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Wichtiger rechtlicher Hinweis

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61997C0307

Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 2. März 1999. - Compagnie de Saint-Gobain, Zweigniederlassung Deutschland gegen Finanzamt Aachen-Innenstadt. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Finanzgericht Köln - Deutschland. - Niederlassungsfreiheit - Besteuerung der Einkünfte einer Gesellschaft - Steuervergünstigungen. - Rechtssache C-307/97.

Sammlung der Rechtsprechung 1999 Seite I-06161


Schlußanträge des Generalanwalts


1 Im Ausgangsverfahren stehen sich die Compagnie de Saint-Gobain, Zweigniederlassung Deutschland (im folgenden: Klägerin), die deutsche Zweigniederlassung der Kapitalgesellschaft Compagnie de Saint-Gobain SA mit Sitz in Frankreich, und die deutschen Steuerbehörden, hier: das Finanzamt Aachen-Innenstadt, gegenüber.

2 Die Klägerin wird steuerrechtlich als Betriebsstätte der französischen Gesellschaft behandelt, die nach deutschem Recht in Deutschland beschränkt steuerpflichtig ist, da sich weder ihr Sitz noch ihre Geschäftsleitung in Deutschland befinden. Diese Steuerpflicht bezieht sich sowohl auf die durch ihre Betriebsstätte in Deutschland erzielten Einkünfte als auf auch deren Vermögen.

3 1988 hielt die Saint-Gobain SA im Betriebsvermögen der Klägerin folgende Beteiligungen:

- 10,2 % der Aktien der in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässigen Certain Teed Corporation (CTC);

- 98,63 % des Kapitals der in Deutschland ansässigen Grünzweig & Hartmann AG, in deren Gewinnen, die aufgrund eines mit der Klägerin geschlossenen, einen Gewinnabführungsvertrag umfassenden Organvertrags an diese abgeführt wurden, Schachteldividenden zweier Tochtergesellschaften, der Isover SA mit Sitz in der Schweiz und der Linzer Glasspinnerei Franz Haider AG mit Sitz in Österreich, enthalten waren;

- 99 % des Kapitals der in Deutschland ansässigen Gevetex Textilglas GmbH, deren Gewinne, die Dividenden einer italienischen Tochtergesellschaft, der Vitrofil SpA, umfassten, 1988 aufgrund eines gleichartigen Vertrages ebenfalls an die Klägerin abgeführt wurden.

4 Da diese beiden in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaften jeweils einen Organvertrag mit der Klägerin geschlossen haben, werden die Beteiligungserträge steuerrechtlich unmittelbar der Klägerin und damit der Saint-Gobain SA zugerechnet, die beschränkt steuerpflichtig ist. Diese Tochtergesellschaften werden somit nicht als inländische Kapitalgesellschaften behandelt, was nicht der Fall wäre, wenn keine Organverträge vorlägen.

5 Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage im Ausgangsverfahren gegen verschiedene Maßnahmen, die das Finanzamt im Rahmen der Körperschaftsteuerveranlagung 1988 und der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1989 getroffen hat.

6 Zunächst habe das Finanzamt ihr keine Steuerbefreiung für die Dividenden aus den Vereinigten Staaten und der Schweiz gewährt, die nach den von der Bundesrepublik Deutschland mit diesen Ländern geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehen sei (internationales Schachtelprivileg).

7 Dies folge insbesondere aus Artikel XV des deutsch-amerikanischen Steuerabkommens 1954/65(1) und Artikel 24 des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens von 1971 in der 1988 geltenden Fassung(2).

8 Das erstgenannte Abkommen sieht vor, daß bei einer deutschen Kapitalgesellschaft die Einkünfte aus Quellen innerhalb der Vereinigten Staaten, die dort steuerpflichtig sind, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen werden. Dies gilt auch für Einkünfte aus Dividenden, wenn diese einer deutschen Kapitalgesellschaft von einer amerikanischen Körperschaft gezahlt werden, deren stimmberechtigte Anteile zu mindestens 25 % der deutschen Gesellschaft unmittelbar gehören (dieser Satz reduziert sich nach § 26 Absatz 7 des Körperschaftsteuergesetzes [KStG] auf 10 %).

9 Nach dem zweitgenannten Steuerabkommen werden von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die Dividenden ausgenommen, die eine in der Schweiz ansässige Kapitalgesellschaft an eine in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft ausschüttet, wenn nach deutschem Steuerrecht auf die deutsche Körperschaftsteuer auch eine vom Gewinn der ausschüttenden Gesellschaft erhobene schweizerische Steuer angerechnet werden könnte.

10 Zweitens habe das Finanzamt zwar die im jeweiligen Ansässigkeitsstaat der ausschüttenden Gesellschaft einbehaltene Quellensteuer auf die Körperschaftsteuer angerechnet (direkte Anrechnung nach § 26 Absatz 1 KStG), die Anrechnung der von den ausländischen Tochter- bzw. Enkelgesellschaften in deren Ansässigkeitsstaat auf die ausgeschütteten Gewinne entrichteten Steuer jedoch abgelehnt. Hierbei handele es sich um die indirekte Anrechnung nach § 26 Absatz 2 KStG. Aus dieser Bestimmung folgt, daß eine unbeschränkt steuerpflichtige Muttergesellschaft, die am Kapital einer ausländischen Tochter beteiligt ist, unter bestimmten Voraussetzungen beantragen kann, auf die von ihr geschuldete Körperschaftsteuer, die auf Gewinnanteile entfällt, die von der Tochtergesellschaft an sie ausgeschüttet worden sind, eine vom Gewinn erhobene Steuer der Tochtergesellschaft anzurechnen.

11 Schließlich habe das Finanzamt die Beteiligung am Kapital der amerikanischen Tochtergesellschaft nicht vom vermögensteuerpflichtigen Inlandsvermögen der Betriebsstätte ausgenommen und somit der Klägerin nicht das vermögensteuerrechtliche internationale Schachtelprivileg nach § 102 Absatz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) gewährt.

12 Diese Vorschrift bestimmt, daß, wenn eine deutsche Kapitalgesellschaft am Kapital einer ausländischen Tochtergesellschaft unmittelbar beteiligt ist, die Beteiligung auf Antrag nicht zum Betriebsvermögen der deutschen Gesellschaft gehört.

13 Die Klägerin machte zur Begründung ihrer Klage vor dem Finanzgericht Köln geltend, die Weigerung, der deutschen Betriebsstätte einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Kapitalgesellschaft die Vergünstigung der indirekten Anrechnung und der vermögensteuerrechtlichen Schachtelprivilegien zu gewähren, verstosse gegen die Artikel 52 und 58 EG-Vertrag.

14 Das Finanzgericht Köln hat festgestellt, daß es dem 1988 geltenden deutschen Recht entsprochen habe, wenn diese Anrechnung und diese Schachtelprivilegien einer deutschen Betriebsstätte einer ausländischen Kapitalgesellschaft verweigert worden seien. Die Bestimmungen, die diese Vergünstigungen vorsähen, kämen nämlich nur Gesellschaften zugute, die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig seien, d. h. dort ihren Sitz oder den Ort ihrer Geschäftsleitung hätten. Die Klägerin, eine Zweigniederlassung einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft, erfuelle diese Voraussetzung damit nicht.

15 Das vorlegende Gericht hat sich jedoch gefragt, ob diese Weigerung nicht eine gegen die Artikel 52 und 58 des Vertrages verstossende Diskriminierung darstellen könne. Es bezieht sich insbesondere auf das Urteil Kommission/Frankreich ("avoir fiscal") des Gerichtshofes(3).

16 Das Finanzgericht Köln legt dem Gerichtshof daher folgende Fragen vor:

1. Ist es mit dem geltenden Gemeinschaftsrecht, insbesondere mit Artikel 52 in Verbindung mit Artikel 58 EWG-Vertrag vereinbar, daß einer in Deutschland gelegenen Betriebsstätte einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat nicht unter den gleichen Voraussetzungen das Schachtelprivileg für Dividenden aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens mit einem Drittstaat gewährt wurde wie Kapitalgesellschaften mit Sitz in Deutschland?

2. Ist es mit dem geltenden Gemeinschaftsrecht, insbesondere mit Artikel 52 in Verbindung mit Artikel 58 EWG-Vertrag vereinbar, daß bei einer in Deutschland gelegenen Betriebsstätte einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat die in einem Drittstaat vom Gewinn einer dort ansässigen Tochtergesellschaft der in Deutschland gelegenen Betriebsstätte erhobene Steuer nicht unter den gleichen Voraussetzungen auf die deutsche Körperschaftsteuer angerechnet wurde wie bei Kapitalgesellschaften mit Sitz in Deutschland?

3. Ist es mit dem geltenden Gemeinschaftsrecht, insbesondere mit Artikel 52 in Verbindung mit Artikel 58 EWG-Vertrag vereinbar, daß einer in Deutschland gelegenen Betriebsstätte einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat nicht unter den gleichen Voraussetzungen das vermögensteuerrechtliche Schachtelprivileg gewährt wird wie Kapitalgesellschaften mit Sitz in Deutschland?

17 Die vorstehend beschriebenen Vorschriften haben seit den dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Vorgängen bedeutende Änderungen erfahren. Der deutsche Gesetzgeber hat nämlich vom Veranlagungszeitraum 1994 an durch das Standortsicherungsgesetz vom 13. September 1993(4) bestimmte Steuervergünstigungen, die bis dahin in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaften vorbehalten waren, auf Betriebsstätten ausländischer Gesellschaften ausgedehnt. So werden nach § 8b Absatz 4 KStG beschränkt steuerpflichtigen Personen in bezug auf ihre inländischen Betriebsstätten die Steuerbefreiungen gewährt, die in Doppelbesteuerungsabkommen für Schachteldividenden aus ausländischen Gesellschaften vorgesehen sind. Nach § 26 Absatz 7 KStG wird inländischen Betriebsstätten die in § 26 Absatz 2 KStG vorgesehene indirekte Anrechnung zugebilligt.

18 Ich möchte an dieser Stelle ausserdem darauf hinweisen, daß die Vorgänge des Ausgangsverfahrens vor Erlaß der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten(5) stattgefunden haben. Es ist daher nicht erforderlich, deren etwaige Auswirkung auf den vorliegenden Fall zu prüfen.

19 Die Bestimmung über das vermögensteuerrechtliche Schachtelprivileg wurde durch das genannte Standortsicherungsgesetz nicht geändert; die Vermögensteuer wird jedoch seit 1. Januar 1997 wegen teilweiser Verfassungswidrigkeit nicht mehr erhoben.

20 Wie wir gesehen haben, bezieht sich das vorlegende Gericht auf das Urteil "avoir fiscal" des Gerichtshofes. Gleiches gilt für die verschiedenen Beteiligten am Verfahren vor dem Gerichtshof. Dieses Urteil betraf eine in den französischen Rechtsvorschriften vorgesehene Steuervergünstigung bei der Besteuerung von Gesellschaftsgewinnen.

21 Der Gerichtshof hat in diesem Urteil folgende Grundsätze aufgestellt.

22 Zunächst ist er davon ausgegangen, daß eine Unterscheidung nach dem Mitgliedstaat des Sitzes einer Gesellschaft in einem Bereich wie dem Steuerrecht unter bestimmten Bedingungen gerechtfertigt sein könne.

23 Wenn jedoch die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats die Gesellschaften mit Sitz im Inland und die im Inland gelegenen Zweigniederlassungen und Agenturen von Gesellschaften mit Sitz im Ausland im Rahmen einer Besteuerung auf die gleiche Stufe stellten, könnten sie sie bei dieser Besteuerung hinsichtlich der Gewährung einer damit zusammenhängenden Vergünstigung nicht unterschiedlich behandeln. Der Gesetzgeber eines Mitgliedstaats habe nämlich dadurch, daß er die beiden Niederlassungsformen im Rahmen der Besteuerung der von ihnen erzielten Gewinne gleich behandele, anerkannt, daß zwischen beiden Formen in bezug auf Modalitäten und Voraussetzungen dieser Besteuerung kein sachlicher Unterschied bestehe, der eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnte.

24 Ausserdem dürfe ein Mitgliedstaat die freie Wahl der Niederlassungsform durch die Wirtschaftsteilnehmer anderer Mitgliedstaaten nicht durch diskriminierende Steuerbestimmungen einschränken. Die Tatsache, daß es möglich sei, durch die Gründung einer Tochtergesellschaft einer Diskriminierung von Zweigniederlassungen zu entgehen, könne diese Diskriminierung also nicht rechtfertigen.

25 Schließlich seien die sich aus Artikel 52 des Vertrages ergebenden Rechte unbedingt, und ein Mitgliedstaat könne ihre Beachtung nicht vom Inhalt eines mit einem anderen Mitgliedstaat (natürlich dem Staat, in dem sich der Sitz der Gesellschaft befinde) geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens abhängig machen.

26 Es ist fraglich, ob diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall übertragbar ist, obwohl sie im Gegensatz zu diesem Fall Beteiligungen an inländischen Gesellschaften betraf.

27 Mit den drei Vorlagefragen werden die gleichen grundsätzlichen Fragen aufgeworfen; sie sind daher gleich zu beurteilen, auch wenn bei jeder von ihnen spezifische Gesichtspunkte vorliegen. Ich prüfe sie daher zusammen, wie es auch die verschiedenen Verfahrensbeteiligten tun.

Bemerkungen zu den Vorlagefragen insgesamt

28 Nach dem Vorlagebeschluß ist unter den Parteien unstreitig, daß der Klägerin die von ihr behauptete benachteiligende Behandlung hätte erspart werden können, wenn sie eine Gesellschaft deutschen Rechts gewesen wäre. Die Steuervergünstigungen, um die es in der zweiten und dritten Frage geht, ergeben sich nämlich aus nationalen Rechtsvorschriften, die ausdrücklich nur für in Deutschland beschränkt steuerpflichtige Gesellschaften gelten. Nach deutschem Steuerrecht(6) sind darunter die Gesellschaften zu verstehen, deren satzungsmässiger oder tatsächlicher Sitz in Deutschland gelegen ist.

29 Was die Vergünstigung betrifft, um die es in der ersten Frage geht, so ist den Akten zu entnehmen, daß sich die Klägerin im Gegensatz zu einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft ausserstande sieht, die fraglichen zweiseitigen Abkommen zu nutzen, weil diese nur für Gesellschaften mit Sitz in den Vertragsstaaten Geltung hätten.

30 Zwar sind in allen drei Fällen weitere Voraussetzungen zu erfuellen, um die jeweiligen Vergünstigungen in Anspruch nehmen zu können. Um diese Voraussetzungen geht es jedoch im vorliegenden Fall nicht.

31 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes(7) wird die Zugehörigkeit einer Gesellschaft zur Rechtsordnung eines Staates durch ihren Sitz bestimmt, der somit der Staatsangehörigkeit bei natürlichen Personen entspricht.

32 Es ist daher festzustellen, daß die von der Klägerin gerügte Diskriminierung auf der staatlichen Zugehörigkeit ihrer Stammgesellschaft beruht. Es ist nämlich die in Frankreich ansässige Compagnie de Saint-Gobain SA, die das im Ausgangsverfahren betroffene Steuersubjekt ist, auch wenn ihre deutsche Zweigniederlassung vor dem Finanzgericht als Klägerin auftritt.

33 Vorbehaltlich eines spezifischen Arguments zur Vermögensteuer, auf das ich noch zurückkommen werde, ist unstreitig, daß die Behandlung nichtansässiger Gesellschaften weniger günstig ist als die in Deutschland ansässiger Gesellschaften (einschließlich der Töchter ausländischer Gesellschaften). Durch die Beseitigung wirtschaftlicher oder rechtlicher Doppelbesteuerungen führen nämlich die fraglichen Bestimmungen zu einer Minderung der Steuerbelastung für die letztgenannten Gesellschaften. Die nicht in Deutschland ansässigen Gesellschaften werden benachteiligt, da ihnen diese Steuererleichterung letztlich nur wegen ihrer fehlenden Ansässigkeit in Deutschland verwehrt wird.

34 So wird das internationale Schachtelprivileg, um das es in der ersten Vorlagefrage geht, aufgrund von zweiseitigen Abkommen gewährt und ermöglicht es, eine Doppelbesteuerung der von ausländischen Tochtergesellschaften ausgeschütteten Gewinnanteile zu vermeiden, indem diese Gewinnanteile von der Bemessungsgrundlage der Steuer in dem Staat, in dem die Muttergesellschaft niedergelassen ist, ausgenommen wird. Das Schachtelprivileg führt hier also zu einer Steuerbefreiung, in deren Genuß, wie wir gesehen haben, die Gesellschaften nicht kommen, die ihren Sitz nicht in Deutschland haben.

35 Der Mechanismus der indirekten Anrechnung, der Gegenstand der zweiten Frage ist, funktioniert anders, wirkt aber ähnlich. Aufgrund der indirekten Anrechnung lässt sich nämlich die von einer Muttergesellschaft geschuldete Steuer dadurch verringern, daß auf den Steuerbetrag die bereits von ihren Tochter- und Enkelgesellschaften entrichtete ausländische Körperschaftsteuer angerechnet wird. Auch diese Möglichkeit steht nur den in Deutschland ansässigen Gesellschaften offen.

36 Schließlich betrifft auch die dritte Frage das internationale Schachtelprivileg, jedoch im Zusammenhang mit der Vermögensteuer. Dessen Wirkung besteht darin, daß die von der Muttergesellschaft gezahlte Vermögensteuer von der Beteiligung befreit wird, die sie an der ausserhalb Deutschlands ansässigen Tochter hält. Auch hier handelt es sich also um eine Möglichkeit der Steuerminderung, die ebenfalls in Deutschland ansässigen Gesellschaften vorbehalten ist.

37 Nachdem nunmehr - abgesehen von einem später zu prüfenden speziellen Umstand, der die Vermögensteuer betrifft - feststeht, daß nichtansässige Steuerpflichtige benachteiligt werden, bleiben die Argumente zu prüfen, die zur Stützung der streitigen nationalen Bestimmungen vorgetragen worden sind.

38 Die deutsche Regierung bestreitet, daß im vorliegenden Fall eine Diskriminierung vorliege. Sie erinnert insoweit an die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes, wonach eine Diskriminierung zu bejahen sei, wenn gleichartige Situationen unterschiedlich oder unterschiedliche Situationen gleich behandelt würden. Im Steuerrecht unterscheide sich die Lage der Nichtansässigen jedoch grundlegend von der der Inländer, was der Gerichtshof in seinem Urteil Schumacker(8) bestätigt habe.

39 Die deutsche Regierung weist weiter darauf hin, daß der Gerichtshof im Urteil "avoir fiscal" grossen Wert auf folgende Feststellung gelegt habe: "Da die streitige Regelung die Gesellschaften mit Sitz in Frankreich und die in Frankreich gelegenen Zweigniederlassungen und Agenturen von Gesellschaften mit Sitz im Ausland bei der Besteuerung ihrer Gewinne auf die gleiche Stufe stellt, kann sie sie nicht ohne Schaffung einer Diskriminierung im Rahmen dieser Besteuerung hinsichtlich der Gewährung einer damit zusammenhängenden Vergünstigung, wie des Steuerguthabens, ungleich behandeln."(9) Die deutsche Regierung hebt jedoch hervor, daß anders als nach französischem Steuerrecht deutsche Kapitalgesellschaften weder hinsichtlich der Bemessungsgrundlage der Steuer noch hinsichtlich des Steuersatzes auf die gleiche Stufe wie die Betriebsstätten ausländischer Gesellschaften gestellt würden.

40 Nach Ansicht der Kommission ist dies zwar tatsächlich nicht der Fall, doch fielen die bestehenden Unterschiede bei Kapitalgesellschaften nicht stark ins Gewicht(10). Diese Unterschiede ergäben sich im wesentlichen aus der Natur der Sache und könnten den Ausschluß der ausländischen Kapitalgesellschaften von den Vergünstigungen, um die es im vorliegenden Fall gehe, nicht rechtfertigen.

41 Prüfen wir also die von der deutschen Regierung dargestellten Unterschiede.

42 Nach Ansicht der deutschen Regierung lässt sich im vorliegenden Fall die Lage von Nichtansässigen, deren Steuerpflicht auf ihre in Deutschland erzielten Gewinne beschränkt sei, nicht mit der von Inländern vergleichen, die unbeschränkt steuerpflichtig seien und daher hinsichtlich sämtlicher Einkünfte (Welteinkommen) dem Steuerrecht des betreffenden Staates unterlägen.

43 Im vorliegenden Fall liege folglich keine gegen den Vertrag verstossende Diskriminierung vor, da die Ungleichbehandlung von Nichtansässigen der unterschiedlichen Natur von Betriebsstätten ausländischer Gesellschaften und inländischen Gesellschaften entspreche.

44 Die deutsche Regierung bezieht sich jedoch lediglich allgemein auf den - sicher unbestreitbaren - Unterschied zwischen begrenzter und unbeschränkter Steuerpflicht, der sich aus der beschränkten Steuerhoheit des Quellenstaats gegenüber derjenigen des Staates, in dem das Stammunternehmen seinen Sitz hat, ergibt.

45 Schon der Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache zeigt aber, daß dieser Unterschied nuanciert zu beurteilen ist. Zum einen macht nämlich der Sachverhalt deutlich, daß unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschaften, sei es aufgrund der deutschen Rechtsvorschriften im engen Wortsinn, sei es aufgrund des weiten Netzes der von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen zweiseitigen Doppelbesteuerungsabkommen, in den Genuß erheblicher Abzuege von der Bemessungsgrundlage der Steuer, der sie unterliegen, kommen können.

46 Zum anderen zeigt die Situation der Klägerin, daß die grundsätzlich auf den in Deutschland erzielten Gewinn beschränkte Steuerpflicht auch Auswirkungen von Transaktionen erfasst, die tatsächlich ausserhalb Deutschlands stattfinden. Dieser Begriff der beschränkten Steuerpflicht wird daher, wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens ausführt, von den deutschen Behörden weit ausgelegt.

47 Wie die Klägerin und die Kommission bemerken, erscheint es auch widersprüchlich, sich darauf zu berufen, daß bei Tochtergesellschaften grundsätzlich das Welteinkommen und bei Betriebsstätten das Inlandseinkommen zu besteuern sei, um Bestimmungen zu rechtfertigen, deren Wirkung im ersten Fall die ist, daß das Gewicht des nichtinländischen Teils des Welteinkommens verringert und damit das Welteinkommen dem Inlandseinkommen angenähert wird. Wie die Kommission ausgeführt hat, gelangt man in Deutschland sogar zu dem paradoxen Ergebnis, daß nur die ausländischen, nicht aber die deutschen Kapitalgesellschaften hinsichtlich ihrer Beteiligungen besteuert werden.

48 Im Gegensatz zur deutschen Regierung meine ich daher, daß die Lage der inländischen, unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaften und die der ausländischen, beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaften im Hinblick auf die Feststellung der Bemessungsgrundlage der Körperschaft- oder Vermögensteuer nicht so unterschiedlich sind, daß sie nicht als vergleichbar angesehen werden könnten.

49 Dazu macht die Kommission zu Recht geltend, daß es im vorliegenden Fall nur um die Besteuerung bestimmter Beteiligungen und der Gewinnanteile aus diesen Beteiligungen gehe.

50 Diese von der Kommission so genannten Steuergegenstände unterliegen unabhängig davon der deutschen Steuer, ob der Steuerpflichtige in Deutschland ansässig ist oder nicht.

51 Da die Steuerpflicht unabhängig von der Frage der Ansässigkeit besteht, müssen grundsätzlich auch die mit dieser Pflicht zusammenhängenden Vergünstigungen, wie Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, unabhängig vom Kriterium der Ansässigkeit gewährt werden.

52 Wie sich die Kommission in der Sitzung ausgedrückt hat, handelt es sich um die beiden Seiten ein und derselben Medaille.

53 Es sei zudem darauf hingewiesen, daß der Gerichtshof in den genannten Rechtssachen(11), in denen er festgestellt hat, daß die Situation von Ansässigen und die von Nichtansässigen ihrer Natur nach grundsätzlich unterschiedlich seien, sich durch diese Feststellung nicht daran gehindert gesehen hat, zu folgern, daß diese beiden Situationen im Rahmen der Bestimmungen, um die es in den betreffenden Rechtssachen ging, miteinander vergleichbar seien.

54 Jede unterschiedliche Behandlung in einem Punkt, bei dem die Situationen vergleichbar sind, muß daher durch ein nach dem Gemeinschaftsrecht anerkanntes zwingendes Erfordernis gerechtfertigt werden.

55 Der Gerichtshof hat nämlich im Urteil "avoir fiscal" oder etwa im Urteil in der Rechtssache Commerzbank(12) folgendes hervorgehoben:

"Würde man ... zulassen, daß der Mitgliedstaat der Niederlassung nach seinem Belieben eine ungleiche Behandlung allein deshalb vornehmen kann, weil sich der Sitz einer Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat befindet, so würde [Artikel 52] ausgehöhlt."

56 Die deutsche Regierung weist darauf hin, daß die streitigen Bestimmungen bezweckten, eine Doppel- bzw. Mehrfachbesteuerung zu vermeiden. An der Vermeidung dieser Besteuerung sei jedoch der Staat des Sitzes einer Gesellschaft am meisten interessiert. Daher sei es Sache dieses Staates und nicht desjenigen der Betriebsstätte, die möglichen Folgen von Doppelbesteuerungen für seine im Inland ansässigen Gesellschaften zu beseitigen.

57 Dies gelte um so mehr, als der Sitzstaat den Einnahmeausfall, der aufgrund von Bestimmungen, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, verursacht werde, ausgleichen könne, da er im Gegensatz zum Staat der Betriebsstätte sämtliche Tätigkeiten des Stammunternehmens besteuere.

58 Diese Argumentation kann nicht überzeugen.

59 Das Ziel, zu Lasten von in Deutschland ansässigen Gesellschaften vorgenommene Doppelbesteuerungen zu vermeiden, lässt sich nämlich durchaus auch ohne Rückgriff auf die beanstandeten Bestimmungen erreichen. Das gesetzgeberische Ziel dieser Bestimmungen, wird keineswegs in Frage gestellt, wenn sie auch zugunsten von Betriebsstätten nichtansässiger Steuerpflichtiger gelten. Hinsichtlich der Vergünstigungen, um die es in den ersten beiden Fragen geht, wird diese Feststellung zudem dadurch bestätigt, daß sich der deutsche Gesetzgeber, wie gesagt, in der Lage gesehen hat, die fraglichen nationalen Bestimmungen 1993 zu ändern und Betriebsstätten seither gleich zu behandeln.

60 Tatsache ist, daß eine solche Erweiterung des Anwendungsbereichs dieser Bestimmungen für den deutschen Fiskus zu einem Einnahmeausfall führen kann. Nach ständiger Rechtsprechung kann dieses Argument jedoch keine Ungleichbehandlung, die gegen eine grundlegende Freiheit des Vertrages verstösst, rechtfertigen(13).

61 Demzufolge kann auch das Argument nicht akzeptiert werden, daß es Sache des Mitgliedstaats des Sitzes der Gesellschaft sei, die betreffende Doppelbesteuerung zu beseitigen, weil er den sich dadurch ergebenden Einnahmeausfall durch die Besteuerung der von der Muttergesellschaft ausgeschütteten Dividenden ausgleichen könne, während der Staat der Betriebsstätte diese Möglichkeit nicht habe. Auch diese Argumentation ist nämlich im wesentlichen budgetärer Art.

62 Im übrigen kann ein Mitgliedstaat die Beschränkung einer Grundfreiheit des Vertrages nicht damit rechtfertigen, daß ein anderer Mitgliedstaat sie zu verhindern habe.

63 Weiter ist zu prüfen, ob die streitigen nationalen Maßnahmen durch die Erfordernisse der Kohärenz des Steuersystems zu rechtfertigen wären. Dies könnte nämlich dann der Fall sein, wenn es ungeachtet der grundsätzlichen Vergleichbarkeit der fraglichen Situationen im deutschen Steuersystem konkrete Unterschiede zwischen der Besteuerung von Zweigniederlassungen und derjenigen von Tochtergesellschaften gäbe, die die streitigen Ungleichbehandlungen erforderlich machen würden.

64 Diese Möglichkeit wird von der schwedischen und der portugiesischen Regierung erwähnt. Die Kommission und die Klägerin stellen indessen eine eingehende vergleichende Prüfung an, aus der sich ihrer Ansicht nach ergibt, daß solche Unterschiede bei der steuerlichen Behandlung von Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften nicht existieren. Dies wird vom vorlegenden Gericht bestätigt.

65 Die portugiesische Regierung führt speziell die Möglichkeit an, daß die Einbehaltung an der Quelle hinsichtlich der von der Tochtergesellschaft an die Mutter ausgeschütteten Gewinne eine Benachteiligung der Tochtergesellschaft gegenüber einer Betriebsstätte darstelle, deren Gewinne ohne Besteuerung an die Muttergesellschaft abgeführt würden.

66 Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, daß die Vornahme einer solchen Einbehaltung die unterschiedliche Behandlung, um die es im vorliegenden Fall geht, rechtfertigt.

67 Zunächst ist festzustellen, daß nach den Erläuterungen der Kommission und der Klägerin, denen die deutsche Regierung insoweit nicht widersprochen hat, der Anteil des Gewinns der Tochtergesellschaft, der an die Muttergesellschaft ausgeschüttet wird, zu einem niedrigeren Satz (36 %) als dem besteuert wird, der auf den von der Betriebsstätte an das Stammunternehmen abgeführten Gewinn angewandt wird (50 %). Hierin besteht also ein Vorteil für die Tochtergesellschaft. Daher liegt es für mich keineswegs auf der Hand, daß die Benachteiligung der Tochtergesellschaft, die sich aus einer Einbehaltung an der Quelle ergibt, notwendig durch eine zusätzliche Vergünstigung auf der Ebene der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Steuer ausgeglichen werden muß.

68 Jedenfalls ist das Argument aus grundsätzlichen Erwägungen zurückzuweisen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist nämlich ein Mitgliedstaat nicht befugt, Zweigniederlassungen und Agenturen unter bestimmten Gesichtspunkten weniger günstig zu behandeln, um Vergünstigungen auszugleichen, die ihnen im Vergleich zu Tochtergesellschaften unter anderen Gesichtspunkten zuteil werden(14).

69 Ausserdem würde eine solche Einbehaltung an der Quelle nicht im Rahmen der Besteuerung der Gewinne der Tochtergesellschaft oder der Zweigniederlassung, sondern im Rahmen der Besteuerung der Einkünfte der Empfänger der ausgeschütteten Gewinne erfolgen. Die Einzelheiten der Besteuerung dieser Personen, die verschiedene Steuerpflichtige sind, können nicht berücksichtigt werden, um Unterscheidungen bei der Besteuerung der Zweigniederlassung und der Tochtergesellschaft selbst zu treffen.

70 Eine solche Auffassung würde nämlich eine weite Auslegung des Begriffes der steuerlichen Kohärenz, wie er sich aus dem Urteil Bachmann(15) ergibt, voraussetzen; ein zwingendes Erfordernis ist jedoch als Ausnahme von den Grundfreiheiten des Vertrages eng auszulegen.

71 Die Kommission meint überdies, mit der Begründung des Standortsicherungsgesetzes von 1993, mit dem, wie wir gesehen haben, der deutsche Gesetzgeber die in den ersten beiden Vorlagefragen erwähnten Vergünstigungen auf inländische Gesellschaften ausgedehnt hat, werde von der deutschen Regierung selbst anerkannt, daß die streitigen Bestimmungen vor ihrer Änderung diskriminierend gewesen seien.

72 Der einschlägige Passus dieser Begründung lautet:

"Die Gleichbehandlung der Betriebsstätten ausländischer Körperschaften mit unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften trägt auch der Niederlassungsfreiheit nach Artikel 52 des EWG-Vertrags Rechnung und schließt eine nach dieser Bestimmung untersagte Diskriminierung aus."

73 Dieser Passus ist nicht völlig eindeutig. Nach Ansicht der deutschen Regierung enthält er keine Anerkennung irgendeines Verstosses gegen den Vertrag durch sie selbst, sondern nimmt nur auf bestimmte in der Lehre geäusserte Standpunkte Bezug; mit der erfolgten Änderung sollten etwaige Beanstandungen für die Zukunft ausgeschlossen werden.

74 Meiner Ansicht nach kommt es für die vom Gerichtshof vorzunehmende Auslegung der genannten Bestimmungen des Vertrages auf die Bedeutung dieses Passus nicht an, unabhängig davon, welche Bedeutung ihm beizumessen ist.

Bemerkungen speziell zur Auswirkung der völkerrechtlichen Verträge

75 Einige Verfahrensbeteiligte haben Argumente geltend gemacht, die sich auf die Auswirkung der zweiseitigen Doppelbesteuerungsabkommen auf den vorliegenden Fall beziehen.

76 Zunächst ist vorgetragen worden, die Bestimmung der aus den Doppelbesteuerungsabkommen Begünstigten falle in die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.

77 Ich meine jedoch, daß der ganze Bereich der direkten Steuern weiterhin in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt und daß zwischen den Bestimmungen der Mitgliedstaaten über die direkten Steuern, die rein innerstaatlichen Ursprungs sind, und denjenigen, die sich aus einem mit einem anderen Mitgliedstaat oder Drittland geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen ergeben, nicht zu unterscheiden ist. Die letztgenannten Bestimmungen werden nach der Ratifizierung des Abkommens durch das nationale Parlament ebenso zum Bestandteil der nationalen Rechtsvorschriften über die direkten Steuern wie die erstgenannten.

78 Daher findet auf sie in vollem Umfang die Rechtsprechung des Gerichtshofes Anwendung, wonach

"die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, ... diese ihre Befugnisse in diesem Bereich jedoch unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben und deshalb jede offensichtliche oder versteckte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit unterlassen müssen"(16).

79 Andere Verfahrensbeteiligte haben hervorgehoben, daß Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Grundsatz der Gegenseitigkeit beruhten und daß es das ihnen innewohnende Gleichgewicht zerstören würde, wenn ihre Bestimmungen auch für Gesellschaften gälten, die in Mitgliedstaaten ansässig seien, die nicht Partei dieser Abkommen seien.

80 Es genügt nicht, auf diese Argumentation, wie einige Verfahrensbeteiligte es getan haben, zu antworten, daß der Gerichtshof bereits im Urteil "avoir fiscal" ausgeführt habe, daß die Rechte, die der Vertrag den Angehörigen der Mitgliedstaaten verleihe, unbedingt seien und daß ihr Inhalt somit nicht von der gegenseitigen Anwendung von zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen Abkommen abhängig sein könne(17). In der vorliegenden Rechtssache hat das zuständige Finanzamt keineswegs behauptet, daß die Gewährung der beantragten Steuervergünstigungen davon abhänge, daß die Französische Republik den in Frankreich gelegenen Zweigniederlassungen deutscher Gesellschaften entsprechende Vergünstigungen gewähre.

81 Im vorliegenden Fall, in dem es um Abkommen geht, die ein Mitgliedstaat mit Drittländern geschlossen hat, ist, wie die Klägerin und die Kommission zu Recht hervorheben, entscheidend, daß sich kein Problem einer Kollision zwischen den Verpflichtungen, die das Gemeinschaftsrecht der Bundesrepublik Deutschland auferlegt, und denen stellt, die sich für die Bundesrepublik aus ihren Pflichten gegenüber verschiedenen Drittstaaten ergeben, mit denen sie Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen hat.

82 Diese hindern nämlich die Bundesrepublik keineswegs daran, die Geltung ihrer Bestimmungen zugunsten von nicht ansässigen steuerpflichtigen Gesellschaften auszudehnen. Durch eine solche Ausdehnung werden die Rechte der Drittstaaten, die Parteien der Abkommen sind, in keiner Weise in Frage gestellt, und es werden ihnen keine neuen Verpflichtungen auferlegt. Probleme in bezug auf Gleichgewicht oder Gegenseitigkeit stellen sich daher nicht.

83 Den besten Beweis hierfür liefert übrigens die Praxis des deutschen Gesetzgebers bei Abkommen wie denen, um die es im vorliegenden Fall geht. Indem er nämlich die Mindestbeteiligung, die für eine deutsche Gesellschaft bei einer Beteiligung an einer amerikanischen Tochtergesellschaft nach § 26 Absatz 7 KStG vorgeschrieben ist, um in den Genuß der Vergünstigungen gemäß den entsprechenden Abkommen zu kommen, herabgesetzt hat, hat er den Anwendungsbereich des Abkommens in Deutschland einseitig erweitert, ohne daß es dadurch zu Schwierigkeiten in den Beziehungen mit der anderen Abkommenspartei gekommen wäre.

84 Ebenso verhält es sich mit dem Standortsicherungsgesetz von 1993, mit dem der deutsche Gesetzgeber den Betriebsstätten von Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten die in den zweiseitigen Abkommen vorgesehenen internationalen Schachtelprivilegien gewährt hat. Der deutsche Gesetzgeber hat also keine sich aus der Natur dieser Abkommen ergebenden Schwierigkeiten gesehen, die ihn daran gehindert hätten, die von der Klägerin verlangte Erweiterung des Anwendungsbereichs dieser Vergünstigungen vorzusehen.

85 Zwar führt eine solche Erweiterung zu einer Erhöhung des Ausfalls an Steuereinnahmen, die sich bei sonst gleichen Umständen aus der Anwendung dieser Abkommen ergibt. Wie wir aber bereits gesehen haben, kann nach ständiger Rechtsprechung ein solches budgetäres Argument nicht die Beschränkung einer im Vertrag vorgesehenen Grundfreiheit rechtfertigen.

86 Schließlich führt die schwedische Regierung als systembezogen zu bezeichnende Argumente an, mit denen sie aufzeigt, daß die Erweiterung des Anwendungsbereichs der zweiseitigen Doppelbesteuerungsabkommen in bestimmten, besonders komplexen Fällen dazu führen kann, daß eine Besteuerung völlig entfällt.

87 Diese Erwägung hat jedoch die deutsche Regierung offenbar nicht an einer solchen Erweiterung gehindert, jedenfalls soweit es um die im Ausgangsverfahren fraglichen Vergünstigungen geht.

88 Im übrigen unterscheiden sich die von der schwedischen Regierung bezeichneten, ganz spezielle Fälle betreffenden Sachverhalte vom vorliegenden Fall, in dessen Rahmen nicht vorgebracht wird, daß die Gefahr bestehe, daß die Gewinne in keinem Land besteuert würden.

89 Genauso verschieden ist der Fall, in dem eine in einem Mitgliedstaat A ansässige Gesellschaft verlangt, daß ein Mitgliedstaat B auf sie ein zwischen diesem Mitgliedstaat B und einem Mitgliedstaat C geschlossenes zweiseitiges Abkommen und nicht das zwischen A und B geschlossene Abkommen anwendet; um diesen Fall geht es in den in der mündlichen Verhandlung erwähnten Rechtssachen C-397/98 (Metallgesellschaft Ltd) und C-410/98 (Hoechst AG)(18). Die Abkommen, deren Anwendung die Klägerin für sich beansprucht, sind nämlich mit Drittstaaten geschlossen worden.

90 Ausserdem weist im vorstehend genannten Fall die im Mitgliedstaat A ansässige Gesellschaft im Gegensatz zur vorliegenden Rechtssache, in der die Behandlung von Beteiligungen an im Mitgliedstaat C ansässigen Gesellschaften im Streit steht, nicht notwendig eine Beziehung zu diesem Staat C auf.

91 Schließlich geht es in den beiden Fällen um grundlegend verschiedene Begehren. Im vorstehend beschriebenen Fall begehrt die im Mitgliedstaat A ansässige Gesellschaft nämlich nicht, vom Mitgliedstaat B wie eine in diesem Staat ansässige Gesellschaft, sondern wie eine in einem anderen Mitgliedstaat, nämlich C, niedergelassene Gesellschaft behandelt zu werden. Dieser Fall betrifft also eine Ungleichbehandlung zwischen nicht ansässigen Gesellschaften und nicht eine solche zwischen Inländern einerseits und Nichtansässigen andererseits.

92 Daher stellt sich nicht das gleiche grundsätzliche Problem wie in der vorliegenden Rechtssache, in der eine Gleichbehandlung mit den in Deutschland niedergelassenen Gesellschaften verlangt wird, auch wenn die Bestimmungen, aus denen sich diese Gleichbehandlung ergibt, aus einem mit einem Drittstaat geschlossenen Abkommen stammen.

Bemerkungen speziell zur Vermögensteuer

93 Speziell zur Vermögensteuer macht die deutsche Regierung geltend, ob die fraglichen Beteiligungen über eine Betriebsstätte oder eine Tochtergesellschaft gehalten würden, ändere letztlich an der steuerlichen Belastung der Muttergesellschaft nichts.

94 Zwar trifft es zu, daß die Beteiligung an einer Enkelgesellschaft bei dieser Steuerart aufgrund des internationalen Schachtelprivilegs nicht zum Vermögen der Tochtergesellschaft gerechnet wird, während die Tochtergesellschaft auf den Wert dieser Beteiligung Vermögensteuer zu zahlen hat, da ihr das Schachtelprivileg nicht zusteht. Nach Ansicht der deutschen Regierung wird jedoch diese der Tochtergesellschaft gewährte Vergünstigung dadurch ausgeglichen, daß das Vermögen der Muttergesellschaft im Rahmen der Vermögensteuer den Wert der Beteiligung an der in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaft einschließe, der unter Berücksichtigung des Wertes der Beteiligung berechnet werde, den die Tochtergesellschaft selbst an der Enkelgesellschaft halte.

95 Die Klägerin und die Kommission bestreiten nicht, daß dies grundsätzlich zutrifft (§ 121 Absatz 2 Nr. 4 BewG). Sie verweisen jedoch darauf, daß die Anwendung dieser Bestimmung im allgemeinen nach den von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen zweiseitigen Doppelbesteuerungsabkommen ausgeschlossen sei.

96 So hat die Klägerin, ohne daß ihr insoweit von der deutschen Regierung widersprochen worden wäre, in der Sitzung dargelegt, daß im vorliegenden Fall die Anwendung des § 121 Absatz 2 Nummer 4 BewG nach Artikel 19 des geltenden Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Französischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland ausgeschlossen sei.

97 Infolgedessen würden Betriebsstätten französischer Muttergesellschaften weniger günstig behandelt als deren Tochtergesellschaften.

98 Es ist Sache des nationalen Gerichts, festzustellen, ob diese Bestimmung in Verbindung mit denen des Bewertungsgesetzes tatsächlich dazu führt, daß die vermögensteuerrechtliche Belastung durch die fraglichen Beteiligungen für Betriebsstätten höher ist als für Tochtergesellschaften. Wenn dies zutrifft, ist eine diskriminierende Behandlung der Klägerin zu bejahen.

99 Ich möchte noch darauf hinweisen, daß von den deutschen Behörden nicht verlangt wird, das Schachtelprivileg auch in Fällen zu gewähren, in denen ein zweiseitiges Abkommen nicht besteht. Hierzu sind sie nämlich nur verpflichtet, wenn die Verweigerung des Schachtelprivilegs zu einer Ungleichbehandlung führt, d. h., wenn eine Abkommensbestimmung, nach der die Anwendung des § 121 Absatz 2 Nummer 4 BewG ausgeschlossen ist, fehlt. Die von der deutschen Regierung angeführte Gefahr einer Diskriminierung der Tochtergesellschaften besteht also nicht.

100 Am Rande sei bemerkt, daß dieses Argument der deutschen Regierung voraussetzt, daß sie vom Bestehen eines Grundsatzes der Gleichbehandlung von Tochtergesellschaften und Zweigniederlassungen ausgeht.

101 Aus dem Vorstehenden folgt, daß eine unterschiedliche Behandlung, sollte sie sich bestätigen, nicht gerechtfertigt wäre. Ihr stuenden dann nämlich die Artikel 52 und 58 des Vertrages entgegen.

Schlußbemerkungen

102 Aus alledem folgt somit, daß die fraglichen nationalen Bestimmungen für Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat ohne sachliche Rechtfertigung eine Behandlung vorschreiben, durch die sie im Vergleich zu der Behandlung, die den in Deutschland ansässigen Gesellschaften zuteil wird, benachteiligt werden.

103 Wie wir jedoch gesehen haben und wie sowohl die Kommission als übrigens auch das vorlegende Gericht zu Recht ausführen, schreibt Artikel 58 in Verbindung mit Artikel 52 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 des Vertrages vor, daß im Hoheitsgebiet des betreffenden Staates Gesellschaften, die eine Betriebsstätte gründen und die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, wie inländische Gesellschaften zu behandeln sind, sofern dem keine auf sachlichen Gründen beruhenden Unterschiede entgegenstehen.

104 Ausserdem führen die fraglichen nationalen Bestimmungen dazu, daß die freie Wahl der Form, in der die Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten ihr Recht auf Niederlassungsfreiheit ausüben wollen, beschränkt wird. Nach Artikel 52 Absatz 1 Satz 2 kann jedoch eine Gesellschaft eines Mitgliedstaats, die von ihrem Recht auf Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen will, zwischen der Gründung einer Tochtergesellschaft und der einer blossen Agentur oder Zweigniederlassung im Mitgliedstaat der Niederlassung wählen. Dieses Wahlrecht wird beeinträchtigt, wenn zu Lasten der einen oder der anderen dieser Niederlassungsformen ungerechtfertigte Behandlungsunterschiede bestehen.

Ergebnis

105 Demgemäß schlage ich Ihnen vor, die Fragen des Finanzgerichts Köln wie folgt zu verneinen:

1. Die Artikel 52 und 58 EG-Vertrag verbieten es, daß einer in Deutschland gelegenen Betriebsstätte einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat nicht unter den gleichen Voraussetzungen das Schachtelprivileg für Dividenden aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens mit einem Drittstaat gewährt wird wie Kapitalgesellschaften mit Sitz in Deutschland.

2. Die Artikel 52 und 58 des Vertrages verbieten es, daß bei einer in Deutschland gelegenen Betriebsstätte einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat die in einem Drittstaat vom Gewinn einer dort ansässigen Tochtergesellschaft der in Deutschland gelegenen Betriebsstätte erhobene Steuer nicht unter den gleichen Voraussetzungen auf die deutsche Körperschaftsteuer angerechnet wird wie bei Kapitalgesellschaften mit Sitz in Deutschland.

3. Die Artikel 52 und 58 des Vertrages verbieten es, daß einer in Deutschland gelegenen Betriebsstätte einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat nicht unter den gleichen Voraussetzungen das vermögensteuerrechtliche Schachtelprivileg gewährt wird wie Kapitalgesellschaften mit Sitz in Deutschland.

(1) - Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und einiger anderer Steuern vom 22. Juli 1954 in der Fassung des Revisionsprotokolls vom 17. September 1965 (BGBl. 1954 II S. 1118, BGBl. 1966 II S. 745).

(2) - Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 30. November 1978 (BGBl. 1972 II S. 1022, BGBl. 1980 II S. 750).

(3) - Urteil vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 270/83 (Slg. 1986, S. 285).

(4) - BGBl. I S. 1569.

(5) - ABl. L 225, S. 6.

(6) - § 1 Absatz 1 KStG und § 1 Absatz 1 Nr. 2 des Vermögensteuergesetzes (VStG).

(7) - Vgl. als Beispiel für die ständige Rechtsprechung Urteil vom 12. April 1994 in der Rechtssache C-1/93 (Halliburton Services, Slg. 1994, I-1137, Randnr. 15).

(8) - Urteil vom 14. Februar 1995 in der Rechtssache C-279/93 (Slg. 1995, I-225).

(9) - Randnr. 20.

(10) - Siehe Nr. 27 ihrer Erklärungen.

(11) - Siehe die Rechtssachen "avoir fiscal" und Schumacker (a. a. O.) sowie z. B. Urteil vom 11. August 1995 in der Rechtssache C-80/94 (Wielockx, Slg. 1995, I-2493).

(12) - Urteil vom 13. Juli 1993 in der Rechtssache C-330/91 (Slg. 1993, I-4017, Randnr. 13).

(13) - Vgl. z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 7. Februar 1984 in der Rechtssache 238/82 (Duphar u. a., Slg. 1984, 523).

(14) - Vgl. Urteil "avoir fiscal" (a. a. O., Randnr. 21).

(15) - Urteil vom 28. Januar 1992 in der Rechtssache C-204/90 (Slg. 1992, I-249).

(16) - Siehe insbesondere Urteil Wielockx (a. a. O., Randnr. 16).

(17) - Siehe Urteil "avoir fiscal" (a. a. O., Randnr. 26).

(18) - ABl. 1999, C 1, S. 7 und 11.