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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)

28. Juni 2018 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit – Soziale Sicherheit der Wandererwerbstätigen – Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – Anhang XI, Abschnitt ‚Spanien‘, Nr. 2 – Altersrente – Berechnungsmethode – Theoretischer Betrag – Maßgebliche Beitragsgrundlage – Sondervereinbarung – Wahl der Beitragsgrundlage – Nationale Regelung, nach der der Arbeitnehmer Beiträge gemäß der Mindestbeitragsgrundlage zu leisten hat“

In der Rechtssache C-2/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia de Galicia (Oberster Gerichtshof Galiciens, Spanien) mit Entscheidung vom 13. Dezember 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Januar 2017, in dem Verfahren

Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS)

gegen

Jesús Crespo Rey,

Beteiligte:

Tesorería General de la Seguridad Social,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Levits, der Richterin M. Berger und des Richters F. Biltgen (Berichterstatter),

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

des Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS), vertreten durch A. R. Trillo García und A. Alvarez Moreno, letrados,

der spanischen Regierung, vertreten durch V. Ester Casas als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch S. Pardo Quintillán, D. Martin und J. Tomkin als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, berichtigt im ABl. 2004, L 200, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 (ABl. 2009, L 284, S. 43) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 883/2004).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) (Staatliche Sozialversicherungsanstalt [INSS], Spanien) einerseits sowie der Tesorería General de la Seguridad Social (Allgemeine Finanzverwaltungsbehörde der Sozialversicherung, Spanien) und Herrn Jesús Crespo Rey andererseits über die Berechnung seiner Altersrente.

Rechtlicher Rahmen

Abkommen über die Freizügigkeit

3

Das am 21. Juni 1999 in Luxemburg unterzeichnete Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (ABl. 2002, L 114, S. 6, im Folgenden: Freizügigkeitsabkommen) hat nach seinem Art. 1 Buchst. a und d zum Ziel, den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Schweiz ein Recht auf Einreise, Aufenthalt, Zugang zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit und Niederlassung als Selbständiger sowie das Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien und die gleichen Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie für Inländer einzuräumen.

4

Gemäß Art. 2 dieses Abkommens werden die Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, bei der Anwendung des Abkommens gemäß dessen Anhängen I, II und III nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert.

5

Art. 8 des Abkommens lautet:

„Die Vertragsparteien regeln die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gemäß Anhang II, um insbesondere Folgendes zu gewährleisten:

a)

Gleichbehandlung;

b)

Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften;

c)

Zusammenrechnung aller nach den verschiedenen nationalen Rechtsvorschriften berücksichtigten Versicherungszeiten für den Erwerb und die Aufrechterhaltung des Leistungsanspruchs sowie für die Berechnung der Leistungen;

d)

Zahlung der Leistungen an Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien haben;

e)

Amtshilfe und Zusammenarbeit der Behörden und Einrichtungen.“

6

Art. 9 („Gleichbehandlung“) von Anhang I des Freizügigkeitsabkommens bestimmt in den Abs. 1 und 2:

„(1)   Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.

(2)   Ein Arbeitnehmer und seine in Artikel 3 dieses Anhangs genannten Familienangehörigen genießen dort die gleichen steuerlichen und sozialen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen.“

7

Anhang II („Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit“) des Freizügigkeitsabkommens wurde durch den Anhang des Beschlusses Nr. 1/2012 des im Rahmen des Abkommens eingesetzten Gemischten Ausschusses vom 31. März 2012 (ABl. 2012, L 103, S. 51) geändert.

8

Art. 1 von Anhang II des Freizügigkeitsabkommens in der durch den Anhang des Beschlusses Nr. 1/2012 geänderten Fassung sieht vor:

„(1)   Die Vertragsparteien kommen überein, im Bereich der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit untereinander die in Abschnitt A dieses Anhangs genannten Rechtsakte der Europäischen Union in der durch diesen Abschnitt geänderten Fassung oder gleichwertige Vorschriften anzuwenden.

(2)   Der Begriff ‚Mitgliedstaat(en)‘ in den Rechtsakten, auf die in Abschnitt A dieses Anhangs Bezug genommen wird, ist außer auf die durch die betreffenden Rechtsakte der Europäischen Union erfassten Staaten auch auf die Schweiz anzuwenden.“

9

In Abschnitt A von Anhang II des Freizügigkeitsabkommens in seiner geänderten Fassung sind die „Rechtsakte, auf die Bezug genommen wird“, aufgeführt; zu ihnen gehört u. a. die Verordnung Nr. 883/2004.

Verordnung Nr. 883/2004

10

Der zu Titel III der Verordnung Nr. 883/2004, der besondere Bestimmungen über die verschiedenen Arten von Leistungen enthält, und dort zu Kapitel 5 („Alters- und Hinterbliebenenrenten“) gehörende Art. 52 („Feststellung der Leistungen“) sieht in Abs. 1 vor:

„Der zuständige Träger berechnet den geschuldeten Leistungsbetrag

a)

allein nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften, wenn die Voraussetzungen für den Leistungsanspruch ausschließlich nach nationalem Recht erfüllt wurden (autonome Leistung);

b)

indem er einen theoretischen Betrag und im Anschluss daran einen tatsächlichen Betrag (anteilige Leistung) wie folgt berechnet:

i)

Der theoretische Betrag der Leistung entspricht der Leistung, auf die die betreffende Person Anspruch hätte, wenn alle nach den Rechtsvorschriften der anderen Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungs- und/oder Wohnzeiten nach den für diesen Träger zum Zeitpunkt der Feststellung der Leistung geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären. Ist nach diesen Rechtsvorschriften die Höhe der Leistung von der Dauer der zurückgelegten Zeiten unabhängig, so gilt dieser Betrag als theoretischer Betrag.

ii)

Der zuständige Träger ermittelt sodann den tatsächlichen Betrag der anteiligen Leistung auf der Grundlage des theoretischen Betrags nach dem Verhältnis zwischen den nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften vor Eintritt des Versicherungsfalls zurückgelegten Zeiten und den gesamten nach den Rechtsvorschriften aller beteiligten Mitgliedstaaten vor Eintritt des Versicherungsfalls zurückgelegten Zeiten.“

11

Der ebenfalls zu Kapitel 5 gehörende Art. 56 („Ergänzende Vorschriften für die Berechnung der Leistungen“) der Verordnung sieht in Abs. 1 vor:

„Für die Berechnung des theoretischen Betrags und des anteiligen Betrags nach Artikel 52 Absatz 1 Buchstabe b) gilt Folgendes:

c)

Erfolgt nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Berechnung von Leistungen auf der Grundlage von Einkünften, Beiträgen, Beitragsgrundlagen, Steigerungsbeträgen, Entgelten, anderen Beträgen oder einer Kombination mehrerer von ihnen (durchschnittlich, anteilig, pauschal oder fiktiv), so verfährt der zuständige Träger gegebenenfalls nach den in Anhang XI für den betreffenden Mitgliedstaat genannten Verfahren wie folgt:

i)

Er ermittelt die Berechnungsgrundlage der Leistungen ausschließlich aufgrund der Versicherungszeiten, die nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt wurden.

ii)

Er zieht zur Berechnung des Betrags aufgrund von Versicherungs- und/oder Wohnzeiten, die nach den Rechtsvorschriften anderer Mitgliedstaaten zurückgelegt wurden, die gleichen Bezugsgrößen heran, die für die Versicherungszeiten festgestellt oder aufgezeichnet wurden, die nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt wurden.

…“

12

Anhang XI („Besondere Vorschriften für die Anwendung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten“) der Verordnung soll den Besonderheiten der verschiedenen Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten Rechnung tragen, um die Anwendung der Vorschriften zur Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit zu erleichtern. Wie aus dem dritten Erwägungsrund der Verordnung Nr. 988/2009 hervorgeht, hat eine Reihe von Mitgliedstaaten beantragt, Einträge über die Anwendung ihrer Rechtsvorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit in diesen Anhang aufzunehmen, und hat der Europäischen Kommission rechtliche und praktische Erläuterungen zu ihren jeweiligen Rechtsvorschriften und Systemen vorgelegt.

13

Anhang XI, Abschnitt „Spanien“, Nr. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 sieht vor:

„a)

Nach Artikel 56 Absatz 1 Buchstabe c dieser Verordnung erfolgt die Berechnung der spanischen theoretischen Leistung auf der Grundlage der tatsächlich entrichteten Beiträge des Versicherten in den Jahren unmittelbar vor Entrichtung des letzten Beitrags zur spanischen sozialen Sicherheit. Sind bei der Berechnung des Rentengrundbetrages die in anderen Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungs- bzw. Wohnzeiten anzurechnen, wird die dem Referenzzeitraum zeitlich nächstliegende Beitragsgrundlage in Spanien unter Berücksichtigung der Entwicklung des Verbraucherpreisindex auf die vorgenannten Zeiten angewandt.

b)

Der ermittelte Betrag der Rente wird für Renten gleicher Art um die für jedes folgende Jahr errechneten Steigerungs- und Anpassungsbeträge erhöht.“

Spanisches Recht

Allgemeines Gesetz über die soziale Sicherheit

14

Art. 162 der Ley General de la Seguridad Social (Allgemeines Gesetz über die soziale Sicherheit) in ihrer durch das Real Decreto Legislativo 1/1994 (Königliches Gesetzesdekret Nr. 1/1994) vom 20. Juni 1994 (BOE Nr. 154 vom 29. Juni 1994, S. 20658) genehmigten Neufassung, der in zeitlicher Hinsicht auf das Ausgangsverfahren anwendbar ist, bestimmt, wie die Bemessungsgrundlage für die beitragsbezogene Altersrente ermittelt wird.

15

Die Fünfte Übergangsbestimmung („Übergangsvorschriften zur Bemessungsgrundlage für die Altersrente“) des Allgemeinen Gesetzes über die soziale Sicherheit sieht in Abs. 1 Satz 1 vor: „Ab dem 1. Januar 2013 ist die Bemessungsgrundlage für die Altersrente in der Weise zu ermitteln, dass die Beitragsgrundlagen während der 192 dem Monat vor dem Eintritt des Entstehungstatbestands unmittelbar vorausgehenden Monate durch 224 geteilt werden.“

Ministerialverordnung von 2003

16

Die Orden TAS/2865/2003 (Ministerialverordnung TAS/2865/2003) vom 13. Oktober 2003 (BOE Nr. 250 vom 18. Oktober 2003, im Folgenden: Ministerialverordnung von 2003) regelt die Voraussetzungen, unter denen durch den Abschluss einer Sondervereinbarung die Zugehörigkeit zum spanischen Sozialversicherungssystem herbeigeführt werden kann.

17

Art. 2 der Ministerialverordnung von 2003 regelt, welche Personen eine solche Vereinbarung grundsätzlich schließen können; dabei handelt es sich im Wesentlichen um nicht sozialversicherte Arbeitnehmer.

18

In Art. 6 der Ministerialverordnung wird die für Personen, die eine solche Vereinbarung schließen, geltende Beitragsgrundlage festgelegt; sie können zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung zwischen den folgenden monatlichen Beitragsgrundlagen wählen:

die höchste Beitragsgrundlage für typische Risiken der Beitragsgruppe, die der Berufsgruppe der betreffenden Person entspricht, oder unter bestimmten Voraussetzungen in dem System, dem sie angehört;

die Beitragsgrundlage, die in der Weise zu ermitteln ist, dass die Summe der Grundlagen für typische Risiken, für die während eines bestimmten Zeitraums Beiträge entrichtet wurden, durch 12 geteilt wird;

die niedrigste Beitragsgrundlage, die zu dem Zeitpunkt, zu dem die Sondervereinbarung wirksam wird, im Sondersystem der sozialen Sicherheit für Selbständige gilt;

eine Beitragsgrundlage, die zwischen den nach den drei vorhergehenden Möglichkeiten ermittelten Grundlagen liegt.

19

Kapitel II („Modalitäten der Sondervereinbarung“) der Ministerialverordnung von 2003 enthält einen Abschnitt 3 mit Vorschriften über Sondervereinbarungen, die für spanische Staatsangehörige und ihre Kinder, die im Ausland arbeiten, sowie für Personen gelten, die einem ausländischen Sozialversicherungssystem angeschlossen und in Spanien ansässig sind.

20

Der zu Abschnitt 3 der Ministerialverordnung von 2003 gehörende Art. 15 regelt dabei die „Sondervereinbarung für spanische Auswanderer, die im Ausland arbeiten, und ihre Kinder“ (im Folgenden: Sondervereinbarung). Gemäß Art. 15 Abs. 1 der Ministerialverordnung können „spanische Auswanderer und deren Kinder, die die spanische Staatsangehörigkeit besitzen, unabhängig davon, ob sie zuvor der spanischen Sozialversicherung angeschlossen waren, und unabhängig davon, in welchem Land sie arbeiten und ob dieses Land mit Spanien ein Sozialversicherungsabkommen oder -übereinkommen abgeschlossen hat“, sowie „spanische Auswanderer und deren Kinder, die die spanische Staatsangehörigkeit besitzen, unabhängig davon, in welchem Land sie arbeiten, wenn sie nicht in einem staatlichen Sozialversicherungssystem in Spanien pflichtversichert sind, zum Zeitpunkt ihrer Rückkehr in das spanische Hoheitsgebiet“ eine solche Vereinbarung schließen.

21

Außerdem heißt es in Art. 15 Abs. 4:

„Die monatliche Beitragsgrundlage ist bei dieser Form der Sondervereinbarung stets die … im allgemeinen System der Sozialversicherung festgelegte Mindestbeitragsgrundlage …“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

22

Herr Crespo Rey besitzt die spanische Staatsangehörigkeit. Nachdem er in verschiedenen Zeiträumen zwischen August 1965 und Juni 1980 Beiträge nach Grundlagen geleistet hatte, die höher waren als die im allgemeinen System der spanischen Sozialversicherung festgelegte Mindestgrundlage, ließ er sich in der Schweiz nieder. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts leistete er in der Zeit vom 1. Mai 1984 bis zum 30. November 2007 Beiträge zur Sozialversicherung dieses Staats.

23

Am 1. Dezember 2007 schloss Herr Crespo Rey mit der spanischen Sozialversicherung eine Sondervereinbarung (im Folgenden: Sondervereinbarung vom 1. Dezember 2007), die vorsah, dass er ab dann bis zum 1. Januar 2014 Beiträge entrichtet, deren Höhe anhand der im allgemeinen System der spanischen Sozialversicherung festgelegten Mindestbeitragsgrundlage ermittelt wurde.

24

Mit Bescheid des INSS vom 26. September 2014 wurde Herrn Crespo Rey in Spanien eine Altersrente zuerkannt.

25

Bei der Berechnung dieser Altersrente berücksichtigte das INSS im Einklang mit der Fünften Übergangsbestimmung des Allgemeinen Gesetzes über die soziale Sicherheit die Höhe der Beiträge, die der Betroffene in den 192 Monaten vor seinem Renteneintritt, d. h. in der Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2013, entrichtet hatte.

26

Das INSS stellte den Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Dezember 2013, in dem die Sondervereinbarung vom 1. Dezember 2007 galt, einem in Spanien zurückgelegten Zeitraum gleich. Deshalb wandte es die in Anhang XI, Abschnitt „Spanien“, Nr. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 vorgesehenen Modalitäten an und zog als Bemessungsgrundlage für diesen Zeitraum die von Herrn Crespo Rey im Rahmen der Sondervereinbarung entrichteten Beiträge heran.

27

In Bezug auf den Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 30. November 2007, in dem Herr Crespo Rey vor dem Abschluss der Sondervereinbarung in der Schweiz arbeitete, berücksichtigte das INSS im Einklang mit Anhang XI, Abschnitt „Spanien“, Nr. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 die dem Referenzzeitraum zeitlich nächstliegende Beitragsgrundlage in Spanien. Das INSS nahm an, dass es sich um die Beitragsgrundlage vom Dezember 2007 handele, auf deren Grundlage der erste von Herrn Crespo Rey im Rahmen der Vereinbarung entrichtete Mindestbeitrag berechnet wurde.

28

Herr Crespo Rey erhob gegen den Bescheid Klage beim Juzgado de lo Social no 1 de La Coruña (Arbeitsgericht Nr. 1 von La Coruña, Spanien), mit der er sich gegen die Berechnung seiner Altersrente durch das INSS wandte.

29

Dieses Gericht gab der Klage von Herrn Crespo Rey statt. Daraufhin legte das INSS gegen die Entscheidung des Juzgado de lo Social no 1 de La Coruña (Arbeitsgericht Nr. 1 von La Coruña) beim vorlegenden Gericht, dem Tribunal Superior de Justicia de Galicia (Oberster Gerichtshof Galiciens, Spanien), Berufung ein.

30

Das vorlegende Gericht wirft die Frage auf, ob die in der bei ihm anhängigen Rechtssache in Rede stehende nationale Regelung mit Art. 45 Abs. 1 AEUV vereinbar ist, da der Wandererwerbstätige gemäß Art. 15 der Ministerialverordnung von 2003 Beiträge nach der Mindestbeitragsgrundlage zu leisten hat, ohne eine andere Beitragsgrundlage wählen zu können, und da das INSS den Zeitraum, in dem diese Vereinbarung gilt, einem in Spanien zurückgelegten Zeitraum gleichstellt, so dass bei der Berechnung des theoretischen Betrags der Altersrente des Arbeitnehmers nur die im Rahmen der Vereinbarung entrichteten Mindestbeiträge berücksichtigt werden, obwohl er in Spanien vor der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit Beiträge nach Grundlagen geleistet hatte, die höher waren als die Mindestbeitragsgrundlage.

31

Sollte der Gerichtshof die Unzulässigkeit bejahen, fragt das vorlegende Gericht weiter, ob für die Berechnung des theoretischen Betrags der Altersrente des Wandererwerbstätigen gemäß Art. 45 AEUV und Anhang XI, Abschnitt „Spanien“, Nr. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 die letzte Grundlage der von ihm vor der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit in Spanien tatsächlich entrichteten Beiträge heranzuziehen ist, d. h. eine Beitragsgrundlage, die höher ist als diejenige, nach der die Beiträge berechnet wurden, die er im Rahmen der Sondervereinbarung vom 1. Dezember 2007 entrichtet hat.

32

Unter diesen Umständen hat das Tribunal Superior de Justicia de Galicia (Oberster Gerichtshof Galiciens) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist davon auszugehen, dass Beitragsgrundlagen, die sich aus der Anwendung einer nationalen spanischen Regelung ergeben, nach der ein zurückgekehrter Wandererwerbstätiger, dessen letzte tatsächlich in Spanien entrichteten Beiträge höher waren als die Mindestgrundlagen, nur eine Vereinbarung über die Beibehaltung von Beiträgen anhand der Mindestgrundlagen schließen kann, während ein sesshafter Arbeitnehmer die Möglichkeit hätte, die Vereinbarung anhand höherer Grundlagen zu schließen, vom Ausdruck „dem Referenzzeitraum zeitlich nächstliegende Beitragsgrundlage in Spanien“ im Sinne von Anhang XI, Abschnitt „Spanien“, Nr. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 ausgenommen sind?

2.

Wenn die vorstehende Frage bejaht wird, sind dann, im Einklang mit Anhang XI, Abschnitt „Spanien“, Nr. 2 der Verordnung Nr. 883/2004, die Berücksichtigung der letzten tatsächlich in Spanien entrichteten, ordnungsgemäß angepassten Beiträge und die Heranziehung des im Rahmen der Vereinbarung über die Beibehaltung von Beiträgen zurückgelegten Beitragszeitraums als neutraler Zeitraum oder Unterbrechung geeignete Mittel zum Ausgleich des dem Wandererwerbstätigen entstandenen Nachteils?

Zu den Vorlagefragen

Zur Zulässigkeit

33

Die spanische Regierung hält das Vorabentscheidungsersuchen für unzulässig, da das vorlegende Gericht den Sachverhalt, dessen Prüfung in der Berufung nicht erörtert worden sei, fehlerhaft beurteilt habe, was dazu führe, dass um eine Auslegung ersucht werde, die in keinem Zusammenhang mit der Realität des Ausgangsrechtsstreits stehe.

34

Dazu ist festzustellen, dass in einem Verfahren nach Art. 267 AEUV, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, jede Beurteilung des Sachverhalts in die Zuständigkeit des nationalen Gerichts fällt. Ebenso hat nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (vgl. u. a. Urteile vom 10. Februar 2011, Haribo Lakritzen Hans Riegel und Österreichische Salinen, C-436/08 und C-437/08, EU:C:2011:61, Rn. 41, sowie vom 22. Oktober 2009, Zurita García und Choque Cabrera, C-261/08 und C-348/08, EU:C:2009:648, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35

Der Gerichtshof darf die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteile vom 5. Dezember 2006, Cipolla u. a., C-94/04 und C-202/04, EU:C:2006:758, Rn. 25, sowie vom 22. September 2016, Breitsamer und Ulrich, C-113/15, EU:C:2016:718, Rn. 33).

36

Die Vermutung der Entscheidungserheblichkeit kann nicht allein dadurch widerlegt werden, dass eine der Parteien des Ausgangsverfahrens bestimmte Tatsachen bestreitet, deren Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu überprüfen hat und die den Streitgegenstand bestimmen (Urteile vom 5. Dezember 2006, Cipolla u. a., C-94/04 und C-202/04, EU:C:2006:758, Rn. 26, sowie vom 22. September 2016, Breitsamer und Ulrich, C-113/15, EU:C:2016:718, Rn. 34).

37

Im vorliegenden Fall haben die spanische Regierung und das INSS vorgebracht, dass Herr Crespo Rey entgegen den Angaben des vorlegenden Gerichts in der Zeit vom 1. Dezember 2007, an dem die Sondervereinbarung geschlossen worden sei, bis zum 31. Dezember 2013, dem Zeitpunkt seines Renteneintritts, weiter in der Schweiz gearbeitet und Beiträge entrichtet habe.

38

Die Frage, ob Herr Crespo Rey zum Zeitpunkt des Abschlusses der Sondervereinbarung nach Spanien zurückgekehrt war oder weiter in der Schweiz arbeitete und dort Beiträge entrichtete, gehört zum Sachverhalt des Ausgangsverfahrens, den der Gerichtshof nicht zu überprüfen hat.

39

Unter diesen Umständen ist die von der spanischen Regierung erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

Zur Beantwortung der Fragen

40

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof dessen Aufgabe, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren. Es ist nämlich Aufgabe des Gerichtshofs, alle Bestimmungen des Unionsrechts auszulegen, die die nationalen Gerichte benötigen, um die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, auch wenn diese Bestimmungen in den dem Gerichtshof von ihnen vorgelegten Fragen nicht ausdrücklich genannt sind (Urteil vom 19. Oktober 2017, Otero Ramos, C-531/15, EU:C:2017:789, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41

Auch wenn das vorlegende Gericht seine Fragen formal auf die Auslegung von Anhang XI, Abschnitt „Spanien“, Nr. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 beschränkt hat, hindert dies den Gerichtshof somit nicht daran, dem Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die für die Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache von Nutzen sein können, unabhängig davon, ob es bei seiner Fragestellung darauf Bezug genommen hat. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten vom einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere aus der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. entsprechend Urteil vom 19. Oktober 2017, Otero Ramos, C-531/15, EU:C:2017:789, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung insofern mit Art. 45 AEUV vereinbar ist, als sie den Wandererwerbstätigen, der eine Sondervereinbarung mit der spanischen Sozialversicherung schließt, verpflichtet, Beiträge gemäß der Mindestbeitragsgrundlage zu leisten, so dass der zuständige Träger bei der Berechnung des theoretischen Betrags der Altersrente des Arbeitnehmers gemäß Anhang XI, Abschnitt „Spanien“, Nr. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 den von dieser Vereinbarung erfassten Zeitraum einem in Spanien zurückgelegten Zeitraum gleichstellen und die Beiträge, die der Arbeitnehmer gemäß der Vereinbarung entrichtet hat, nicht berücksichtigen wird, auch wenn er in Spanien vor der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit Beiträge nach Grundlagen geleistet hatte, die höher waren als die Mindestbeitragsgrundlage.

43

In einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, der einen Wandererwerbstätigen betrifft, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist und während eines bestimmten Zeitraums in der Schweiz gearbeitet hat, ist die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung im Licht der Vorschriften des Freizügigkeitsabkommens zu beurteilen.

44

Angesichts dieser Erwägungen sind die Fragen des vorlegenden Gerichts, die gemeinsam zu prüfen sind, so zu verstehen, dass es wissen möchte, ob das Freizügigkeitsabkommen dahin auszulegen ist, dass es einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, nach der ein Wandererwerbstätiger, der eine Sondervereinbarung mit der Sozialversicherung dieses Mitgliedstaats schließt, Beiträge gemäß der Mindestbeitragsgrundlage zu leisten hat, so dass der zuständige Träger des Mitgliedstaats bei der Berechnung des theoretischen Betrags seiner Altersrente den von der Vereinbarung erfassten Zeitraum einem in dem Mitgliedstaat zurückgelegten Zeitraum gleichstellt und bei dieser Berechnung nur Beiträge berücksichtigt, die der Arbeitnehmer im Rahmen der Vereinbarung entrichtet hat, obwohl er in dem Mitgliedstaat vor der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit Beiträge nach Grundlagen geleistet hatte, die höher waren als die Mindestbeitragsgrundlage, und ein sesshafter Arbeitnehmer, der von seinem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht hat und eine solche Vereinbarung schließt, über die Möglichkeit verfügt, Beiträge nach Grundlagen zu leisten, die höher sind als die Mindestbeitragsgrundlage.

Zu den Vorlagefragen

45

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 883/2004 kein gemeinsames System der sozialen Sicherheit schafft, sondern unterschiedliche nationale Systeme bestehen lässt und diese nur koordinieren soll. Somit sind die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs weiterhin für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit zuständig (vgl. u. a. Urteile vom 21. Februar 2013, Salgado González, C-282/11, EU:C:2013:86, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 7. Dezember 2017, Zaniewicz-Dybeck, C-189/16, EU:C:2017:946, Rn. 38).

46

In Ermangelung einer Harmonisierung auf Unionsebene bestimmt somit das Recht eines jeden Mitgliedstaats u. a. die Voraussetzungen für die Begründung von Ansprüchen auf Leistungen (Urteile vom 21. Februar 2013, Salgado González, C-282/11, EU:C:2013:86, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 7. Dezember 2017, Zaniewicz-Dybeck, C-189/16, EU:C:2017:946, Rn. 39).

47

Gleichwohl müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Befugnis das Unionsrecht und insbesondere die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die jedem Unionsbürger zuerkannte Freiheit beachten, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Urteile vom 21. Februar 2013, Salgado González, C-282/11, EU:C:2013:86, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 7. Dezember 2017, Zaniewicz-Dybeck, C-189/16, EU:C:2017:946, Rn. 40).

48

Wie aus der Präambel sowie aus Art. 1 und Art. 16 Abs. 2 des Freizügigkeitsabkommens hervorgeht, besteht dessen Ziel darin, im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien dieses Abkommens die Freizügigkeit zugunsten der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Union und der Schweizerischen Eidgenossenschaft auf der Grundlage der in der Union geltenden Bestimmungen zu verwirklichen, deren Begriffe im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgelegt werden müssen (Urteile vom 19. November 2015, Bukovansky, C-241/14, EU:C:2015:766, Rn. 40, sowie vom 21. September 2016, Radgen, C-478/15, EU:C:2016:705, Rn. 36).

49

Bestandteil dieses Ziels ist es nach Art. 1 Buchst. a und d des Freizügigkeitsabkommens, den genannten Staatsangehörigen u. a. ein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Zugang zu einer unselbständigen Erwerbstätigkeit sowie gleiche Lebens-, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen wie für Inländer einzuräumen (Urteil vom 21. September 2016, Radgen, C-478/15, EU:C:2016:705, Rn. 37).

50

So wird in Art. 8 Buchst. a des Freizügigkeitsabkommens klargestellt, dass die Vertragsparteien die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit nach dessen Anhang II regeln, um die Gleichbehandlung zu gewährleisten.

51

Art. 9 („Gleichbehandlung“) von Anhang I des Freizügigkeitsabkommens gewährleistet die Anwendung des in Art. 2 des Abkommens aufgestellten Grundsatzes der Nichtdiskriminierung im Rahmen der Freizügigkeit der Erwerbstätigen (Urteile vom 19. November 2015, Bukovansky, C-241/14, EU:C:2015:766, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 21. September 2016, Radgen, C-478/15, EU:C:2016:705, Rn. 40).

52

Hinsichtlich des Ausgangsverfahrens ist – vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht insoweit vorzunehmenden Prüfung – davon auszugehen, dass Herr Crespo Rey von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht und im Hoheitsgebiet der Schweiz eine unselbständige Tätigkeit ausgeübt hat. Er fällt folglich in den Anwendungsbereich des Freizügigkeitsabkommens und kann sich somit gegenüber seinem Herkunftsstaat auf dieses Abkommen berufen.

53

Im vorliegenden Fall ist der Bezugszeitraum für die Berechnung der Altersrente von Herrn Crespo Rey nach der Fünften Übergangsbestimmung des Allgemeinen Gesetzes über die soziale Sicherheit der Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2013.

54

Aus der Wiedergabe des Sachverhalts in Rn. 23 des vorliegenden Urteils geht hervor, dass Herr Crespo Rey die Sondervereinbarung vom 1. Dezember 2007 schloss, aufgrund deren er bis zum 31. Dezember 2013 Beiträge gemäß der Mindestbeitragsgrundlage leistete.

55

Der Abschluss der Sondervereinbarung vom 1. Dezember 2007 durch Herrn Crespo Rey führte im Ausgangsverfahren dazu, dass das INSS bei der Berechnung des theoretischen Betrags seiner Altersrente die Mindestbeitragsgrundlage heranzog.

56

Dabei berücksichtigte das INSS, um die maßgebliche Beitragsgrundlage für diesen Zeitraum zu bestimmen, im Einklang mit Anhang XI, Abschnitt „Spanien“, Nr. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 die von Herrn Crespo Rey in den Jahren unmittelbar vor der Entrichtung des letzten Beitrags zur Sozialversicherung tatsächlich entrichteten Beiträge, d. h. die von ihm gemäß der Sondervereinbarung vom 1. Dezember 2007 entrichteten Mindestbeiträge.

57

In Bezug auf den Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 30. November 2007, in dem Herr Crespo Rey in der Schweiz arbeitete, aber die Vereinbarung noch nicht geschlossen hatte, berücksichtigte das INSS im Einklang mit Anhang XI, Abschnitt „Spanien“, Nr. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 die dem Referenzzeitraum zeitlich nächstliegende Beitragsgrundlage in Spanien. Das INSS nahm dabei an, dass es sich um die Beitragsgrundlage vom Dezember 2007 handele, d. h. wiederum die Mindestbeitragsgrundlage, nach der Herr Crespo Rey seine Beiträge im Rahmen der Vereinbarung entrichtete.

58

Die Gleichstellung des Zeitraums, in dem die Sondervereinbarung vom 1. Dezember 2007 galt, mit einer in Spanien zurückgelegten Beschäftigungszeit durch das INSS führte demnach dazu, dass bei der Berechnung des theoretischen Betrags der Altersrente von Herrn Crespo Rey nur die Mindestbeitragsgrundlage herangezogen wurde, nach der er seine Beiträge im Rahmen dieser Vereinbarung entrichtete.

59

Insoweit geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass Herr Crespo Rey vor der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit und dem Abschluss der Sondervereinbarung vom 1. Dezember 2007 Beiträge zur spanischen Sozialversicherung nach Grundlagen geleistet hatte, die höher waren als die im Rahmen dieser Vereinbarung angewandte Mindestbeitragsgrundlage.

60

Gemäß Art. 15 Abs. 4 der Ministerialverordnung von 2003 kann der Wandererwerbstätige aber im Rahmen der Sondervereinbarung nicht weiter nach höheren Grundlagen Beiträge leisten, da sich deren Höhe im Rahmen einer solchen Vereinbarung zwingend nach der im allgemeinen System der spanischen Sozialversicherung festgelegten Mindestbeitragsgrundlage richtet.

61

Wenn der Wandererwerbstätige wie im Ausgangsverfahren vor der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit und dem Abschluss einer Sondervereinbarung Beiträge zur Sozialversicherung des betreffenden Mitgliedstaats nach Grundlagen geleistet hatte, die höher waren als die Mindestbeitragsgrundlage, entsprechen die Beiträge, die der Arbeitnehmer im Rahmen der von ihm geschlossenen Vereinbarung entrichtet hat, demnach nicht denen, die er tatsächlich entrichtet hätte, wenn er seine Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat unter den gleichen Bedingungen fortgesetzt hätte.

62

Darüber hinaus haben das INSS und die spanische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen und in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof eingeräumt, dass eine solche Einschränkung nach der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung für sesshafte Arbeitnehmer, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht haben und somit ihre gesamte berufliche Laufbahn in Spanien zurücklegen, nicht besteht. Diese haben nämlich die Möglichkeit, Beiträge nach Grundlagen zu leisten, die höher sind als die Mindestbeitragsgrundlage.

63

Demzufolge schafft die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung dadurch, dass Wandererwerbstätige, die eine Sondervereinbarung schließen, Beiträge zu entrichten haben, die nach der Mindestbeitragsgrundlage ermittelt werden, eine Ungleichbehandlung, die geeignet ist, Wandererwerbstätige gegenüber sesshaften Arbeitnehmern, die ihre gesamte berufliche Laufbahn in dem betreffenden Mitgliedstaat zurückgelegt haben, zu benachteiligen.

64

Das INSS und die spanische Regierung machen insoweit geltend, der Abschluss einer Sondervereinbarung solle es dem Wandererwerbstätigen ermöglichen, zu verhindern, dass sich seine spanische Altersrente verringere, weil er sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt habe.

65

In einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden kann der Abschluss einer Sondervereinbarung jedoch dazu führen, dass sich die Altersrente des Wandererwerbstätigen in Wirklichkeit nicht unerheblich verringert, da, wie bereits in Rn. 59 des vorliegenden Urteils festgestellt wurde, bei der Berechnung des theoretischen Betrags dieser Rente nur die von ihm im Rahmen der Vereinbarung entrichteten Beiträge berücksichtigt werden, d. h. Beiträge, die nach der Mindestbeitragsgrundlage berechnet werden.

66

Hinzuzufügen ist, dass dies nicht der Fall wäre, wenn ein solcher Arbeitnehmer nach der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit nur in einem anderen Mitgliedstaat Beiträge geleistet hätte, ohne eine Sondervereinbarung zu schließen.

67

Anhang XI, Abschnitt „Spanien“, Nr. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 sieht nämlich vor, dass bei der Berechnung des Rentengrundbetrags des Wandererwerbstätigen für die von ihm in anderen Mitgliedstaaten zurückgelegten Zeiten „die dem Referenzzeitraum zeitlich nächstliegende Beitragsgrundlage in Spanien“ heranzuziehen ist

68

Deshalb wäre in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens, in dem der betreffende Arbeitnehmer vor der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit Beiträge zur Sozialversicherung des betreffenden Mitgliedstaats nach Grundlagen geleistet hatte, die höher waren als die Mindestbeitragsgrundlage, die maßgebliche Beitragsgrundlage für die Berechnung der Höhe seiner Altersrente der letzte Beitrag, den der Arbeitnehmer in diesem Mitgliedstaat entrichtet hat, d. h. eine Beitragsgrundlage, die höher ist als die in der Sondervereinbarung vorgesehene Mindestbeitragsgrundlage.

69

Daraus folgt, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, nach der ein Wandererwerbstätige, der eine Sondervereinbarung mit der Sozialversicherung des betreffenden Mitgliedstaats schließt, Beiträge gemäß der Mindestbeitragsgrundlage zu leisten hat, und zwar selbst dann, wenn er vor der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit in diesem Staat Beiträge nach Beitragsgrundlagen geleistet hatte, die höher waren als die Mindestgrundlage, so dass der zuständige Träger des betreffenden Mitgliedstaats bei der Berechnung des theoretischen Betrags der Altersrente des Arbeitnehmers den von der Vereinbarung erfassten Zeitraum einem in seinem Hoheitsgebiet zurückgelegten Zeitraum gleichstellt und bei dieser Berechnung nur die Mindestbeiträge, die der Arbeitnehmer gemäß der Vereinbarung entrichtet hat, berücksichtigt, geeignet ist, ihn gegenüber denjenigen, die ihre gesamte berufliche Laufbahn in dem betreffenden Mitgliedstaat zurückgelegt haben, zu benachteiligen.

70

Soweit sich das vorlegende Gericht fragt, welche Konsequenzen es aus einer etwaigen Unvereinbarkeit der nationalen Regelung mit dem Unionsrecht zu ziehen hat, ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung von den nationalen Gerichten verlangt, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem vom Unionsrecht verfolgten Ziel im Einklang steht (Urteil vom 13. Juli 2016, Pöpperl, C-187/15, EU:C:2016:550, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71

Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts unterliegt allerdings gewissen Schranken. So findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt des Unionsrechts heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (Urteil vom 13. Juli 2016, Pöpperl, C-187/15, EU:C:2016:550, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72

Wenn eine solche konforme Auslegung nicht möglich ist, ist das nationale Gericht verpflichtet, das Unionsrecht in vollem Umfang anzuwenden und die Rechte, die es dem Einzelnen einräumt, zu schützen, indem es erforderlichenfalls jede Bestimmung unangewendet lässt, deren Anwendung im konkreten Fall zu einem unionsrechtswidrigen Ergebnis führen würde (Urteil vom 13. Juli 2016, Pöpperl, C-187/15, EU:C:2016:550, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73

Wenn das nationale Recht unter Verstoß gegen das Unionsrecht eine unterschiedliche Behandlung von mehreren Personengruppen vorsieht, haben die Angehörigen der benachteiligten Gruppe Anspruch auf die gleiche Behandlung und die Anwendung der gleichen Regelung wie die übrigen Betroffenen. Die für die Angehörigen der bevorzugten Gruppe geltende Regelung bleibt, solange das Unionsrecht nicht richtig durchgeführt ist, das einzig gültige Bezugssystem (Urteil vom 13. Juli 2016, Pöpperl, C-187/15, EU:C:2016:550, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

74

Wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt und bereits in Rn. 63 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, haben sesshafte Arbeitnehmer, die eine Sondervereinbarung schließen, die Möglichkeit, Beiträge nach Grundlagen zu leisten, die höher sind als die Mindestbeitragsgrundlage. Daher stellt dieser rechtliche Rahmen ein solches gültiges Bezugssystem dar.

75

Zwar hat das mit dem Rechtsstreit befasste Gericht zu klären, welche Mittel im innerstaatlichem Recht am besten geeignet sind, um die Gleichbehandlung von Wandererwerbstätigen und sesshaften Arbeitnehmern zu erreichen. Dieses Ziel könnte jedoch a priori dadurch erreicht werden, dass auch Wandererwerbstätigen, die eine Sondervereinbarung schließen, diese Möglichkeit eingeräumt und ihnen gestattet wird, rückwirkend Beiträge nach Grundlagen zu leisten, die höher sind als die Mindestbeitragsgrundlage, und somit ihre Ansprüche auf eine Altersrente anhand dieser neuen Grundlagen geltend zu machen.

76

Nach alledem ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass das Freizügigkeitsabkommen dahin auszulegen ist, dass es einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, nach der ein Wandererwerbstätiger, der eine Sondervereinbarung mit der Sozialversicherung dieses Mitgliedstaats schließt, Beiträge gemäß der Mindestbeitragsgrundlage zu leisten hat, so dass der zuständige Träger des Mitgliedstaats bei der Berechnung des theoretischen Betrags seiner Altersrente den von der Vereinbarung erfassten Zeitraum einem in dem Mitgliedstaat zurückgelegten Zeitraum gleichstellt und bei dieser Berechnung nur Beiträge berücksichtigt, die der Arbeitnehmer im Rahmen der Vereinbarung entrichtet hat, obwohl er in dem Mitgliedstaat vor der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit Beiträge nach Grundlagen geleistet hatte, die höher waren als die Mindestbeitragsgrundlage, und ein sesshafter Arbeitnehmer, der von seinem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht hat und eine solche Vereinbarung schließt, über die Möglichkeit verfügt, Beiträge nach Grundlagen zu leisten, die höher sind als die Mindestbeitragsgrundlage.

Kosten

77

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt:

 

Das am 21. Juni 1999 in Luxemburg unterzeichnete Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit ist dahin auszulegen, dass es einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, nach der ein Wandererwerbstätiger, der eine Sondervereinbarung mit der Sozialversicherung dieses Mitgliedstaats schließt, Beiträge gemäß der Mindestbeitragsgrundlage zu leisten hat, so dass der zuständige Träger des Mitgliedstaats bei der Berechnung des theoretischen Betrags seiner Altersrente den von der Vereinbarung erfassten Zeitraum einem in dem Mitgliedstaat zurückgelegten Zeitraum gleichstellt und bei dieser Berechnung nur Beiträge berücksichtigt, die der Arbeitnehmer im Rahmen der Vereinbarung entrichtet hat, obwohl er in dem Mitgliedstaat vor der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit Beiträge nach Grundlagen geleistet hatte, die höher waren als die Mindestbeitragsgrundlage, und ein sesshafter Arbeitnehmer, der von seinem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht hat und eine solche Vereinbarung schließt, über die Möglichkeit verfügt, Beiträge nach Grundlagen zu leisten, die höher sind als die Mindestbeitragsgrundlage.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.