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Wichtiger rechtlicher Hinweis

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61996C0130

Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 13. März 1997. - Fazenda Pública gegen Solisnor-Estaleiros Navais SA, Beteiligter: Ministério Pùblico. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Supremo Tribunal Administrativo - Portugal. - Mehrwertsteuer - Artikel 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie - Beibehaltung von Eintragungsgebühren - Stempelsteuern auf den Wert von Verträgen über den Bau eines Tankschiffs. - Rechtssache C-130/96.

Sammlung der Rechtsprechung 1997 Seite I-05053


Schlußanträge des Generalanwalts


1 Mit der Frage, die Ihnen vom Supremo Tribunal Administrativo vorgelegt wird, werden Sie erneut zur Auslegung des Artikels 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie(1) (im folgenden: Sechste Richtlinie), der der Beibehaltung oder der Einführung von Steuern durch einen Mitgliedstaat entgegensteht, die den Charakter von Umsatzsteuern haben, aufgefordert. Das portugisische Gericht möchte über Anhaltspunkte verfügen, die es ihm ermöglichen, die Merkmale einer nationalen Steuer zu untersuchen, um deren Rechtmässigkeit zu prüfen.

I - Der Sachverhalt und das nationale Verfahren

2 Der Rechtsstreit, mit dem das vorlegende Gericht befasst ist, hat seinen Ursprung in der Erhebung einer in Artikel 91 der Tabela Geral do Imposto do Selo (Allgemeine Tabelle der Stempelsteuer; im folgenden: TGIS) in Form einer Stempelsteuer vorgesehenen Abgabe.

3 Am 4. Juni 1992 zahlte die Solisnor-Estaleiros Navais SA (im folgenden: Solisnor) diese Steuer in Höhe von 43 586 400 ESC für einen am 28. Dezember 1989 mit der Sociedade Portugüsa de Navios et Tanques SA (im folgenden: Soponata) geschlossenen Werkvertrag über den Bau eines Tankschiffs zur Beförderung von Rohöl.

4 Sie erhob sodann Klage auf Aufhebung der Steuerfestsetzung, der mit Urteil des Tribunal Tributário de Primeira Instância Setúbal vom 21. März 1994 stattgegeben wurde. Die Fazenda Pública (Finanzverwaltung) hat gegen dieses Urteil Berufung beim Supremo Tribunal Administrativo eingelegt.

5 Vor dem vorlegenden Gericht macht die Fazenda Pública geltend, daß die Stempelsteuer keine Umsatzsteuer sei, so daß sie nicht gegen Artikel 33 der Sechsten Richtlinie verstosse(2).

6 Solisnor ihrerseits macht geltend, die Stempelsteuer sei angesichts ihrer Merkmale - allgemeine Steuer, Verbrauchsteuer und im Verhältnis zum Preis der Leistungen stehend - eine Umsatzsteuer im Sinne des Artikels 33 der Sechsten Richtlinie, so daß sie mit dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem unvereinbar sei(3).

II - Die Stempelsteuer des Artikels 91 TGIS

7 Nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts wird diese Steuer allgemein "auf alle in der TGIS genannten Dokumente, Bücher, Papiere, Akten und Erzeugnisse"(4) und insbesondere auf "Werkverträge und Lieferungen von Material oder Verbrauchsartikeln"(5) erhoben. Die Höhe der Stempelsteuer errechnet sich nach Maßgabe eines je nach Vertragsgegenstand unterschiedlichen Satzes, der auf den Gegenstandswert angewandt wird.

8 Artikel 91 TGIS wurde durch Artikel 3 der Verordnung Nr. 223/91 vom 18. Juni 1991 aufgehoben, in deren Begründungserwägungen die Aufhebung der Artikel über Werkverträge, zu denen Artikel 91 gehört, mit deren "Unvereinbarkeit mit der auf die Mehrwertsteuer übergegangenen allgemeinen Besteuerung des Verbrauchs"(6) begründet wurde.

9 Das Supremo Tribunal Administrativo weist darauf hin, daß am 28. Dezember 1989, dem Zeitpunkt des steuerbaren Vorgangs, Artikel 91 TGIS noch anwendbar gewesen sei, obwohl der portugiesische Staat seit dem 1. Januar 1989 die erforderlichen Maßnahmen hätte in Kraft setzen müssen, um der Sechsten Richtlinie nachzukommen(7).

10 Das Gericht hält es daher für angebracht, folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist eine Stempelsteuer mit den dargelegten Merkmalen als Umsatzsteuer im Sinne des Artikels 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie anzusehen, möglicherweise unter Vorbehalt des Artikels 378 der Beitrittsakte oder einer anderen Bestimmung des Gemeinschaftsrechts?$

11 Artikel 378 der Akte über den Beitritt der Portugiesischen Republik nimmt Bezug auf Anhang XXXII, in dem zur Festlegung der Anwendungsvoraussetzungen eine Liste der für die Portugiesische Republik geltenden Rechtsakte, zu denen die Sechste Richtlinie gehört, aufgestellt wird. Hinsichtlich dieser Richtlinie nennt der Anhang XXXII die der Portugiesischen Republik zugebilligte Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen Abgabenfreiheit zu gewähren und verschiedene Befreiungen vorzunehmen. Diese beiden Texte sind angesichts ihres Gegenstands folglich nicht geeignet, zur rechtlichen Einordnung der portugiesischen Stempelsteuer beizutragen.$

12 Ihre Rechtsprechung hat den Anwendungsbereich des Artikels 33 der Sechsten Richtlinie eingegrenzt, indem sie Kriterien herausgearbeitet hat, die eine Definition des Begriffes der Umsatzsteuer ermöglichen. An diese Kriterien ist zu erinnern, um das Wesen der Stempelsteuer genau zu bestimmen.$

III - Der Begriff der Umsatzsteuer im Sinne des Artikels 33 der Sechsten Richtlinie

13 Artikel 33 der Sechsten Richtlinie lautet wie folgt:

"Unbeschadet anderer Gemeinschaftsbestimmungen hindern die Bestimmungen dieser Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern, sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen."

14 Nach ständiger Rechtsprechung steht diese Vorschrift "der Beibehaltung oder Einführung von Eintragungsgebühren oder von Steuern, Abgaben und Gebühren anderer Art nicht entgegen[], sofern diese nicht die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweisen"(8). Es ist den Mitgliedstaaten sogar gestattet, die Mehrwertsteuer mit Steuern, Abgaben und Gebühren, die keine Umsatzsteuern sind, zu kumulieren(9).

15 Das Verbot der Kumulierung der Mehrwertsteuer mit Abgaben, die den Charakter von Umsatzsteuern haben, hat seinen Grund darin, daß es ein harmonisiertes System gibt, das in der Form des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems geschaffen wurde.

16 Die erste Mehrwertsteuerrichtlinie(10) (im folgenden: Erste Richtlinie) legt die grundlegenden Prinzipien dieses Systems fest. Sie bestimmt, daß das von ihr verfolgte Ziel darin besteht, "eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern vorzunehmen, um soweit als möglich die Faktoren auszuschalten, die geeignet sind, die Wettbewerbsbedingungen ... zu verfälschen"(11). In der Logik dieses Textes setzt die Harmonisierung "die Beseitigung der kumulativen Mehrphasensteuersysteme"(12) voraus, die in bestimmten Staaten der Gemeinschaft in Kraft sind und deren grundlegendes Merkmal die Besteuerung des Gesamtpreises bei jedem Umsatz ohne Abzug der auf der vorangegangenen Stufe gezahlten Steuer ist. Dieser Art von Besteuerung fehlt es an jeder Neutralität gegenüber dem Herstellungs- und Vertriebsablauf, da sie die integrierten Wirtschaftskreisläufe mechanisch begünstigt und den Preis der Gegenstände und Dienstleistungen um so mehr erhöht, je höher der in den ersten Produktionsstufen geschaffene Mehrwert ist.

17 Die zweite Mehrwertsteuerrichtlinie(13) (im folgenden: Zweite Richtlinie) führte dieses System, das auf einer gemeinschaftlichen Begriffsbestimmung der Mehrwertsteuer beruht, anstelle der einzelstaatlichen Systeme ein. Abgesehen vom besonderen Bereich der Mehrwertsteuer blieb die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten erhalten.

18 Artikel 33 der Sechsten Richtlinie gewährleistet die Einheitlichkeit und den Fortbestand des gemeinsamen Systems dadurch, daß er nur solche Abgaben zulässt, die nicht die Merkmale der Umsatzsteuer erfuellen. Die Bestimmung bringt jedoch nicht zum Ausdruck, was unter Steuern zu verstehen ist, die den "Charakter von Umsatzsteuern haben".

19 Der Gerichtshof hat den Begriff im Urteil Rousseau Wilmot wie folgt ausgelegt:

"Artikel 33 der Sechsten Richtlinie belässt den Mitgliedstaaten die Befugnis zur Beibehaltung oder Einführung bestimmter indirekter Abgaben, wie z. B. von Verbrauchsteuern, sofern es sich dabei nicht um Abgaben handelt, $die ... den Charakter von Umsatzsteuern haben`. Er soll verhindern, daß das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch steuerliche Maßnahmen eines Mitgliedstaats beeinträchtigt wird, die den Waren- und Dienstleistungsverkehr belasten und kommerzielle Umsätze in der die Mehrwertsteuer kennzeichnenden Art und Weise erfassen."(14)

20 Es wurde hinzugefügt, daß "Steuern, Abgaben und Gebühren, die die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweisen, ... als den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer der Mehrwertsteuer vergleichbaren Art und Weise belastend anzusehen" sind(15).

21 Die Definition der Mehrwertsteuer ist in Artikel 2 Abätze 1 bis 3 der Ersten Richtlinie enthalten, der wie folgt lautet:

"Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht auf dem Grundsatz, daß auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist.

Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzueglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.

Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem wird bis auf die Einzelhandelsstufe einschließlich angewandt."

22 Ihre Rechtsprechung hat aus dieser Definition die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer entwickelt. In dieser Rechtsprechung wird ausgeführt: "Die Mehrwertsteuer wird allgemein auf Umsätze angewandt, bei denen es um Gegenstände und Dienstleistungen geht; sie ist dem Preis dieser Gegenstände und Leistungen proportional; sie wird auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe erhoben, und sie erfasst den Mehrwert der Gegenstände und Dienstleistungen, da die für einen Umsatz geschuldete Mehrwertsteuer unter Abzug der auf den vorangegangenen Umsatz gezahlten Mehrwertsteuer berechnet wird."(16)

23 Es ist daher zu prüfen, ob alle diese Merkmale bei einer Steuer "mit den ... in Artikel 91 TGIS niedergelegten Merkmalen"(17) anzutreffen sind, die, wenn dies der Fall sein sollte, unter das Verbot des Artikels 33 fallen würde.

IV - Die Rechtsnatur der Stempelsteuer des Artikels 91 TGIS

24 Die portugiesische Regierung und die Fazenda Pública, die sich die schriftlichen Erklärungen der Regierung vollständig zu eigen macht(18), führt aus, daß mit der Stempelsteuer "das Rechtsgeschäft oder der Vertrag und nicht deren Gegenstand" besteuert werde und daß, "selbst wenn der Vertrag nicht wirksam wird, nichtig ist oder nicht durchgeführt wird, ... die Stempelsteuer als Schuld bestehen" bleibe. Sie leiten hieraus ab, daß "nicht der Umsatz ... besteuert [wird], so daß logischerweise nicht die Auffassung vertreten werden kann, daß die fragliche Steuer eine Umsatzsteuer ist"(19).

25 Die Tatsache, daß die Stempelsteuer nur auf den Vertrag und nicht auf den Umsatz erhoben wird, genügt meiner Ansicht nach nicht, um die Qualifizierung als Umsatzsteuer ausschließen zu können. Die schriftlichen Vertragsbestimmungen sind Regelungen, die von den Vertragspartnern in der Absicht aufgestellt werden, sich ihnen zu unterwerfen. Dadurch, daß das nationale Gesetz den vertraglich vereinbarten Wert zur Besteuerungsgrundlage macht, bezieht es sich daher auf den Preis, der in den meisten Fällen der tatsächlich gezahlte Preis für den der Besteuerung zugrunde liegenden Vorgang ist.

26 Es erscheint mir somit übertrieben, sich auf die im Vergleich zu der Zahl der wirksamen und ordnungsgemäß durchgeführten Verträge verhältnismässig geringe Gefahr der Nichtigkeit oder der fehlenden Vertragsdurchführung zu berufen, um geltend zu machen, daß zwischen dem Rechtsgeschäft und dem ihm folgenden Umsatz ein Unterschied bestehe. Ich bin daher der Auffassung, daß die Stempelsteuer dadurch, daß der Vertrag besteuert wird, in einer Weise auf ein Geschäft erhoben wird, die mit einer unmittelbar auf den Umsatz bezogenen Steuer vergleichbar ist.

27 Eine Steuer wie die Stempelsteuer des Artikels 91 könnte als Umsatzsteuer im weitesten Sinne bezeichnet werden, da ihre Besteuerungsgrundlage von dem Wert des Vertrages gebildet wird, der grundätzlich den Umsatz des Unternehmers darstellt. Dies gilt um so mehr, als das Merkmal der Proportionalität nicht in Frage gestellt werden kann, da die Höhe der Stempelsteuer unter Anwendung eines Hundertsatzes auf eine Steuerbemessungsgrundlage errechnet wird(20). Um auf die Ausführungen unter der vorstehenden Nummer zurückzukommen: Die Proportionalität der Steuersätze zu den Preisen der Gegenstände und Dienstleistungen wäre nur dann gestört, wenn häufige und ungleiche Wertunterschiede im Vergleich zum vertraglich vereinbarten Preis diesen ausser Beziehung zur Wirklichkeit des schließlich durchgeführten Vertrages setzen würden.

28 Diese Anhaltspunkte sind jedoch nicht ausreichend. Die Ihrer Rechtsprechung entnommenen Merkmale verleihen dem Begriff der Umsatzsteuer eine engere Bedeutung.

29 Die portugiesische Regierung und die Fazenda Pública tragen vor, daß die Voraussetzung der Allgemeinheit nicht erfuellt sei. Nach ihrer Ansicht wird die Besteuerungsgrundlage der Stempelsteuer nicht von der Gesamtheit der wirtschaftlichen Tätigkeit, sondern allein von einer bestimmten und besonderen Dienstleistung gebildet(21). Die Kommission ist derselben Ansicht. Die streitige Steuer werde auf die Vornahme bestimmter Rechtsgeschäfte erhoben. Selbst wenn sie darüber hinaus Gegenstände und Dienstleistungen erfasse, werde sie nicht der Gesamtheit, sondern nur genau bestimmten Kategorien auferlegt, wie z. B. dem Werkvertrag(22).

30 Solisnor macht demgegenüber geltend, daß die Stempelsteuer nicht eine Sondersteuer sei, die nur eine Gruppe von Personen erfasse, sondern eine allgemeine Steuer(23), da sie sich auf alle juristische Personen beziehe, die Werkverträge schließen.

31 Nach Ihrer Rechtsprechung stellen "Gebühren [, die nicht] darauf ab[zielen], die Gesamtheit der wirtschaftlichen Vorgänge in dem beteiligten Mitgliedstaat zu erfassen"(24), keine allgemeine Steuer dar.

32 Im vorliegenden Fall bestehen keine Zweifel daran, daß die vom vorlegenden Gericht beschriebene Steuer keine allgemeine Steuer ist. Auch wenn sich die Stempelsteuer auf eine grosse Zahl von Vorgängen bezieht - die richtiger als "Träger" bezeichnet werden, deren Aufzählung im Gesetz derartig umfassend ist -, betrifft sie doch nicht die Gesamtheit der Umsätze in dem betreffenden Mitgliedstaat. Die Bestimmung des Artikels 1 der Verordnung über die Stempelsteuer(25) führt nämlich die "in der TGIS genannten(26) Dokumente, Bücher, Papiere, Akten und Erzeugnisse" an, woraus sich die Beschränkung der Steuer in ihrer weitesten Auslegung ergibt. Mit um so grösserem Recht kann die Stempelsteuer des Artikels 91, die für "Werkverträge und Lieferungen von Material oder Verbrauchsartikeln" gilt, angesichts der genauen Beschränkung des Gegenstands der besteuerten Rechtsgeschäfte nicht als eine allgemein geltende Steuer angesehen werden.

33 Das Merkmal der Allgemeinheit, das in Ihrer Rechtsprechung verlangt wird, ist demnach vorliegend nicht gegeben. Es ist sodann zu prüfen, ob die Stempelsteuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe erhoben wird.

34 Der streitige Vertrag betrifft den Bau eines von Sponata in Auftrag gegebenen Tankschiffs durch Solisnor. Um die erwähnte Voraussetzung zu erfuellen, müsste jede Phase des Tankschiffbaus, vom Ankauf der Rohstoffe bis zur Ablieferung des Schiffes, die Zahlung der Steuer nach sich ziehen.

35 Wie dem Text zu entnehmen ist und wie die Kommission dargelegt hat, scheint die Stempelsteuer sich nur auf einen Teil der Herstellung zu beziehen(27). Bei der Prüfung der Rechtmässigkeit des Artikels 91 wird das nationale Gericht meiner Ansicht nach untersuchen müssen, ob jede einzelne Phase, die zur Herstellung des Schiffes beigetragen hat, unter die Kategorie der "Werkverträge oder der Verträge über die Lieferung von Material oder Verbrauchsartikeln" fallen kann, um die Begriffe dieses Textes aufzugreifen. Inbesondere ist zu prüfen, ob die Stempelsteuer auf die im Rahmen der Vertragsbeziehungen zwischen dem Unternehmer und den anderen Handwerkern erbrachten Dienstleistungen erhoben wurde.$

36 Für die Einordnung als Umsatzsteuer müsste darüber hinaus nach Ihrer Rechtsprechung belegt werden, daß die auf die vorhergehenden Geschäfte bezogene Steuer von der letztlich bezahlten Steuer abgezogen werden kann.

37 Ich bin jedoch nicht der Auffassung, daß die Abzugsfähigkeit der Vorsteuer eine unerläßliche Voraussetzung für die Einordnung als Umsatzsteuer darstellen muß.

38 Es ist darauf hinzuweisen, daß die bereits geprüften Merkmale vorliegend auf jeden Fall ausreichen, um eine solche Einordnung der Stempelsteuer auszuschließen.

39 Allgemeiner gesagt scheint mir, daß die vom gemeinsamen Mehrwertsteuersystem verfolgten Ziele oder zumindest einige von ihnen verkannt werden könnten, wenn die Einordnung als Umsatzsteuer von dem Erfordernis eines Steuerabzugssystems abhängig gemacht wird.

40 Nach der Ersten Richtlinie muß die Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuer "zur Beseitigung der kumulativen Mehrphasensteuersysteme und zur Annahme eines gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch alle Mitgliedstaaten führen"(28). Zu diesem Zweck bestimmt Artikel 1, daß "die Mitgliedstaaten ... ihr derzeitiges Umsatzsteuersystem durch das ... gemeinsame Mehrwertsteuersystem" ersetzen.

41 Wie ich dargelegt habe(29), soll Artikel 33 die Integrität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems erhalten. Seine grundlegende Aufgabe ist es, die Bestimmungen der Gemeinschaft gegen die Einführung oder die Aufrechterhaltung einer Umsatzbesteuerung zu sichern, die, wie die kumulativen Mehrphasensteuern, geeignet sind, die Wettbewerbsbedingungen zu verfälschen.

42 Die fehlende Vorsteuerabzugsfähigkeit hat eine kumulative Besteuerung zur Folge(30), so daß eine Auslegung, nach der Artikel 33 nur den abzugsfähigen Steuern entgegensteht, letztlich zu einer Wiedereinführung der Besteuerung führen würde, deren Abschaffung sich die erwähnten Richtlinien gerade zur Aufgabe gemacht haben(31).

43 Aus diesem Grund schlage ich dem Gerichtshof vor, seine Entscheidung nicht von dem Vorliegen dieses Merkmals im portugiesischen Steuerrecht abhängig zu machen und folglich zu entscheiden, daß die Abzugsfähigkeit einer Steuer nicht Voraussetzung für die Umsatzsteuer im Sinne des Artikels 33 ist.

44 Die Umsatzsteuer würde weiterhin durch ihre Allgemeinheit, ihre Proportionalität und - als Voraussetzung, die aufgrund der Stellung, die sie in der Definition der kumulativen Mehrphasensteuern einnimmt, wesentlich ist(32) - durch ihre Erhebung auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe gekennzeichnet sein.

45 Die Umsatzsteuern, die nur diese Merkmale aufweisen, gehören meiner Ansicht nach zu denen, die am ehesten geeignet sind, das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems in Frage zu stellen, da sie, abzugsfähig oder nicht, die Wettbewerbsbedingungen verfälschen und die Harmonisierung beeinträchtigen(33).

46 Bei einer möglichen Abzugsfähigkeit würde nämlich "die Beibehaltung nationaler Steuern, die der Mehrwertsteuer im wesentlichen gleichen, zur Anwendung eines anderen Steuersatzes führen, der zu den gemeinsamen Steuersätzen hinzukäme, und auf diese Weise eine Umgehung des harmonisierten Systems ermöglichte"(34). Auch zeigen die "möglichen Regelungsunterschiede zwischen zwei Steuern, ... die jedoch beide von gleicher Art sind ..., daß die Überlagerung von Mehrwertsteuer und vergleichbaren nationalen Steuern die Einheitlichkeit des Funktionierens des gemeinsamen Systems sehr wohl beeinflusst"(35).

47 Die Steuern, die über die erwähnten Merkmale(36) hinaus nicht die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs geben, erschüttern in derselben Weise die seit der Ersten Richtlinie beabsichtigte Steuerharmonisierung. Sie beeinträchtigen den Grundsatz der Neutralität, der vom gemeinsamen System aufgestellt und durch die Abschaffung der nationalen Mehrphasensteuern eingeführt worden ist(37).

48 Falls Sie jedoch der Meinung sein sollten, daß die Abzugsfähigkeit einer Steuer bei der Beurteilung ihrer rechtlichen Bedeutung entscheidend bleiben muß, ist festzustellen, daß die portugiesische Steuer dieses Merkmal nicht aufweist. Artikel 91 TGIS nimmt hierauf keinerlei Bezug. Wie die Kommission dargelegt hat, wird die Stempelsteuer auf den Bruttobetrag des Vertragspreises und nicht auf den Teil des Preises erhoben, der dem Mehrwert in bezug auf die Ausgaben entspricht, mit denen der Unternehmer zuvor belastet worden ist(38). Keiner der Verfahrensbeteiligten trägt im übrigen vor, daß die Stempelsteuer des Artikels 91 abzugsfähig ist.

49 Aus dem Vorangegangenen ergibt sich, daß die Stempelsteuer des Artikels 91 nicht die Voraussetzungen erfuellt, die sie zu einer Umsatzsteuer machen würden und zur Unvereinbarkeit mit dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem führen würden, so daß meiner Ansicht nach Artikel 33 der Sechsten Richtlinie einer derartigen Steuer nicht entgegensteht.

Ergebnis

Angesichts dieser Erwägungen schlage ich Ihnen vor, die Frage wie folgt zu beantworten:

Artikel 33 der Sechsen Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, daß er der Einführung oder der Beibehaltung einer nationalen Steuer nicht entgegensteht, die die Merkmale der durch Artikel 91 der Tabela Geral do Imposto do Selo eingeführten Stempelsteuer aufweist.

(1) - Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1).

(2) - Seite 1 der deutschen Übersetzung der Vorlageentscheidung.

(3) - Seite 2 der deutschen Übersetzung der Vorlageentscheidung.

(4) - Artikel 1 der Regelung über die Stempelsteuer, enthalten in der Verordnung Nr. 12700 vom 20. November 1926.

(5) - Artikel 91 TGIS.

(6) - Zitiert vom nationalen Gericht, Seite 4 der deutschen Übersetzung der Vorlageentscheidung.

(7) - Ebenda. Der 1. Januar 1989 ist in Anhang XXXVI festgelegt, in dem die in Artikel 395 der Akte über den Beitritt der Portugiesischen Republik zur Europäischen Gemeinschaft vorgesehene Liste aufgestellt wird (Dokumente betreffend den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik zu den Europäischen Gemeinschaften [ABl. 1985, L 302, S. 397]).

(8) - Vgl. aus jüngerer Zeit Urteil vom 16. Dezember 1992 in der Rechtssache C-208/91 (Beaulande, Slg. 1992, I-6709, Randnr. 13).

(9) - Urteile vom 8. Juli 1986 in der Rechtssache 73/85 (Kerrutt, Slg. 1986, 2219, Randnr. 22) und vom 13. Juli 1989 in den Rechtssachen 93/88 und 94/88 (Wisselink u. a., Slg. 1989, 2671, Randnr. 14).

(10) - Erste Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (ABl. 1967, 71, S. 1301).

(11) - Dritte Begründungserwägung.

(12) - Vierte Begründungserwägung.

(13) - Zweite Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems (ABl. 1967, 71, S. 1303).

(14) - Urteil vom 27. November 1985 in der Rechtssache 295/84 (Slg. 1985, 3759, Randnr. 16) und in jüngerer Zeit Urteil vom 7. Mai 1992 in der Rechtssache C-347/90 (Bozzi, Slg. 1992, I-2947, Randnr. 9; Hervorhebungen von mir).

(15) - Urteil vom 31. März 1992 in der Rechtssache C-200/90 (Dansk Denkavit und Poulsen Trading, Slg. 1992, I-2217, Randnr. 11; Hervorhebung von mir).

(16) - Urteil Dansk Denkavit und Pouslen Trading (a. a. O., Randnr. 11). Vgl. auch Urteile vom 3. März 1988 in der Rechtssache 252/86 (Bergandi, Slg. 1988, 1343, Randnr. 15), Wisselink u. a. (a. a. O., Randnr. 18), vom 19. März 1991 in der Rechtssache C-109/90 (Giant, Slg. 1991, I-1385, Randnrn. 11 und 12), Bozzi (a. a. O., Randnr. 12) und Beaulande (a. a. O., Randnr. 14).

(17) - Seite 4 der deutschen Übersetzung der Vorlageentscheidung.

(18) - Nr. 1 der schriftlichen Erklärungen.

(19) - Seite 10 der französischen Übersetzung der schriftlichen Erklärungen der portugiesischen Regierung. Vgl. auch Nrn. 2.1 bis 2.5 der schriftlichen Erklärungen der Fazenda Pública.

(20) - Vorliegend beträgt der Satz 6/1 000.

(21) - Nr. 18 der schriftlichen Erklärungen der portugiesischen Regierung.

(22) - Seite 12 der schriftlichen Erklärungen.

(23) - Seite 14 der französischen Übersetzung der schriftlichen Erklärungen.

(24) - Urteil Beaulande (a. a. O., Randnr. 16).

(25) - Nr. 7 der vorliegenden Schlussanträge.

(26) - Hervorhebung von mir.

(27) - Nr. 12 der schriftlichen Erklärungen.

(28) - Vierte Begründungserwägung. Nr. 16 der vorliegenden Schlussanträge. Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Mischo in der Rechtssache Wisselink u. a. (a. a. O., Nrn. 19 bis 21).

(29) - Nr. 18 der vorliegenden Schlussanträge.

(30) - Nr. 16 der vorliegenden Schlussanträge.

(31) - Vgl. inbesondere D. Berlin, "Droit communautaire et fiscalité. Harmonisation des fiscalités", Traité de droit européen, in: Juris-classeur "Europe", 1996, Band 4, Heft 1630, Nrn. 10 ff.; P. Farmer und R. Lyal; EC Tax Law, 1994, S. 132 ff.

(32) - Nr. 16 der vorliegenden Schlussanträge.

(33) - Ich möchte klarstellen, daß die Bedeutung der zur Auslegung des Artikels 33 ergangenen Urteile des Gerichtshofes ohne das Merkmal, das die Abzugsfähigkeit betrifft, nicht anders wäre. So hätte dies die Einordnung einer Steuer wie etwa der Abgabe, die in der Rechtssache Dansk Denkavit und Poulsen Trading, a. a. O., beschrieben wurde, nicht geändert, da die anderen Voraussetzungen, aufgrund deren sie als Umsatzsteuer charakterisiert werden konnte, vorlagen. Auch hätte der Verzicht auf dieses Merkmal nicht den Inhalt der Urteile geändert, da alle diese Entscheidungen nach meiner Kenntnis auf der Feststellung beruhen, daß zumindest eine Voraussetzung fehlte, die nicht im Zusammenhang mit der Abzugsfähigkeit stand.

(34) - Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro in der Rechtssache Dansk Denkavit und Poulsen Trading (a. a. O., Nr. 8).

(35) - Ebenda.

(36) - Nr. 44 der vorliegenden Schlussanträge.

(37) - Nr. 16 der vorliegenden Schlussanträge.

(38) - Nr. 12 der schriftlichen Erklärungen.