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Wichtiger rechtlicher Hinweis

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61998C0375

Schlussanträge des Generalanwalts Cosmas vom 17. Februar 2000. - Ministério Público und Fazenda Pública gegen Epson Europe BV. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Supremo Tribunal Administrativo - Portugal. - Harmonisierung des Steuerrechts - Mutter- und Tochtergesellschaften - Befreiung der Gewinnausschüttungen einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft von der Quellensteuer im Mitgliedstaat der Tochtergesellschaft. - Rechtssache C-375/98.

Sammlung der Rechtsprechung 2000 Seite I-04243


Schlußanträge des Generalanwalts


1 In der vorliegenden Rechtssache hat das Supremo Tribunal Administrativo (Portugal) dem Gerichtshof eine Frage nach der Auslegung des Artikels 5 Absatz 4 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten(1) (im folgenden: Richtlinie) in bezug auf eine spezielle, nur Portugal betreffende Regelung zur Vorabentscheidung vorgelegt.

I - Rechtlicher Rahmen

A - Gemeinschaftsrecht

2 Der Gemeinschaftsgesetzgeber erließ die Richtlinie, um ein gemeinsames Steuersystem für Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten einzuführen.

3 Die Notwendigkeit der Richtlinie ergibt sich aus der Doppelbesteuerung, der Unternehmensgruppen unterliegen können, die in mehr als einem Mitgliedstaat ansässig sind. Denn: "Vorbehaltlich bestimmter Erleichterungen, die die Staaten entweder einseitig oder aufgrund von zweiseitigen Übereinkünften gewähren, können die Gewinne einer Tochtergesellschaft sowohl in deren Staat als betrieblicher Ertrag der Tochtergesellschaft als auch, bei Ausschüttung des Einkommens an die Muttergesellschaft, als deren Dividendeneinkommen in dem Staat, in dem die Muttergesellschaft ansässig ist, besteuert werden"(2).

4 Die Richtlinie besteht aus neun Artikeln: Sie regeln den Geltungsbereich der Richtlinie (Artikel 1), definieren bestimmte Grundbegriffe (Artikel 2 und 3), bestimmen die Grundsätze und Grundregeln des Gemeinschaftsrechts in diesem Bereich, legen die Modalitäten für deren Anwendung fest (Artikel 4) und enthalten eine Reihe von Befreiungen vom Steuerabzug an der Quelle, die für bestimmte Mitgliedstaaten gelten (Artikel 5). Die Artikel 6 und 7 sehen bestimmte ergänzende Regelungen zum Steuerabzug an der Quelle vor, und die Artikel 8 und 9 enthalten die üblichen Bestimmungen über das Inkrafttreten und die Adressaten der Richtlinie.

5 Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie bestimmt insbesondere:

"(1) Jeder Mitgliedstaat wendet diese Richtlinie an

- auf Gewinnausschüttungen, die Gesellschaften dieses Staates von Tochtergesellschaften eines anderen Mitgliedstaats zufließen;

- auf Gewinnausschüttungen von Tochtergesellschaften dieses Staates an Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten."

6 In Artikel 2 heißt es:

"Im Sinne dieser Richtlinie ist $Gesellschaft eines Mitgliedstaats` jede Gesellschaft

a) die eine der im Anhang aufgeführten Formen aufweist;

b) die nach dem Steuerrecht eines Mitgliedstaats in bezug auf den steuerlichen Wohnsitz als in diesem Staat ansässig und aufgrund eines mit einem dritten Staat geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens in bezug auf den steuerlichen Wohnsitz nicht als außerhalb der Gemeinschaft ansässig betrachtet wird;

c) die ferner ohne Wahlmöglichkeit einer der nachstehenden Steuern

...

- imposto sobre o rendimento das pessoas colectivas in Portugal,

...

... unterliegt, ohne davon befreit zu sein."

7 Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie lautet:

"Im Sinne dieser Richtlinie gilt als

a) $Muttergesellschaft` wenigstens jede Gesellschaft eines Mitgliedstaats, die die Bedingungen des Artikels 2 erfuellt und die einen Anteil von wenigstens 25 % am Kapital einer Gesellschaft eines anderen Mitgliedstaats, die die gleichen Bedingungen erfuellt, besitzt;

b) $Tochtergesellschaft` die Gesellschaft, an deren Kapital eine andere Gesellschaft den unter Buchstabe a) genannten Anteil besitzt"(3).

8 Artikel 4 Absatz 1 lautet:

"Bezieht eine Muttergesellschaft als Teilhaberin ihrer Tochtergesellschaft Gewinne, die nicht anläßlich der Liquidation der Tochtergesellschaft ausgeschüttet werden, so

- besteuert der Staat der Muttergesellschaft diese Gewinne entweder nicht oder

- läßt er im Fall einer Besteuerung zu, daß die Gesellschaft auf die Steuer den Steuerteilbetrag, den die Tochtergesellschaft für die von ihr ausgeschütteten Gewinne entrichtet, und gegebenenfalls die Quellensteuer, die der Mitgliedstaat der Tochtergesellschaft nach den Ausnahmebestimmungen des Artikels 5 erhebt, bis zur Höhe der entsprechenden innerstaatlichen Steuer anrechnen kann."

9 Der Gesetzgeber sah außerdem für drei Mitgliedstaaten (die Republik Griechenland, die Bundesrepublik Deutschland und die Portugiesische Republik) hinsichtlich der Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle bestimmte Ausnahmen(4) vom gemeinsamen System vor. So war der Rat der Auffassung, daß "[i]m übrigen ... zur Sicherung der steuerlichen Neutralität von der Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft ausgeschüttete Gewinne vom Quellensteuerabzug befreit werden [sollten]. Jedoch ist es erforderlich, ... der Republik Portugal aus budgetären Gründen zu gestatten, zeitweise eine Quellensteuer beizubehalten"(5).

10 Daher heißt es in Artikel 5:

"(1) Die von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschütteten Gewinne sind, zumindest wenn diese einen Anteil am Gesellschaftskapital der Tochtergesellschaft von wenigstens 25 % besitzt, vom Steuerabzug an der Quelle befreit.

...

(4) Abweichend von Absatz 1 kann die Portugiesische Republik bis zum Ende des achten Jahres nach Beginn der Anwendung dieser Richtlinie eine Quellensteuer auf Gewinnausschüttungen ihrer Tochtergesellschaften an Muttergesellschaften eines anderen Mitgliedstaats erheben.

Vorbehaltlich der Bestimmungen in den zwischen Portugal und einem Mitgliedstaat bestehenden bilateralen Abkommen darf der Satz dieser Quellensteuer während der ersten fünf Jahre dieses Zeitraums 15 % und während der letzten drei Jahre 10 % nicht überschreiten.

Vor Ablauf des achten Jahres beschließt der Rat auf Vorschlag der Kommission einstimmig über eine mögliche Verlängerung der Bestimmungen dieses Absatzes."

11 Nach Artikel 6 kann der Mitgliedstaat der Muttergesellschaft einen Steuerabzug an der Quelle auf Gewinne vornehmen, die diese Gesellschaft von ihrer Tochtergesellschaft bezieht.

12 Artikel 7 Absatz 1 bestimmt:

"Der in dieser Richtlinie verwendete Ausdruck $Steuerabzug an der Quelle` umfaßt nicht die in Verbindung mit der Ausschüttung von Gewinnen an die Muttergesellschaft erfolgende Vorauszahlung der Körperschaftsteuer an den Sitzmitgliedstaat der Tochtergesellschaft."

13 Artikel 8 sieht vor, daß die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen, um der Richtlinie vor dem 1. Januar 1992 nachzukommen, und daß sie die Kommission unverzüglich hiervon unterrichten.

B - Nationale Bestimmungen

14 Die Umsetzung der Richtlinie in das portugiesische Recht erfolgte hinsichtlich des imposto sobre o rendimento das pessoas colectivas (Körperschaftsteuer; im folgenden: IRC) durch das Decreto-Lei Nr. 123/92 vom 2. Juli 1992, mit dem Artikel 69 Absatz 2 Buchstabe c des Código do Imposto sobre o Rendimento das Pessoas Colectivas (Körperschaftsteuergesetz, im folgenden: CIRC) wie folgt neu gefaßt wurde:

"Bei Einkünften von juristischen Personen, die weder ihren Sitz noch ihre tatsächliche Leitung im portugiesischen Hoheitsgebiet haben und die dort auch keine feste Niederlassung besitzen, der diese Einkünfte zugerechnet werden können, beträgt der Körperschaftsteuersatz 25 %, außer bei folgenden Einkünften:

...

c) den Gewinnen, die eine juristische Person, die im portugiesischen Hoheitsgebiet ansässig ist und den in Artikel 2 der Richtlinie 90/435/EWG vom 23. Juli 1990 festgelegten Bedingungen genügt, an eine in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften ansässige juristische Person ausschüttet, die sich in derselben Lage befindet und während zweier aufeinanderfolgender Jahre oder seit der Gründung der erstgenannten Gesellschaft an deren Kapital eine direkte Beteiligung von nicht weniger als 25 % hält, vorausgesetzt, daß im letzteren Fall die Beteiligung während dieses Zeitraums aufrechterhalten wird, wobei der IRC-Satz unbeschadet der Bestimmungen geltender bilateraler Abkommen bis zum 31. Dezember 1996 15 % und vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 1999 10 % beträgt."

15 Unverändert blieben jedoch bei der Umsetzung der Richtlinie die Artikel 182 und 184 des Código do Imposto Municipal da Sisa e do Imposto sobre as Sucessões e Doações (Gesetz über die Gemeindesteuer auf Übertragungen und über die Erbschaft- und Schenkungsteuer; im folgenden: Cimsisd), die einen Imposto sobre as sucessões e doações (Erbschaft- und Schenkungsteuer bei unentgeltlicher Übertragung von Aktien; im folgenden: ISD) vorsehen, der bei jeder Gewinnausschüttung auf die Dividenden erhoben wird, die von Gesellschaften mit Sitz in Portugal gezahlt werden.

16 Artikel 182 Cimsisd sieht folgendes vor: "Die Steuer auf unentgeltliche Übertragungen

...

c) der Aktien von Gesellschaften, die ihren Sitz in Portugal haben, ist vorab im Wege des Abzugs von den Erträgen der Wertpapiere zu entrichten.

Einziger Absatz

Die Steuer auf die Übertragung von Wertpapieren, die keinen Anspruch auf Erträge begründen, wird nach den allgemeinen Rechtsvorschriften erhoben."

17 In Artikel 184 Cimsisd mit der Überschrift "Steuersatz. Abzug an der Quelle" heißt es:

"Die pauschale Steuer beträgt 5 % der Zinsen, der Dividenden oder der anderen Erträge der Wertpapiere und ist von den Stellen, die die betreffende Zahlung vorzunehmen haben, von diesen Erträgen einzubehalten.

..."

18 Die pauschale Steuer wird somit anhand eines festen Satzes von 5 % der Erträge bestimmter Wertpapiere und nicht anhand eines veränderlichen, vom Wert der Übertragungen abhängigen Satzes erhoben.

II - Sachverhalt

19 Die Epson Europe BV (im folgenden: Epson oder Muttergesellschaft) mit Sitz in den Niederlanden hält 25 % der Aktien der Epson Portugal SA (im folgenden: Epson Portugal oder Tochtergesellschaft), die ihren Sitz in Portugal hat.

20 Aus dem Vorlagebeschluß geht hervor, daß die Beziehung zwischen der Muttergesellschaft, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung niederländischen Rechts, und der Tochtergesellschaft, einer Aktiengesellschaft portugiesischen Rechts, in den Geltungsbereich der Richtlinie fällt.

21 Die Tochtergesellschaft beschloß am 31. März 1993, Dividenden in Höhe von 80 000 000 PTE, d. h. 1 066,66 PTE pro Aktie, auszuschütten(6). Die an die Muttergesellschaft ausgeschütteten Dividenden betrugen daher 40 795 733 PTE. Sie wurden an die Muttergesellschaft unter Abzug von IRC zum Satz von 15 %, d. h. von 6 119 360 PTE, und unter Abzug von ISD zum Satz von 5 %, d. h. von 2 039 786 PTE, ausgezahlt.

22 Epson war der Ansicht, daß sie den ISD im vorliegenden Fall nicht zu zahlen brauche, und erhob beim Tribunal Tributário de Primeira Instância do Porto Klage auf dessen Erstattung.

23 Das Tribunal Tributário de Primeira Instância do Porto gab der Klage mit der Begründung statt, der Betrag, der aufgrund der Ausnahme des Artikels 5 Absatz 4 der Richtlinie zulässig sei, sei bereits durch den Abzug des IRC an der Quelle erreicht, und ein zusätzlicher Abzug des ISD nehme der Richtlinie jede praktische Wirksamkeit.

24 Die Finanzverwaltung (das Ministério Público und die Fazenda Pública) legte gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel zum Supremo Tribunal Administrativo ein.

25 Das Supremo Tribunal Administrativo äußerte Zweifel, ob sich der Geltungsbereich der Richtlinie auch auf den ISD erstrecke und ob die Portugiesische Republik folglich die Richtlinie ordnungsgemäß umgesetzt habe, als sie diese nur bei der Belastung ausgeschütteter Gewinne mit IRC und nicht bei der Belastung mit ISD nach den Artikeln 182 und 184 Cimsisd beachtet habe.

26 Das nationale Gericht ist der Auffassung, auch bei der letztgenannten Steuer sei Bemessungsgrundlage das Einkommen, denn der ISD werde in Form eines Abzugs von 5 % auf die Dividenden oder die anderen Erträge der Wertpapiere gezahlt. Der ISD stelle also trotz seiner Bezeichnung als Erbschaft- und Schenkungsteuer eine Einkommensteuer dar, die neben der im CIRC vorgesehenen Körperschaftsteuer bestehe.

III - Vorlagefrage

27 Durch Beschluß vom 23. September 1998 hat das Supremo Tribunal Administrativo dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Artikel 5 Absatz 4 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, soweit er die Grenzen der Ausnahmeregelung für Portugal auf 15 % und 10 % festsetzt, dahin auszulegen, daß sich diese Begrenzung nur auf den Imposto sobre o rendimento das pessoas colectivas (Körperschaftsteuer) in Portugal bezieht, oder betrifft sie jede auf Dividenden angewandte Besteuerung der Erträge von Aktien unabhängig davon, in welcher rechtlichen Regelung sie vorgesehen ist?

IV - Beantwortung der Vorlagefrage

28 Nach Prüfung der Vorlagefrage (A) und Analyse der Merkmale des von der Richtlinie geschaffenen Systems (B) werde ich darlegen, inwieweit die streitige Steuer (ISD) unter den Geltungsbereich der Richtlinie fällt und welche Auswirkungen die Antwort auf diese Frage hat, denn dies möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen vom Gerichtshof wissen, und die Antwort wird für die Entscheidung des Rechtsstreits unter Berücksichtigung seiner tatsächlichen und rechtlichen (nationalen und gemeinschaftlichen) Besonderheiten von Nutzen sein (C).

A - Die aufgeworfenen Fragen

29 Epson und die Kommission sind der Auffassung, daß der ISD unter den Geltungsbereich der Richtlinie falle. Die portugiesische Regierung und die Fazenda Pública vertreten die gegenteilige Auffassung.

30 Die Kommission und Epson sind der Auffassung, daß die Richtlinie, vor allem ihr Artikel 5 Absatz 4, unabhängig von der Bezeichnung der Steuer jeden Steuerabzug an der Quelle bei Dividendenausschüttungen einer Tochtergesellschaft an ihre in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft betreffe.

31 Die Kommission trägt vor, die Portugiesische Republik habe sich dadurch, daß sie die Artikel 182 und 184 Cimsisd nicht geändert habe, eine "zusätzliche Ausnahme" von der Richtlinie verschafft, die darin jedoch nicht vorgesehen sei und überdies ihrem Inhalt und ihrem Zweck widerspreche. Die einzige Ausnahme, die der Portugiesischen Republik als übergangsweise Sonderregelung eingeräumt worden sei, bestehe in den in Artikel 5 Absatz 4 der Richtlinie vorgesehenen Steuersätzen.

32 Die portugiesische Regierung und die Finanzverwaltung sind der Ansicht, daß die in Artikel 5 Absatz 4 der Richtlinie vorgesehene Ausnahmeregelung nicht für den ISD gelte. Die Steuer belaste nämlich nicht die Erträge der Wertpapiere, sondern ihren Wert, der mit Hilfe eines Faktors für die Kapitalisierung der Dividenden errechnet werde; die Erhebung der Steuer knüpfe mit anderen Worten an die Kapitalisierung der Dividenden an. Der Abzug nach den Artikeln 182 und 184 des Cimsisd sei daher nicht dasselbe wie die Besteuerung der Erträge von Wertpapieren, die zum Bereich der Einkommensteuer gehöre. Mit Artikel 182 werde eine Besteuerung von Vermögensübertragungen eingeführt, und von dem Verbot des Artikels 5 Absatz 4 der Richtlinie werde er nicht erfasst.

33 Die portugiesische Regierung trägt vor, daß der ISD in der portugiesischen Rechtsordnung eine lange Tradition habe und bei der Reform des Cimsisd im Jahr 1958 beibehalten worden sei. Die pauschale Erbschaft- und Schenkungsteuer habe nicht den Charakter einer Einkommensteuer, sondern sei ein Sonderfall der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Die pauschale Entrichtung entspreche in Wirklichkeit einer Vorauszahlung auf diese Steuer, und ihre Natur als Steuer auf unentgeltliche Vermögensübertragungen, die an die Stelle der allgemeinen Erbschaft- und Schenkungsteuer mit progressivem Steuersatz trete, könne daher nicht in Frage gestellt werden.

34 Zur Stützung ihres Vorbringens legt die portugiesische Regierung ein an den Ausschuß der Ständigen Vertreter gerichtetes Schreiben des Generalsekretariats des Rates vom 25. Mai 1989 betreffend den Entwurf der Richtlinie(7) über Mutter- und Tochtergesellschaften vor, in dem vorgeschlagen wird, der Richtlinie eine Erklärung des Inhalts beizufügen, daß die Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht in ihren Geltungsbereich falle. Sie legt dem Gerichtshof ferner den Entwurf einer gleichlautenden Erklärung des Rates und der Kommission vom 9. Juli 1990(8) vor. Die portugiesische Regierung trägt außerdem vor (in Nr. 5 ihrer schriftlichen Antwort auf eine Frage des Gerichtshofes), ihre Vorbehalte und Bemerkungen seien im Protokoll der 1421. Sitzung des Rates, die am 23. Juli 1990 in Brüssel stattgefunden habe, gebilligt worden; sie beruft sich ferner auf eine Reihe von Dokumenten(9), die sie jedoch dem Gerichtshof nicht in geeigneter Form vorgelegt hat.

35 Die portugiesische Regierung macht schließlich geltend, daß bei den Verhandlungen über Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Bereich der Einkommensteuer die Natur der pauschalen Erbschaft- und Schenkungsteuer geprüft worden sei. Obwohl sie Teil der insgesamt auf Dividenden entfallenden Steuerlast sei, sei stets die Auffassung vertreten worden, daß sie nicht unter diese Abkommen falle, da sie trotz ihrer Bemessungsgrundlage (ausgeschüttete Dividenden) und der Art ihrer Erhebung (Abzug an der Quelle) eine Erbschaftsteuer sei, und daß sie daher nicht dem für Dividenden aufgestellten Hoechstsatz unterliege. Ebensowenig beträfen die Steuersätze der Richtlinie die pauschale Erbschaft- und Schenkungsteuer.

B - Das durch die Richtlinie eingeführte System

36 Durch den Erlaß der Richtlinie schuf der Rat ein Steuersystem, das auf Mutter- und Tochtergesellschaften in den Mitgliedstaaten Anwendung findet. Diese Richtlinie ist einer der ersten Schritte zur Harmonisierung der direkten Steuern(10).

37 Dieses System weist zwei grundlegende Merkmale auf: Zum einen soll es die Doppelbesteuerung der Gewinnausschüttungen einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft an die in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft verhindern, und zum anderen beseitigt es bis auf wenige Ausnahmen die Quellensteuer auf Gewinnausschüttungen einer Tochter- an eine Muttergesellschaft, die in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft ansässig ist(11).

38 Der Gemeinschaftsgesetzgeber ist nämlich der Auffassung(12), daß Zusammenschlüsse von Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, d. h. die Bildung von Unternehmensgruppen, die aus solchen Gesellschaften bestehen, notwendig sein können, um binnenmarktähnliche Verhältnisse in der Gemeinschaft zu schaffen und damit die Errichtung und das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes zu gewährleisten, daß sie nicht durch besondere Beschränkungen, Benachteiligungen oder Verfälschungen aufgrund von steuerlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten behindert werden dürfen und daß demzufolge wettbewerbsneutrale steuerliche Regelungen für diese Zusammenschlüsse geschaffen werden müssen, um die Anpassung von Unternehmen an die Erfordernisse des Gemeinsamen Marktes, eine Erhöhung ihrer Produktivität und eine Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene zu ermöglichen.

39 Zur Sicherung der steuerlichen Neutralität sieht die Richtlinie die Befreiung von der Quellensteuer auf die Gewinne der Muttergesellschaft vor, zumindest wenn diese einen Anteil am Gesellschaftskapital der Tochtergesellschaft von wenigstens 25 % besitzt (Artikel 5 Absatz 1).

40 In seinem Urteil Denkavit u. a.(13) hat der Gerichtshof die Auffassung vertreten, daß "die Richtlinie, wie sich insbesondere aus ihrer dritten Begründungserwägung ergibt, bezweckt, durch Schaffung eines gemeinsamen Steuersystems jede Benachteiligung der Zusammenarbeit zwischen Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten gegenüber der Zusammenarbeit zwischen Gesellschaften desselben Mitgliedstaats zu beseitigen und so die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu erleichtern. Daher sieht Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vor, daß im Staat der Tochtergesellschaft bei der Gewinnausschüttung eine Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle gewährt wird."

41 Artikel 5 Absatz 4 der Richtlinie gestattet der Portugiesischen Republik aus budgetären Gründen, eine Quellensteuer auf Gewinnausschüttungen ihrer Tochtergesellschaften an Muttergesellschaften in einem anderen Mitgliedstaat zu erheben; der Satz dieser Quellensteuer darf während der ersten fünf Jahre nach Beginn der Anwendung der Richtlinie, d. h. nach dem 1. Januar 1992, 15 % und während der letzten drei Jahre 10 % nicht überschreiten.

42 Die Möglichkeit der Portugiesischen Republik, eine Quellensteuer auf die Gewinnausschüttungen einer Tochtergesellschaft an die in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft zu erheben, stellt eine Ausnahme von dem durch Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie eingeführten Grundsatz der Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle dar. Als Ausnahme von dem insoweit geltenden Grundsatz ist sie eng auszulegen, wie der Gerichtshof in ähnlichen Fällen entschieden hat(14).

43 Das Verbot oder, im Fall der Portugiesischen Republik, die Beschränkung des Steuerabzugs an der Quelle verlangt gleichwohl, daß bestimmte, in Artikel 2 Buchstaben a, b und c sowie in Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben a und b genannte Voraussetzungen erfuellt sind. Bei diesen Voraussetzungen handelt es sich um folgende: a) Die Mutter- und Tochtergesellschaften müssen eine der im Anhang der Richtlinie aufgeführten Formen aufweisen; b) die Gesellschaften müssen nach dem Steuerrecht eines Mitgliedstaats in bezug auf den steuerlichen Wohnsitz als in diesem Staat ansässig betrachtet werden und dürfen nicht aufgrund eines mit einem dritten Staat geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommens in bezug auf den steuerlichen Wohnsitz als außerhalb der Gemeinschaft ansässig betrachtet werden; c) sie müssen ohne Wahlmöglichkeit einer der in Artikel 2 Buchstabe c aufgeführten Steuern - dem IRC im Fall von Portugal - oder irgendeiner Steuer, die diese Steuer ersetzt, unterliegen, ohne davon befreit zu sein; d) die Muttergesellschaft muß einen Anteil von wenigstens 25 % am Kapital der Tochtergesellschaft, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, besitzen. Speziell zu diesem letzten Punkt bestimmt Artikel 3 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich, daß die Mitgliedstaaten die Möglichkeiten haben, von der Richtlinie ihre Gesellschaften auszunehmen, die nicht während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens zwei Jahren im Besitz einer Beteiligung bleiben, aufgrund deren sie als Muttergesellschaften gelten, oder an denen eine Gesellschaft eines anderen Mitgliedstaats nicht während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens zwei Jahren eine solche Beteiligung hält.

44 Da zudem der Zweck der Richtlinie darin besteht, die steuerrechtliche Regelung für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu lockern, dürfen "[d]ie Mitgliedstaaten ... insoweit nicht einseitig restriktive Maßnahmen treffen"(15).

C - Beurteilung des streitigen ISD anhand der Richtlinie

45 Gleich zu Anfang ist folgendes klarzustellen: Es ist Sache des Gerichtshofes, unabhängig von der Qualifizierung im nationalen Recht zu entscheiden, inwieweit eine Steuer, die von einem Mitgliedstaat in Form eines Abzugs bestimmter Beträge an der Quelle eingeführt wird, eine Steuer im Sinne der Richtlinie darstellt, deren Einführung und somit deren Erhebung nach Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie untersagt ist bzw. der Portugiesischen Republik nach Artikel 5 Absatz 4 unter bestimmten Voraussetzungen gestattet ist. Meines Erachtens ist es nämlich nicht erforderlich, Begriffe des Gemeinschaftsrechts wie hier den Begriff "Quellensteuer auf Gewinnausschüttungen" mit Hilfe sprachlicher Unterscheidungen oder theoretischer Konstruktionen des nationalen Rechts zu klären. Im übrigen verbietet der Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Recht ein solches Vorgehen. Es wäre sonst möglich, den Geltungsbereich der Vorschriften des Gemeinschaftsrechts unter Berufung auf Unterscheidungen und damit auf Vorschriften des nationalen Rechts zu bestimmen, was nicht dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers entsprechen kann(16).

46 Um zu ermitteln, ob die betreffende Steuer, hier der ISD, unter die Richtlinie fallen kann, sind ihre Bestimmungen zunächst wörtlich, systematisch und teleologisch auszulegen; sodann sind die Merkmale dieser Steuer und insbesondere der Steuertatbestand sowie ihre Bemessungsgrundlage zu untersuchen.

47 Die Richtlinie bezweckt u. a. die Vermeidung der Doppelbesteuerung von Gewinnausschüttungen einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft. Nach ihren Bestimmungen ist der von der Tochtergesellschaft erwirtschaftete Gewinn von der Besteuerung bei der Muttergesellschaft befreit; die Richtlinie enthält mit anderen Worten die Verpflichtung, sowohl die Ausschüttung der Dividenden im Land des Ursprungs - Befreiung von der Quellenbesteuerung - als auch ihren Zufluß in dem Land, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat - Befreiung von der Besteuerung beim Empfänger - von der Steuer zu befreien.

48 Allein aus dem Wortlaut des Artikels 5 Absatz 4 der Richtlinie, der die Ausnahme vorsieht, ergibt sich, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber von "Gewinn" und "Quellensteuer" spricht, nicht aber von Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer, und auch nicht, wie Epson in Nummer 25 ihrer schriftlichen Stellungnahme zu Recht ausführt, irgendeinen anderen Ausdruck verwendet, der eine restriktive Auslegung zuließe(17). Dies bedeutet meines Erachtens, daß jeder Steuerabzug an der Quelle unabhängig von der Bezeichnung und der Natur der auf die Gewinnausschüttungen erhobenen Steuer vom Verbot der Richtlinie erfaßt wird. Es kann mit anderen Worten nicht die Auffassung vertreten werden, daß sich der Steuerabzug an der Quelle nur auf die namentlich in Artikel 2 genannten Steuern bezieht, denn er erstreckt sich auf jede Steuer auf Gewinnausschüttungen (Dividenden), die im Sitzmitgliedstaat der Tochtergesellschaft erhoben wird.

49 Dieses Ergebnis, zu dem die wörtliche und teleologische Auslegung führt, deckt sich mit dem Ergebnis der systematischen Auslegung. Die Vorschrift des Artikels 5 Absatz 4 ist eine Übergangsbestimmung und ist in Verbindung mit Absatz 1 dieses Artikels auszulegen. Sie ist ersichtlich eine Ausnahme von der Vorschrift des Absatzes 1, durch die ein allgemeines Verbot der Quellensteuer auf Gewinnausschüttungen eingeführt wird. Und da diese Bestimmung, wie erwähnt, von einem allgemeinen Grundsatz abweicht, ist sie eng auszulegen. Die Portugiesische Republik muß daher ein bestimmtes Ergebnis herbeiführen, und zwar darf keine Quellensteuer auf Gewinnausschüttungen erhoben werden, die den nach Artikel 5 Absatz 4 zulässigen Satz(18) überschreitet(19).

50 Zwar hängt die Anwendbarkeit der Richtlinie nach Artikel 2 von einer Reihe dort aufgezählter nationaler Steuern ab, und weiter heißt es dort, daß die Gesellschaft eines Mitgliedstaats ohne Befreiungsmöglichkeit einer dieser Steuern unterliegen muß. Diese Aufzählung von Steuern enthält in bezug auf das portugiesische Recht nur den IRC (Körperschaftsteuer). Die Liste der nationalen Steuern ermöglicht es jedoch, soweit die sonstigen Voraussetzungen erfuellt sind(20), den persönlichen Anwendungsbereich der Richtlinie zu bestimmen, d. h. die Gesellschaften, für die sie gilt.

51 Dagegen kann die Liste des Artikels 2 der Richtlinie keine Antwort auf die Frage nach dem sachlichen Anwendungsbereich der Harmonisierungsvorschrift geben, d. h. nach den Abgaben, auf deren Erhebung die Mitgliedstaaten verzichten müssen, und den Einkünften, die sie nicht besteuern dürfen.

52 Wenn sich der Mitgliedstaat, in dem die Muttergesellschaft ansässig ist, zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht für die Befreiung entscheidet(21), sieht zudem der Gemeinschaftsgesetzgeber ausdrücklich vor, daß dieser Staat die Gewinne besteuert und zugleich zuläßt, daß die Gesellschaft den Steuerteilbetrag, den die Tochtergesellschaft für die von ihr ausgeschütteten Gewinne entrichtet, auf die Steuer anrechnen kann(22).

53 Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber in Artikel 7 Absatz 1 mit der Negativdefinition des Begriffs "Steuerabzug an der Quelle" klarstellt, daß dieser in der Richtlinie verwendete Ausdruck nicht die Vorauszahlung der Körperschaftsteuer an den Sitzmitgliedstaat der Tochtergesellschaft umfaßt, die in Verbindung mit der Ausschüttung von Gewinnen an die Muttergesellschaft vorgenommen wird.

54 Im übrigen ist die in den Artikeln 182 und 184 Cimsisd vorgesehene pauschale Steuer i) durch das Erhebungsverfahren, das im Wege des "Abzugs" oder des "Abzugs an der Quelle" erfolgt, und ii) durch ihre praktische Wirksamkeit gekennzeichnet; es handelt sich, wie die Kommission in Nummer 28 ihrer schriftlichen Stellungnahme ausführt, um eine Steuer von 5 % auf die Erträge aus dem Besitz bestimmter Wertpapiere.

55 Es ist daher zu prüfen, inwieweit die Besteuerung der Gewinnausschüttungen zu einem festen Satz von 5 %(23) einen verbotenen Steuerabzug an der Quelle darstellt und inwieweit daher diese Besteuerung, die zu der Quellensteuer auf die Gewinnausschüttungen hinzukommt, die die Portugiesische Republik aufgrund der - wie dargelegt eng auszulegenden - Ausnahmeregelung erheben darf, die von der Richtlinie festgelegte Grenze überschreitet.

56 Der ISD und der IRC haben kumulative Wirkung: Sie haben zur Folge, daß die Hoechstgrenzen überschritten werden, die die Richtlinie der Portugiesischen Republik vorläufig und ausnahmsweise für die Quellensteuer auf die von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschüttete Dividende setzt und die sich auf 15 % (bis zum 1. Januar 1997) und 10 % (bis zum 1. Januar 2000) belaufen.

57 Da der Steuertatbestand der Erbschaft- und Schenkungsteuer (ISD) die Zuteilung von Wertpapiererträgen ist (Dividendenausschüttung aufgrund von Aktien), ihre Berechnungsgrundlage diese Wertpapiererträge sind und ihre Erhebung im Wege des Abzugs an der Quelle erfolgt, unterscheidet sich meines Erachtens der ISD nicht wesentlich, sondern nur durch seine Bezeichnung von der Steuer auf Gewinnausschüttungen, die die Portugiesische Republik aufgrund der Richtlinie erheben darf.

58 Unabhängig von der Qualifizierung als Erbschaft- und Schenkungsteuer(24) nach portugiesischem Recht stellt der ISD daher, wenn er ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Gemeinschaftsrechts betrachtet wird, eine echte Einkommensteuer auf die ausgeschüttete Dividende dar, die neben der im CIRC vorgesehenen Körperschaftsteuer (IRC) erhoben wird, für die im übrigen die in Artikel 5 Absatz 4 der Richtlinie zugunsten der Portugiesischen Republik vorgesehene Ausnahmeregelung gilt.

59 Die Tatsache, daß der ISD im Cimsisd enthalten ist, der die Erbschaft- und Schenkungsteuer regelt, hat unter dem Gesichtspunkt des Gemeinschaftsrechts für seine Qualifizierung als Quellensteuer, die zusammen mit der Körperschaftsteuer des CIRC erhoben wird, keine Bedeutung. Der IRC und der ISD haben als gemeinsame Bemessungsgrundlage die ausgeschüttete Dividende und werden im Wege des Abzugs an der Quelle erhoben.

60 Die Qualifizierung des ISD als eine auf unentgeltliche Übertragungen geschuldete Steuer, die auf die Aktionäre von Gesellschaften mit Sitz in Portugal Anwendung findet, kann daher nichts daran ändern, daß die Besteuerungsgrundlage dieser Steuer die Dividende oder sonstige Bezüge aus Wertpapieren sind, die unabhängig von einer Übertragung den Besitzern dieser Wertpapiere gezahlt werden(25), und daß, wie die Kommission zutreffend in Nummer 36 ihrer schriftlichen Stellungnahme ausführt, die Steuer vom Besitzer dieser Wertpapiere gezahlt wird.

61 Aufgrund dieser Erwägungen komme ich zu dem Ergebnis, daß der ISD mit dem Zweck der Richtlinie nicht vereinbar ist. Die Beibehaltung der Dividendenbesteuerung nach dem Cimsisd nimmt Artikel 5 Absatz 1 jede praktische Wirksamkeit und führt dazu, daß die Einkünfte der Gesellschaften, die grundsätzlich vom Steuerabzug an der Quelle befreit sind, es in Portugal wegen dieser Rechtsvorschriften nicht sind.

62 Die mit der Richtlinie verfolgten Ziele würden daher beeinträchtigt, wenn die Portugiesische Republik völlig freie Hand hätte, Steuern beizubehalten, die eine Quellensteuer darstellen, auch wenn sie anders qualifiziert wurden, um die Verbote der Richtlinie zu umgehen(26), oder wenn eine solche Qualifizierung bereits vorher aufgrund einer nationalen Bestimmung existierte, die älter als die Richtlinie ist, was im wesentlichen auf dasselbe Ergebnis hinausläuft.

63 Zudem kann hierdurch auch der Grundsatz der Steuerneutralität, die zur Verwirklichung des Binnenmarkts unerläßlich ist, beeinträchtigt werden, wenn die Portugiesische Republik die Hoechstgrenzen der ausnahmsweisen Besteuerung überschreitet, die ihr aus budgetären Gründen für begrenzte Zeit nach Artikel 5 Absatz 4 der Richtlinie gestattet wurde.

64 Die Aufrechterhaltung des ISD oder einer anderen, an der Quelle einbehaltenen Steuer auf Gewinnausschüttungen im portugiesischen Recht könnte daher unabhängig von ihrer Bezeichnung eine Bresche in den von der Richtlinie geschaffenen Schutzwall schlagen, da die Portugiesische Republik auf diese Weise die Möglichkeit hätte, die Besteuerung der Gewinnausschüttungen in vollem Umfang dadurch aufrechtzuerhalten, daß sie nach freiem Ermessen den Quellensteuersatz dank des pauschal berechneten ISD oder einer anderen, nach demselben Verfahren erhobenen Steuer erhöht, dabei jedoch das Verbot des Artikels 5 Absatz 4 der Richtlinie unter dem Vorwand umginge, daß diese Steuer nicht ausdrücklich als Einkommensteuer qualifiziert sei.

65 Die nationale Bestimmung ist somit ein Hemmnis für die Zusammenarbeit zwischen Gesellschaften, die in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind, und steht im Widerspruch zum Zweck der Richtlinie, der, wie der Gerichtshof festgestellt hat(27), darin besteht, die Entstehung von Unternehmensgruppen auf Gemeinschaftsebene zu erleichtern. Mit der zusätzlichen Steuer von 5 % auf Dividendenausschüttungen schafft die Portugiesische Republik im Kern besondere Beschränkungen, Benachteiligungen oder Verfälschungen im Bereich des Wettbewerbs aufgrund von nationalen Vorschriften, die den verfolgten Zweck beeinträchtigen, Zusammenschlüsse von Gesellschaften auf Gemeinschaftsebene unter binnenmarktähnlichen Verhältnissen zu fördern und ihre Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene zu stärken(28).

66 Das Vorbringen, das die portugiesische Regierung auf eine Erklärung des Rates und der Kommission stützt, in der es heiße, daß der ISD nicht unter die Richtlinie falle, reicht meines Erachtens nicht aus, um an dem Ergebnis, daß die Anwendung des ISD im vorliegenden Fall vom Verbot der Richtlinie erfasst wird, etwas zu ändern. Ihrem Vorbringen, daß sie gedacht habe, für sie gelte letztlich eine andere als die nach Artikel 5 Absatz 4 der Richtlinie gestattete Ausnahmeregelung, was praktisch bedeuten würde, daß sie andere als die in Artikel 5 Absatz 4 der Richtlinie vorgesehenen Sätze anwenden könnte, kann nicht gefolgt werden. Denn "Erklärungen, die bei vorbereitenden Arbeiten, die zum Erlaß einer Richtlinie führen, in ein Protokoll des Rates aufgenommen werden, [können] nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung der Richtlinie nicht berücksichtigt werden, wenn der Inhalt der Erklärungen im Wortlaut der fraglichen Bestimmung keinen Ausdruck gefunden und somit keine rechtliche Bedeutung hat"(29). Dies bedeutet, daß der Inhalt und die Rechtsfolgen der Handlungen der Gemeinschaftsorgane in erster Linie von ihrem Wortlaut bestimmt werden, so daß ihre Gültigkeit und der Umfang ihres Anwendungsbereichs keinen Beschränkungen unterworfen werden können, die sich aus Vorbehalten und Erklärungen ergeben, die im Stadium der betreffenden Vorarbeiten formuliert worden sind(30).

V - Ergebnis

67 Nach alledem ist die vom Supremo Tribunal Administrativo vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

Artikel 5 Absatz 4 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten ist dahin auszulegen, daß sich die auf 15 % und 10 % festgesetzten Grenzen der Ausnahmeregelung für die Portugiesische Republik auf eine Steuer der vorliegenden Art beziehen, auch wenn sie als Erbschaft- und Schenkungsteuer qualifiziert wird.

(1) - ABl. L 225, S. 6.

(2) - So Generalanwalt Jacobs in Nr. 6 seiner Schlußanträge in den Rechtssachen C-283/94, C-291/94 und C-292/94 (Urteil vom 17. Oktober 1996, Denkavit u. a., Slg. 1996, I-5063). Weiter heißt es dort: "[D]as Einkommen unterliegt möglicherweise einer weiteren Besteuerung auf Gesellschaftsebene, wenn die Muttergesellschaft nur eine zwischengeschaltete Holdinggesellschaft ist, die einer Gesellschaft in einem anderen Staat gehört." Die Hauptfrage in diesen Rechtssachen war, ob es einem Mitgliedstaat nach der Richtlinie gestattet ist, eine Regelung anzuwenden, derzufolge eine Gesellschaft für Ausschüttungen an ihre Muttergesellschaft im ersten Jahr, nachdem sie von dieser erworben worden ist, einen Steuerabzug an der Quelle vorzunehmen hat, so daß der Muttergesellschaft für das erste Jahr die Befreiung von der Quellensteuer versagt wird, selbst wenn sie ihre Beteiligung letzten Endes über diesen Zeitraum hinaus aufrechterhält.

(3) - Nach Absatz 2 dieses Artikels haben die Mitgliedstaaten abweichend von Absatz 1 die Möglichkeit, durch bilaterale Vereinbarung als Kriterium die Stimmrechte statt des Kapitalanteils vorzusehen und von der Richtlinie ihre Gesellschaften auszunehmen, die nicht während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens zwei Jahren im Besitz einer Beteiligung bleiben, aufgrund deren sie als Muttergesellschaften gelten, oder an denen eine Gesellschaft eines anderen Mitgliedstaats nicht während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens zwei Jahren eine solche Beteiligung hält.

(4) - Vgl. die fünfte Begründungserwägung der Richtlinie.

(5) - Der Gemeinschaftsgesetzgeber sah für die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Griechenland insofern eine Ausnahme vor, als er ihnen aufgrund der Besonderheit ihres Körperschaftsteuersystems gestattete, zeitweise eine Quellensteuer beizubehalten.

(6) - Epson hat vorgetragen, daß sie 38 246 Aktien von Epson Portugal besitze.

(7) - Anhang II des Dokuments Nr. 6773/89 FISC 80, S. 12.

(8) - Anhang II des Dokuments Nr. 7384/90 FISC 61, S. 6.

(9) - Dokumente Nr. 7945/90, Punkt 10, S. 3, Nr. 8026/90 PN/CONS 41 und ECOFIN 46 vom 27. Juli 1990 sowie Dokumente Nr. 9598/90 vom 31. Oktober 1990 und Nr. 9738/90 PV/CONS/62 und DEVGEN 61, Punkt 2.

(10) - Der Gerichtshof hat ausgeführt, daß der Bereich der direkten Steuern als solcher beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fällt (vgl. z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1995 in der Rechtssache C-279/93, Schumacker, Slg. 1995, I-225, Randnr. 21). Vgl. ferner Urteil des Gerichtshofes vom 26. September 1996 in der Rechtssache C-287/94 (Frederiksen, Slg. 1996, I-4581, Randnrn. 20 und 21) zur Einkommensteuer, die als direkte Steuer nicht unter die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S. 25) fällt.

(11) - Vgl. Nr. 8 der Schlußanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Denkavit u. a. (zitiert in Fußnote 2).

(12) - Erste Begründungserwägung der Richtlinie.

(13) - Zitiert in Fußnote 2, Randnr. 22.

(14) - Ich erinnere hier daran, daß der Gerichtshof im Urteil Denkavit u. a. (zitiert in Fußnote 2, Randnr. 27) erneut den Grundsatz bestätigt hat, daß Bestimmungen einer Richtlinie, die dazu führen, daß bestimmten Rechtssubjekten Vergünstigungen aufgrund von Gemeinschaftsvorschriften versagt werden, eng auszulegen sind. Dazu hat der Gerichtshof ausgeführt: "[D]ie Ermächtigung der Mitgliedstaaten zur Festsetzung eines Mindestzeitraums, während dessen die Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft beteiligt sein muß, [ist] eng auszulegen, da sie eine Abweichung von dem in Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie aufgestellten Grundsatz der Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle darstellt. Sie darf daher nicht zum Nachteil der begünstigten Unternehmen in einer Weise ausgelegt werden, die über den Wortlaut des Artikels 3 Absatz 2 hinausgeht."

(15) - So der Gerichtshof im Urteil Denkavit u. a. (zitiert in Fußnote 2, Randnr. 26); in jener Rechtssache bestand eine solche restriktive Maßnahme in dem Mindestzeitraum, während dessen die Muttergesellschaft im Zeitpunkt der Gewinnausschüttung, für die sie die Steuervergünstigung beantragte, an der Tochtergesellschaft beteiligt sein mußte.

(16) - Der Gerichtshof hat entschieden, daß der Qualifizierung einer bestimmten nationalen Steuer als direkter oder indirekter Steuer keine ausschlaggebende Bedeutung zukommt. So hat er im Urteil vom 13. Februar 1996 in den Rechtssachen C-197/94 und C-252/94 (Bautiaa und Société française maritime, Slg. 1996, I-505, Randnr. 39) die Ansicht vertreten, daß "die Qualifizierung einer Steuer, Abgabe oder Gebühr nach Gemeinschaftsrecht vom Gerichtshof nach den objektiven Merkmalen der Steuer unabhängig von ihrer Qualifizierung im nationalen Recht vorzunehmen ist". Diese Begriffe sind gegenüber den Begriffen, die im nationalen Recht verwendet werden, autonom. Wie ich kürzlich in Nr. 60 meiner Schlußanträge in der Rechtssache C-56/98 (Urteil vom 29. September 1999, Modelo, Slg. 1999, I-6427) ausgeführt habe, bedeutet dies, daß sie ihre eigene Bedeutung haben, die nicht im Hinblick auf Untersuchungen, Unterscheidungen und theoretische Konstruktionen des innerstaatlichen Rechts der gegenwärtig fünfzehn Mitgliedstaaten bestimmt werden kann.

(17) - Vgl. Artikel 4 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich zweiter Halbsatz sowie die Artikel 5 und 6 der Richtlinie.

(18) - Wie oben ausgeführt, beläuft sich dieser Satz gegenwärtig auf 10 %.

(19) - Zu diesem Ergebnis gelangen folgerichtig auch Francisco de Sousa da Câmara, O regime fiscal comum aplicável às sociedades-mães e sociedades afiliadas de diferentes estados membros da Comunidade Europeia. Comentário à Directiva 90/435/CEE, in dem Abschnitt Fisco, Art. 43 und 44, Juni 1992, S. 40 bis 58, insbesondere S. 51 ff., sowie Alberto Xavier, Direito Tributário Internacional, Tributação das operações internacionais, Coimbra, Almedina, 1993 (XXV und 584 S.), S. 380.

(20) - Es muß sich um eine Gesellschaft handeln, die eine der im Anhang der Richtlinie aufgeführten Rechtsformen aufweist und die in bezug auf den steuerlichen Wohnsitz in diesem Staat ansässig ist.

(21) - Die Möglichkeit der Befreiung ist in Artikel 4 Absatz 1 erster Gedankenstrich der Richtlinie vorgesehen.

(22) - Artikel 4 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich erster Halbsatz und vierte Begründungserwägung zweiter Gedankenstrich der Richtlinie.

(23) - Die Kommission trägt (in Nr. 27 ihrer schriftlichen Stellungnahme) vor, daß die Pauschalbesteuerung einem festen Satz von 5 % auf die Erträge der Wertpapiere unterliege, nicht einem veränderlichen Satz gemäß Artikel 41 Cimsisd, der sich nach dem Wert der erfolgten Übertragungen richte.

(24) - Epson und die Kommission machen lange Ausführungen zu den unterschiedlichen Auffassungen, die es im portugiesischen Recht in bezug auf die Frage gibt, ob diese Steuer eine Einkommensteuer oder eine Erbschaft- und Schenkungsteuer ist, da sie unabhängig von einer Übertragung unter Lebenden oder von Todes wegen erhoben wird. Zu dieser Frage vgl. insbesondere F. de Sousa da Câmara, a. a. O., S. 51 ff., und A. Xavier, a. a. O., S. 378 ff. Vgl. auch die scharfe Kritik am geltenden System in Portugal von Ana Paula Dourado, "O princípio do Direito Comunitário da não-discriminação na tributação sobre o rendimento em Portugal", Eröffnungsrede zum Ersten Internationalen Steuerrechtskongreß in Porto am 22. und 23. Mai 1997, veröffentlicht in EC Tax Review, 1997, Band 1, S. 10 bis 17.

(25) - Vgl. A. Xavier, a. a. O., S. 123, und F. de Sousa da Câmara, a. a. O., S. 51 ff.

(26) - In seinem Urteil vom 2. Dezember 1997 in der Rechtssache C-188/95 (Fantask u. a., Slg. 1997, I-6783, Randnr. 26), in dem er über die Auslegung von Bestimmungen der Richtlinie 69/335 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital zu entscheiden hatte, führte der Gerichtshof im übrigen aus: "[D]ie Ziele der Richtlinie [würden] gefährdet, wenn die Mitgliedstaaten Steuern oder Abgaben mit den gleichen Merkmalen wie die Gesellschaftsteuer dadurch aufrechterhalten könnten, daß sie sie als Gebühren qualifizieren. Daraus folgt, daß die Auslegung des streitigen Begriffes in seiner allgemeinen Bedeutung nicht in das Ermessen jedes einzelnen Mitgliedstaats gestellt werden kann"; vgl. auch Urteil vom 15. Juli 1982 in der Rechtssache 270/81 (Felicitas, Slg. 1982, 2771, Randnr. 14).

(27) - Vgl. Urteil Denkavit u. a. (zitiert in Fußnote 2, Randnr. 22).

(28) - Vgl. die erste Begründungserwägung der Richtlinie.

(29) - Vgl. u. a. Urteile Bautiaa und Société française maritime (zitiert in Fußnote 16, Randnr. 51), Denkavit u. a. (zitiert in Fußnote 2, Randnr. 29), vom 26. Februar 1991 in der Rechtssache C-292/89 (Antonissen, Slg. 1991, I-745, Randnr. 18), vom 23. Februar 1988 in der Rechtssache 429/85 (Kommission/Italien, Slg. 1988, 843, Randnr. 9), vom 15. April 1986 in der Rechtssache 237/84 (Kommission/Belgien, Slg. 1986, 1247, Randnr. 17), vom 30. Januar 1985 in der Rechtssache 143/83 (Kommission/Dänemark, Slg. 1985, 427, Randnrn. 12 und 13) und vom 18. Februar 1970 in der Rechtssache 38/69 (Kommission/Italien, Slg. 1970, 47, Randnr. 12).

(30) - Vgl. Nr. 43 meiner Schlußanträge zum Urteil Bautiaa und Société française maritime (zitiert in Fußnote 16). In dieser Rechtssache stellte sich die Frage, inwieweit sich die französische Regierung auf eine an den Rat gerichtete Erklärung berufen konnte, aus der sich ergab, daß die französische Regierung entgegen dem Wortlaut der endgültigen Fassung der Richtlinie 69/335 eine Sonderregelung bezüglich der in jener Rechtssache streitigen französischen Eintragungssteuer auf Kapitaleinlagen bei einer Fusion hätte aufrechterhalten können. Der Gerichtshof stellte fest (Randnr. 51 des Urteils), daß die französische Regierung keine Angaben dazu habe machen können, ob die Erklärung, die sie erwähnt habe, in das Protokoll der Sitzung des Rates aufgenommen worden sei. Die Erklärung, auf die die französische Regierung sich berufe, habe nicht als ein Gesichtspunkt angesehen werden können, aufgrund dessen vernünftigerweise der Eindruck hätte entstehen können, daß sie trotz des Wortlauts der endgültigen Fassung der Richtlinie 69/335 für die streitige Steuer eine Sonderregelung erreicht hätte.