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Wichtiger rechtlicher Hinweis

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61995C0346

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 25/09/1997. - Elisabeth Blasi gegen Finanzamt München I. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Finanzgericht München - Deutschland. - Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Befreiung - Umsätze aus der Vermietung von Grundstücken - Ausnahme bei der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung. - Rechtssache C-346/95.

Sammlung der Rechtsprechung 1998 Seite I-00481


Schlußanträge des Generalanwalts


1 In der vorliegenden Rechtssache, die dem Gerichtshof vom Finanzgericht München vorgelegt worden ist, stellt sich die Frage, ob Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie(1) (im folgenden: Richtlinie) es einem Mitgliedstaat erlaubt, Mehrwertsteuer auf die vorübergehende Beherbergung von Asylbewerbern und Aussiedlern zu erheben.

Die einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen und nationalen Bestimmungen

2 Soweit hier von Bedeutung, bestimmt Artikel 13 Teil B der Richtlinie:

"Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Mißbräuchen festsetzen, von der Steuer:

...

b) die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken mit Ausnahme

1. der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe entsprechend den gesetzlichen Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung, einschließlich der Vermietung in Ferienlagern oder auf als Campingplätze erschlossenen Grundstücken,

...

Die Mitgliedstaaten können weitere Ausnahmen vom Geltungsbereich dieser Befreiung vorsehen."

3 Aus dem Urteil Henriksen(2) ergibt sich eindeutig, daß es den Mitgliedstaaten zwar freisteht, durch die Einführung weiterer Ausnahmen den Geltungsbereich der in Artikel 13 Teil B Buchstabe b vorgesehenen Befreiung zu beschränken, daß sie aber nicht berechtigt sind, Umsätze von der Steuerpflicht auszunehmen, die von der Befreiung ausgeschlossen sind. Die in Artikel 13 Teil B Buchstabe b Nummer 1 genannten Umsätze unterliegen daher zwingend der Steuer.

4 Die einschlägigen deutschen Rechtsvorschriften finden sich im Umsatzsteuergesetz von 1980 (im folgenden: UStG). § 4 Nummer 12 Satz 1 Buchstabe a UStG wird von den deutschen Gerichten dahin ausgelegt, daß die Vermietung von Grundstücken, darunter auch von einzelnen Teilen eines Grundstücks wie z. B. von Wohn- und Schlafräumen, steuerfrei ist. Steuerpflichtig ist jedoch gemäß § 4 Nummer 12 Satz 2 UStG die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält. Das vorlegende Gericht führt aus, daß nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs das Kriterium für eine kurzfristige Beherbergung nicht die tatsächliche Dauer des Aufenthalts sei, sondern die Absicht des Unternehmers. Vermiete ein Beherbergungsunternehmer Räume an die öffentliche Hand, die sie zur Unterbringung Dritter nutze, so sei entscheidend, ob der Unternehmer die Räume zur längerfristigen Vermietung bestimme und er diese Absicht durch den Abschluß eines langfristigen Vertrages mit der öffentlichen Hand verwirklicht habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der Praxis der Steuerbehörden und der Lehre sei eine Vermietung als kurzfristig zu betrachten, wenn der Zeitraum weniger als sechs Monate betrage.

Der Sachverhalt und die Fragen des nationalen Gerichts

5 Seit 1984 beherbergt Frau Blasi in drei Gebäuden in München Aussiedlerfamilien aus osteuropäischen Ländern. Die Räume in den Häusern sind vollständig möbliert und mit Kochgelegenheiten und Kühlschränken ausgestattet. Sie werden von den Aussiedlern selbst gereinigt, die sich gelegentlich auf eigene Kosten ein Telefon installieren lassen.

6 Frau Blasi sorgt alle 14 Tage für den Wechsel der Bettwäsche und die Reinigung der Flure, Treppenhäuser, Bäder und WCs. Mahlzeiten oder Getränke werden an die Aussiedler nicht verabreicht. In den Häusern befinden sich weder Aufenthalts- und Gemeinschaftsräume noch eine Rezeption.

7 Die Aussiedler werden von der Stadt München an Frau Blasi vermittelt; zum maßgeblichen Zeitpunkt zahlte die Stadt ihr 25 DM pro Person und Tag. Frau Blasi teilte der Stadt mit, daß sie nicht daran interessiert sei, Aussiedler aufzunehmen, die nur kurzfristig bei ihr wohnen wollten, und daß die Verweildauer nach ihren Berechnungen 14,4 Monate betrage. Es gibt jedoch keine vertragliche Bestimmung über eine Mindestdauer der Vermietung.

8 Nach einer Festsetzung der Mehrwertsteuer für die Mieteinnahmen des Jahres 1984 erhob Frau Blasi Klage beim vorlegenden Gericht und machte geltend, sie sei nicht mehrwertsteuerpflichtig. In seinem Vorlagebeschluß äussert das vorlegende Gericht Zweifel an der Vereinbarkeit von § 4 Nummer 12 Satz 2 UStG mit Artikel 13 Teil B Buchstabe b Nummer 1 der Richtlinie. Es führt aus, daß nach der Richtlinie zwar "die Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung" von der für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken geltenden Steuerbefreiung ausgenommen sei, daß das UStG aber nur auf die kurzfristige Beherbergung abstelle. Das vorlegende Gericht unterbreitet dem Gerichtshof daher folgende Fragen:

1. Ist Artikel 13 Teil B Buchstabe b Nummer 1 der Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie) dahin auszulegen, daß sich die "Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung" nur in dem Begriff der kurzfristigen Beherbergung von Fremden erschöpft?

2. Bei Bejahung der Frage 1:

a) Welcher Beherbergungszeitraum kann regelmässig als kurzfristig angesehen werden?

Ist eine "Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe" dann nicht mehr gegeben, wenn der Unternehmer die Räume zur langfristigen Beherbergung bereit hält und dies durch den Abschluß eines langfristigen Mietvertrages (länger als sechs Monate) zum Ausdruck kommt?

b) Ist eine zeitanteilige Steuerbefreiung gemäß Artikel 13 Teil B Buchstabe b Nummer 1 möglich, wenn sich herausstellt, daß sämtliche Räumlichkeiten wahlweise kurz- oder langfristig vermietet wurden?

3. Bei Verneinung der Frage 1:

Anhand welcher Kriterien zeitlicher, räumlicher und konzeptioneller Art ist der Begriff "Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung" festzustellen, und welche davon müssen zwingend vorliegen?

Erörterung der Fragen

9 Das vorlegende Gericht geht bei seinen Fragen, die zusammen erörtert werden können, davon aus, daß es im Fall der Unanwendbarkeit des Artikels 13 Teil B Buchstabe b Nummer 1 auf die von Frau Blasi erbrachten Dienstleistungen in der Richtlinie keine Grundlage für deren Besteuerung gebe. So könne die deutsche Vorschrift insbesondere nicht auf Artikel 13 Teil B Buchstabe b letzter Satz gestützt werden, wonach die Mitgliedstaaten "weitere Ausnahmen vom Geltungsbereich dieser Befreiung vorsehen" können. Diese Auffassung beruht auf der Feststellung des Gerichtshofes im Urteil Henriksen(3), daß die Mitgliedstaaten nach Artikel 13 Teil B Buchstabe b letzter Satz lediglich weitere Ausnahmen von der Befreiung vorsehen, nicht jedoch diese Ausnahmen einschränken dürfen; daraus zieht das vorlegende Gericht den Schluß, daß sich Deutschland nicht auf diese Vorschrift stützen könne, um die Ausnahme von der Befreiung nach Artikel 13 Teil B Buchstabe b Nummer 1 auf kurzfristige Aufenthalte zu beschränken.

10 Diese Auffassung ist jedoch eindeutig falsch. Möglicherweise ist die deutsche Vorschrift, nach der langfristige Aufenthalte im Hotelgewerbe oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung nicht besteuert werden, enger als Artikel 13 Teil B Buchstabe b Nummer 1. In diesem Fall würde diese Vorschrift Umsätze, die nach der Richtlinie steuerpflichtig sein müssten, entgegen dem Urteil Henriksen von der Steuer befreien.

11 Darauf kommt es aber im vorliegenden Fall nicht an. Es geht hier nicht um die Frage, ob Deutschland die von Frau Blasi erbrachten Dienstleistungen befreien darf, sondern darum, ob sie besteuert werden dürfen. Unterlägen ihre Dienstleistungen nicht nach Artikel 13 Teil B Buchstabe b Nummer 1 zwingend der Steuer, so wäre die deutsche Vorschrift, die sie besteuert, eher eine weitere Ausnahme von der Befreiung als eine Beschränkung der Ausnahmen von der Befreiung.

12 Artikel 13 Teil B Buchstabe b letzter Satz ist weit formuliert, um den Mitgliedstaaten einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Beschränkung des Geltungsbereichs der Befreiung nach Artikel 13 Teil B Buchstabe b zu belassen. Wie der Gerichtshof im Urteil Henriksen festgestellt hat, "[steht] es den Mitgliedstaaten ... frei ..., durch die Einführung weiterer Ausnahmen den Geltungsbereich der fraglichen Befreiung zu beschränken"(4). Anders als bei Befreiungen, die im allgemeinen eng auszulegen sind, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, wonach jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt(5), entspricht es diesem allgemeinen Grundsatz, wenn Umsätze von der Befreiung ausgenommen werden. Meiner Ansicht nach hat die Gemeinschaft kein Interesse an einer engen Auslegung des Gestaltungsspielraums, der den Mitgliedstaaten durch diese Vorschrift hinsichtlich der Ausdehnung der Steuerpflicht auf weitere Umsätze eingeräumt wird.

13 Deutschland hätte daher die Vorschrift aufgrund von Artikel 13 Teil B Buchstabe b letzter Satz rechtfertigen können. Die deutsche Regierung trägt jedoch vor, daß die Vorschrift auf Artikel 13 Teil B Buchstabe b Nummer 1 gestützt werden könne. Ich wende mich daher den Fragen des vorlegenden Gerichts zu, die sich darauf beziehen.

14 Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage möchte das Gericht wissen, ob die kurzfristige Beherbergung ein ausreichendes Kriterium für die Zwecke des Artikels 13 Teil B Buchstabe b Nummer 1 darstellt und, wenn ja, welcher Zeitraum als kurzfristig angesehen werden kann.

15 Nach der Richtlinie sind Lieferungen und Vermietungen von Grundstücken grundsätzlich von der Mehrwertsteuer befreit(6). Diese Befreiungen spiegeln die besonderen Schwierigkeiten wider, die sich bei der Erhebung von Mehrwertsteuer auf solche Gegenstände ergeben. Anders als gewöhnliche Gegenstände gehen Grundstücke nicht aus einem Produktionsprozeß hervor; darüber hinaus können einmal errichtete Gebäude im Laufe ihrer Existenz oft den Eigentümer wechseln, häufig ohne daß damit weitere wirtschaftliche Tätigkeiten verbunden wären(7). Nach der Richtlinie ist die Erhebung der Mehrwertsteuer daher grundsätzlich(8) auf die Lieferung von Baugrundstücken oder von neuen Gebäuden und dem dazugehörigen Grund und Boden beschränkt. Die Erschließung von Grundstücken ist mit wirtschaftlichen Tätigkeiten verbunden, die den Grundstückswert steigern, und die Lieferung eines neuen Gebäudes stellt das Ende des Produktionsprozesses dar. Danach wäre eine wiederholte Besteuerung von Grundstücken bei jedem Verkauf nicht gerechtfertigt. Dasselbe gilt für die Vermietung solcher Grundstücke, bei der es sich normalerweise um eine relativ passive Tätigkeit handelt, aus der sich kein bedeutender Mehrwert ergibt; obwohl sie eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 4 der Richtlinie darstellt(9), ist die Vermietung von Grundstücken daher grundsätzlich von der Steuer befreit.

16 Nach Artikel 13 Teil B Buchstabe b ist die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken zwar im allgemeinen von der Steuer befreit, doch ist für bestimmte Umsätze auch eine Ausnahme von der Befreiung vorgesehen. Gemeinsames Merkmal dieser Umsätze ist, daß sie mit einer aktiveren Nutzung des Grundstücks verbunden sind, die eine über den ursprünglichen Verkauf hinausgehende weitere Besteuerung rechtfertigt.

17 Zu Artikel 13 Teil B Buchstabe b Nummer 1 ist erstens zu bemerken, daß der Wortlaut und besonders die Wendungen "Unterkunft im Hotelgewerbe entsprechend den gesetzlichen Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten" und "Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung" etwas ungenau sind. Ich glaube, daß man den Mitgliedstaaten bei der Definition der genauen Grenzen der Ausnahme einen gewissen Spielraum lassen wollte.

18 Zweitens enthält Artikel 13 Teil B Buchstabe b Nummer 1 - wie bereits erwähnt - eine Ausnahme von der Befreiung und ist deshalb nicht eng auszulegen. Meiner Ansicht nach ist der Begriff "Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung" weit auszulegen, da er sicherstellen soll, daß die vorübergehende Beherbergung, die der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe ähnlich ist und daher potentiell mit dieser konkurriert, der Steuer unterliegt.

19 Es ist zwar richtig, daß nach der deutschen Vorschrift bei der kurzfristigen Vermietung von Wohnraum nicht unbedingt alle zusätzlichen Gegenstände geliefert und Dienstleistungen erbracht werden müssen - wie z. B. Verabreichung von Mahlzeiten und Getränken, Reinigung der Zimmer, Bereitstellung von Bettwäsche usw. -, die normalerweise für Hotels typisch sind. Es kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, daß ein Steuerpflichtiger, der z. B. kurzfristig Wohnraum für Ferienaufenthalte vermietet, im wesentlichen die gleiche Tätigkeit ausübt wie ein Steuerpflichtiger im Hotelgewerbe - und mit diesem konkurriert. Der wesentliche Unterschied zwischen solchen Vermietungen und der von der Steuer befreiten Vermietung von Wohnraum liegt in der vorübergehenden Gewährung der Unterkunft. Jedenfalls sind mit der kurzfristigen Vermietung in der Regel eher zusätzliche Leistungen wie z. B. die Bereitstellung von Bettwäsche und die Reinigung gemeinschaftlich genutzter Gebäudeteile oder gar der Unterkunft selbst verbunden (tatsächlich wird eine Reihe solcher Leistungen auch von Frau Blasi erbracht); ausserdem ist damit insoweit eine aktivere Nutzung des Eigentums verbunden als bei der langfristigen Vermietung, als ein höherer Überwachungs- und Verwaltungsaufwand erforderlich ist.

20 Obwohl die deutsche Vorschrift - anders als Artikel 13 Teil B Buchstabe b Nummer 1 - nicht ausdrücklich auf die Art der gewährten Unterkunft oder auf den Sektor, in dem sie gewährt wird, abstellt, bin ich nach alledem der Ansicht, daß das darin verwendete Kriterium der kurzfristigen Beherbergung von Fremden ein vernünftiges Mittel zur Erreichung des Zieles ist, das der Vorschrift zugrunde liegt. Damit wird sichergestellt, daß Umsätze von Steuerpflichtigen, deren geschäftliche Tätigkeit von der wesentlichen Funktion her - nämlich kurzfristige Beherbergung auf gewerblicher Basis - der eines Hotels ähnelt, steuerpflichtig sind. Zwar mag es tatsächlich vorkommen, daß Personen über längere Zeiträume im Hotel wohnen, doch sind solche Mängel der deutschen Vorschrift im vorliegenden Fall unerheblich und wären auf jeden Fall von geringer praktischer Bedeutung.

21 Ausserdem halte ich das sich aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ergebende Erfordernis für durchaus vernünftig, daß eine durch einen Mietvertrag oder eine andere Vereinbarung nachweisbare Absicht, die Räume für mindestens sechs Monate zu vermieten, vorliegen muß, wenn die Vermietung von Grundstücken unter die Befreiung fallen soll. Es ermöglicht eine praktikable und rechtlich zuverlässige Unterscheidung zwischen der kurzfristigen Beherbergung, die der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe ähnelt, und der längerfristigen Vermietung von Wohnraum, für die in der Richtlinie eine Befreiung vorgesehen ist. Ein Hotel oder eine Pension wird bereit sein, Gäste für potentiell kurze Aufenthalte aufzunehmen, während ein Vermieter, der an passiveren langfristigen Vermietungen interessiert ist, auf einer Vereinbarung bestehen wird, mit der der Mieter seine Absicht bestätigt, über einen längeren Zeitraum zu bleiben. Ich sehe keinen Grund, die Richtlinie dahin auszulegen, daß drei Monate nicht überschritten werden dürften, wie es die Kommission vorschlägt.

22 Zu beachten ist, daß die Mitgliedstaaten nach den einleitenden Worten von Artikel 13 Teil B verpflichtet sind, Bedingungen zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Mißbräuchen festzusetzen. Deutschland darf meiner Ansicht nach davon ausgehen, daß die von Frau Blasi vorgeschlagenen anderen Kriterien, z. B., ob die Unterkunft den Lebensmittelpunkt der betreffenden Personen darstellt oder ob zusätzliche Leistungen erbracht werden, zu unklar und zu schwer anwendbar sind. So könnte man z. B. ein auf einem Campingplatz in Spanien abgestelltes Wohnmobil als Lebensmittelpunkt eines Rentners betrachten, der sein Haus verkauft und das ganze Jahr über dort wohnt; es wäre aber für den Besitzer des Campingplatzes schwierig, ein solches Kriterium anzuwenden. Ausserdem ist das von Hotels, Pensionen und Campingplätzen gebotene Niveau an Leistungen und Einrichtungen sehr unterschiedlich. Es gibt Hotels, die nicht mehr bieten als ein Zimmer, und Campingplätze, die kaum mehr bieten als das Grundstück selbst. Ferner darf die deutsche Regierung davon ausgehen, daß solche Kriterien im Vergleich zum Kriterium der Dauer des Aufenthalts weniger gut geeignet wären, um das Ziel der Wettbewerbsneutralität zu erreichen.

23 Sollte Frau Blasi tatsächlich die Absicht haben, langfristig Wohnraum zu vermieten, so steht es ihr frei, entsprechende Vereinbarungen zu treffen. Kann sie dies aber wegen des von Natur aus vorübergehenden Charakters der Aufenthalte nicht tun, so ist es nicht unangemessen, wenn sich die Steuerbehörden auf den Standpunkt stellen, daß eine kurzfristige gewerbliche Nutzung eines Grundstücks vorliegt, und die von ihr gewährte Unterkunft mit einer von einer Pension oder einem billigen Hotel gewährten steuerpflichtigen Unterkunft gleichsetzen. Man kann sich in der Tat vorstellen, daß die Stadt München auch solche Einrichtungen zur vorübergehenden Unterbringung von Asylbewerbern und Aussiedlern nutzt.

24 Bezueglich der vom nationalen Gericht vorgelegten Frage 2b bin ich der Auffassung, daß die deutschen Behörden nicht verpflichtet sind, eine zeitanteilige Befreiung zu gewähren, wenn eine Vermietung einmal die sechs Monate überschreiten sollte. Die deutschen Behörden können meiner Ansicht nach davon ausgehen, daß eine Vermietung nur dann langfristig ist und für die Befreiung in Frage kommt, wenn nachweislich von Anfang an beabsichtigt war, die Unterkunft für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten gewähren.

25 Wie bereits ausgeführt, könnte die deutsche Vorschrift schließlich auf jeden Fall auf Artikel 13 Teil B Buchstabe b letzter Satz gestützt werden, falls man zu dem Ergebnis kommen sollte, daß die Besteuerung solcher Unterkünfte, wie sie Frau Blasi gewährt, vom Wortlaut des Artikels 13 Teil B Buchstabe b Nummer 1 nicht mehr gedeckt ist.

Ergebnis

26 Ich schlage daher vor, die vom Finanzgericht München vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Eine nationale Vorschrift, nach der die kurzfristige Beherbergung von Fremden, also die Gewährung von Unterkunft in der Weise, daß kein Mindestaufenthalt von sechs Monaten vereinbart ist, der Mehrwertsteuer unterliegt, ist mit Artikel 13 Teil B Buchstabe b Nummer 1 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie vereinbar.

(1) - Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1).

(2) - Urteil vom 13. Januar 1989 in der Rechtssache 173/88 (Skatteministeriet/Henriksen, Slg. 1989, 2763, Randnr. 21).

(3) - Zitiert in Fußnote 2.

(4) - Randnr. 21 des Urteils.

(5) - Vgl. z. B. Urteil vom 15. Juni 1989 in der Rechtssache 348/87 (Stichting Uitvöring Financiële Acties/Staatssecretaris van Financiën, Slg. 1989, 1737, Randnr. 13).

(6) - Artikel 13 Teil B Buchstaben b, g und h.

(7) - Lieferungen, die im Umbau und in der Reparatur von Gebäuden bestehen, sind jedenfalls als Lieferungen von Dienstleistungen gesondert zu versteuern.

(8) - Gemäß Artikel 13 Teil C der Richtlinie können die Mitgliedstaaten ihren Steuerpflichtigen das Recht einräumen, für eine Besteuerung bei der Lieferung oder Vermietung von Grundstücken zu optieren. Diese Option ist für geschäftlich genutzte Grundstücke gedacht. Ein Verkäufer oder Vermieter kann die Besteuerung der Lieferung oder Vermietung gewerblich genutzter Grundstücke an einen Steuerpflichtigen, der das Grundstück für die Zwecke seiner gewerblichen Tätigkeit nutzt und deshalb ein Recht auf Abzug der erhobenen Steuer hat, vorziehen. Der Verkäufer oder Vermieter hat dann selbst ein Recht auf Abzug der für den Kauf, die Vermietung, den Umbau oder die Renovierung des Grundstücks gezahlten Mehrwertsteuer. Dadurch wird vermieden, daß Steuerpflichtige im Zusammenhang mit Grundstücken Mehrwertsteuer zu zahlen haben, die sie nicht in Abzug bringen können.

(9) - Man sah es allerdings als notwendig an, eine ausdrückliche Vorschrift in Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie aufzunehmen, um klarzustellen, daß als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Richtlinie "auch eine Leistung [gilt], die die Nutzung von körperlichen ... Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst".