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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

20. Juni 2019 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 148 Buchst. a und c – Steuerbefreiungen bei grenzüberschreitenden Beförderungen – Lieferung selbsthebender Offshore-Bohreinheiten – Begriff ‚Schiffe, die auf hoher See eingesetzt sind‘ – Bedeutung“

In der Rechtssache C-291/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien) mit Entscheidung vom 7. Dezember 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 26. April 2018, in dem Verfahren

Grup Servicii Petroliere SA

gegen

Agenția Națională de Administrare Fiscală – Direcția Generală de Soluționare a Contestațiilor,

Agenția Națională de Administrare Fiscală – Direcția Generală de Administrare a Marilor Contribuabili

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Dritten Kammer, der Richter F. Biltgen und J. Malenovský sowie der Richterin L. S. Rossi (Berichterstatterin),

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: R. Șereș, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Grup Servicii Petroliere SA, vertreten durch A.-M. Iordache, D. Dascălu und A. Iancu, avocați,

der rumänischen Regierung, vertreten durch C. Canţăr, C.-M. Florescu und E. Gane als Bevollmächtigte,

der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux und P. Cottin als Bevollmächtigte,

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. De Bellis, avvocato dello Stato,

der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und A. Armenia als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. April 2019

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 148 Buchst. a und c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Grup Servicii Petroliere SA, einer Gesellschaft mit Sitz in Rumänien, und den Steuerbehörden dieses Mitgliedstaats wegen der Nichtbefreiung von der Mehrwertsteuer einer von dieser Gesellschaft an maltesische Unternehmen getätigten Lieferung dreier selbsthebender Offshore-Bohreinheiten.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Art. 15 („Steuerbefreiungen bei Ausfuhren nach einem Drittland, gleichgestellten Umsätzen und grenzüberschreitenden Beförderungen“) der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 geänderten Fassung (ABl. 1992, L 384, S. 47) (im Folgenden: Sechste Richtlinie) bestimmte:

„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsbestimmungen befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

4.

Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung von Schiffen, die

a)

auf hoher See im entgeltlichen Passagierverkehr, zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei eingesetzt sind,

b)

als Bergungs- oder Rettungsschiffe auf See oder zur Küstenfischerei eingesetzt sind, wobei im letztgenannten Fall Lieferungen von Bordproviant ausgenommen sind,

5.

Lieferungen, Umbauten, Instandsetzungen, Wartungen, Vercharterungen und Vermietungen der unter Nummer 4 Buchstaben a) und b) bezeichneten Seeschiffe sowie Lieferungen, Vermietungen, Instandsetzungen und Wartungen der in diese Schiffe eingebauten Gegenstände – einschließlich der Ausrüstung für die Fischerei – oder der Gegenstände für ihren Betrieb;

…“

4

Die Sechste Richtlinie wurde durch die am 1. Januar 2007 in Kraft getretene Mehrwertsteuerrichtlinie aufgehoben und ersetzt.

5

Titel IX („Steuerbefreiungen“) der Mehrwertsteuerrichtlinie enthält zehn Kapitel. Art. 131 dieser Richtlinie, der einzige Artikel in Titel IX Kapitel 1 („Allgemeine Bestimmungen“), lautet:

„Die Steuerbefreiungen der Kapitel 2 bis 9 werden unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen.“

6

Art. 148 in Titel IX Kapitel 7 („Steuerbefreiungen bei grenzüberschreitenden Beförderungen“) der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

a)

die Lieferungen von Gegenständen zur Versorgung von Schiffen, die auf hoher See im entgeltlichen Passagierverkehr, zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei sowie als Bergungs- oder Rettungsschiffe auf See oder zur Küstenfischerei eingesetzt sind, wobei im letztgenannten Fall die Lieferungen von Bordverpflegung ausgenommen sind;

c)

Lieferung, Umbau, Reparatur, Wartung, Vercharterung und Vermietung der unter Buchstabe a genannten Schiffe, sowie Lieferung, Vermietung, Reparatur und Wartung von Gegenständen, die in diese Schiffe eingebaut sind – einschließlich der Ausrüstung für die Fischerei –, oder die ihrem Betrieb dienen;

…“

Rumänisches Recht

7

Art. 143 Abs. 1 der Legea nr. 571/2003 privind Codul fiscal (Gesetz Nr. 571/2003 über das Steuergesetzbuch) in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Steuergesetzbuch) lautet:

„Von der Steuer sind befreit:

h)

im Fall von für die Seeschifffahrt bestimmten Schiffen, die im grenzüberschreitenden Passagier- und/oder Güterverkehr, zur Fischerei oder zu jeder anderen wirtschaftlichen Tätigkeit oder als Bergungs- oder Rettungsschiffe auf See eingesetzt sind, folgende Umsätze:

1.

Lieferung, Umbau, Reparatur, Wartung, Vercharterung, Leasing und Vermietung von Schiffen sowie Lieferung, Leasing, Vermietung, Reparatur und Wartung von Gegenständen, die in diese Schiffe eingebaut sind oder die ihrem Betrieb dienen, einschließlich der Ausrüstung für die Fischerei.“

8

Art. 23 der Ordonanța Guvernului nr. 42/1997 privind transportul maritim și pe căile navigabile interioare (Regierungsverordnung Nr. 42/1997 über die Beförderung auf See und auf Binnenwasserstraßen) bestimmt:

„Im Sinne dieser Verordnung gelten als Schiffe:

a)

See- und Binnenschiffe jeglicher Art, mit oder ohne Antrieb, die auf oder unter der Wasseroberfläche fahren und die für den Güter- und/oder Passagierverkehr, die Fischerei, für Schlepp- oder für Schubdienstleistungen bestimmt sind;

b)

schwimmende Anlagen wie Baggerschiffe, schwimmende Hubvorrichtungen, Schwimmkräne, schwimmende Bagger u. ä., mit oder ohne Antrieb;

c)

schwimmende Konstruktionen, die normalerweise nicht zur Fortbewegung bestimmt sind, wie: schwimmende Docks und Landungsbrücken, Pontons, schwimmende Hangars für Schiffe, Bohrinseln u. ä., Feuerschiffe;

d)

Sportboote.“

9

Nr. 1 der Decizia nr. 3/2015 a Comisiei fiscale centrale (Entscheidung Nr. 3/2015 der Zentralen Steuerkommission) lautet:

„Im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2013: Im Fall von für die Seeschifffahrt bestimmten Schiffen, die im grenzüberschreitenden Passagier- und/oder Güterverkehr, in der Fischerei oder für jede andere wirtschaftliche Tätigkeit auf See eingesetzt sind, gelten die Mehrwertsteuerbefreiungen nach Art. 143 Abs. 1 Buchst. h des [Steuergesetzbuchs], wenn das Schiff tatsächlich und überwiegend für die Seeschifffahrt verwendet wird. Um festzustellen, ob ein Schiff tatsächlich und überwiegend auf See verwendet wird, dürfen nicht ausschließlich objektive Kriterien wie die Länge oder die Tonnage des Schiffs berücksichtigt werden; diese Kriterien dürfen jedoch verwendet werden, um aus dem Anwendungsbereich der Steuerbefreiungen die Schiffe auszuschließen, die die Voraussetzungen nach Art. 143 Abs. 1 Buchst. h des Steuergesetzbuchs jedenfalls nicht erfüllen, d. h., dass sie für die Fahrt auf See nicht geeignet wären. …

Der Begriff der Fahrt ‚auf See‘ im Sinne der [Mehrwertsteuerrichtlinie] und im Sinne von Art. 143 Abs. 1 Buchst. h des Steuergesetzbuchs umfasst jeden Teil der See außerhalb der Hoheitsgewässer jedes Landes, der sich jenseits der Grenze von 12 Seemeilen, gemessen von den nach dem internationalen Seerecht (am 10. Dezember 1982 in Montego Bay geschlossenes Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen) bestimmten Basislinien, befindet.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

10

Im Mai 2008 verkaufte Grup Servicii Petroliere drei selbsthebende Offshore-Bohreinheiten, die im Schwarzen Meer betrieben wurden, an maltesische Gesellschaften für einen Gesamtbetrag von 96 Mio. USD (ungefähr 82 Mio. Euro). Für die Lieferung dieser Plattformen stellte diese Gesellschaft Rechnungen aus, bei denen sie die in Art. 148 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie und in Art. 143 Abs. 1 Buchst. h des Steuergesetzbuchs vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiungsregelung anwandte. Die genannte Gesellschaft betrieb diese Plattformen im Schwarzen Meer während des Jahres 2008 als Charterer weiter.

11

Im Jahr 2016 erließen die rumänischen Finanzbehörden einen Nacherhebungsbescheid über nicht entrichtete Mehrwertsteuer für die genannte Lieferung, in dem Grup Servicii Petroliere ein Betrag von mehr als 113 Mio. RON (ungefähr 25 Mio. Euro), einschließlich Zinsen und Verzugszinsen, auferlegt wurde. In der Begründung dieses Bescheids wird u. a. ausgeführt:

Die fraglichen Bohreinheiten seien zwar Schiffe im Sinne der Regierungsverordnung Nr. 42/1997 und könnten für die uneingeschränkte Seeschifffahrt eingesetzt werden, während der Bohrtätigkeiten führen sie aber nicht, sondern befänden sich in einer Parkposition; ihre Pfeiler seien in einer tiefen Position, stützten sich auf den Meeresboden und höben den Ponton (den schwimmenden Teil) auf eine Höhe von etwa 60 bis 70 Metern über der Meeresoberfläche;

gemäß den Bestimmungen der Entscheidung Nr. 3/2015 der Zentralen Steuerkommission sei, damit die Lieferung der Plattformen unter die Steuerbefreiung nach Art. 143 Abs. 1 Buchst. h des Steuergesetzbuchs fallen könne, in geeigneter Form zu beweisen, dass das fragliche Schiff tatsächlich und überwiegend auf hoher See fahre;

die vorhandenen Beweise zeigten aber, dass die Plattformen tatsächlich und überwiegend in Parkposition für Bohrtätigkeiten verwendet würden, und nicht für die Schifffahrt, die gegenüber der Bohrtätigkeit lediglich untergeordnet sei.

12

Nachdem der Einspruch gegen diesen Nacherhebungsbescheid zurückgewiesen worden war, wandte sich Grup Servicii Petroliere an die Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien).

13

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass diese Gesellschaft in ihrer Klageschrift im Wesentlichen vorträgt, dass die rumänischen Finanzbehörden den Umfang der in Art. 148 Buchst. a und c der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiung rechtswidrig begrenzt hätten, indem sie diese Befreiung nicht nur von der Voraussetzung abhängig gemacht hätten, dass die zur Ausübung einer Handelstätigkeit oder für gewerbliche Zwecke betriebenen Schiffe auf hoher See „verwendet“ würden, sondern dass sie auch auf hoher See „fahren“.

14

Ungeachtet der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung von Art. 148 Buchst. a und c der Mehrwertsteuerrichtlinie hält es das vorlegende Gericht für die Beurteilung, ob die im Ausgangsverfahren fragliche Steuerbefreiung auf die Lieferung einer selbsthebenden Offshore-Bohreinheit anwendbar ist, für erforderlich, zunächst die Frage zu beantworten, ob eine solche Plattform unter den Begriff „Schiff“ im Sinne des Art. 148 Buchst. a dieser Richtlinie fällt. Für den Fall, dass diese Frage bejaht wird, möchte das vorlegende Gericht zweitens wissen, ob die Steuerbefreiung nach Art. 148 Buchst. a und c der Mehrwertsteuerrichtlinie an die Voraussetzung geknüpft ist, dass die Fahrtätigkeit auf hoher See gegenüber der Bohrtätigkeit auf See tatsächlich überwiegt.

15

Unter diesen Umständen hat die Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist Art. 148 Buchst. c in Verbindung mit Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass die Befreiung von der Mehrwertsteuer unter bestimmten Voraussetzungen auf die Lieferung von selbsthebenden Offshore-Bohreinheiten anzuwenden ist, bzw. fällt eine selbsthebende Offshore-Bohreinheit unter den Begriff „Schiff“ im Sinne dieser unionsrechtlichen Bestimmung, wenn diese Bestimmung nach der Überschrift des Kapitels 7 dieser Richtlinie die „Steuerbefreiungen bei grenzüberschreitenden Beförderungen“ regelt?

2.

Falls die erste Frage bejaht wird: Ist Art. 148 Buchst. c in Verbindung mit Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass es eine wesentliche Voraussetzung für die Anwendung der Befreiung von der Mehrwertsteuer darstellt, dass eine selbsthebende Offshore-Bohreinheit, die bis auf die hohe See hinaus gefahren ist, dort während ihres Betriebs (zur Ausübung einer Handelstätigkeit oder für gewerbliche Zwecke) tatsächlich für einen Zeitraum schwimmend in Bewegung bleiben und sich dabei von einem Punkt zu einem anderen auf See fortbewegen muss, der länger ist als der Zeitraum, in dem sie aufgrund einer Bohrtätigkeit auf See stationär und unbeweglich ist, dass also die Fahrtätigkeit die Bohrtätigkeit tatsächlich überwiegen muss?

Zu den Vorlagefragen

16

Mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 148 Buchst. a und c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass der Ausdruck „Schiffe, die auf hoher See eingesetzt sind“ auf die Lieferung von schwimmenden Konstruktionen von der Art der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden selbsthebenden Offshore-Bohreinheiten, die überwiegend stationär für die Offshore-Förderung von Kohlenwasserstoffvorkommen verwendet werden, anwendbar ist.

17

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Lieferungen, für die nach Art. 148 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie eine Steuerbefreiung gilt, der Voraussetzung unterliegen, dass sie Schiffe im Sinne von Art. 148 Buchst. a dieser Richtlinie zum Gegenstand haben, die zur Fahrt auf hoher See im entgeltlichen Passagierverkehr, zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei eingesetzt sind.

18

Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, weist Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie den gleichen Wortlaut auf wie Art. 15 Nr. 4 Buchst. a der Sechsten Richtlinie, die durch die Mehrwertsteuerrichtlinie aufgehoben und ersetzt wurde. Daher bleibt die Rechtsprechung zu dieser Bestimmung der Sechsten Richtlinie für die Auslegung von Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie maßgebend (Urteil vom 3. September 2015, Fast Bunkering Klaipėda, C-526/13, EU:C:2015:536, Rn. 24 und 25).

19

Der Gerichtshof hat daraus abgeleitet, dass die in Art. 148 der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Steuerbefreiungen – ebenso wie die in der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen – autonome unionsrechtliche Begriffe darstellen, die folglich Gegenstand einer einheitlichen Auslegung und Anwendung in der gesamten Europäischen Union sein müssen (Urteil vom 3. September 2015, Fast Bunkering Klaipėda, C-526/13, EU:C:2015:536, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung), was bedeutet, dass die Mehrwertsteuerbefreiung eines bestimmten Umsatzes nicht davon abhängen kann, wie er nach nationalem Recht qualifiziert wird (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 18. Oktober 2007, Navicon, C-97/06, EU:C:2007:609, Rn. 28).

20

Des Weiteren sind Steuerbefreiungen, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass die Mehrwertsteuer auf jede Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen erhoben wird, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt ausführt, eng auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. September 2006, Elmeka, C-181/04 bis C-183/04, EU:C:2006:563, Rn. 15, und vom 21. März 2013, Kommission/Frankreich, C-197/12, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:202, Rn. 30).

21

Außerdem hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die in Art. 15 Nr. 4 Buchst. a der Sechsten Richtlinie vorgesehene Voraussetzung des Einsatzes auf hoher See nicht nur für Schiffe gilt, die im entgeltlichen Passagierverkehr eingesetzt sind, sondern auch für die, die zur Ausübung einer Handelstätigkeit, für gewerbliche Zwecke oder zur Fischerei eingesetzt sind, was nunmehr alles in Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie genannt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. September 2006, Elmeka, C-181/04 bis C-183/04, EU:C:2006:563, Rn. 14 bis 16, und vom 21. März 2013, Kommission/Frankreich, C-197/12, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:202, Rn. 32).

22

Im Licht dieser Erwägungen ist der Ausdruck „Schiffe, die auf hoher See eingesetzt sind“ in Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie in Ermangelung einer Definition dieses Ausdrucks oder der Worte, aus denen er sich zusammensetzt, unter Berücksichtigung des Wortlauts dieser Bestimmung, des Kontexts, in den sie sich einfügt, sowie der Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden, auszulegen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 18. Oktober 2007, Navicon, C-97/06, EU:C:2007:609, Rn. 24).

23

Insoweit ist – ohne dass im Rahmen der vorliegenden Rechtssache über den Begriff „hohe See“, dessen räumliche Definition sich im internationalen Seerecht entwickelt hat, noch über technische Merkmale entschieden zu werden bräuchte, die erfüllt sein müssen, damit ein Schiff als zur Fahrt auf hoher See eingesetzt angesehen werden kann – erstens festzustellen, dass der Ausdruck „Schiffe, die auf hoher See eingesetzt sind“ in Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie notwendigerweise beinhaltet, dass die fraglichen schwimmenden Konstruktionen zur Fahrt eingesetzt werden. Ein Schiff kann nur als zur Fahrt „eingesetzt“ angesehen werden, wenn es zumindest hauptsächlich oder überwiegend für die Fortbewegung im Meeresraum eingesetzt wird.

24

Für diese Auslegung spricht auch der Wortlaut der verschiedenen Sprachfassungen dieses Art. 148 Buchst. a, die, wenn sie nicht den Begriff „eingesetzt“ verwenden, im Allgemeinen auf das Partizip Perfekt des Verbs „nutzen“ zurückgreifen, wie bei der tschechischen („užívaných“), der englischen („used“), der rumänischen („utilizate“), der finnischen („käytettävät“) und der schwedischen („används“) Sprachfassung.

25

Zweitens hat der Gerichtshof, was das mit der Regelung – zu der die in Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Steuerbefreiung gehört – verfolgte Ziel anbelangt, bereits entschieden, dass der Überschrift des Kapitels 7 des Titels IX dieser Richtlinie zu entnehmen ist, dass dieses Ziel in der Förderung der grenzüberschreitenden Beförderung besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Mai 2017, A, C-33/16, EU:C:2017:339, Rn. 37). In diesem Rahmen ist die Lieferung von Schiffen, die zur Fahrt auf hoher See eingesetzt werden, nach Art. 148 Buchst. a und c der Mehrwertsteuerrichtlinie von der Mehrwertsteuer befreit, wenn diese Schiffe dazu bestimmt sind, sich auf hoher See fortzubewegen. Dieses Ziel bestätigt somit die in Rn. 23 des vorliegenden Urteils vorgenommene Auslegung, nach der eine schwimmende Konstruktion nur dann unter „Schiffe, die auf hoher See eingesetzt sind“ subsumiert werden kann, wenn sie zumindest hauptsächlich oder überwiegend für die Fortbewegung im Meeresraum eingesetzt wird.

26

Der Verfolgung des genannten Ziels steht nicht entgegen, dass die Begriffe „Schiff“ oder „Fahrt“ beispielsweise in den Bereichen Umwelt oder Verbrauchsteuern gegebenenfalls anders ausgelegt werden. Denn selbst wenn eine solche unterschiedliche Auslegung besteht, genügt die Feststellung, dass die in diesen Bereichen erlassene Unionsregelung andere Ziele verfolgt als die, auf die sich die Steuerbefreiungen in Art. 148 Buchst. a und c der Mehrwertsteuerrichtlinie beziehen.

27

Drittens und letztens steht die Auslegung von Art. 148 Buchst. a und c der Mehrwertsteuerrichtlinie, die dessen Umfang auf schwimmende Konstruktionen begrenzt, die hauptsächlich für die Fortbewegung im Meeresraum eingesetzt werden, mit dem Kontext in Einklang, in den sich diese Vorschrift einfügt, nämlich die Regelung über die Mehrwertsteuerbefreiungen, die, wie in Rn. 20 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, eng auszulegen sind.

28

Wie der Generalanwalt in den Nrn. 24 und 25 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, steht im vorliegenden Fall fest, dass die selbsthebenden Offshore-Bohreinheiten, die Gegenstand der Lieferung im Ausgangsverfahren sind, mobile Einheiten für Offshore-Bohrungen sind, die aus einem schwimmenden Ponton bestehen, der mit mehreren beweglichen Beinen ausgestattet ist, die während des Schleppvorgangs bis zum Bohrplatz hochgefahren sind, und der, wenn er sich in Bohrposition befindet, durch die ausgefahrenen Beine, die sich auf dem Meeresboden abstützen, mehrere Dutzend Meter hoch über der Meeresoberfläche platziert wird, um eine statische Plattform zu bilden.

29

Angesichts dieser Merkmale scheint es, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Offshore-Bohreinheiten nicht so beschaffen sind, dass sie hauptsächlich zur Fahrt verwendet werden, was jedoch vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist, so dass diese schwimmenden Konstruktionen nicht als „eingesetzte“ Konstruktionen im Sinne des Art. 148 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie anzusehen sind. Vielmehr haben sie, wie die rumänische Regierung und die Europäische Kommission geltend gemacht haben und vorbehaltlich der Prüfung durch das vorlegende Gericht, als Hauptfunktion die Offshore-Förderung von Kohlenwasserstoffvorkommen in stationärer Position.

30

Nach alledem ist auf die Fragen zu antworten, dass Art. 148 Buchst. a und c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass der Ausdruck „Schiffe, die auf hoher See eingesetzt sind“ auf die Lieferung von schwimmenden Konstruktionen von der Art der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden selbsthebenden Offshore-Bohreinheiten, die überwiegend stationär für die Offshore-Förderung von Kohlenwasserstoffvorkommen verwendet werden, nicht anwendbar ist.

Kosten

31

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 148 Buchst. a und c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass der Ausdruck „Schiffe, die auf hoher See eingesetzt sind“ auf die Lieferung von schwimmenden Konstruktionen von der Art der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden selbsthebenden Offshore-Bohreinheiten, die überwiegend stationär für die Offshore-Förderung von Kohlenwasserstoffvorkommen verwendet werden, nicht anwendbar ist.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Rumänisch.