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Wichtiger rechtlicher Hinweis

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61995C0384

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 25/09/1997. - Landboden-Agrardienste GmbH & Co. KG gegen Finanzamt Calau. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Finanzgericht des Landes Brandenburg - Deutschland. - Mehrwertsteuer - Begriff der Dienstleistung - Zuwendung zur Extensivierung der Kartoffelproduktion. - Rechtssache C-384/95.

Sammlung der Rechtsprechung 1997 Seite I-07387


Schlußanträge des Generalanwalts


1 In dieser Rechtssache, die das Finanzgericht des Landes Brandenburg dem Gerichtshof vorgelegt hat, geht es um die Frage, ob ein Landwirt, der gegen Zuwendung einer Geldleistung seine Kartoffelproduktion verringert hat, eine entgeltliche Dienstleistung im Sinne der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie(1) erbringt.

Einschlägiges Gemeinschaftsrecht

2 Artikel 2 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie lautet:

"Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt".

3 Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie lautet:

"Als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne des Artikels 5 ist.

Diese Leistung kann u. a. bestehen:

...

- in der Verpflichtung, eine Handlung zu unterlassen oder eine Handlung oder einen Zustand zu dulden;

- in der Ausführung eines Dienstes auf Grund einer behördlichen Anordnung oder kraft Gesetzes".

4 Zur maßgeblichen Zeit, also im Jahr 1990, lautete Artikel 12 Absatz 3 der Richtlinie wie folgt:

"Der Normalsatz der Mehrwertsteuer wird von jedem Mitgliedstaat auf einen bestimmten Vomhundertsatz der Besteuerungsgrundlage festgesetzt, der für Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist."

5 Artikel 12 Absatz 3 wurde mit der Richtlinie 92/77/EWG des Rates(2) geändert; die Mitgliedstaaten hatten dieser Richtlinie bis zum 31. Dezember 1992 nachzukommen. Soweit einschlägig, lautet Artikel 12 Absatz 3 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie:

"Die Mitgliedstaaten wenden ab 1. Januar 1993 einen Normalsatz an, der bis zum 31. Dezember 1996 mindestens 15 % betragen muß.

...

Die Mitgliedstaaten können ausserdem einen oder zwei ermässigte Sätze anwenden. Die ermässigten Sätze dürfen nicht niedriger als 5 % sein und nur auf Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen der in Anhang H genannten Kategorien anwendbar sein."

6 Zu Anhang H, der mit der Richtlinie 92/77 eingefügt wurde, gehören:

"Nahrungs- und Futtermittel (einschließlich Getränke, alkoholische Getränke jedoch ausgenommen), lebende Tiere, Saatgut, Pflanzen und üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendete Zutaten, üblicherweise als Zusatz oder als Ersatz für Nahrungs- und Futtermittel verwendete Erzeugnisse."

Sachverhalt und Vorlagefragen

7 Die Landboden-Agrardienste GmbH & Co. KG, die Klägerin des Ausgangsverfahrens, ist die Rechtsnachfolgerin der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft - LPG - (P) Bronkow. Im Jahr 1990 bewilligte die Kreisverwaltung Calau, Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für die LPG (P) Bronkow eine Zuwendung gemäß einer Anordnung über die Förderung der Extensivierung(3) der landwirtschaftlichen Erzeugung vom 13. Juli 1990. Die Zuwendung in Höhe von insgesamt 348 660 DM wurde für die Verringerung der Jahreskartoffelerzeugung der LPG (P) Brankow um 20 vom Hundert gewährt. In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1990 wurden die gewährten Zuschüsse als nicht umsatzsteuerbar behandelt, so daß es für dieses Jahr zu einer Umsatzsteuererstattung kam. Bei einer Sonderprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, daß die erhaltenen Zuwendungen der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien, und setzte die Umsatzsteuer entsprechend fest.

8 Im anschließenden Gerichtsverfahren hat das Finanzgericht beschlossen, die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

a) Erbringt ein steuerpflichtiger Landwirt, der im Jahr 1990 im Bundesland Brandenburg der Bundesrepublik Deutschland seine Kartoffelproduktion dergestalt extensiviert hat, daß er mindestens 20 vom Hundert der angebauten Kartoffeln nicht geerntet hat, eine Dienstleistung im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Sechste Richtlinie) an einen bestimmten Leistungsempfänger?

b) Ist die für die Extensivierung der Kartoffelproduktion aufgrund der Anordnung über die Förderung der Extensivierung der landwirtschaftlichen Erzeugung vom 13. Juli 1990 gezahlte Zuwendung eine Geldleistung, die nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie zu versteuern ist?

c) Im Falle der Bejahung der Frage a:

Ist auf die ausgeführte Dienstleistung der ermässigte Steuersatz des Artikels 12 Absatz 3 Buchstabe a Satz 4 in Verbindung mit Anhang H der Sechsten Richtlinie anzuwenden?

Das Urteil in der Rechtssache Mohr

9 Während des anhängigen Verfahrens hat der Gerichtshof das Urteil in der Rechtssache Mohr(4) erlassen, in dem er für Recht erkannt hat, daß die Verpflichtung zur Aufgabe der Milcherzeugung, die ein Landwirt im Rahmen einer Gemeinschaftsverordnung eingeht, keine Dienstleistung darstellt. Die dafür erhaltene Vergütung sei folglich nicht umsatzsteuerpflichtig. Dieser Entscheidung lagen folgende Erwägungen zugrunde:

"Die Gemeinschaft [erwirkt] dadurch, daß sie den Landwirten, die sich zur Aufgabe ihrer Milcherzeugung verpflichten, einen Ausgleich gewährt, keine Gegenstände und empfängt auch keine Dienstleistungen zur eigenen Verwendung, sondern sie handelt im allgemeinen Interesse an der Förderung des ordnungsgemässen Funktionierens des Milchmarktes der Gemeinschaft.

Unter diesen Umständen bringt die Verpflichtung des Landwirts zur Aufgabe seiner Milchproduktion weder der Gemeinschaft noch den zuständigen nationalen Stellen Vorteile, aufgrund deren sie als Empfänger einer Dienstleistung angesehen werden könnten. Die streitige Verpflichtung stellt daher keine Dienstleistung im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie dar."

10 Nach Auffassung der Kommission ist die Begründung des Urteils Mohr auch auf die vorliegende Zuwendung anwendbar, die die öffentliche Hand für eine Verringerung der Erzeugung im Rahmen einer nationalen Interventionsregelung gewährt. Ich teile diese Auffassung.

11 Das beklagte Finanzamt und die deutsche Regierung greifen jedoch das Urteil Mohr an und tragen vor, es sollte nicht auf die vorliegende Rechtssache erstreckt werden.

Rechtliche Würdigung

12 Mit einiger Rechtfertigung lässt sich sagen, daß es keinen Sinn macht, auf Subventionen Mehrwertsteuer zu erheben. Damit nimmt die öffentliche Hand nur Gelder zurück, die sie selbst gewährt hat; sind verschiedene Stellen tätig, so stellt die Besteuerung von Subventionen im Ergebnis einen recht indirekten - und teuren - Weg des Finanzausgleichs zwischen diesen Stellen dar. Eine nationale Besteuerung von Gemeinschaftssubventionen würde etwa nur zu einer Umlenkung von Mitteln aus dem Gemeinschaftshaushalt in den Haushalt der Mitgliedstaaten führen (mit Ausnahme desjenigen Teils der Mehrwertsteuer, der zu den Eigenmitteln der Gemeinschaft gehört und der Gemeinschaft zurückzuerstatten wäre).

13 Zudem wird eine Besteuerung von Subventionen, wenn sie nicht durch eine entsprechende Erhöhung ausgeglichen wird, zu einer Verringerung der wirtschaftlichen Wirkungen führen, die die Subvention erreichen soll. Hat der Begünstigte die Wahl zwischen dem Verkauf seines Erzeugnisses und der Annahme einer Subvention für seine Nichtvermarktung, wird die Besteuerung der Subvention diese weniger interessant machen.

14 Die Sechste Richtlinie sieht die Besteuerung von Subventionen nur in beschränktem Masse vor. Nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a gehören zur Besteuerungsgrundlage die "unmittelbar mit dem Preis [von] Umsätzen zusammenhängenden Subventionen". Eine Subvention ist damit Teil der Besteuerungsgrundlage, wenn sie unter der Bedingung gewährt wird, daß der Begünstigte Waren liefert oder Dienstleistungen erbringt. So ist eine Regelung, nach der ein Landwirt für jedes von ihm verkaufte Erzeugnis eine bestimmte Subvention erhält, Teil des Entgelts für die Lieferung. Andererseits sind Subventionen, die mit bestimmten Lieferungen nur indirekt zusammenhängen und ganz allgemein die wirtschaftliche Lage des Betriebs verbessern sollen, nicht Teil der Besteuerungsgrundlage. Beispiele für solche Subventionen sind Subventionen für den Ankauf von Betriebsgegenständen, für die Deckung von Verlusten und für die Umstrukturierung des Betriebes.

15 Die Unterscheidung, die sich aus der Sechsten Richtlinie ergibt, ist nicht unproblematisch. Die Kommission führt in ihrem Ersten Bericht(5) aus:

"In Artikel 11-A Absatz 1 Buchstabe a) der Richtlinie heisst es, daß die einem Steuerpflichtigen gewährten Subventionen, die $unmittelbar mit dem Preis` der von ihm bewirkten Umsätze $zusammenhängen`, in die Besteuerungsgrundlage als Elemente des von Dritten gezahlten Preises einzubeziehen sind. Wenn es verhältnismässig leicht fällt, in einer ersten Untersuchung als $unmittelbar mit dem Preis zusammenhängend` Subventionen anzusehen, deren Betrag entweder im Verhältnis zum Verkaufspreis der gelieferten Gegenstände oder Dienstleistungen oder entsprechend den verkauften Mengen oder auch entsprechend den Kosten von unentgeltlich gebotenen Gegenständen und Dienstleistungen bestimmt wird, so bestehen doch grösste Zweifel bezueglich anderer Arten von Subventionen, beispielsweise der Ausgleichs- oder Betriebssubventionen, mit denen die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens saniert werden soll und die ohne ausdrückliche Bezugnahme auf irgendeinen Preis gewährt werden. Da es zwischen diesen beiden Subventionsarten keinen wesentlichen Unterschied gibt (die $unmittelbar mit dem Preis zusammenhängenden` Subventionen dienen in den meisten Fällen auch zur Sanierung) und da es den Mitgliedstaaten möglich ist, eine Subvention der erstgenannten Art in eine Subvention der zweitgenannten Art umzuwandeln, handelt es sich hier um eine prekäre Unterscheidung aufgrund rein formaler Elemente (d. h. nach der Art der Subventionsgewährung), und die Richtlinie ist somit in dieser Hinsicht unzureichend formuliert."

16 Gleichwohl entspricht die Behandlung der Subventionen in der Richtlinie der allgemeinen Regel, daß zwischen der Lieferung und dem Entgelt ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen sollte(6). Sie lässt sich auch mit dem Gedanken rechtfertigen, daß Subventionen, die für bestimmte Lieferungen gewährt werden, sich aller Wahrscheinlichkeit nach direkter auf den Wettbewerb auswirken. Zumindestens auf den ersten Blick lässt sich besser begründen, daß solche Subventionen als Teil des vom (oder für den) Verbraucher gezahlten Preises zu betrachten sind.

17 Letztlich mag die Rechtfertigung für das in der Richtlinie aufgestellte Kriterium dahinstehen; die hier streitige Subvention erfuellt es jedenfalls nicht.

18 Offenkundig steht die Subvention nicht in direktem Zusammenhang mit der Lieferung eines Erzeugnisses an Verbraucher. Sie ist daher nicht Teil des Entgelts für eine Lieferung von Gegenständen im Sinne des Artikels 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie. Ihr Zweck ist im Gegenteil, die Märkte durch eine Beschränkung der Lieferung von Erzeugnissen zu stabilisieren. Sie soll die Stellung der Landwirte dadurch verbessern, daß sie teils eine verlorene Produktion ausgleicht, teils zu einer Erhöhung des Preises des an den Verbraucher verkauften Erzeugnisses beiträgt. Die Subvention lässt sich daher von einer Preisstützungsmaßnahme wie obenstehend beschrieben unterscheiden, die die finanzielle Stellung des Landwirts durch die Subventionierung bestimmter Lieferungen stärken soll.

19 Das beklagte Finanzamt und die deutsche Regierung tragen jedoch vor, auch wenn die fragliche Subvention nicht als Teil des Entgelts für Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a betrachtet werden könne, falle sie doch als Entgelt für eine Dienstleistung unter die Richtlinie. Daß der Landwirt seine Erzeugung beschränke oder von der Vermarktung bestimmter Erzeugnisse Abstand nehme, sei eine selbständige Dienstleistung, die ihr eigenes Entgelt habe und von der Lieferung des Erzeugnisses an den Verbraucher unterschieden sei. Das vom Gerichtshof aufgestellte Erfordernis, daß die öffentliche Hand Dienstleistungen zur eigenen Verwendung empfangen müsse, sei in der Richtlinie nicht enthalten. Die deutsche Regierung untermauert dieses Ergebnis mit dem - recht exotischen - Beispiel eines Bürgers, der eine Südseeinsel kauft; der Verkauf dieser Insel würde eine Lieferung von Gegenständen im Sinne der Richtlinie unabhängig davon darstellen, ob der Bürger die Insel tatsächlich benutzte. Eine Subvention könne ein Entgelt für eine Dienstleistung auch dann darstellen, wenn sie im Allgemeininteresse gezahlt werde.

20 Das Urteil Mohr führe zu einer Wettbewerbsverzerrung. Als Beispiel solle ein Landwirt dienen, der ein bestimmtes Erzeugnis mit Kosten von 100 DM anbaue. Der Markt erlaube aber einen Verkauf nur für 1 DM. Als Ausgleich für seine Verluste erhalte er 99 DM von der Gemeinschaft. Nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a betrüge die Besteuerungsgrundlage 100 DM. Hätte die Gemeinschaft jedoch das Erzeugnis zur Marktstabilisierung für 100 DM angekauft, so wäre diese Subvention - so die deutsche Regierung - aufgrund des Urteils Mohr nicht mehrwertsteuerpflichtig. Der Steuerpflichtige handele auf dieselbe Weise und erhalte dasselbe Einkommen; im einen Fall sei jedoch seine Lieferung mehrwertsteuerpflichtig, im anderen nicht.

21 Das Beispiel der deutschen Regierung ist nicht völlig passend, weil im zweiten Fall, wie ich ausführen werde, eine Lieferung von Gegenständen im Sinne der Richtlinie vorläge. Das Vorbringen der deutschen Regierung enthält jedoch zudem einen grundlegenden Fehler: Es verkennt, daß die Mehrwertsteuer keine Einkommen-, sondern eine Verbrauchsteuer ist. Für Mehrwertsteuerzwecke ist das Einkommen eines Steuerpflichtigen nur von Bedeutung, wenn es das Entgelt für eine Lieferung von Gegenständen oder für eine Dienstleistung an einen Verbraucher ist. Ohne Verbrauch sollte es keine Mehrwertsteuer geben.

22 In diesem Zusammenhang ist zwischen der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen zu unterscheiden. Wie das Südseeinselbeispiel der deutschen Regierung zeigt, hat eine Lieferung von Gegenständen durch einen Steuerpflichtigen unabhängig von dem allfälligen Gebrauch, zu dem die Gegenstände verwendet werden, immer einen Verbrauch zur Folge. Verbrauch im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuer bedeutet nicht die tatsächliche Verwendung, sondern nur den Erwerb des Rechts, über die Gegenstände als Eigentümer zu verfügen. Wenn Waren gehandelt werden, unterliegen sie der Mehrwertsteuer; es wäre undurchführbar, wenn die Steuerbehörden nachfragen müssten, ob die Waren tatsächlich gebraucht werden.

23 So liegt eine Lieferung von Gegenständen vor, wenn die öffentliche Hand Grundstücke zum Bau einer Autobahn kauft, sie aber letztlich liegen lässt. Auch der Umstand, daß der Kauf im allgemeinen Interesse an einer ordentlichen Verkehrspolitik erfolgt, lässt die Mehrwertsteuerpflicht nicht entfallen. Wie bereits erwähnt, liegt bei dem Ankauf von Waren durch die Kommission oder eine Interventionsstelle im Beispiel der deutschen Regierung zweifelsfrei eine Lieferung von Gegenständen vor.

24 Bei Dienstleistungen ist die Rechtslage schwieriger. Als Dienstleistung gilt nach der Richtlinie "jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands" ist. Der Erwerb einer Dienstleistung ist nicht so leicht nachzuweisen wie der Erwerb von Waren. Jede Zahlung (möglicherweise mit Ausnahme von Geschenken) hängt von Bedingungen ab, deren Erfuellung bei kreativem Sprachgebrauch als Dienstleistung angesehen werden kann.

25 Jedoch ist im Lichte der Ziele und Merkmale des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu entscheiden, ob ein Umsatz eine Dienstleistung im Sinne der Richtlinie ist. In Artikel 2 der Ersten Richtlinie heisst es:

"Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht auf dem Grundsatz, daß auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist.

Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzueglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.

..."

26 Der vorliegende Umsatz fällt nicht unter diese Definition. Es gibt keinen Verbrauch. Der Landwirt liefert keine Gegenstände an einen Verbraucher, er erbringt keinem identifizierbaren Verbraucher Dienstleistungen und er verschafft keinen Vorteil, der einen Kostenfaktor in der Tätigkeit eines anderen Beteiligten am Wirtschaftsleben bilden könnte.

27 Das vorlegende Gericht kommt in seinem Vorlagebeschluß, der vor dem Urteil Mohr ergangen ist, nach deutschem Recht zu einem ähnlichen Ergebnis:

"... ist fraglich, wer der Leistungsempfänger der potentiellen Leistung sein soll. § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 UStG (DDR und Bundesrepublik Deutschland) besagt zwar nicht ausdrücklich, daß die Leistung einem konkreten Leistungsempfänger gegenüber erbracht werden muß. Dieses Erfordernis ergibt sich jedoch einerseits schon aus der Natur der Sache und aus dem Charakter der Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer sowie andererseits aus zahlreichen anderen Vorschriften des UStG, die dies als selbstverständlich voraussetzen (z. B. §§ 3 Absatz 1, 6 Absatz 2, 7, 9 Absatz 1, 10 Absatz 2 UStG DDR und Bundesrepublik Deutschland). An einem solchen konkreten Leistungsempfänger fehlt es oft in den Fällen der öffentlichen Zuwendungen. Soweit das begünstigte Verhalten des Steuerpflichtigen im öffentlichen Interesse liegt, könnte man zwar die Öffentlichkeit als Leistungsempfänger ansehen. Die Öffentlichkeit ist nach der Auffassung des Senats aber kein konkreter Leistungsempfänger, wie er für einen umsatzsteuerbaren Vorgang vorliegen muß. Auch die die Zuwendung zahlende Stelle kann nicht als Leistungsempfänger angesehen werden. Ihr gegenüber erbringt der Steuerpflichtige keine konkrete Leistung. Er extensiviert die landwirtschaftliche Produktion nicht für die die Zuwendung gewährende Stelle ..."

28 Dem vorliegenden Sachverhalt lässt sich der Sachverhalt gegenüberstellen, daß der Wettbewerber eines Steuerpflichtigen mit diesem die (möglicherweise wettbewerbsbeschränkende) Vereinbarung trifft, die Erzeugung des Steuerpflichtigen zu begrenzen. Indem er den Steuerpflichtigen dafür bezahlt, hofft der Wettbewerber, die Preise seiner Waren erhöhen zu können. Die vom Steuerpflichtigen erworbene Dienstleistung ist offenkundig ebenso wie Rohstoffe oder Arbeitskosten ein Kostenfaktor beim Absatz des Wettbewerbers. Der Wettbewerber ist ein konkreter Empfänger der Dienstleistung des Steuerpflichtigen, die in der Beschränkung der Erzeugung oder dem Absehen von der Vermarktung besteht.

29 Im vorliegenden Fall würde das beklagte Finanzamt jedoch dadurch, daß es für Zwecke der Mehrwertsteuer eine Dienstleistung annimmt, die Vorschrift umgehen, daß nur unmittelbar mit dem Preis zusammenhängende Subventionen Teil der Besteuerungsgrundlage sind. Zudem könnte das Finanzamt im Fall einer Subvention, wie sie hier vorliegt, nicht nur den erhöhten Preis des Erzeugnisses besteuern, der sich aus der verringerten Nachfrage ergibt (diese Erhöhung kann durchaus grösser sein als die gewährte Subvention), sondern auch die Subvention.

30 Zu erwähnen ist auch, daß Artikel 12 Absatz 3 Buchstabe a der Richtlinie in Verbindung mit Anhang H ermässigte Sätze nur für die Lieferung von Nahrungs- und Futtermitteln vorsieht, nicht aber für Dienstleistungen, die in der Beschränkung der Erzeugung oder der Nichtvermarktung von Nahrungs- und Futtermitteln bestehen. In ihrer Beantwortung von Frage c) führt die deutsche Regierung meines Erachtens zu Recht aus, daß eine solche Dienstleistung nicht unter den ermässigten Satz fällt. Die Ansicht der deutschen Regierung führt damit zu dem sinnwidrigen Ergebnis, daß das Entgelt für die unterlassene Lieferung von Nahrungs- und Futtermitteln an Verbraucher zum Normalsatz besteuert würde, während die Nahrungs- und Futtermittel selbst, wären sie verkauft worden, zu dem ermässigten Satz besteuert werden könnten, für den sich die Mitgliedstaaten nach den genannten Bestimmungen entscheiden können.

31 Im Gegensatz zur deutschen Regierung sehe ich andererseits keine Anomalie darin, daß ein Landwirt, der die Subvention akzeptiert, dafür keine Mehrwertsteuer zahlt. Die Mehrwertsteuer ist eben, wie gesagt, keine Einkommen-, sondern eine Verbrauchsteuer.

Antrag

32 Daher beantrage ich, die vom Finanzgericht des Landes Brandenburg vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Eine nationale Subvention, die einem Landwirt für die Extensivierung der Kartoffelproduktion gezahlt wird, stellt kein Entgelt für eine Lieferung von Gegenständen oder für eine Dienstleistung im Sinne des Artikels 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates dar.

(1) - Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, ABl. 1977, L 145, S. 1.

(2) - Richtlinie vom 19. Oktober 1992 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG (Annäherung der MWSt.-Sätze), ABl. 1992, L 316, S. 1.

(3) - Der Ausdruck Extensivierung findet sich etwa in den Verordnungen (EWG) Nrn. 797/85, ABl. 1985, L 93, S. 1, und 1760/87, ABl. 1987, L 167, S. 1. Er bedeutet eine weniger intensive Landwirtschaft, bei der der geringere Ertrag durch Einsparungen bei den Ausgaben für Futter, Dünger und Pestizide ausgeglichen wird.

(4) - Rechtssache C-215/94 (Mohr, Slg. 1996, I-959).

(5) - Erster Bericht der Kommission an den Rat über das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems - vorgelegt gemäß Artikel 3 der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) vom 17. Mai 1977, KOM(83) 426 endg., 14. September 1983, S. 37.

(6) - Vgl. jüngst die Urteile in den Rechtssachen C-288/94 (Argos Distributors, Slg. 1996, I-5311) und C-317/94 (Gibbs, Slg. 1996, I-5339).