Mitgliedstaat die erforderlichen Maßnahmen trifft, um die wirksame Ahndung von Mehrwertsteuerhinterziehung sicherzustellen;

Art. 47 Abs. 1 und 2 der Charta, der das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf bei einem zuvor durch Gesetz errichteten Gericht gewährleistet,

wenn nach dem nationalen Recht die Beweise, welche durch den Einsatz von „besonderen Ermittlungsmethoden“ erlangt wurden, nämlich durch Überwachung der Telekommunikation von Personen, gegen die später Anklage wegen Mehrwertsteuerbetrugs erhoben wurde, nicht verwertet werden dürfen, da sie von einem unzuständigen Gericht angeordnet wurde, und dabei folgende Voraussetzungen berücksichtigt werden:

Zu einem früheren Zeitpunkt (zwischen einem und drei Monaten zuvor) wurde die Überwachung eines Teils dieser Telekommunikation beantragt und vom selben Gericht angeordnet, wobei es zu diesem Zeitpunkt noch zuständig war;

die Anordnung der fraglichen Telekommunikationsüberwachung (zur Verlängerung der früheren Telekommunikationsüberwachung und zur Überwachung von neuen Telefonanschlüssen) wurde beim selben Gericht beantragt, das nicht mehr zuständig war, da seine Zuständigkeit unmittelbar davor auf ein anderes Gericht übertragen wurde; das ursprüngliche Gericht hat trotz seiner fehlenden Zuständigkeit den Antrag in der Sache geprüft und die Anordnung erlassen;

zu einem späteren Zeitpunkt (etwa einen Monat später) wurde die Anordnung der Überwachung derselben Telefonanschlüsse erneut beantragt und vom nunmehr dafür zuständigen Gericht erlassen;

alle ergangenen Anordnungen enthalten faktisch keine Begründung;

die die Zuständigkeitsübertragung anordnende gesetzliche Vorschrift war unklar, führte zu zahlreichen sich widersprechenden Gerichtsentscheidungen und veranlasste daher den Varhoven sad, etwa zwei Jahre nach der gesetzlich erfolgten Zuständigkeitsübertragung und der fraglichen Telekommunikationsüberwachung eine bindende Auslegungsentscheidung zu erlassen;

das mit der vorliegenden Rechtssache befasste Gericht ist nicht befugt, über Anträge auf Anordnung des Einsatzes von besonderen Ermittlungsmethoden (Telekommunikationsüberwachung) zu entscheiden; es ist jedoch zuständig, über die Rechtmäßigkeit einer durchgeführten Telekommunikationsüberwachung zu entscheiden, einschließlich der Feststellung, dass eine Anordnung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht, und daher von einer Würdigung der auf diesem Wege erhobenen Beweise abzusehen; diese Befugnis ist nur gegeben, wenn eine gültige Anordnung der Telekommunikationsüberwachung erlassen wurde;

die Verwertung dieser Beweise (Telefongespräche der Angeklagten, deren Überwachung von einem Gericht angeordnet wurde, das seine Zuständigkeit bereits verloren hatte) ist von grundlegender Bedeutung für die Entscheidung der Frage nach der Verantwortlichkeit als Rädelsführer einer kriminellen Vereinigung, die zum Zweck der Begehung von Steuerstraftaten nach dem Mehrwertsteuergesetz gebildet wurde, bzw. als Anstifter zu den konkreten Steuerstraftaten, wobei er nur schuldig gesprochen und verurteilt werden kann, wenn diese Telefongespräche als Beweise verwertet werden dürfen; anderenfalls müsste er freigesprochen werden.

2.

Ist das im Vorabentscheidungsverfahren C-614/14 erlassene Urteil auf den vorliegenden Fall anwendbar?