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Vorläufige Fassung

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

6. Oktober 2022(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuerrecht – Mehrwertsteuer – Richtlinie 2006/112/ EG – Dienstleistung gegen Entgelt – Befreiungen – Art. 135 Abs. 1 Buchst. b – Gewährung von Krediten – Unterbeteiligungsvertrag“

In der Rechtssache C-250/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen) mit Entscheidung vom 27. Oktober 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 21. April 2021, in dem Verfahren

Szef Krajowej Administracji Skarbowej

gegen

O. Fundusz Inwestycyjny Zamknięty reprezentowany przez O S.A.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richter S. Rodin und J.-C. Bonichot sowie der Richterinnen L. S. Rossi und O. Spineanu-Matei (Berichterstatterin),

Generalanwältin: L. Medina,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. März 2022,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        des Szef Krajowej Administracji Skarbowej, vertreten durch B. Kołodziej, D. Pach und T. Wojciechowski,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch A. Kramarczyk-Szaładzińska und B. Majczyna als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia, B. Sasinowska und M. Siekierzyńska als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Mai 2022

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Szef Krajowej Administracji Skarbowej (Leiter der nationalen Finanzverwaltung, Polen) (im Folgenden: Finanzbehörde) und dem O. Fundusz Inwestycyjny Zamknięty reprezentowany przez O S.A. (im Folgenden: O-Fonds) über die für die Zwecke der Befreiung von der Mehrwertsteuer vorzunehmende Einstufung von Dienstleistungen, die im Rahmen eines Unterbeteiligungsvertrags erbracht wurden.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

c)      Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt“.

4        Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Als ‚Dienstleistung‘ gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist.“

5        Art. 135 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

b)      die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber“.

 Nationales Recht

 Mehrwertsteuergesetz

6        Art. 43 Abs. 1 der Ustawa o podatku od towarów i usług (Gesetz über die Steuer auf Gegenstände und Dienstleistungen) vom 11. März 2004 (Dz. U. 2004, Nr. 54, Pos. 535) in der auf den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuergesetz) bestimmt:

„Von der Steuer befreit sind:

38)      die Gewährung von Krediten oder Gelddarlehen, die Vermittlung von Krediten oder Gelddarlehen und die Verwaltung von Krediten oder Gelddarlehen durch die Kredit- oder Darlehensgeber;

39)      die Gewährung von Bürgschaften, Garantien und anderen Sicherheiten für Finanz- und Versicherungsumsätze, die Vermittlung dieser Dienstleistungen und die Verwaltung von Kreditgarantien durch die Kredit- oder Darlehensgeber

…“.

 Gesetz über Investmentfonds und die Verwaltung von alternativen Investmentfonds

7        Art. 183 Abs. 4 der Ustawa o funduszach inwestycyjnych i zarządzaniu alternatywnymi funduszami inwestycyjnymi (Gesetz über Investmentfonds und die Verwaltung von alternativen Investmentfonds) vom 27. Mai 2004 (Dz. U. 2004, Nr. 146, Pos. 1546) in der auf den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung sieht vor:

„Ein Vertrag über die Übertragung aller Vorteile, die der Originator der Verbriefung oder der Berechtigte an verbrieften Forderungen aus einem bestimmten Forderungspool oder aus bestimmten Forderungen erhält (Unterbeteiligungsvertrag), muss die Verpflichtung dieser Wirtschaftsteilnehmer enthalten, dem Fonds die folgenden Leistungen zu überweisen:

(1)      die gesamten Einnahmen aus den verbrieften Forderungen;

(2)      die Hauptbeträge der verbrieften Forderungen;

(3)      die Beträge, die bei der Verwertung der Sicherheiten erzielt werden, die die verbrieften Forderungen betreffen, sofern die Erfüllung der Ansprüche des Originators der Verbriefung oder des Begünstigten der verbrieften Forderungen durch die Verwertung der Sicherheiten erfolgte.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

8        Der O-Fonds ist ein nicht standardisierter Fonds im Sinne von Art. 183 ff. des Gesetzes über Investmentfonds und die Verwaltung von alternativen Investmentfonds in der auf den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung. Nachdem er den Abschluss von Unterbeteiligungsverträgen mit Banken oder Investmentfonds geplant hatte, stellte er beim polnischen Minister für Finanzen einen Antrag auf Erteilung eines Steuervorbescheids zwecks Auslegung von Art. 43 Abs. 1 Nrn. 38 und 39 des Mehrwertsteuergesetzes, um zu klären, ob die Leistungen, die er als Unterbeteiligter im Rahmen dieser Verträge zu erbringen hatte, nach dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit sein könnten.

9        Nach Ansicht des O-Fonds verpflichtet sich der Originator mit dem Abschluss des Unterbeteiligungsvertrags, dem Unterbeteiligten – gegen eine vertraglich vereinbarte Finanzierung, die er vom Unterbeteiligten nach Vertragsabschluss erhalte – alle Einnahmen aus den Forderungen zu überweisen, die in diesem Vertrag bezeichnet seien. Die Schuldtitel verblieben im Vermögen des Originators. Die Differenz zwischen der Finanzierung, die dem Originator ausgezahlt werde, und dem Betrag, den der Unterbeteiligte während der Vertragslaufzeit erhalte, stelle die Vergütung des Unterbeteiligten dar. Das Rechtsinstitut der Unterbeteiligung habe somit eine Doppelfunktion, nämlich zum einen als Kreditinstrument, da der Originator im Gegenzug für die Verpflichtung zur Überweisung der Einnahmen aus den betreffenden Forderungen an den Unterbeteiligten im Voraus Liquidität erhalte, und zum anderen als Instrument der Risikodeckung, da diese Liquidität keinem Kreditrisiko für diese Forderungen unterliege.

10      Daher seien die im Rahmen von Unterbeteiligungsverträgen erbrachten Dienstleistungen – entweder als mit Kreditverträgen vergleichbare Finanzinstrumente oder als Dienstleistungen, mit denen das Risiko der Zahlungsunfähigkeit der Schuldner übernommen werde – nach Art. 43 Abs. 1 Nrn. 38 und 39 des Mehrwertsteuergesetzes von der Mehrwertsteuer befreit.

11      Mit Steuervorbescheid vom 30. Dezember 2015 stellte der polnische Minister für Finanzen dagegen fest, dass zum einen ein Unterbeteiligungsvertrag nicht genauso wie ein Kreditvertrag behandelt werden könne, da erstens die Forderung, die Gegenstand des Vertrags sei, weiterhin im Vermögen des Originators verbleibe, zweitens der Unterbeteiligungsvertrag – im Gegensatz zum Kreditvertrag – eine klare Bestimmung der Quelle, aus der sich der Unterbeteiligte befriedigen solle, enthalte und drittens der Unterbeteiligte im Fall einer Insolvenz des Schuldners keinen Anspruch gegen den Originator auf Rückzahlung der noch offenen Beträge habe. Daher umfasse ein Unterbeteiligungsvertrag, dessen Gegenstand das Recht auf Beteiligung an bestimmten Zahlungen sei, die der Originator sich verpflichte, an den Unterbeteiligten zu überweisen, keine Handlungen, die mit den in Art. 43 Abs. 1 Nr. 38 des Mehrwertsteuergesetzes genannten vergleichbar seien.

12      Zum anderen werde, wenn der Unterbeteiligte seine Dienstleistungen erbringe, dem Originator keine Bürgschaft, Garantie oder sonstige Sicherheit gestellt, so dass seine Handlungen auch nicht von Art. 43 Abs. 1 Nr. 39 des Mehrwertsteuergesetzes erfasst würden.

13      Folglich fielen die vom O-Fonds in seinem Antrag auf Erteilung eines Steuervorbescheids beschriebenen Umsätze nicht unter eine der Mehrwertsteuerbefreiungen nach Art. 43 Abs. 1 Nrn. 38 und 39 Mehrwertsteuergesetz und müssten dem allgemeinen Mehrwertsteuersatz von 23 % unterliegen.

14      Der O-Fonds erhob beim Wojewódzki Sąd Administracyjny w Warszawie (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Warschau, Polen) Klage gegen den Steuervorbescheid vom 30. Dezember 2015.

15      Mit Urteil vom 25. Mai 2017 hob dieses Gericht diesen Vorbescheid auf. Es entschied, der Unterbeteiligungsvertrag stelle ein den Kreditverträgen vergleichbares Finanzinstrument dar, dessen Hauptzweck die Finanzierung des Originators und die Sicherstellung seines sofortigen Zugangs zu Kapital sei, zu dessen Rückzahlung er verpflichtet sei. Dass die Forderung im Vermögen des Originators verbleibe, sei im Hinblick auf den wirtschaftlichen Zweck des Vertrags ohne Bedeutung. Als Gegenleistung für die Überweisung von Mitteln an den Originator erhalte der Unterbeteiligte die den Betrag des eingebrachten Kapitals übersteigenden Einnahmen als wirtschaftlichen Vorteil. Ein solcher Umsatz sei nach Art. 43 Abs. 1 Nr. 38 des Mehrwertsteuergesetzes von der Mehrwertsteuer befreit, weil er die wesentlichen Elemente einer Kreditgewährung aufweise. Da dagegen dem Originator im Rahmen eines Unterbeteiligungsvertrags keine Bürgschaft, Garantie oder sonstige Sicherheit gestellt werde, finde die in Art. 43 Abs. 1 Nr. 39 des Mehrwertsteuergesetzes vorgesehene Befreiung im vorliegenden Fall keine Anwendung.

16      Die Finanzbehörde legte gegen dieses Urteil Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht, dem Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht, Polen), ein.

17      Dieses Gericht führt aus, dass mit Art. 43 Abs. 1 Nr. 38 des Mehrwertsteuergesetzes Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie in polnisches Recht umgesetzt werde.

18      Aus wirtschaftlicher Sicht stelle ein Unterbeteiligungsvertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende eine Finanzierungsdienstleistung dar, deren wesentliches Ziel darin bestehe, dem Originator die Verwendung der ihm zur Verfügung gestellten Mittel gegen die Zahlung von Beträgen an den Unterbeteiligten, die dem Wert der Einnahmen aus den betreffenden Forderungen entsprächen, zu gewährleisten. Der Unterbeteiligungsvertrag sei somit einem Kreditvertrag vergleichbar, mit dem der Kreditnehmer vom Kreditgeber finanzielle Mittel erwerbe, die er eigenständig verwenden dürfe, und sich verpflichte, diese während der Vertragslaufzeit zurückzuzahlen. Ebenso wie ein Kreditgeber erhalte der Unterbeteiligte neben der ausgezahlten Finanzierung einen Vorteil in Form eines Cashflows, der über das eingebrachte Kapital hinausgehe.

19      Das vorlegende Gericht macht jedoch geltend, dass der Unterbeteiligungsvertrag bestimmte Besonderheiten aufweise, die ihn von einem Kreditvertrag unterschieden und bei denen es sich im Wesentlichen um jene handele, auf die der polnische Minister für Finanzen in dem Steuervorbescheid hingewiesen habe. Es stellt sich daher die Frage, ob diese Besonderheiten einer Einstufung von Unterbeteiligungsverträgen als „Kreditverträge“ für Mehrwertsteuerzwecke entgegenstehen.

20      Unter diesen Umständen hat der Naczelny Sąd Administracyjny (Oberstes Verwaltungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass die in dieser Bestimmung für Umsätze, die die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten betreffen, vorgesehene Befreiung auf den im Ausgangsverfahren beschriebenen Unterbeteiligungsvertrag Anwendung findet?

 Zur Vorlagefrage

21      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass zwar in der Vorlagefrage ausdrücklich die drei nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Mehrwertsteuer befreiten Umsätze aufgeführt sind, nämlich die Gewährung, Vermittlung und Verwaltung von Krediten, aus der Vorlageentscheidung aber hervorgeht, dass die Zweifel des vorlegenden Gerichts im Wesentlichen die etwaige Einstufung eines Unterbeteiligungsvertrags als Kreditgewährung im Sinne dieser Bestimmung betreffen.

22      Unter diesen Umständen ist die Vorlagefrage so zu verstehen, dass mit ihr im Wesentlichen geklärt werden soll, ob Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass Dienstleistungen, die von einem Unterbeteiligten im Rahmen eines Unterbeteiligungsvertrages erbracht werden und darin bestehen, dass dem Originator – als Gegenleistung für die Übertragung der Einnahmen aus den Forderungen, die in diesem Vertrag bezeichnet sind und im Vermögen des Originators verbleiben, an den Unterbeteiligten – eine Finanzierung gewährt wird, unter den Begriff der Kreditgewährung im Sinne dieser Bestimmung fallen.

23      Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist als Erstes zu prüfen, ob solche Leistungen in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie fallen.

24      Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt, dass Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegen.

25      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine Dienstleistung nur dann „gegen Entgelt“ im Sinne dieser Bestimmung erbracht wird und damit der Mehrwertsteuer unterliegt, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem von dem Steuerpflichtigen empfangenen Gegenwert besteht. Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang besteht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet (Urteil vom 22. Oktober 2015, Hedqvist, C-264/14, EU:C:2015:718, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten, dass sich der Unterbeteiligte und der Originator im Rahmen eines Unterbeteiligungsvertrags gegenseitig verpflichten: der Unterbeteiligte, dem Originator eine Finanzierung zu gewähren, und der Originator, dem Unterbeteiligten die Einnahmen aus den Forderungen zu überweisen, die in diesem Vertrag bezeichnet sind, wobei er die Schuldtitel in seinem Vermögen behält. Der Originator erhält eine Dienstleistung gegen ein Entgelt, das der Differenz zwischen dem Prognosewert der Einnahmen aus den Forderungen und der Höhe der vom Unterbeteiligten ausgezahlten Finanzierung entspricht.

27      Folglich ist entsprechend den Ausführungen der Generalanwältin in Nr. 40 ihrer Schlussanträge davon auszugehen, dass die Leistungen, die ein Unterbeteiligter im Rahmen eines Unterbeteiligungsvertrags erbringt, wie er im Ausgangsverfahren in Rede steht, „gegen Entgelt“ erbrachte Dienstleistungen im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie sind.

28      Der Umstand, dass die Vergütung nicht die Form der Zahlung einer Provision oder spezieller Gebühren annimmt, ist nämlich für die Ermittlung des entgeltlichen Charakters einer Dienstleistung ohne Belang (Urteil vom 22. Oktober 2015, Hedqvist, C-264/14, EU:C:2015:718, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung). Daraus folgt, dass im vorliegenden Fall die Form der dem Unterbeteiligten gezahlten Vergütung für die Frage, ob seine Leistung entgeltlich ist oder nicht, unerheblich ist.

29      Im Übrigen hat der Gerichtshof zwar entschieden, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der auf eigenes Risiko zahlungsgestörte Forderungen zu einem unter ihrem Nennwert liegenden Preis kauft, keine „entgeltliche“ Dienstleistung im Sinne der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1) erbringt, wenn die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt (Urteil vom 27. Oktober 2011, GFKL Financial Services, C-93/10, EU:C:2011:700, Rn. 26). Der Unterbeteiligte im Ausgangsverfahren erwirbt aber keine zahlungsgestörten Forderungen auf eigenes Risiko zu einem unter ihrem Nennwert liegenden Preis. Ferner wird, wie auch die Finanzbehörde in ihrer Antwort auf die Fragen des Gerichtshofs ausführt, in Anbetracht der Besonderheiten des Unterbeteiligungsvertrags, die Höhe der dem Originator gewährten Finanzierung im Allgemeinen anders bestimmt als der von einem Zessionar für eine Forderungsabtretung gezahlte Preis.

30      Als Zweites ist zu prüfen, ob die Leistungen des Unterbeteiligten unter den Begriff der Kreditgewährung im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie fallen. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Befreiungen im Sinne von Art. 135 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie autonome unionsrechtliche Begriffe sind, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems verhindern sollen (Urteil vom 17. Dezember 2020, Franck, C-801/19, EU:C:2020:1049, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Die Begriffe, mit denen diese Steuerbefreiungen umschrieben sind, sind eng auszulegen, da diese Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (Urteil vom 17. Dezember 2020, Franck, C-801/19, EU:C:2020:1049, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Die Auslegung dieser Begriffe muss jedoch mit den Zielen im Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht. Daher entspricht es nicht dem Sinn der Regel einer engen Auslegung, wenn die zur Umschreibung der in dieser Bestimmung genannten Befreiungen verwendeten Begriffe so ausgelegt werden, dass sie den Befreiungen ihre Wirkung nehmen (Urteil vom 17. Dezember 2020, Franck, C-801/19, EU:C:2020:1049, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Was insbesondere Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Kreditgewährung im Sinne dieser Bestimmung u. a. in der Überlassung von Kapital gegen Entgelt besteht (Urteil vom 17. Dezember 2020, Franck, C-801/19, EU:C:2020:1049, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass dieses Entgelt zwar grundsätzlich in Form von Zinsen gezahlt wird, dass ein Umsatz aber auch dann als Kreditgewährung im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie eingestuft werden kann, wenn die Gegenleistung in anderer Form erbracht wird. Der Gerichtshof hat nämlich bereits entschieden, dass die Vorfinanzierung des Kaufs von Waren gegen einen Zuschlag auf den vom Empfänger dieser Finanzierung zurückgezahlten Betrag ein Finanzgeschäft darstellt, dass der Gewährung eines Kredits ähnlich und damit nach dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Mai 2019, Vega International Car Transport and Logistic, C-235/18, EU:C:2019:412, Rn. 47 und 48).

35      Im Übrigen werden die nach dieser Bestimmung von der Steuer befreiten Umsätze durch die Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder den Empfänger der Leistung definiert, so dass die Anwendung dieser Befreiungen nicht vom Status des Unternehmens abhängt, das diese Dienstleistungen erbringt. Daher kann der Ausdruck „Gewährung … von Krediten“ in Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht allein auf Darlehen und Kredite beschränkt werden, die von Bank- und Finanzinstituten gewährt werden (Urteil vom 17. Dezember 2020, Franck, C-801/19, EU:C:2020:1049, Rn. 34 und 35 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Im vorliegenden Fall ist, vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht, davon auszugehen, dass die Dienstleistung, die der Unterbeteiligte dem Originator im Rahmen des zwischen ihnen geschlossenen Vertrags erbringt, sich in einer einzigen Leistung erschöpft, die im Wesentlichen in der Auszahlung von Kapital gegen Entgelt besteht. Es ist zu prüfen, ob eine solche Leistung, umfassend betrachtet, den Charakter einer Kreditgewährung im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie hat.

37      Wie insoweit in Rn. 26 des vorliegenden Urteils dargelegt, führt der Abschluss des Unterbeteiligungsvertrags dazu, dass der Unterbeteiligte dem Originator Kapital gegen Entgelt überlässt. Dieses Entgelt besteht aus der Differenz zwischen dem Kapital, das dem Originator ausgezahlt wird, und den Beträgen, die der Unterbeteiligte während der Laufzeit des Unterbeteiligungsvertrags aufgrund der Einnahmen aus den in diesem Vertrag bezeichneten Forderungen erhält. Da die Schuldtitel im Vermögen des Originators verbleiben, kann der Unterbeteiligte im Fall eines Ausfalls der Schuldner der betreffenden Forderungen den Originator nicht in Regress nehmen.

38      Der Umstand, dass der Unterbeteiligte potenziellen Verlusten ausgesetzt ist und somit das Kreditrisiko trägt, ist jeder Kreditgewährung inhärent, wobei es unerheblich ist, ob sich dieses Risiko aus dem Zahlungsausfall der Schuldner der Forderungen, aus denen die Einnahmen auf ihn übertragen werden, oder aus der Zahlungsunfähigkeit seines unmittelbaren Vertragspartners ergibt.

39      Ebenso wenig ist das Fehlen von Garantien zugunsten des Unterbeteiligten für die Einstufung des in Rede stehenden Unterbeteiligungsvertrags als Kreditgewährung entscheidend. Die zur Verringerung des Kreditrisikos ergriffenen Maßnahmen, die im Allgemeinen in der Leistung von Immobiliar- oder anderen Sicherheiten bestehen, können sich nämlich je nach Art der Finanzierung unterscheiden und sind für eine solche Einstufung nicht wesentlich, da diese nur von der Erfüllung der beiden in Rn. 33 des vorliegenden Urteils genannten Kriterien abhängt, und zwar der Überlassung von Kapital und der Zahlung eines Entgelts.

40      Daher haben die Tatsache, dass der Unterbeteiligte im Fall eines Ausfalls der Schuldner der Forderungen, aus denen die Einnahmen auf ihn übertragen werden, den Originator nicht in Regress nehmen kann, und der Umstand, dass die Schuldtitel im Vermögen des Originators verbleiben oder dass die Quelle, aus der sich der Unterbeteiligte befriedigen soll, im Unterbeteiligungsvertrag genannt wird, keine Auswirkungen auf den Wesensgehalt eines Unterbeteiligungsumsatzes, der in der Finanzierung der ursprünglichen Darlehen besteht.

41      Eine solche Auslegung des Begriffs der Kreditgewährung im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie, die den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht, nicht in Frage stellt, steht mit dem mit dieser Bestimmung verfolgten Ziel, u. a. eine Erhöhung der Kosten des Verbraucherkredits zu vermeiden, im Einklang (vgl. entsprechend Urteil vom 10. März 2011, Skandinaviska Enskilda Banken, C-540/09, EU:C:2011:137, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Nach alledem ist auf die Frage zu antworten, dass Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass Dienstleistungen, die von einem Unterbeteiligten im Rahmen eines Unterbeteiligungsvertrages erbracht werden und darin bestehen, dass dem Originator – als Gegenleistung für die Auszahlung der Einnahmen aus den Forderungen, die in diesem Vertrag bezeichnet sind und im Vermögen des Originators verbleiben – eine Finanzierung gewährt wird, unter den Begriff der Kreditgewährung im Sinne dieser Bestimmung fallen.

 Kosten

43      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem

ist dahin auszulegen, dass

Dienstleistungen, die von einem Unterbeteiligten im Rahmen eines Unterbeteiligungsvertrages erbracht werden und darin bestehen, dass dem Originator – als Gegenleistung für die Auszahlung der Einnahmen aus den Forderungen, die in diesem Vertrag bezeichnet sind und im Vermögen des Originators verbleiben – eine Finanzierung gewährt wird, unter den Begriff der Kreditgewährung im Sinne dieser Bestimmung fallen.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Polnisch.