Available languages

Taxonomy tags

Info

References in this case

References to this case

Share

Highlight in text

Go

Rechtssache C-98/07

Nordania Finans A/S und BG Factoring A/S

gegen

Skatteministeriet

(Vorabentscheidungsersuchen des Højesteret)

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Art. 19 Abs. 2 – Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs – Nichteinbeziehung des Umsatzbetrags, der auf die Lieferung von Investitionsgütern entfällt, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet werden – Wendung ‚Investitionsgüter …, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet werden‘ – Fahrzeuge, die von einem Leasingunternehmen erworben werden, um vermietet und dann nach Ablauf des Leasingvertrags verkauft zu werden“

Schlussanträge des Generalanwalts Y. Bot vom 13. Dezember 2007 

Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 6. März 2008 

Leitsätze des Urteils

Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Vorsteuerabzug

(Richtlinie 77/388 des Rates, Art. 19 Abs. 2)

Art. 19 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ist dahin auszulegen, dass Fahrzeuge, die ein Leasingunternehmen erwirbt, um sie zu vermieten und dann nach Ablauf der Leasingverträge zu verkaufen, von der Wendung „Investitionsgüter …, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet werden“ nicht erfasst werden, wenn der Verkauf dieser Fahrzeuge nach Ablauf der genannten Verträge integraler Bestandteil der regelmäßig ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten dieses Unternehmens ist.

Für den Betroffenen erfordern nämlich der Erwerb und der spätere Verkauf solcher Güter die laufende Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen mit gemischter Nutzung. Wenn dieser Verkauf zu den regelmäßig ausgeübten und besteuerten Tätigkeiten des Steuerpflichtigen gehört, ist der darauf entfallende Umsatz bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs zu berücksichtigen, damit dieser den Anteil, zu dem die einer gemischten Nutzung zugeführten Gegenstände und Dienstleistungen für die genannten Tätigkeiten verwendet werden, bestmöglich widerspiegelt, denn sonst würde gegen das Ziel der Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems verstoßen. Wenn der nach Ablauf der Leasingverträge stattfindende Verkauf der Fahrzeuge, die Gegenstand dieser Verträge sind, zur laufenden Tätigkeit des betreffenden Steuerpflichtigen gehört und von diesem gewerbsmäßig und systematisch durchgeführt wird, liefe es dem Ziel der Neutralität zuwider, diesen Steuerpflichtigen nicht tatsächlich von dem Teil der Mehrwertsteuer zu entlasten, der auf die Gemeinkosten entfällt, die er zur Ausführung des Verkaufs und damit für die Ausübung der regelmäßig ausgeübten besteuerten wirtschaftlichen Tätigkeit aufgewandt hat.

(vgl. Randnrn. 25-26, 36 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

6. März 2008(*)

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Art. 19 Abs. 2 – Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs – Nichteinbeziehung des Umsatzbetrags, der auf die Lieferung von Investitionsgütern entfällt, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet werden – Wendung ‚Investitionsgüter …, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet werden‘ – Fahrzeuge, die von einem Leasingunternehmen erworben werden, um vermietet und dann nach Ablauf des Leasingvertrags verkauft zu werden“

In der Rechtssache C-98/07

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Højesteret (Dänemark) mit Entscheidung vom 19. Februar 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Februar 2007, in dem Verfahren

Nordania Finans A/S,

BG Factoring A/S

gegen

Skatteministeriet

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters G. Arestis, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász und J. Malenovský (Berichterstatter),

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–       der Nordania Finans A/S und der BG Factoring A/S, vertreten durch H. S. Hansen und T. K. Kristjánsson, advokater,

–       der dänischen Regierung, vertreten durch B. Weis Fogh als Bevollmächtigte im Beistand von K. Lundgaard Hansen, advokat,

–       der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou und S. Schønberg als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Dezember 2007

folgendes

Urteil

1       Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 19 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2       Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Nordania Finans A/S (im Folgenden: Nordania Finans) und der BG Factoring A/S (im Folgenden: BG Factoring) als Rechtsnachfolgerinnen der BG Erhvervsfinans A/S (im Folgenden: Erhvervsfinans), die alle drei Gesellschaften dänischen Rechts sind, einerseits und dem Skatteministeriet (Steuerministerium) andererseits wegen des Rechts auf teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer als Vorsteuer, das Erhvervsfinans für ihre Gemeinkosten geltend machen konnte.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

3       Der zwölfte Erwägungsgrund der Sechsten Richtlinie lautet:

„Die Steuerabzugsregelung muss insoweit harmonisiert werden, als sie tatsächlich die Höhe der Besteuerung beeinflusst, und die Pro-rata-Sätze des Steuerabzugs müssen in allen Mitgliedstaaten auf gleiche Weise berechnet werden.“

4       Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie bestimmt:

„Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die nach den Absätzen 2 und 3 ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt.

Dieser Pro-rata-Satz wird nach Artikel 19 für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt.

…“

5       In Art. 19 („Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs“) der Sechsten Richtlinie heißt es:

„(1)      Der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nach Artikel 17 Absatz 5 Unterabsatz 1 ergibt sich aus einem Bruch; dieser enthält:

–       im Zähler den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der zum Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absätze 2 und 3 berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer;

–       im Nenner den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der im Zähler stehenden sowie der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer. Die Mitgliedstaaten können in den Nenner auch die Subventionen einbeziehen, die nicht in Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a) genannt sind.

Der Pro-rata-Satz wird auf Jahresbasis in Prozent festgesetzt und auf einen vollen Prozentsatz aufgerundet.

(2)      In Abweichung von Absatz 1 bleibt der Umsatzbetrag bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs außer Ansatz, der auf die Lieferung von Investitionsgütern entfällt, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet werden. Außer Ansatz bleiben auch die Hilfsumsätze im Bereich der Grundstücks- und Finanzgeschäfte sowie die in Artikel 13 Teil B Buchstabe d) genannten Umsätze, wenn es sich um Hilfsumsätze handelt. Machen die Mitgliedstaaten von der in Artikel 20 Absatz 5 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, keine Berichtigung in Bezug auf Investitionsgüter zu verlangen, so können sie Verkäufe von Investitionsgütern bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs berücksichtigen.

…“

6       Art. 20 der Sechsten Richtlinie, der bestimmte Regeln für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge festlegt, sieht vor:

„(1)      Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten berichtigt, …

(2)      Für Investitionsgüter wird eine Berichtigung vorgenommen, die sich auf einen Zeitraum von fünf Jahren einschließlich des Jahres, in dem die Güter erworben oder hergestellt wurden, erstreckt. …

(3)      Bei Lieferung eines Investitionsgutes innerhalb des Berichtigungszeitraums ist dieses so zu behandeln, als ob es bis zum Ablauf des Berichtigungszeitraums weiterhin für eine wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen verwendet worden wäre. …

(4)      Zur Durchführung der Absätze 2 und 3 können die Mitgliedstaaten

–       den Begriff ‚Investitionsgüter‘ bestimmen;

(5)      Wenn in einem Mitgliedstaat die praktischen Auswirkungen der Anwendung der Absätze 2 und 3 unwesentlich sein sollten, kann dieser Mitgliedstaat vorbehaltlich der Konsultation nach Artikel 29 im Hinblick auf die gesamten steuerlichen Auswirkungen in dem betreffenden Mitgliedstaat und die Vermeidung überflüssiger Verwaltungsarbeiten auf die Anwendung dieser Absätze verzichten, vorausgesetzt, dass dies nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt.

…“

 Nationales Recht

7       Die Sechste Richtlinie wird durch das Gesetz über die Mehrwertsteuer (momsloven) umgesetzt. § 38 Abs. 1 dieses Gesetzes in seiner Fassung vom 18. Mai 1994 bestimmt:

„Bei Waren und Leistungen, die ein eingetragenes Unternehmen sowohl für Zwecke, die ein Recht auf Vorsteuerabzug nach § 37 begründen, als auch für andere Zwecke des Unternehmens verwendet, ist der Vorsteuerabzug für den Teil der Steuer möglich, der auf den Umsatz entfällt, der mit dem eintragungspflichtigen Teil der Tätigkeiten bewirkt worden ist. Bei der Berechnung des Umsatzes bleibt der Umsatzbetrag, der auf die Lieferung von Investitionsgütern entfällt, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet worden sind, außer Ansatz. Als Investitionsgüter werden Maschinen, Ausrüstungsgegenstände und andere Betriebsmittel angesehen, deren Kaufpreis ohne Steuer nach diesem Gesetz mehr als 50 000 [DKK] [seit 1996: 75 000 DKK] beträgt …“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

8       Nordania Finans und BG Factoring sind zwei Gesellschaften, die zu demselben Konzern gehören und aus dessen Umstrukturierung nach der Auflösung von Erhvervsfinans im Jahr 2001 hervorgegangen sind.

9       Von 1995 bis 1998 übte Erhvervsfinans die der Mehrwertsteuer unterliegende Tätigkeit des Leasings von Kraftfahrzeugen aus. 1998 waren 4 500 Fahrzeuge Gegenstand dieser Tätigkeit. Ferner erbrachte Erhvervsfinans von der Mehrwertsteuer befreite Finanzdienstleistungen. Sie hatte somit einen Pro-rata-Satz zu berechnen, um den Betrag zu bestimmen, auf den sich das Recht auf teilweisen Vorsteuerabzug bezog, das sie für ihre Gemeinkosten geltend machen konnte.

10     Im Rahmen dieser Berechnung berücksichtigte Erhvervsfinans den Umsatz aus dem Verkauf von Fahrzeugen nach Ablauf der Leasingverträge. Sie war nämlich der Auffassung, diese Fahrzeuge seien keine „Investitionsgüter …, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet werden“, im Sinne von Art. 19 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie.

11     Die dänischen örtlichen Steuerbehörden traten dieser Auffassung mit Bescheid vom 17. November 1999 entgegen, in dem sie die Ansicht vertraten, dass die Fahrzeuge Investitionsgüter seien und dass daher der mit dem Verkauf dieser Fahrzeuge bewirkte Umsatz bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes nicht berücksichtigt werden dürfe.

12     Erhvervsfinans focht diesen Bescheid beim Landsskatteret (Finanzgericht) an, das ihrer Klage mit Beschluss vom 27. April 2001 stattgab.

13     Das Skatteministeriet legte gegen diesen Beschluss ein Rechtsmittel beim Østre Landsret (Regionalgericht Ost) ein, das die Entscheidung des Landsskatteret mit Urteil vom 16. Dezember 2003 mit der Begründung aufhob, dass die betreffenden Fahrzeuge Investitionsgüter darstellten.

14     Nordania Finans und BG Factoring, die zwischenzeitlich Rechtsnachfolgerinnen von Erhvervsfinans geworden waren, fochten dieses Urteil am 9. Februar 2004 beim Højesteret (Oberster Gerichtshof) an.

15     In diesem Kontext hat das Højesteret beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist die Wendung „Investitionsgüter …, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet werden“ in Art. 19 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass sie sich auch auf Güter bezieht, die ein Leasingunternehmen teils zum Zweck der Vermietung, teils zu dem Zweck kauft, sie nach Ablauf der Leasingverträge weiterzuverkaufen?

 Zur Vorlagefrage

16     Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht konkret wissen, ob Art. 19 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass Fahrzeuge, die ein Leasingunternehmen erwirbt, um sie, wie im Ausgangsverfahren, zu vermieten und dann nach Ablauf der Leasingverträge zu verkaufen, von der Wendung „Investitionsgüter …, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet werden“ erfasst werden.

17     Vorab ist darauf hinzuweisen, dass bei der Bestimmung der Bedeutung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts sowohl deren Wortlaut als auch ihr Zusammenhang und ihre Ziele zu berücksichtigen sind (Urteile vom 15. Oktober 1992, Tenuta il Bosco, C-162/91, Slg. 1992, I-5279, Randnr. 11, vom 16. Januar 2003, Maierhofer, C-315/00, Slg. 2003, I-563, Randnr. 27, und vom 8. Dezember 2005, Jyske Finans, C-280/04, Slg. 2005, I-10683, Randnr. 34). Ferner folgt aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts als auch des Gleichheitssatzes, dass die Begriffe einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Gemeinschaft eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen, die unter Berücksichtigung des Kontextes der Vorschrift und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss (vgl. u. a. Urteile vom 15. Juli 2004, Harbs, C-321/02, Slg. 2004, I-7101, Randnr. 28, und vom 18. Oktober 2007, Österreichischer Rundfunk, C-195/06, Slg. 2007, I-0000, Randnr. 24).

18     Hierzu ist festzustellen, dass Art. 19 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie für die Ermittlung seines Sinnes und seiner Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist und dass sein Wortlaut für sich genommen die Annahme, dass er Güter erfasse, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, nicht mit Sicherheit zulässt. Unter diesen Umständen sind der Kontext und die Ziele dieser Vorschrift zu berücksichtigen.

19     Was den Kontext angeht, so gehört Art. 19 der Sechsten Richtlinie zu deren Abschnitt XI, der den Vorsteuerabzug behandelt. Durch das Recht auf Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie, das sich auf die Steuer erstreckt, mit der auf der Vorstufe die Gegenstände oder Dienstleistungen belastet waren, die der Steuerpflichtige für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, soll der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet somit die völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten, sofern diese Tätigkeiten grundsätzlich selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 8. Februar 2007, Investrand, C-435/05, Slg. 2007, I-1315, Randnr. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20     Tätigt der Steuerpflichtige sowohl besteuerte Umsätze, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch steuerfreie Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, so ist nach Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der besteuerten Umsätze entfällt. Dieser Pro-rata-Satz wird nach dem in Art. 19 der Richtlinie festgelegten Verfahren berechnet. Somit sollen, wie der Generalanwalt in Nr. 65 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, diese Vorschriften es einem Steuerpflichtigen, der Gegenstände oder Dienstleistungen für die Ausübung sowohl besteuerter als auch steuerfreier Tätigkeiten erwirbt, ermöglichen, den Teil der beim Erwerb dieser Gegenstände oder Dienstleistungen angefallenen Mehrwertsteuer, der dem Anteil entspricht, zu dem sie für besteuerte Tätigkeiten verwendet werden, in vollem Umfang als Vorsteuer abzuziehen.

21     In diesem Kontext sieht Art. 19 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie vor, dass sich der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs aus einem Bruch ergibt, der im Zähler die Umsätze aus den besteuerten Tätigkeiten und im Nenner den Gesamtumsatz, gegebenenfalls zuzüglich bestimmter Subventionen, enthält, während Art. 19 Abs. 2 bestimmt, dass in Abweichung hiervon u. a. der Umsatzbetrag, der auf die Lieferung von Investitionsgütern, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet werden, oder auf Hilfsumsätze im Bereich der Grundstücks- und Finanzgeschäfte entfällt, außer Ansatz bleibt.

22     Der Zweck von Art. 19 Abs. 2 ergibt sich aus der Begründung zum Vorschlag der Sechsten Richtlinie, den die Kommission der Europäischen Gemeinschaften dem Rat der Europäischen Gemeinschaften am 29. Juni 1973 vorgelegt hat (vgl. Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 11/73, S. 21), in der es heißt: „Die in diesem Absatz genannten Umsatzbeträge sind bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes außer Ansatz zu lassen, damit sie nicht dessen eigentliche Bedeutung verfälschen, sofern diese Umsatzbeträge nicht die berufliche Tätigkeit der Steuerpflichtigen widerspiegeln. Dies trifft zu für die Verkäufe von Investitionsgütern und für Grundstücks- oder Finanzumsätze, die nur als Hilfsumsätze getätigt werden, d. h. die innerhalb des Gesamtumsatzes des Unternehmens nur eine nebensächliche oder zufällige Rolle spielen. Diese Umsätze werden übrigens nur dann ausgeschlossen, wenn sie nicht in den Rahmen der regelmäßig ausgeübten beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen fallen.“

23     Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass mit der Regelung des Art. 19 der Sechsten Richtlinie, nach der Hilfsumsätze im Bereich der Finanzgeschäfte nicht in den Nenner des für die Berechnung des Pro-rata-Satzes verwendeten Bruchs einbezogen werden, die vollkommene Neutralität sichergestellt werden soll, die das gemeinsame Mehrwertsteuersystem garantiert. Die Berechnung des Vorsteuerabzugs würde verfälscht, wenn sämtliche Erträge aus Finanzgeschäften des Steuerpflichtigen, die einen Zusammenhang mit einer steuerbaren Tätigkeit aufweisen, in den fraglichen Nenner einbezogen werden müssten, auch wenn die Erzielung dieser Erträge keine oder eine jedenfalls nur sehr begrenzte Verwendung von Gegenständen oder Dienstleistungen erfordert, für die Mehrwertsteuer zu entrichten ist (Urteil vom 11. Juli 1996, Régie dauphinoise, C-306/94, Slg. 1996, I-3695, Randnr. 21).

24     Durch die Bestimmungen des Art. 19 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie wollte der Gemeinschaftsgesetzgeber somit den Umsatz, der auf den Verkauf von Gütern entfällt, von der Berechnung des Pro-rata-Satzes ausschließen, wenn dieser Verkauf im Verhältnis zur laufenden Tätigkeit des betreffenden Steuerpflichtigen ungewöhnlich ist und daher keine zu dem erzielten Umsatz proportionale Verwendung der Gegenstände oder Dienstleistungen mit gemischter Nutzung erfordert. Wie der Generalanwalt in Nr. 68 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, würde eine Einbeziehung dieses Umsatzes in die Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs das Ergebnis dieser Berechnung insofern verfälschen, als der Pro-rata-Satz nicht mehr den jeweiligen Anteil der besteuerten und der steuerfreien Tätigkeiten an der Verwendung der einer gemischten Nutzung zugeführten Gegenstände oder Dienstleistungen widerspiegelte.

25     Unter diesen Voraussetzungen kann die Wendung „Investitionsgüter …, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet werden“ im Sinne von Art. 19 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie nicht diejenigen Güter einschließen, deren Verkauf für den betreffenden Steuerpflichtigen eine regelmäßig ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit darstellt. Für den Betroffenen erfordern nämlich der Erwerb und der spätere Verkauf solcher Güter die laufende Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen mit gemischter Nutzung. Wenn dieser Verkauf zu den regelmäßig ausgeübten und besteuerten Tätigkeiten des Steuerpflichtigen gehört, ist der darauf entfallende Umsatz bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs zu berücksichtigen, damit dieser den Anteil, zu dem die einer gemischten Nutzung zugeführten Gegenstände und Dienstleistungen für die genannten Tätigkeiten verwendet werden, bestmöglich widerspiegelt, denn sonst würde gegen das Ziel der Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems verstoßen.

26     Wenn, wie im Ausgangsverfahren, der nach Ablauf der Leasingverträge stattfindende Verkauf der Fahrzeuge, die Gegenstand dieser Verträge sind, zur laufenden Tätigkeit des betreffenden Steuerpflichtigen gehört und von diesem gewerbsmäßig und systematisch durchgeführt wird, liefe es dem Ziel der Neutralität zuwider, diesen Steuerpflichtigen nicht tatsächlich von dem Teil der Mehrwertsteuer zu entlasten, der auf die Gemeinkosten entfällt, die er zur Ausführung des Verkaufs und damit für die Ausübung der regelmäßig ausgeübten besteuerten wirtschaftlichen Tätigkeit aufgewandt hat. Hieraus folgt, dass der Umsatz aus einem solchen Verkauf sich nicht auf „Investitionsgüter …, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet werden“, im Sinne von Art. 19 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie bezieht.

27     Diese Schlussfolgerung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Gerichtshof in Bezug auf die Zweite Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems (ABl. 1967, Nr. 71, S. 1303, im Folgenden: Zweite Richtlinie) die Auffassung vertreten hat, dass sich der Begriff „Investitionsgüter“ in Art. 17 Abs. 1 dritter Gedankenstrich dieser Richtlinie auf Güter bezieht, die – für Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit genutzt – durch ihre Langlebigkeit und ihren Wert gekennzeichnet sind und deren Anschaffungskosten daher in der Regel nicht als laufende Kosten verbucht, sondern über mehrere Jahre hinweg abgeschrieben werden (Urteil vom 1. Februar 1977, Verbond van Nederlandse Ondernemingen, 51/76, Slg. 1977, 113, Randnr. 12).

28     In der dem Urteil Verbond van Nederlandse Ondernemingen zugrunde liegenden Rechtssache hatte das vorlegende Gericht zu entscheiden, ob nach der anzuwendenden niederländischen Regelung Büroartikel von geringem Wert als Investitionsgüter anzusehen waren, die gemäß Art. 17 der Zweiten Richtlinie von dem in dieser Richtlinie vorgesehenen Recht auf Vorsteuerabzug ausgeschlossen werden konnten. Selbst wenn man unterstellt, dass die von einem Unternehmen zur Ausübung seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten gekauften Fahrzeuge Investitionsgüter im Sinne der in diesem Kontext vorgenommenen Auslegung von Art. 17 der Zweiten Richtlinie sein können, kann allein aus den vom Gerichtshof in dem genannten Urteil aufgestellten Kriterien nicht hergeleitet werden, dass solche Fahrzeuge auch im Rahmen der Anwendung von Art. 19 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie so zu qualifizieren sind.

29     Es liefe nämlich dem Ziel der Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems unmittelbar zuwider, Güter, die – für Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit genutzt – gewiss durch ihre Langlebigkeit und ihren Wert gekennzeichnet sind und deren Anschaffungskosten daher in der Regel nicht als laufende Kosten verbucht, sondern über mehrere Jahre hinweg abgeschrieben werden, bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs generell außer Ansatz zu lassen, ohne zu berücksichtigen, dass ihr Verkauf am Ende der Leasingverträge integraler Bestandteil der laufenden Tätigkeit des Steuerpflichtigen ist.

30     Daher deckt sich die Definition der Investitionsgüter im Sinne von Art. 19 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie, der die Sonderregelung für die Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs enthält, nicht notwendigerweise mit der im Rahmen der Anwendung der durch die Zweite Richtlinie eingeführten allgemeinen Regelung des Vorsteuerabzugs gegebenen Definition.

31     Die Auslegung des Gerichtshofs im Urteil Verbond van Nederlandse Ondernemingen ist somit für die Beantwortung der vorgelegten Frage nicht relevant.

32     Genauso wenig ist der Umstand relevant, dass Art. 20 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie es den Mitgliedstaaten überlässt, den Begriff „Investitionsgüter“ zu bestimmen.

33     Zum einen geht nämlich aus dem Wortlaut dieser Vorschrift klar hervor, dass das den Mitgliedstaaten damit eingeräumte Recht nur zur Durchführung der Abs. 2 und 3 von Art. 20 gilt, der die Berichtigung der Vorsteuerabzüge regelt.

34     Zum anderen würde, wenn dieses Recht den Mitgliedstaaten für die Anwendung der in Art. 19 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie definierten Regeln für die Berechnung des Pro-rata-Satzes zuerkannt würde, der im zwölften Erwägungsgrund dieser Richtlinie zum Ausdruck gekommene Wille des Gemeinschaftsgesetzgebers missachtet, wonach die Pro-rata-Sätze in allen Mitgliedstaaten auf die gleiche Weise berechnet werden müssen.

35     Unter diesen Bedingungen haben die in Art. 20 der Sechsten Richtlinie getroffene Regelung der Berichtigung der Vorsteuerabzüge und die in Art. 19 Abs. 2 Satz 3 dieser Richtlinie enthaltene Sonderregel, die vorsieht, dass die Verkäufe der im Rahmen dieser Berichtigungsregelung von Art. 20 Abs. 5 der Richtlinie erfassten Investitionsgüter bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes berücksichtigt werden, keine Auswirkung darauf, wie der Begriff der gemäß Art. 19 Abs. 2 Satz 1 der Sechsten Richtlinie bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes außer Ansatz bleibenden Investitionsgüter auszulegen ist, da dieser Begriff innerhalb der Gemeinschaft eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten muss.

36     Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 19 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass Fahrzeuge, die ein Leasingunternehmen erwirbt, um sie, wie im Ausgangsverfahren, zu vermieten und dann nach Ablauf der Leasingverträge zu verkaufen, von der Wendung „Investitionsgüter …, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet werden“ nicht erfasst werden, wenn der Verkauf dieser Fahrzeuge nach Ablauf der genannten Verträge integraler Bestandteil der regelmäßig ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten dieses Unternehmens ist.

 Kosten

37     Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 19 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass Fahrzeuge, die ein Leasingunternehmen erwirbt, um sie, wie im Ausgangsverfahren, zu vermieten und dann nach Ablauf der Leasingverträge zu verkaufen, von der Wendung „Investitionsgüter …, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet werden“ nicht erfasst werden, wenn der Verkauf dieser Fahrzeuge nach Ablauf der genannten Verträge integraler Bestandteil der regelmäßig ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten dieses Unternehmens ist.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Dänisch.