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Wichtiger rechtlicher Hinweis

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61999C0177

Schlussanträge des Generalanwalts Cosmas vom 23. März 2000. - Ampafrance SA gegen Directeur des services fiscaux de Maine-et-Loire (C-177/99) und Sanofi Synthelabo gegen Directeur des services fiscaux du Val-de-Marne (C-181/99). - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal administratif de Nantes und Tribunal administratif de Melun - Frankreich. - Mehrwertsteuer - Vorsteuerabzug - Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug - Repräsentationsaufwendungen - Verhältnismäßigkeit. - Verbundene Rechtssachen C-177/99 und C-181/99.

Sammlung der Rechtsprechung 2000 Seite I-07013


Schlußanträge des Generalanwalts


I - Einleitung

1 Mit den vorliegenden Fragen, die das Tribunal administratif Melun und das Tribunal administratif Nantes (beide Frankreich) dem Gerichtshof gemäß Artikel 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt haben, wird der Gerichtshof um eine Antwort auf die Frage nach der Gültigkeit der Entscheidung 89/487/EWG des Rates vom 28. Juli 1989(1) zur Ermächtigung der Französischen Republik, eine von Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG(2) zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichende Sondermaßnahme zu treffen, ersucht.

II - Sachverhalt und Verfahren

A - Rechtssache C-177/99

2 Die Ampafrance SA (im Folgenden: Ampafrance) trägt im Rahmen der Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit verschiedene Ausgaben für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen, die sie sowohl für ihr Personal als auch für Dritte tätigt. Sie versuchte, die Mehrwertsteuer für Aufwendungen dieser Art, die im Juni 1993 getätigt wurden, vollständig abzuziehen. Die Steuerverwaltung erkannte diesen Abzug nicht an und berief sich auf Artikel 236 des Anhangs II des französischen Code général des impôts (Allgemeines Steuergesetzbuch), mit dem die Entscheidung 89/487 in innerstaatliches Recht umgesetzt worden war. Ampafrance erhob vor dem Tribunal administratif Nantes Klage auf Erstattung des Teils der Mehrwertsteuer, den sie an die Steuerverwaltung zahlen musste, weil ein Recht auf Abzug der Steuer für die Aufwendungen, die für ihr Personal und für Dritte getätigt worden waren, nicht anerkannt worden war.

3 In der Begründung seines Urteils führt das vorlegende Gericht wie folgt aus:

"Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob die Entscheidung des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 28. Juli 1989, die die französische Regierung ermächtigt, von der Stillhalteklausel, die die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Mai 1977 für Ausschlusstatbestände vorsieht, abzuweichen und die Ausschlüsse vom Vorsteuerabzug bei Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen auf Dritte zu erstrecken, zum einen mit den Zielen der Sechsten Richtlinie und insbesondere mit dem Artikel 27 ... und zum anderen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen dem verfolgten fiskalischen Ziel und den angewandten Mitteln vereinbar ist. Erst die Antwort auf diese Frage, deren Entscheidung nicht offensichtlich ist, lässt eine Beurteilung der Begründetheit der Klage zu. Das Verfahren zur Klage der Société Ampafrance ist daher bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften über diese Vorlagefrage auszusetzen."

4 Das vorlegende Gericht setzte das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofes über die in der Begründung des Vorlageurteils formulierte Vorabentscheidungsfrage aus.

B - Rechtssache C-181/99

5 Die Sanofi Winthrop SA, die nach Fusionen zunächst am 12. Mai 1998 zur Sanofi und sodann am 18. Mai 1999 zur Sanofi-Synthelabo (im Folgenden: Sanofi) wurde, hat vor dem vorlegenden Gericht Klage gegen den Directeur des services fiscaux du Val-de-Marne erhoben: Die zuständigen Finanzbehörden hatten nicht anerkannt, dass die Laboratorien Choay Clin Midy und Millot Solac, deren Rechte und Pflichten die Klägerin übernommen hatte, die Mehrwertsteuer zum Abzug brachte, die auf Aufwendungen für Empfänge zugunsten von Lieferanten und Kunden im November und Dezember 1993 entfallen war. Die Entscheidung des Rechtsstreits macht es erforderlich, die Gültigkeit der Entscheidung 89/487 zu prüfen, auf der die Bestimmungen des Artikels 236 des Anhangs II des Code général des impôts beruhen.

6 Das vorlegende Gericht stellte fest: "Auch wenn das Tribunal die Gültigkeit eines von einer Institution der Europäischen Union erlassenen Rechtsaktes prüfen kann, so darf es dessen Ungültigkeit nicht feststellen. Daher ist gemäß Artikel 177 EG-Vertrag das Verfahren ... auszusetzen, bis der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften über die Gültigkeit der Entscheidung des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 28. Juli 1989 im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entschieden hat." Es setzte das Verfahren zum Klageantrag auf Erstattung der auferlegten zusätzlichen Mehrwertsteuer sowie der damit verbundenen steuerrechtlichen Erzwingungsstrafen bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften über die oben genannte Frage aus.

III - Rechtlicher Rahmen der beiden Rechtssachen

A - Einschlägige Bestimmungen der Sechsten Richtlinie

7 Artikel 17 der Sechsten Richtlinie enthält die Bestimmungen über Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug. Absatz 2 lautet:

"Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a) die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden".

8 Artikel 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie enthält eine Stillhalteklausel, die die Beibehaltung der innerstaatlichen Ausschlüsse des Rechts auf Vorsteuerabzug vorsieht, die vor dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie, also vor dem 1. Januar 1979, galten.

"Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission vor Ablauf eines Zeitraums von vier Jahren nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie einstimmig fest, bei welchen Ausgaben die Mehrwertsteuer nicht abziehbar ist. Auf jeden Fall werden diejenigen Ausgaben vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen.

Bis zum Inkrafttreten der vorstehend bezeichneten Bestimmungen können die Mitgliedstaaten alle Ausschlüsse beibehalten, die ... in ihren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind."

9 Diese Bestimmungen ergeben sich aus dem Umstand, dass der Rat keine abschließende Liste der Gegenstände, Dienstleistungen und allgemein der Tätigkeiten aufgestellt hat, bei denen der Vorsteuerabzug nach den Bestimmungen der Sechsten Richtlinie auszuschließen ist. Die Kommission hatte in der Begründung ihres Vorschlags für die Sechste Richtlinie des Rates(3) ausgeführt, dass bestimmte Ausgaben, selbst wenn sie im Rahmen der normalen Unternehmenstätigkeit anfallen, auch privaten Zwecken dienten. Ihre Aufteilung in "private" und "berufliche" Ausgaben lasse sich daher nicht einwandfrei nachprüfen. Aus diesem Grund sah der Vorschlag für Artikel 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie vor, dass das Recht auf Vorsteuerabzug bei Ausgaben für Unterbringung und Beherbergung, für Bewirtung mit Speisen und Getränken, für Personenbeförderung und für Vergnügungsfahrten sowie für Vergnügungen und für Luxusausgaben ausgeschlossen ist. Dieser Vorschlag wurde nicht angenommen, und so sieht die streitige Bestimmung der Sechsten Richtlinie in der jetzigen Form lediglich vor, dass der Rat das Problem innerhalb von vier Jahren lösen wird und dass über eine Stillhalteklausel die nationalen Ausschlüsse übergangsweise beibehalten werden.

10 In ihrem Vorschlag für eine Zwölfte Richtlinie(4) vom 25. Januar 1983 formulierte die Kommission zudem spezifische, ausführliche Vorschriften, die die Ausgaben für Beförderung, Unterkunft, Verpflegung und Getränke sowie die Repräsentationsaufwendungen und die Aufwendungen für Vergnügungen und Luxusausgaben vom Vorsteuerabzugsrecht ausschlossen. Dieser Vorschlag wurde wegen anhaltender Unstimmigkeiten im Rat zurückgezogen. Seither war es nicht möglich, Gemeinschaftsvorschriften über Einschränkungen des Rechts auf Vorsteuerabzug zu erlassen. Unlängst schlug die Kommission im Rahmen des Vorschlags für eine Richtlinie, den sie dem Rat am 17. Juni 1998(5) vorlegte, vor, bei den Ausgaben für Unterkunft und Verpflegung wegen des mitunter gleichzeitig geschäftlichen und privaten Charakters dieser Ausgaben den Vorsteuerabzug auf 50 % der auf sie entfallenden Mehrwertsteuer zu beschränken. Dagegen hielt es die Kommission bei den Luxusausgaben, den Ausgaben für Vergnügungen oder Repräsentationsaufwendungen für angebracht, den Vorsteuerabzug auszuschließen, da diese keinen streng geschäftlichen Charakter hätten.

11 Artikel 27 der Sechsten Richtlinie lautet:

"(1) Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhüten. Die Maßnahmen zur Vereinfachung der Steuererhebung dürfen den Betrag der im Stadium des Endverbrauchs fälligen Steuer nur in unerheblichem Maße beeinflussen.

(2) Der Mitgliedstaat, der die in Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen einführen möchte, befasst die Kommission damit und übermittelt ihr alle zur Beurteilung zweckdienlichen Angaben.

(3) Die Kommission macht den anderen Mitgliedstaaten hiervon innerhalb eines Monats Mitteilung.

(4) Der Beschluss des Rates gilt als gefasst, wenn innerhalb von zwei Monaten nach der Mitteilung nach Absatz 3 weder die Kommission noch ein Mitgliedstaat beantragt hat, die Angelegenheit im Rat zu erörtern.

(5) Die Mitgliedstaaten, die am 1. Januar 1977 Sondermaßnahmen von der der Art der in Absatz 1 genannten angewandt haben, können sie aufrechterhalten, sofern sie diese der Kommission vor dem 1. Januar 1978 mitteilen und unter der Bedingung, dass diese Sondermaßnahmen - sofern es sich um Maßnahmen zur Erleichterung der Steuererhebung handelt - dem in Absatz 1 festgelegten Kriterium entsprechen."

B - Nationales Steuerrecht

12 Die Artikel 7 und 11 des Dekrets Nr. 67-604 vom 27. Juli 1967(6) lauteten wie folgt:

Artikel 7: "Die Steuer, die auf Aufwendungen für die Unterkunft oder Unterbringung der Führungskräfte und des Personals der Unternehmen entfällt, ist nicht abziehbar.

Das betrifft nicht die Steuer, die auf Aufwendungen für die unentgeltliche Unterkunft des für die Sicherheit oder die Überwachung eines Betriebsgeländes oder einer Baustelle zuständigen Personals am Arbeitsort entfällt."

Artikel 11: "Die Steuer, die auf Aufwendungen zur Befriedigung der individuellen Bedürfnisse der Führungskräfte und des Personals der Unternehmen und insbesondere auf Kosten für Empfänge, Bewirtung sowie Aufführungen entfällt, ist nicht abziehbar.

Dieser Ausschluss betrifft nicht die Aufwendungen

für Gegenstände, die Sachanlagen darstellen und der allgemeinen Befriedigung der Bedürfnisse des Personals am Arbeitsort besonders zugeordnet sind;

für Arbeits- oder Schutzkleidung, mit der ein Unternehmen sein Personal ausstattet."

13 Nach dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie, d. h. nach dem 1. Januar 1979, wurde das Dekret Nr. 79-1163 vom 29. Dezember 1979(7) erlassen. Artikel 25 dieses Dekrets ersetzte Artikel 236 des Anhangs II des Code général des impôts durch folgenden Text:

"Nicht abziehbar ist die Steuer auf Gegenstände oder Dienstleistungen, die von Dritten, den Führungskräften oder dem Personal des Unternehmens genutzt werden, wie die Unterkunft oder Unterbringung, die Kosten für Empfänge, Bewirtung, Aufführungen oder alle Aufwendungen, die in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit Fahrten oder mit dem Wohnen stehen.

Das betrifft nicht die Arbeits- oder Schutzkleidung, die Räume und das dem Personal am Arbeitsort zur Verfügung gestellte Material sowie die unentgeltliche Unterkunft des am Arbeitsort für die Sicherheit oder die Überwachung zuständigen Personals."

14 Der französische Conseil d'État entschied mit Urteil vom 3. Februar 1989, Alitalia (im Folgenden: Urteil Alitalia), dass Artikel 25 des Dekrets von 1979 insoweit gemeinschaftsrechtswidrig sei, als er die Kosten für Gegenstände und Dienstleistungen, die von Dritten genutzt würden, vom Vorsteuerabzugsrecht ausschließe; er war der Auffassung, dass dieser Ausschluss nicht durch die Stillhalteklausel des Artikels 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie gedeckt sei und folglich gegen diese Richtlinie verstoße.

15 Nach Erlass der Entscheidung 89/487 wurde das Dekret Nr. 89-885 vom 14. Dezember 1989(8) erlassen, durch das Artikel 236 des Anhangs II des Code général des impôts neugefasst wurde und folgenden, seither geltenden Wortlaut erhielt:

"... Vorübergehend werden Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge sowie Aufführungen vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen.

Dieser Ausschluss gilt nicht für

1. Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die Bereitstellung von Unterkunft, Verpflegung, Nahrungsmitteln oder Getränken gegen Entgelt;

2. Aufwendungen für die unentgeltliche Bereitstellung von Unterkünften auf Baustellen oder auf dem Betriebsgelände von Sicherheitsdienst-Unternehmen sowie Wach- und Schließgesellschaften;

3. Aufwendungen eines Steuerpflichtigen aufgrund einer vertraglichen oder gesetzlichen Haftung gegenüber seinen Kunden."

C - Die Entscheidung 89/487

16 Aufgrund des Urteils, das Artikel 25 des Dekrets von 1979 für nichtig erklärte, beantragte Frankreich beim Rat, nationale Abweichungen vom allgemeinen System der Sechsten Richtlinie zu genehmigen, und zwar auf der Grundlage des Artikels 27 dieser Richtlinie. Sie beantragten u. a., den Abzug der Mehrwertsteuer, die auf Ausgaben für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen entfällt, untersagen zu dürfen.

17 In den Begründungserwägungen der streitigen Entscheidung trug der Rat dem Umstand Rechnung, dass "[d]urch die beantragte Maßnahme ... weitere Aufwendungen für Unterbringung, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen werden [sollen], um Steuerhinterziehungen und -umgehungen zu verhindern."

18 Artikel 1 der Entscheidung 89/487 lautet:

"(1) Abweichend von Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie wird die Französische Republik ermächtigt, vorübergehend und längstens bis zum Inkrafttreten der Gemeinschaftsvorschriften zur steuerlichen Behandlung der in Unterabsatz 1 desselben Absatzes genannten Ausgaben die Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge sowie Aufführungen vom Vorsteuerabzugsrecht auszuschließen.

(2) Der Ausschluss nach Absatz 1 gilt jedoch nicht für

- Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die Bereitstellung von Unterkunft, Verpflegung, Nahrungsmitteln oder Getränken gegen Entgelt;

- Aufwendungen für die unentgeltliche Bereitstellung von Unterkünften auf Baustellen oder auf dem Betriebsgelände von Sicherheitsdienst-Unternehmen sowie Wach- und Schließgesellschaften;

- Aufwendungen eines Steuerpflichtigen aufgrund einer vertraglichen oder gesetzlichen Haftung gegenüber seinen Kunden."

IV - Rechtsprechung des Gerichtshofes

19 Bevor ich die einzelnen Gesichtspunkte für eine Beantwortung der Vorlagefragen erörtere, ist an die Grundlinien zu erinnern, denen die Rechtsprechung des Gerichtshofes bei der Auslegung der Artikel 17 und 27 der Sechsten Richtlinie folgt.

A - Artikel 17 der Sechsten Richtlinie

20 Der Gerichtshof hat zunächst deutlich gemacht, dass das Recht auf Vorsteuerabzug für Gegenstände und Dienstleistungen, die innerhalb der von Artikel 17 der Sechsten Richtlinie festgelegten Grenzen zur Verwirklichung steuerbarer Umsätze verwendet werden, eine der Grundlagen des gemeinschaftlichen Steuerrechts darstellt, weil es in unmittelbarem Zusammenhang mit den grundlegenden Prinzipien der Steuerneutralität(9) und der steuerlichen Gleichbehandlung steht.

21 In seinem Urteil Kommission/Frankreich(10) hat der Gerichtshof festgestellt, dass "aus den ... Merkmalen der Mehrwertsteuer abzuleiten [ist], dass der Unternehmer durch die Regelung über den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden soll. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet daher, dass alle wirtschaftlichen Tätigkeiten, sofern sie der Mehrwertsteuer unterliegen, unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis in völlig neutraler Weise steuerlich belastet werden"(11). Folglich "[muss] es den Steuerpflichtigen möglich sein ..., das Recht auf Abzug der gesamten Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort auszuüben, sofern es keine Vorschrift gibt, die den Mitgliedstaaten eine Einschränkung dieses Rechts gestattet"(12). Der Gerichtshof legt mit anderen Worten dem in Artikel 17 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen vollständigen und sofortigen Vorsteuerabzug eine besondere Bedeutung bei(13).

22 Hierzu wurde in dem Urteil Intiem(14) ausgeführt, dass der Mechanismus des von der Sechsten Richtlinie geregelten Vorsteuerabzugs "so anzuwenden ist, dass sein Anwendungsbereich so weit wie möglich dem Bereich der Geschäftstätigkeit des Steuerpflichtigen entspricht"(15). Ausgehend von dieser Prämisse entschied der Gerichtshof, es sei nicht möglich das Recht zum Abzug der Mehrwertsteuer auszuschließen, die für Gegenstände entrichtet wurde, die, obwohl sie dem Steuerpflichtigen zur ausschließlichen Verwendung im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit verkauft worden sind, körperlich an seine Arbeitnehmer abgegeben wurden(16).

23 Der Gerichtshof hat diese Rechtsprechung in dem Urteil BP Supergaz(17) bestätigt. Er wiederholte zunächst, dass "[n]ach dem dem System der Mehrwertsteuer innewohnenden Grundprinzip, das sich in der Ersten und in der Sechsten Richtlinie jeweils aus Artikel 2 ergibt, ... die Mehrwertsteuer auf jeden Produktions- oder Vertriebsvorgang erhoben [wird], wobei die Mehrwertsteuer abgezogen wird, mit der die zuvor getätigten Umsätze unmittelbar belastet worden sind"(18). Zu dem in den Artikeln 17 ff. der Sechsten Richtlinie geregelten Recht auf Vorsteuerabzug stellte der Gerichtshof fest: Dieses Recht "[ist] integrierender Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ... kann dieses Recht für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden. Eine Einschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug wirkt sich auf die Höhe der steuerlichen Belastung aus und muss in allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise gelten. Ausnahmen sind daher nur in den in der Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig"(19).

24 Die Stillhalteklausel des Artikels 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie ist eine solche Ausnahme von der allgemeinen Regel des Steuerabzugs. In zwei kürzlich ergangenen Urteilen hat der Gerichtshof allerdings eine enge Auslegung dieser Ausnahmeregelung abgelehnt und damit den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen zuerkannt.

25 In der Rechtssache C-43/96 (Kommission/Frankreich)(20) stellte sich die Frage, ob sich der oben genannte nationale Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts auf Ausgaben ohne streng geschäftlichen Charakter zu beschränken hat, d. h. auf Ausgaben eines Steuerpflichtigen für Gegenstände und Dienstleistungen, die für die Ausübung seines Berufes nicht völlig unabdingbar sind. Der Gerichtshof hat sich dieser von der Kommission vertretenen engen Auslegung nicht angeschlossen. Er entschied, dass nach der betreffenden Bestimmung der Sechsten Richtlinie "die Mitgliedstaaten ... berechtigt [sind], nationale Vorschriften beizubehalten, die das Vorsteuerabzugsrecht für Transportmittel ausschließen, die das Arbeitsgerät des Steuerpflichtigen darstellen"(21).

26 Der Gerichtshof folgte derselben Argumentation in der Rechtssache Royscot u. a.(22), die, wie die Rechtssache C-43/96 (Kommission/Frankreich), die Frage betraf, ob nationale Ausnahmebestimmungen, die den Vorsteuerabzug beim Erwerb von Kraftfahrzeugen untersagen, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Der Gerichtshof stellte fest, dass sich "[a]us dem klaren und eindeutigen Wortlaut [der streitigen Stillhalteklausel] ergibt ..., dass die Mitgliedstaaten berechtigt waren, selbst Ausgaben mit streng geschäftlichem Charakter vom Recht auf Vorsteuerabzug auszuschließen"(23). Folglich ist das den Mitgliedstaaten eingeräumte Ermessen besonders weit; die einzige Beschränkung, denen die Mitgliedstaaten unterliegen, besteht darin, dass sie nicht berechtigt sind, "alle oder praktisch alle Gegenstände und Dienstleistungen vom Vorsteuerabzug auszuschließen"(24).

27 Ein weiterer Gesichtspunkt dieses Urteils ist von Bedeutung. Die Kommission hatte vorgetragen, ein Mitgliedstaat könne das auf der Stillhalteklausel des Artikels 17 der Sechsten Richtlinie beruhende Recht auf Beibehaltung der Ausschlüsse des Vorsteuerabzugsrechts verlieren, wenn er danach sein nationales Rechts so ändere, dass die streitige Klausel unanwendbar werde(25). Der Gerichtshof nahm zu diesen Ausführungen nicht ausdrücklich Stellung; seine Haltung erlaubt jedoch den Umkehrschluss, dass er entweder der Auffassung war, dass im Rahmen des bei ihm anhängenden Rechtsstreits die streitigen Änderungen des nationalen Rechts die Stillhalteklausel nicht verletzt hätten, oder dass die zeitlich nach der Klausel vorgenommenen Änderungen der nationalen Vorschriften nicht rechtfertigten, dass die Mitgliedstaaten die ihnen aufgrund der Klausel zustehenden Rechte verlören. Die Fragen nach den Folgen, die die späteren Änderungen des innerstaatlichen Rechts im Zusammenhang mit der Stillhalteklausel haben, sind jedenfalls vom Gerichtshof nicht abschließend behandelt worden(26).

28 Die Haltung des Gerichtshofes bei der Auslegung des Artikels 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie lässt sich nur verstehen, wenn man bedenkt, dass sich die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaftsorgane nicht darüber verständigen konnten, welche Aufwendungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen(27). Die bei der Ausarbeitung der streitigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie aufgetretenen Schwierigkeiten und die anhaltende Untätigkeit des Rates, der sogar nach Ablauf der in der Richtlinie festgesetzten Vierjahresfrist(28) keine Maßnahmen getroffen hat, wurden sowohl vom Gerichtshof und vom Generalanwalt in der Rechtssache Kommission/Frankreich(29) als auch vom Generalanwalt in der Rechtssache Royscot(30) zur Sprache gebracht. Da es dem zuständigen Gemeinschaftsgesetzgeber nicht gelungen ist, geeignete Bestimmungen zu erlassen, die eine Aufhebung der Stillhalteklausel des Artikels 17 der Sechsten Richtlinie ermöglicht hätten, ist es nicht Sache des Gerichtshofes, sich mit dem Vorschlag, die Klausel eng auszulegen, an die Stelle des Gesetzgebers zu setzen.

B - Artikel 27 der Sechsten Richtlinie

29 Artikel 27 der Sechsten Richtlinie sieht vor, dass der Rat jeden Mitgliedstaat ermächtigen kann, abweichende nationale Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhüten. Die Rechtsprechung des Gerichtshofes hierzu ist bislang folgende:

30 Das Urteil in der Rechtssache 324/82 (Kommission/Belgien)(31) hat deutlich gemacht, dass die den nationalen Stellen eingeräumte Befugnis, eine abweichende Vorschrift beizubehalten oder eine neue Vorschrift einzuführen, nur zu den Abweichungen berechtigt, die zur Erreichung der ausdrücklich genannten Ziele des Artikels 27 - Vereinfachung der Steuererhebung und Verhütung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen - erforderlich sind. In diesem Urteil entschied der Gerichtshof, dass das Königreich Belgien gegen seine Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht verstoßen habe, da es nicht nachgewiesen habe, dass die streitigen nationalen Maßnahmen bezüglich der Besteuerung von Kraftfahrzeugen erforderlich gewesen seien, um die Gefahr von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhüten.

31 In dem Urteil Direct Cosmetics I(32) hat der Gerichtshof dann den Ausnahmecharakter der in Artikel 27 der Richtlinie genannten Abweichungen hervorgehoben. Eine nationale Rechtsvorschrift, die gemäß Artikel 27 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie von den Vorschriften dieser Richtlinie abweiche, dürfe nicht weit ausgelegt werden. Spätere Änderungen dieser Rechtsvorschrift, durch die der Anwendungsbereich der von der Sechsten Richtlinie abweichenden nationalen Vorschriften erweitert werde, ständen nur dann im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht, wenn sie vom Rat gemäß Artikel 27 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie genehmigt worden seien.

32 In dem Urteil Direct Cosmetics und Laughtons Photographs(33) hatte der Gerichtshof die Gültigkeit einer Entscheidung des Rates zu prüfen, mit der der Erlass einer von der Sechsten Richtlinie abweichenden nationalen Sondermaßnahme genehmigt worden war. Der Gerichtshof prüfte die Gültigkeit der Genehmigungsentscheidung des Rates im Hinblick auf die in Artikel 27 der Sechsten Richtlinie aufgestellten Kriterien, auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und auf die Grundprinzipien der Richtlinie. Er war der Auffassung, dass in der Mitteilung, die der betreffende Mitgliedstaat gemäß Artikel 27 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie, an die Kommission gerichtet hatte, "ausreichend" auf die Probleme hingewiesen worden sei, denen mit dieser nationalen Maßnahme habe begegnet werden sollen, und dass sie auch alle für die Feststellung des verfolgten Zieles wesentlichen Angaben enthalten habe(34). Er stellte sodann fest, dass die durch die Entscheidung des Rates genehmigten Maßnahmen, gemessen am angestrebten Ziel, nicht unverhältnismäßig seien(35), angesichts der "Bewegungsfreiheit", die diese Maßnahmen den zuständigen Steuerbehörden einräumten, "damit sie von dieser Maßnahme in den Fällen Gebrauch machen können, in denen ihre Anwendung als angebracht angesehen wird"(36).

33 Diese Rechtsprechung lag auch dem Urteil BP Soupergaz(37) zugrunde, demzufolge Abweichungen von der Sechsten Richtlinie "nur dann im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht [stehen], wenn sie zum einen im Rahmen der in Artikel 27 Absatz 1 genannten Ziele bleiben und wenn sie zum anderen der Kommission mitgeteilt worden sind und der Rat gemäß Artikel 27 Absätze 1 bis 4 seine stillschweigende oder ausdrückliche Ermächtigung dazu erteilt hat"(38).

34 In der Rechtssache Skripalle(39) schließlich hatte der Gerichtshof den Anwendungsbereich einer der Bundesrepublik Deutschland vom Rat gemäß Artikel 27 der Sechsten Richtlinie erteilten Ermächtigung zum Erlass einer von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichenden Sonderbestimmung über die Besteuerung von unentgeltlichen Dienstleistungen zwischen nahestehenden Personen oder Verwandten zu prüfen. In seinem Urteil wies der Gerichtshof darauf hin, dass "abweichende nationale Maßnahmen, die Steuerhinterziehungen oder -umgehungen verhüten sollen, eng auszulegen [sind]" und dass sie von den allgemeinen Vorschriften der Sechsten Richtlinie "nur insoweit abweichen [dürfen], als dies für die Erreichung dieses Zieles unbedingt erforderlich ist"(40). Bei seiner Prüfung, ob diese Voraussetzungen in jenem Fall erfuellt waren, räumte der Gerichtshof ein, dass bei Rechtsgeschäften zwischen Angehörigen derselben Familie oder zwischen einander nahestehenden Personen eine gewisse Gefahr der Steuerhinterziehung oder -umgehung bestehen könne; er entschied jedoch, dass eine solche Gefahr nicht bestehe, "wenn sich aus objektiven Umständen ergibt, dass der Steuerpflichtige korrekt gehandelt hat"(41). Aus diesem Grund definierte der Gerichtshof den Anwendungsbereich der Ermächtigung, die der Rat der Bundesrepublik Deutschland erteilt hatte, restriktiv.

35 Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich für die streitige Frage folgende Vorgaben. Der Vorsteuerabzug im Rahmen des Artikels 17 der Sechsten Richtlinie, der weiteren steuerbaren Umsätzen vorausgeht und für Gegenstände und Dienstleistungen erfolgt, die auf einer Zwischenstufe genutzt werden, ist ein wichtiger Bestandteil der gemeinschaftlichen Mehrwertsteuerregelung, der im unmittelbaren Zusammenhang mit dem elementaren Prinzip der Steuerneutralität steht. Die Ausnahmen von dieser allgemeinen Vorschrift, die sich insbesondere aus der in Artikel 27 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befugnis ergeben, neue Abweichungen vom allgemeinen System der Richtlinie einzuführen, sind daher grundsätzlich eng auszulegen. Die Befugnis der Mitgliedstaaten aufgrund der Stillhalteklausel des Artikels 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie, die vor dem Inkrafttreten der Richtlinie vorgesehenen Ausschlüsse des Vorsteuerabzugs beizubehalten, geht hingegen nach der derzeitigen Rechtsprechung insofern besonders weit, als sie für jede Aufwendung unabhängig von ihrem geschäftlichen Charakter gilt: Die einzige Einschränkung, der die Befugnis der Mitgliedstaaten zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs unterliegt, betrifft den Extremfall, dass ein Mitgliedstaat am Ende alle oder praktisch alle Gegenstände und Dienstleistungen vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen hätte.

V - Gegenstand der Entscheidung 89/487 des Rates

36 Vor der Prüfung der Gültigkeit der streitigen Entscheidung ist deren genauer Gegenstand zu bestimmen. Nach Auffassung von Ampafrance umfasst die Abweichung, die der Französischen Republik vom Rat gestattet wurde, alle Aufwendungen für Unterbringung, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen unabhängig von der Eigenschaft desjenigen, zu dessen Gunsten der Steuerpflichtige diese Ausgaben trägt. Die französische Regierung dagegen trägt vor, angesichts des Zusammenhangs, in dem die streitige Entscheidung innerhalb der nationalen Rechtsordnung stehe, könne die Abweichung nur den Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts für die Aufwendungen bezwecken, die zugunsten von nicht zum betreffenden Unternehmen gehörenden Dritten getätigt werden. Die Kommission schließt sich dieser Auffassung offensichtlich an. Sanofi und der Rat tragen zu dieser Frage in ihren Stellungnahmen nichts vor.

A - Vorbringen der Parteien

37 Ampafrance legt zunächst ihren Standpunkt zum geltenden französischen Steuerrecht dar. Sie ist der Auffassung, dass die ursprüngliche Regelung, die durch das Dekret von 1967 eingeführt worden sei, nur die Aufwendungen vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen habe, die zur Befriedigung des individuellen Bedarfs der Führungskräfte und des Personals der Unternehmens getätigt worden seien. Das Dekret von 1979 habe den Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts auf alle Aufwendungen für Unterbringung, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen ausgedehnt, ohne danach zu unterscheiden, ob sie den Führungskräften und dem Personal des Unternehmens oder Dritten zugute kämen. Zudem habe das Dekret von 1979 die Aufwendungen nicht danach unterschieden, ob sie geschäftlichen Charakter haben oder nicht. In seinem Urteil Alitalia habe der Conseil d'État den Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug für Aufwendungen, die vom Steuerpflichtigen zugunsten von Dritten getätigt würden, als mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar angesehen. Hinsichtlich dieser Art von Aufwendungen entnimmt Ampafrance der Rechtsprechung des Conseil d'État(42), die vor dem Urteil Alitalia erging, dass auf Aufwendungen zugunsten der Führungskräfte und des Personals des Unternehmens entfallende Mehrwertsteuer nach dem Dekret 1967 abgezogen habe werden können, sofern ihr geschäftlicher Charakter nachgewiesen worden sei. Aus der Rechtsprechung des Conseil d'État zieht Ampafrance den Schluss, dass die Befugnis des Steuerpflichtigen, die Mehrwertsteuer für Aufwendungen abzuziehen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit stehen, niemals in Frage gestellt worden sei. Aus diesem Grund habe Frankreich das Verfahren nach Artikel 27 der Sechsten Richtlinie eingeleitet, um alle Aufwendungen für Unterbringung, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen unabhängig davon vom Vorsteuerabzugsrecht ausschließen zu können, ob sie einen geschäftlichen Charakter hätten.

38 Auf diese Auslegung der in Frankreich seit 1967 geltenden Steuerregelung beruft sich Ampafrance für ihre Auffassung, dass die streitige Entscheidung 89/487 die Kategorie der Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen insgesamt erfasse und nicht nur die, die die steuerpflichtigen Unternehmen zugunsten von Dritten trügen. Soweit die Französische Republik das Dekret von 1967 beibehalten habe, lasse die Stillhalteklausel des Artikels 17 der Sechsten Richtlinie nur den Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug für die Aufwendungen zu, die zur Befriedigung des individuellen Bedarfs der Führungskräfte und des Personals der Unternehmens getätigt worden seien. Dass der Conseil d'État in dem Urteil Alitalia die Vereinbarkeit lediglich derjenigen Bestimmungen des Dekrets 1979 mit dem Gemeinschaftsrecht verneint habe, die sich auf die Aufwendungen zugunsten von Dritten bezögen, könne nicht als Hinweis darauf verstanden werden, dass der allgemeine Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts für Ausgaben, die zugunsten des Personals des steuerpflichtigen Unternehmens getätigt würden, - wie er vom Dekret von 1979 vorgesehen sei und bis jetzt fortgelte -, durch die Stillhalteklausel des Artikels 17 der Sechsten Richtlinie gedeckt sei und daher mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang stehe. Auf jeden Fall habe das Dekret von 1979 das Dekret von 1967 aufgehoben; die Französische Republik habe folglich die Befugnis, sich auf die Stillhalteklausel zu berufen, bereits verloren gehabt, als sie das Verfahren des Artikels 27 der Sechsten Richtlinie eingeleitet habe. Hieraus sei zu schließen, dass die vom Rat in der Entscheidung 89/487 erteilte Ermächtigung nur die Ausgaben für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen insgesamt betreffen könne.

39 Sanofi hat in der Sitzung denselben Standpunkt vertreten. Sie hat vorgetragen, dass die Entscheidung alle Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen unabhängig von der Eigenschaft derjenigen betreffe, denen sie zugute kämen.

40 Dagegen führt die Französische Regierung aus, der Gegenstand der streitigen Entscheidung des Rates sei deutlich enger als von den Klägerinnen vorgetragen. Sie beruft sich auf das Urteil Alitalia des Conseil d'État, dem sie e contrario entnimmt, dass der allgemeine, bereits durch das Dekret von 1967 eingeführte Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug bei Aufwendungen für Unterkunft usw., die zugunsten der Führungskräfte und des Personals der steuerpflichtigen Unternehmen getätigt worden seien, von der Stillhalteklausel des Artikels 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie gedeckt sei und folglich nicht gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße. Nach dem Urteil Alitalia habe die Französische Republik, um das spezifische Problem der steuerlichen Behandlung der Aufwendungen zu lösen, die die Unternehmen zugunsten von Dritten tätigen, beschlossen, von der Möglichkeit des Artikels 27 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie Gebrauch zu machen und bei der Kommission einen entsprechenden Antrag zu stellen. Angesichts des Rahmens, in dem dieser Antrag den Gemeinschaftsorganen vorgelegt worden sei, beschränke die Entscheidung 89/487 daher den Ausschluss der Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen vom Vorsteuerabzugsrecht auf die Fälle, in denen diese Aufwendungen von den steuerpflichtigen Unternehmen zugunsten von Dritten getätigt würden.

41 Die Kommission führt hierzu des Näheren aus, die Abweichung von den allgemeinen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, die durch die Entscheidung 89/487 eingeführt worden sei, betreffe Artikel 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie und nicht, wie es versehentlich in dieser Entscheidung heiße, Absatz 6. Der von Frankreich gestellte Antrag gehöre in den Rahmen des Artikels 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie und sei auf die Änderung der nationalen Rechtsvorschriften dahin gerichtet, den Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug auf Aufwendungen zu erstrecken, die von steuerpflichtigen Unternehmen zugunsten von Dritten getätigt würden. Diese restriktive Auslegung der Entscheidung 89/487 beruhe auf dem Urteil Alitalia des Conseil d'État, wonach die Ausweitung der nationalen Regelung über den Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts nur insoweit gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße, als diese die spezifische Kategorie der zugunsten von Dritten getätigten Aufwendungen betreffe.

42 In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien besonderes Gewicht darauf gelegt, die Vorschriften der Sechsten Richtlinie zu bestimmen, von denen abweichen zu dürfen die Französische Republik beantragt hatte; die Ermächtigung zu dieser Abweichung wurde durch die hier fragliche Entscheidung des Rates erteilt. Die Kommission hat ihre Auffassung wiederholt, dass es sich um Artikel 17 Absatz 2 und nicht, wie es versehentlich in der Entscheidung heiße, um Absatz 6 handele. Die französische Regierung und der Rat haben die Auffassung vertreten, dass diese Abweichung insgesamt rechtmäßig sei und jedenfalls sowohl Absatz 2 als auch Absatz 6 des Artikels 17 der Sechsten Richtlinie betreffe. Die Klägerinnen haben vorgetragen, da in der Entscheidung Artikel 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie genannt werde, könne die Kommission nicht behaupten, es handele sich lediglich um ein Versehen. Da die Entscheidung zur Einführung von Abweichungen von Artikel 17 Absatz 6 ermächtige, sei sie ungültig.

B - Stellungnahme

a) Die Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, von denen aufgrund der fraglichen Entscheidung abgewichen werden darf

43 Ich werde zunächst die Frage prüfen, ob die streitige Entscheidung Artikel 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie und/oder Absatz 2 betraf. Das Erste trifft nicht zu. Es ist schon fraglich, worin die Abweichungen von der Stillhalteklausel des Artikels 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie bestehen sollten. Wahrscheinlich sollte die Entscheidung die Französische Republik ermächtigen, den Anwendungsbereich der Stillhalteklausel durch Einführung von Ausschlüssen des Vorsteuerabzugsrechts über diejenigen hinaus zu erweitern, die das nationale Recht beim Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie vorsah. Das ist jedoch keine Erweiterung des Gegenstands der Stillhalteklausel, da das Problem nicht darin besteht, eine bereits bestehende Rechtsvorschrift beizubehalten, sondern darin, neue, gegen die Sechste Richtlinie verstoßende nationale Bestimmungen einzuführen. Diese nationalen Bestimmungen stehen nicht im Widerspruch zur Stillhalteklausel des Artikels 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie; sie fallen nur nicht darunter. Sie verstoßen allerdings gegen Artikel 17 Absatz 2; deshalb ist beim Rat Antrag auf Ermächtigung nach Artikel 27 zu stellen. Es widerspricht folglich dem Aufbau der Sechsten Richtlinie, sich auf Artikel 27 dieser Richtlinie zu stützen, um die Einführung von nationalen Abweichungen von der Stillhalteklausel zu rechtfertigen. Artikel 27 gibt den Mitgliedstaaten die Befugnis, dadurch von den Bestimmungen der Sechsten Richtlinie abzuweichen, dass neue Maßnahmen erlassen werden, nicht aber dadurch, dass Vorschriften beibehalten werden, die vor Erlass dieser Richtlinie in Kraft waren. Die letztgenannten Vorschriften sind auf jeden Fall durch die Stillhalteklausel des Artikels 17 Absatz 6 gedeckt, so dass es nicht erforderlich ist, dass sie vom Rat nach Maßgabe des Verfahrens des Artikels 27 der Sechsten Richtlinie genehmigt werden. Der Verweis auf Artikel 17 Absatz 6 in der Entscheidung des Rates ist daher offensichtlich unzutreffend, und die Kommission weist zu Recht darauf hin, dass die von der Französischen Republik vorgeschlagenen Ausschlüsse des Rechts auf Vorsteuerabzug unter Artikel 17 Absatz 2 fallen müssen.

44 Es stellt sich somit die Frage, ob dieser unzutreffende Verweis auf Artikel 17 Absatz 6 statt auf Absatz 2 die fragliche Entscheidung fehlerhaft und damit ungültig macht, wie die Klägerinnen meinen, oder einen Mangel der Entscheidung darstellt, der, wie die Kommission meint, behoben werden kann. Es zeigt sich, dass sich während des gesamten Entscheidungsverfahrens sowohl die französische Regierung in ihrem Antrag gemäß Artikel 27 der Sechsten Richtlinie, als auch die Kommission in ihrem Vorschlag, den sie dem Rat vorgelegt hat (KOM[89] 346 endg., vom 10. Juli 1989), und der Rat in seiner Entscheidung im Rechtsirrtum darüber befanden, von welchen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie eine Abweichung beantragt wurde. Der Antrag der Französischen Republik bezog sich auf Artikel 17 Absatz 6; der Vorschlag der Kommission und die Entscheidung des Rates nannten dieselbe Bestimmung. Es lässt sich daher vertreten, dass die Entscheidung nicht rechtmäßig ist, weil ihr Gegenstand rechtlich unzutreffend ist.

45 Das ginge jedoch zu weit. Eine Handlung ist nicht allein deshalb unwiderruflich zu verwerfen, weil die an der Vornahme dieser Gemeinschaftshandlung Beteiligten den anwendbaren rechtlichen Rahmen fehlerhaft bestimmt haben. Dagegen ist zu prüfen, inwieweit die anwendbaren Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts im vorliegenden Fall eingehalten wurden, und zwar unabhängig davon, ob der Verweis, der in der Entscheidung enthalten ist, richtig oder falsch ist. Vor allem ist entscheidend, ob die Französische Republik das Verfahren des Artikels 27 der Sechsten Richtlinie benutzen konnte, um nationale Bestimmungen einzuführen, die gegen die Bestimmungen der Sechsten Richtlinie verstoßen, auch wenn sie und die Gemeinschaftsorgane, die die betreffende Ermächtigung erteilten, irrtümlich glaubten, dass diese nationalen Bestimmungen im Widerspruch zu Artikel 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie, nicht aber zu Absatz 2 stuenden. Schließlich verstießen die Ausschlüsse des Rechts auf Vorsteuerabzug, die die Französische Republik dem Rat zur Genehmigung vorlegte, mit Sicherheit nicht gegen Artikel 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie, sehr wohl aber gegen Absatz 2.

b) Umfang des Ausschlusses des Rechts auf Vorsteuerabzug, zu dem die fragliche Entscheidung ermächtigte

46 Es bleibt zu prüfen, ob der Ausschluss der Aufwendungen für Unterbringung, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen vom Vorsteuerabzugsrecht, zu dem die Entscheidung des Rates ermächtigte, die Gesamtheit dieser Aufwendungen unabhängig von der Eigenschaft desjenigen erfasst, zu dessen Gunsten sie getätigt werden, oder ob er nur die Aufwendungen betrifft, die zugunsten von Dritten getätigt werden. Ausgangspunkt dieser Prüfung ist für mich das Schreiben, mit dem die Französische Republik die Anwendung des Artikels 27 der Sechsten Richtlinie beantragte, um von den allgemeinen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie abweichende nationale Bestimmungen einführen zu können. Sowohl die französische Regierung als auch die Kommission vertreten unter Bezugnahme auf dieses Schreiben die Auffassung, aus ihm gehe mittelbar hervor, dass der Antrag auf Ermächtigung, den die Französische Republik an den Rat gerichtet habe, nur diejenigen Aufwendungen für Unterbringung, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen betreffe, die zugunsten von Dritten getätigt würden.

47 Meines Erachtens enthalten die Ausführungen der französischen Stellen in ihrem Schreiben an die Kommission vom 13. April 1989 einen grundlegenden Widerspruch. Einerseits setzen sie als selbstverständlich voraus, dass im innerstaatlichen Recht der Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug bei den streitigen Aufwendungen für das Personal und die Führungskräfte der Unternehmen auf dem Dekret von 1967 beruhe, das grundsätzlich durch die Stillhalteklausel des Artikels 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie gedeckt sei, wogegen der Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug bei Aufwendungen dieser Art, die von den Unternehmen zugunsten von Dritten getätigt werden, vor allem nach dem Urteil Alitalia des Conseil d'État in den nationalen Rechtsvorschriften, die vor der Sechsten Richtlinie ergangen seien, keine gesetzliche Grundlage finde. Andererseits ist der Antrag der Französischen Republik, von den Vorschriften der Sechsten Richtlinie gemäß Artikel 27 abweichen zu dürfen, so gefasst, dass er sich auf die Gesamtheit der Aufwendungen für Unterbringung, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen unabhängig davon bezieht, ob sie die Führungskräfte und das Personal des Unternehmens oder Dritte betreffen. Aus dem oben genannten Schreiben, das die Französische Republik an die Kommission richtete, folgt alles in allem, dass die Französische Republik zwar die Auffassung zu vertreten scheint, dass der Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug zumindest bei den Aufwendungen für die Führungskräfte und das Personal der Unternehmen durch die Stillhalteklausel gedeckt ist, dass sie aber die Anwendung des Artikels 27 für sämtliche nationale Rechtsvorschriften beantragt, die den Ausschluss der Aufwendungen für Unterbringung, Bewirtung usw. vom Vorsteuerabzugsrecht betreffen, ohne zwischen den Führungskräften und dem Personal einerseits und den Dritten andererseits zu unterscheiden.

48 Hingegen kommt der Anwendungsbereich der Entscheidung 89/487 deutlich zum Ausdruck. Die Entscheidung schließt sämtliche Aufwendungen "für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge sowie Aufführungen" unabhängig von der Eigenschaft desjenigen vom Vorsteuerabzugsrecht aus, zu dessen Gunsten das Unternehmen die Aufwendungen tätigt. Der Gemeinschaftsgesetzgeber lässt mit anderen Worten zu, dass hinsichtlich der streitigen Aufwendungen von den allgemeinen Bestimmungen des Artikels 17 der Sechsten Richtlinie allgemein abgewichen wird.

49 Es stellt sich die Frage, ob, wie die Französische Republik - und indirekt auch die Kommission - meint, die hier untersuchte Entscheidung des Rates bei richtiger Auslegung nur die Fälle erfasst, in denen das Vorsteuerabzugsrecht für Aufwendungen, die zugunsten von Dritten, nicht aber für solche, die zugunsten des Personals oder der Führungskräfte des Unternehmens getätigt werden, ausgeschlossen wird, weil die zuletzt genannte Kategorie bereits in den nationalen Bestimmungen vorgesehen ist, die unter die Stillhalteklausel des Artikels 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie fallen. Ich halte das nicht für richtig. Es würde bedeuten, einen Rechtsakt der Gemeinschaftsorgane anhand des nationalen Rechts und obendrein noch entgegen seinem Wortlaut auszulegen. Die Entscheidung 89/487 lässt nämlich keinen Zweifel über ihren Inhalt; sie räumt der Französischen Republik die Befugnis ein, die gesamten Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen unabhängig von der Eigenschaft derjenigen vom Vorsteuerabzugsrecht auszuschließen, zu deren Gunsten sie getätigt werden, und unabhängig davon, ob sie in einem engen oder weiten Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Steuerpflichtigen stehen. Dass die hier fragliche Entscheidung trotz ihrer Eindeutigkeit nicht auf alle von ihr genannten Fälle, sondern im Hinblick auf nationales Recht nur auf einige von ihnen Anwendung finden soll, widerspricht zum einen den Grundlagen der Gemeinschaftsrechtsordnung, weil es die Auslegung einer Gemeinschaftsbestimmung von den Gegebenheiten und Besonderheiten des innerstaatlichen Rechts abhängig macht. Es verstößt auch insofern gegen den elementaren Grundsatz der Rechtssicherheit, da es ermöglicht, eine Bestimmung entgegen ihrem Wortlaut auszulegen, und dadurch die Bürger zu einem Irrtum über den Anwendungsbereich der Entscheidung verleiten kann. Nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans kann die Französische Republik jedenfalls nicht um eine Auslegung der Entscheidung 89/487 contra legem nachsuchen.

50 Schließlich ist die von der Französischen Republik vorgetragene innerstaatliche Rechtslage alles andere als klar. Das Urteil Alitalia des Conseil d'État enthält nur - widerlegbare - Hinweise darauf, dass der im Dekret von 1979 vorgesehene Ausschluss des Rechts auf Steuerabzug für die streitigen Aufwendungen, die zugunsten des Personals und der Führungskräfte eines Unternehmens getätigt werden, wegen des früheren Dekrets von 1967 durch die Stillhalteklausel gedeckt war. Nicht deutlich ist außerdem, ob der Teil der Entscheidung 89/487, der zum Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug bei den Aufwendungen "für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge sowie Aufführungen" ermächtigt, seinem Inhalt nach identisch ist mit den Artikeln 7 und 11 des Dekrets von 1967, die bestimmen, dass einerseits "[d]ie Steuer, die auf Aufwendungen für die Unterkunft oder Unterbringung der Führungskräfte und des Personals der Unternehmen entfällt, ... nicht abziehbar [ist]", andererseits "[d]ie Steuer, die auf Aufwendungen zur Befriedigung der individuellen Bedürfnisse der Führungskräfte und des Personals der Unternehmen und insbesondere auf Kosten für Empfänge, Bewirtung sowie Aufführungen entfällt, ... nicht abziehbar [ist]". Abgesehen von dem unterschiedlichen Wortlaut stellt sich die Frage, inwieweit die Bestimmungen des Dekrets von 1967 den Vorsteuerabzug für diese Aufwendungen verbieten, selbst wenn die Aufwendungen einen streng geschäftlichen Charakter haben(43). Falls dem nicht so sein sollte(44), d. h. falls der Vorsteuerabzug für die geschäftlichen Ausgaben auch unter Berücksichtigung des Dekrets von 1967 als möglich angesehen wird, ist der Anwendungsbereich dieses Dekrets enger als der Anwendungsbereich der Entscheidung 89/487, weil es das Vorsteuerabzugsrecht für diese Ausgaben nicht allgemein ausschließt. Die Frage der Bedeutung der nationalen Rechtsvorschriften und insbesondere des Dekrets von 1967 fällt natürlich nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofes, sondern in die des nationalen Gerichts. Es würde allerdings - um auf die Prämisse zurückzukommen, die ich meinen Ausführungen zugrunde gelegt habe - dem Wesen des Gemeinschaftsrechts widersprechen, wenn das nationale Gericht die Befugnis erhielte, auf dem Umweg über eine Auslegung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften den Inhalt einer Gemeinschaftshandlung festzustellen.

51 Daher halte ich es nicht für richtig, den Sinn der Entscheidung 89/487 durch Vermittlung des französischen Rechts ermitteln zu wollen und den Inhalt dieser Entscheidung dahin gehend umzuformulieren, dass sie die Französische Republik ermächtigt, bestimmte Aufwendungen nur in denjenigen Fällen, in denen diese Aufwendungen zugunsten von nicht zum steuerpflichtigen Unternehmen gehörenden Dritten getätigt werden, nicht aber in den Fällen vom Recht auf Vorsteuerabzug auszuschließen, in denen sie ihre Führungskräfte und ihr Personal betreffen. Vielmehr erfasst die streitige Entscheidung, wie ihr Wortlaut deutlich zeigt, beide genannten Kategorien von Aufwendungen. Eine andere Frage ist es, welche Steuerregelung in Frankreich gilt, falls die Entscheidung 89/487 letztlich als mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar angesehen werden sollte. Ich werde auf diese Frage - soweit sie die Anwendung der Sechsten Richtlinie betrifft - nur zurückkommen, sofern ich nach Prüfung der Rechtmäßigkeit der hier untersuchten Entscheidung des Rates deren Gültigkeit verneinen werde.

VI - Rechtmäßigkeit der Entscheidung 89/487

A - Vorbringen der Parteien

a) Ampafrance

52 Ampafrance trägt vor, die streitige Entscheidung sei erstens unvereinbar mit den Zielen des Artikels 27 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie und sei zweitens nicht verhältnismäßig.

53 Was die Ziele des Artikels 27 anbelangt, so beständen diese einzig und allein in der Vereinfachung der Steuererhebung und in der Bekämpfung bestimmter Fälle von Steuerhinterziehung und -umgehung. Die französische Regierung habe sich in ihrem Antrag auf das zweite Ziel bezogen, d. h. sie habe erklärt, bestimmten Fällen von Steuerhinterziehung und -umgehung entgegentreten zu wollen. Der Rat könne nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes(45) die Einführung von nationalen Abweichungen nicht zur Verwirklichung von anderen als den in der streitigen Bestimmung der Sechsten Richtlinie genannten Zielen gestatten. Der hier fragliche Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts beruhe nicht auf dem Willen, bestimmte Fälle von Steuerhinterziehung oder -umgehung zu sanktionieren; ihm liege vielmehr die "Vermutung" einer Gefahr von Steuerhinterziehung oder -umgehung zugrunde, die sich aus dem gemischten Charakter (privat und geschäftlich) der betreffenden Aufwendungen ergebe. Frankreich verfolge daher nicht den Zweck, die in der Sechsten Richtlinie abschließend genannten Gefahren zu bekämpfen, sondern einen Mechanismus einzurichten, der es erlaube, den geschäftlichen Charakter von bestimmten Aufwendungen nicht mehr überprüfen zu müssen. Die Aufwendungen für Empfänge mit geschäftlichem Charakter könnten im Übrigen in Frankreich von dem der Körperschaftsteuer unterliegenden Gewinn gemäß Artikel 39.1.1 des Code général des impôts abgezogen werden, wenn nachgewiesen werde, dass sie im Interesse des Unternehmens getätigt worden seien. Damit stehe fest, dass es eine wirkliche Gefahr von Steuerhinterziehungen und -umgehungen im Zusammenhang mit dem Abzug von Aufwendungen für Empfänge nicht gebe. Ampafrance ist zudem der Ansicht, dass der Erlass der Entscheidung 89/487 einen Missbrauch des Verfahrens des Artikels 27 der Sechsten Richtlinie darstelle: einerseits habe mit ihr ein zusätzlicher Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts eingeführt werden sollen, der bei Erlass der Sechsten Richtlinie vorgeschlagen, dann aber fallen gelassen worden sei; andererseits handele es sich mittelbar darum, die Folgen zu vermeiden, die sich für die innerstaatliche Rechtsordnung aus dem Urteil Alitalia(46), das einzelne Bestimmungen des Dekrets von 1979 für nichtig erklärt habe, ergeben hätten.

54 Was den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angeht, so führten nach Ansicht von Ampafrance die streitigen Bestimmungen der Entscheidung 89/487 einen allgemeinen und umfassenden Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts ein, ohne dass wirklich eine Gefahr der Steuerhinterziehung oder -umgehung vorliegen müsse. Da die betreffenden Bestimmungen somit eine unwiderlegbare Vermutung begründeten, auf deren Grundlage ein Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts möglich sei, selbst wenn nachgewiesen sei, dass eine Gefahr für die Steuererhebung nicht vorliege, stuenden sie außer Verhältnis zum verfolgten Ziel. Im französischen Recht gebe es zudem andere Maßnahmen, die es den Steuerbehörden ermöglichten, dem Problem der Steuerhinterziehung und -umgehung wirksam entgegenzutreten. So sehe Artikel 230 Absatz 1 des Anhangs II des Code général des impôts vor, dass die Mehrwertsteuer auf Gegenstände und Dienstleistungen, die die Steuerpflichtigen erwürben oder sich selbst lieferten, nur dann abziehbar sei, wenn diese Gegenstände oder Dienstleistungen für ihre Geschäftstätigkeit "erforderlich" seien. Die strenge Anwendung dieser Vorschrift reiche aus, um die Einhaltung der Steuervorschriften zu gewährleisten und die Durchführung wirksamer Steuerprüfungen zu ermöglichen. Im französischen Recht gebe es außerdem ein System zur wirksamen Kontrolle der betreffenden Aufwendungen, nämlich die Verpflichtung zur Vorlage einer detaillierten Aufstellung der allgemeinen Kosten, die der jährlichen Erklärung der Erträge beizufügen sei. Aus dem Urteil Kommission/Belgien(47) ergebe sich, dass die nationalen Maßnahmen zur Verhütung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen von einer allgemeinen Regelung der Sechsten Richtlinie nur insoweit abweichen dürften, als dies für die Erreichung dieses Zieles unbedingt erforderlich sei. Da es Maßnahmen gebe, die für die Steuerpflichtigen weniger einschneidend seien als ein allgemeiner und umfassender Ausschluss der streitigen Aufwendungen vom Vorsteuerabzugsrecht, verstoße dieser Ausschluss gegen das Gemeinschaftsrecht.

55 Zusammenfassend ist Ampafrance der Auffassung, dass die streitige Entscheidung des Rates unverhältnismäßig sei, da sie allgemein und umfassend die unwiderlegbare Vermutung einer Gefahr der Steuerhinterziehung oder -umgehung aufstelle, ohne dass die Steuerverwaltung diese Gefahr nachweisen müsse und der Steuerpflichtige den Gegenbeweis erbringe könne, obwohl es in Frankreich weniger einschneidende Maßnahme gebe, um dieser Art von Fällen entgegentreten zu können.

b) Sanofi

56 Sanofi stützt ihre Stellungnahme auf eine entsprechende Begründung: Sie führt zunächst aus, dass die Vorlagefrage, mit der die Gültigkeit eines Rechtsaktes der Gemeinschaftsorgane in Frage gestellt werde, zulässig sei, und befasst sich dann mit der Frage der Verhältnismäßigkeit. Sie trägt vor, die Entscheidung 89/487 sei unverhältnismäßig, weil das mit ihr verfolgte Ziel mit anderen Mitteln hätte erreicht werden können, die die Ziele der Sechsten Richtlinie weniger beeinträchtigt hätten. Die anhängige Rechtssache weise Ähnlichkeiten mit der Rechtssache auf, die zum Urteil Kommission/Belgien(48) geführt habe, in dem der Gerichtshof entschieden habe, dass nationale Bestimmungen, die allgemein und umfassend von den Vorschriften der Sechsten Richtlinie abwichen, außer Verhältnis zum verfolgten Ziel stuenden. Zudem sei die Begründung der fraglichen Entscheidung sehr knapp und führe nicht die Gründe an, aus denen die von der Französischen Republik vorgeschlagene Abweichung gestattet werden müsse. Aufgrund ihrer lückenhaften Begründung könne das Gericht die Verhältnismäßigkeit der Entscheidung nicht überprüfen; die Entscheidung sei daher ungültig.

57 Sanofi nimmt ebenfalls auf das französische Körperschaftsteuerrecht Bezug und führt aus, die Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen könnten vom steuerpflichtigen Betrag abgezogen werden; im Rahmen der Körperschaftsteuer gehe der französische Gesetzgeber mit anderen Worten nicht davon aus, die Befugnis zum Abzug der streitigen Aufwendungen führe automatisch zu einer Steuerhinterziehung oder -umgehung. Die Einführung der unwiderlegbaren Vermutung einer Steuerhinterziehung oder -umgehung stelle daher eine unverhältnismäßige Maßnahme zum Schutz des staatlichen Steueranspruchs dar, da dieser durch eine wirksame Kontrolle der betreffenden Aufwendungen im Einzelfall sichergestellt werden könnte. Eine solche Form wirksamer Kontrolle sei in Artikel 230 des Anhangs II des Code général des impôts vorgesehen, wonach Aufwendungen, die nicht im "Interesse" des Unternehmens getätigt worden seien, nicht vorsteuerabzugsfähig seien.

58 Sonofi bringt schließlich noch zwei weitere Argumente vor: Erstens verweist sie auf das nationale Recht zahlreicher Mitgliedstaaten, die die Abzugsfähigkeit der streitigen Aufwendungen zulassen; sie verstehe daher nicht die Schwierigkeiten bei der Kontrolle der Steuerhinterziehung oder -umgehung, auf die sich die französische Regierung berufen habe und deren Vorliegen der Rat eingeräumt habe. Zweitens weist sie darauf hin, dass die streitige Abweichung, deren Einführung der Französischen Republik mit der Entscheidung 89/487 gestattet worden sei, Übergangscharakter gehabt habe; die Unfähigkeit des Rates, die in Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 1 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen zu erlassen, habe diese vorläufige Situation jedoch fortbestehen lassen, so dass die Abweichung zwangsläufig zu dem mit ihr verfolgten Ziel außer Verhältnis geraten sei. Nach alledem schlägt Sanofi dem Gerichtshof vor, die Entscheidung 89/487 für ungültig zu erklären.

c) Französische Regierung

59 Die französische Regierung weist zunächst darauf hin, dass Hauptziel des Mehrwertsteuersystems die Besteuerung des Endverbrauchs und nicht die Besteuerung der Vorleistung sei, die im Rahmen einer anderen besteuerbaren Geschäftstätigkeit erfolge(49). Bei bestimmten Kategorien von Aufwendungen sei jedoch nicht immer leicht festzustellen, ob sie zur Befriedigung des geschäftlichen oder des privaten Bedarfs getätigt würden; dies sei aber das Kriterium dafür, ob es sich um einen Endverbrauch oder um eine Vorleistung handele. Damit würden der Steuerhinterziehung oder -umgehung Tür und Tor geöffnet, wie die Kommission im Übrigen in ihren Vorschlägen für die Sechste und für eine Zwölfte Richtlinie hervorgehoben habe(50). Aus demselben Grund sehe im Übrigen Artikel 27 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie die Möglichkeit vor, abweichende Sondermaßnahmen zur Verhütung der Gefahr von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu erlassen. Bei dieser Sachlage ist die französische Regierung einerseits angesichts der Gefahren eines steuerfreien Endverbrauchs, insbesondere bei Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen, und andererseits angesichts der Schwierigkeit, geschäftliche und private Aufwendungen aufzuschlüsseln, der Auffassung, dass die Entscheidung 89/487 mit dem in Artikel 27 der Sechsten Richtlinie festgelegten Ziel voll und ganz vereinbar sei.

60 Die französische Regierung weist außerdem darauf hin, dass die meisten Mitgliedstaaten aus denselben Gründen ähnliche Maßnahmen anwendeten. Spezifisch zu ihrem eigenen Fall führt sie aus, das Urteil Alitalia(51) habe die Gefahr von Steuerhinterziehung oder -umgehung seitens der Unternehmen geschaffen und die Kontrolle des Verwendungszwecks der streitigen Aufwendungen erschwert, da es die Unternehmen zu immer höheren Aufwendungen zugunsten von Dritten veranlasst habe.

61 Die Entscheidung 89/487 erfuelle auch die Voraussetzungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, wie sie sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergäben. Insbesondere habe der Gerichtshof im Urteil Molenheide u. a.(52) entschieden, dass "sich die Mitgliedstaaten gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit solcher Mittel bedienen [müssen], die es zwar erlauben, das vom innerstaatlichen Recht verfolgte Ziel wirksam zu erreichen, die jedoch die Ziele und Grundsätze des einschlägigen Gemeinschaftsrechts möglichst wenig beeinträchtigen." Der in der Entscheidung 89/487 vorgesehene Ausschluss der Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen vom Vorsteuerabzugsrecht erfasse nur Fälle, in denen wirkliche Gefahren von Steuerhinterziehung oder -umgehung vorlägen und der Sachverhalt so liege, dass es nicht möglich sei, die geschäftliche oder private Natur dieser Aufwendungen festzustellen; dagegen führe Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung die Fälle auf, in denen wegen des geschäftlichen Charakters der betreffenden Aufwendung der Vorsteuerabzug möglich sei.

62 Der Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts sei erforderlich, da es keine anderen befriedigenden Mittel gebe, um die Natur der streitigen Aufwendungen prüfen zu können. So erlaubten die unter dem Namen eines Unternehmens erstellten Rechnungen nicht, die Person festzustellen, zu deren Gunsten die Aufwendungen getätigt worden seien. Wenn die Abzugsfähigkeit der betreffenden Beträge anhand der von den Unternehmen selbst gemachten Angaben anerkannt werde, würde dies außerdem zu dem unerwünschten Ergebnis führen, dass die Zahl der gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren zur Frage, ob diese Aufwendungen tatsächlich vorlägen, zunähme.

63 Ein Vergleich der im vorliegenden Fall gegebenen Situation mit der in Frankreich geltenden Regelung der Körperschaftsteuer sei wegen der grundlegenden Unterschiede zwischen dieser Steuer und der Mehrwertsteuer ohne Belang. Die Mehrwertsteuer sei eine Steuer auf den Endverbrauch und solle die Neutralität der Steuer gewährleisten; die Abzüge der Mehrwertsteuer bezögen sich ausschließlich auf die Aufwendungen, die für Zwecke der besteuerten Umsätze getätigt werden. Dagegen würden die Körperschaftsteuer und die Einkommensteuer auf die Netto-Einnahmen bzw. Netto-Gewinne erhoben, d. h. auf die Brutto-Beträge nach Abzug der Aufwendungen, die zur Erwerbung dieser Einnahmen bzw. zur Erzielung dieser Gewinne erforderlich seien. Außerdem wäre es willkürlich, den Abzug der Mehrwertsteuer auf die streitigen Aufwendungen der Unternehmen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge usw. nur bis zu einer bestimmten Höhe zu gestatten. Jedenfalls sei die Verhältnismäßigkeit der Entscheidung 89/487 einer gründlichen Prüfung seitens der Kommission und des Rates unterzogen worden, die voll und ganz den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen entsprochen habe.

64 In der mündlichen Verhandlung hat die französische Regierung für den Fall, dass der Gerichtshof die fragliche Entscheidung des Rates für ungültig erachtet, beantragt, die Wirkungen des Urteils dahingehend zu beschränken, dass die Entscheidung ex nunc für nichtig erklärt wird; sie begründete diesen Antrag mit der Notwendigkeit, das berechtigte Vertrauen Frankreichs in die Gültigkeit der Entscheidung zu schützen.

d) Kommission

65 Die Kommission leitet aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im spezifischen Rahmen des Artikels 27 der Sechsten Richtlinie ab, dass es gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße, das Recht auf Vorsteuerabzug einzuschränken, wenn erstens objektiv feststehe, dass dem Steuerpflichtigen eine Steuerhinterziehung oder -umgehung nicht anzulasten sei, und wenn sich zweitens die eingeführten Einschränkungen nicht auf dasjenige beschränkten, was zur Verhütung der Gefahren von Steuerhinterziehung oder -umgehung unbedingt erforderlich sei. Zur Eigenart der in der Entscheidung 89/487 genannten Aufwendungen führt die Kommission aus, die Sechste Richtlinie schließe auf jeden Fall diejenigen Ausgaben vom Vorsteuerabzugsrecht aus, "die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen"(53). Sie verweist ferner auf ihren Vorschlag für die Sechste Richtlinie, in dem sie auf die Schwierigkeit, wenn nicht gar Unmöglichkeit hingewiesen habe, den geschäftlichen Teil und den privaten Teil der fraglichen Aufwendungen aufzuschlüsseln.

66 Die Kommission leitet aus den vorstehenden Erwägungen ab, dass sie die Begründung Frankreichs, im vorliegenden Fall liege eine erhebliche Gefahr der Umgehung der Mehrwertsteuervorschriften vor, zu Recht anerkannt habe: Die Unternehmen liefen Gefahr, Geschenke oder andere Sachzuwendungen zu gewähren, für die ein Vorsteuerabzug nicht erfolgen dürfe, weil sie in keinem Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten stuenden, ohne dass sich erkennen lasse, inwieweit diese Aufwendungen die Führungskräfte und das Personal des Unternehmens oder Dritte beträfen. Frankreich habe zudem selbst die Fälle bestimmt, in denen keine Gefahr der Steuerhinterziehung oder -umgehung bestehe; diese Fälle seien vom Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts ausgenommen; es handele sich um die in Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung 89/487 aufgeführten Fälle.

67 Die Kommission trägt weiter vor, die vorübergehende Abweichung, die die fragliche Entscheidung gestatte, betreffe tatsächlich Fälle, in denen eine ernsthafte Gefahr von Steuerhinterziehung oder -umgehung vorliege. Trotz der Knappheit der Entscheidungsbegründung sei diese Gefahr hinreichend dargetan. Die Kommission bezieht sich insbesondere auf bestimmte kulturelle Besonderheiten in Frankreich, wo bestimmte Geschäfte "beim Dessert" abgeschlossen würden, was erkläre, weshalb andere Mitgliedstaaten, in denen die einschlägigen Gewohnheiten ganz anders seien, keinen entsprechenden Ausschluss vorgesehen hätten. Das streitige Verbot, das der Rat gestattet habe, habe für die Wirtschaftsteilnehmer wie für die Steuerverwaltung den Vorteil der Klarheit, der Einfachheit und der Rechtssicherheit. Die Entscheidung 89/487 sei daher gerechtfertigt und verhältnismäßig; sie sei nämlich erforderlich, geeignet und verhältnismäßig im engeren Sinne.

68 Die nationalen Stellen müssten jedoch bei der Anwendung der allgemeinen und abstrakten Maßnahme, die durch die Entscheidung 89/487 genehmigt worden sei, den steuerrechtlichen Sachverhalt im Einzelfall prüfen, um die Fälle, in denen wirklich eine Gefahr der Steuerhinterziehung oder -umgehung vorliege, von den Fällen zu unterscheiden, in denen objektiv festgestellt werden könne, dass bestimmte Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen einen streng geschäftlichen Charakter hätten; für diese müsse das Vorsteuerabzugsrecht gelten.

e) Rat

69 Der Rat vertritt in seiner Stellungnahme die Auffassung, dass die Entscheidung 89/487 gültig sei. Die Entscheidung rechtfertige sich aus der Schwierigkeit, wenn nicht gar Unmöglichkeit, die (geschäftliche oder private) Natur der streitigen Aufwendungen wirksam zu prüfen. Dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vom Gemeinschaftsgesetzgeber beachtet worden sei, ergebe sich ferner daraus, dass Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung 89/487 die Fälle vorsehe, in denen der Vorsteuerabzug für die streitigen Aufwendungen vorgenommen werden könne, da objektiv feststehe, dass sie in einem Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens stuenden. Nach den Bestimmungen der Sechsten Richtlinie sei nur die Mehrwertsteuer abzugsfähig, die auf die streng geschäftlichen Aufwendungen entfalle, was die Mehrwertsteuer für Aufwendungen ausschließe, die als Luxusausgaben qualifiziert werden könnten. Die Entscheidung 89/487 sei gerechtfertigt unabhängig davon, ob die Absicht der Steuerhinterziehung oder -umgehung bei dem Steuerpflichtigen oder ob das Vorliegen einer Steuerhinterziehung oder -umgehung festgestellt werde. Allein die - von der Steuerverwaltung schwer nachprüfbare - Tatsache, dass die Natur der betreffenden Aufwendungen es erlaube, sie als Mittel zur Steuerhinterziehung oder -umgehung einzusetzen, reiche als Rechtfertigung für die streitigen Bestimmungen. Es sei nicht sicher, dass es mit dem Ziel der Richtlinie, d. h. mit dem Vorsteuerabzug für geschäftliche Vorleistungen, besser vereinbar wäre, wenn für die Lösung des bestehenden Problems eine andere Methode angewandt würde, z. B. die pauschale Beschränkung der Abzugsbeträge; eine solche Methode könnte zu einer Diskriminierung der Wirtschaftsteilnehmer mit der Folge von Wettbewerbsverzerrungen führen.

B - Stellungnahme

70 Zunächst bestreite ich nicht, dass die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung ein berechtigtes und wichtiges Anliegen jeder Steuerverwaltung ist, die die Verwirklichung der Ziele der Sechsten Richtlinie und das tadellose Funktionieren des Mehrwertsteuersystems gewährleisten will. Wenn dem nicht so wäre, würde sich die Gefahr, dass die Besteuerung des Endverbrauchs umgangen wird, gegen die Idee dieses Steuersystems sprechen.

71 Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat hierbei Aufwendungen, die einen streng geschäftlichen Charakter haben, von solchen, die in keinem Zusammenhang mit der geschäftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen stehen, grundlegend unterschieden und Luxusausgaben sowie die Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen ausdrücklich vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Nur die streng geschäftlichen Aufwendungen können als Aufwendungen angesehen werden, die sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehen, die im Sinne des Artikels 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie "für Zwecke [der] besteuerten Umsätze [des Steuerpflichtigen] verwendet" werden, und nur für sie kann daher das Steuerabzugsrecht gelten.

72 Genau hier liegt die Schwierigkeit des vorliegenden Falls. Es gibt selbstverständlich Aufwendungen, bei denen sich der geschäftliche Charakter sehr schwer feststellen lässt. Dies sind vor allem die Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen, auf die sich die vorliegende Untersuchung konzentriert und die insoweit die meisten Schwierigkeiten bereiten, da ihr Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens nicht auf der Hand liegt, wodurch die Steuerhinterziehung oder -umgehung begünstigt werden kann. Aus diesem Grund ist es im Übrigen nicht möglich gewesen, für sie auf Gemeinschaftsebene eine globale gesetzgeberische Lösung zu finden, wie die Schwierigkeiten zeigen, die sich im Verfahren zur Ausarbeitung der Sechsten und Zwölften Richtlinie einstellten(54). Überdies ist bei einigen dieser Aufwendungen die Unterscheidung zwischen geschäftlichen Aufwendungen, für die das Vorsteuerabzugsrecht gilt, und privaten Aufwendungen, die der Steuer unterworfen sind, in der Praxis möglicherweise undurchführbar, so dass nur ein vollständiger Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts das öffentliche Interesse sicherstellen und bestimmte Formen von rechtswidrigem Verhalten der Steuerpflichtigen sanktionieren kann. Es ist nochmals zu betonen, dass das von den steuerrechtlichen Vorschriften der Gemeinschaft vorgesehene ordnungsgemäße Funktionieren des Mehrwertsteuersystems selbstverständlich voraussetzt, dass jede Form von Steuerhinterziehung oder -umgehung bekämpft wird; der Gemeinschaftsgesetzgeber erkennt diese Notwendigkeit an, wenn er den Mitgliedstaaten gestattet, sich vom Rat ermächtigen zu lassen, gemäß Artikel 27 der Sechsten Richtlinie von den allgemeinen Vorschriften dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen zu erlassen, um "Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhüten".

73 Die vorstehenden Ausführungen scheinen auf den ersten Blick dafür zu sprechen, dass die streitige Entscheidung mit der Logik des Artikels 27 der Sechsten Richtlinie vereinbar ist, da sie die in diesem Artikel genannten Ziele verwirklichen soll. Die Ausführungen erlauben jedoch nicht den Schluss, dass sich die fraglichen Bestimmungen mit den Zielen der Sechsten Richtlinie insgesamt im Einklang befinden und sich in deren Regelungssystem einfügen können. Das Problem ergibt sich daraus, dass mit dem Ausschluss aller Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen mit Ausnahme nur der drei in Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung aufgeführten Fälle vom Vorsteuerabzugsrecht, dieses Recht auch für Aufwendungen ausgeschlossen wird, bei denen nachgewiesen werden kann, dass sie in einem tatsächlichen Zusammenhang mit dem Produktionsprozess der Unternehmen stehen, d. h. dass sie einen streng geschäftlichen Charakter haben. Ampafrance nennt als Beispiel die Aufwendungen eines Unternehmens für die Unterbringung von Vertretern oder Kunden im Rahmen der Verkaufspräsentation bestimmter Erzeugnisse; unbestreitbar stehen diese Aufwendungen bis zu einem bestimmten Punkt in einem direkten Zusammenhang mit den Tätigkeiten des Unternehmens und können nicht als dem Endverbrauch zugehörig angesehen werden.

74 Daher kann die umfassende Anwendung der Regelung über den Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts, die mit der fraglichen Entscheidung des Rates eingeführt wurde, zum Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts für geschäftliche Aufwendungen der Unternehmen führen; diese Möglichkeit ist auch von denjenigen Beteiligten nicht bestritten worden, die für die Gültigkeit der hier geprüften Gemeinschaftshandlung eingetreten sind. In der Absicht jedoch, ein Problem zu beseitigen, das durch eine Störung der Mehrwertsteuererhebung (Gefahr von Steuerhinterziehung oder -umgehung) entstehen kann, wird auf diese Weise das Steuersystem auf eine andere, genauso gravierende Weise dadurch beeinträchtigt, dass unter Verstoß gegen das Grundprinzip der Steuerneutralität bestimmte Formen von Vorleistungen der Steuer unterworfen werden. Ich bin der Meinung, dass bei zutreffender Auslegung und Anwendung der Sechsten Richtlinie das Problem der Steuererhebung nicht durch Anwendung eines Mittels gelöst werden kann, das unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit mit den grundlegenden Vorschriften über das Funktionieren des fraglichen Mechanismus genauso problematisch ist. Zumindest läuft ein so weitgehender und umfassender Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts, wie er hier vorliegt, den Zielen der Richtlinie zuwider und stört das Gleichgewicht der in ihr enthaltenen Bestimmungen. Damit möchte ich sagen, dass Artikel 27 der Sechsten Richtlinie nicht dazu benutzt werden darf, eine der Grundlagen dieser Richtlinie, nämlich den Grundsatz der Steuerneutralität, zu unterminieren.

75 Insoweit ist es rechtlich gesehen nicht gleichgültig, dass die streitigen Gemeinschaftsbestimmungen auf die Einführung einer unwiderleglichen Vermutung für eine bestimmte Kategorie von steuerlichen Belastungen hinauslaufen. Die Einführung einer Vermutung dieser Art wirft meines Erachtens Fragen nach ihrer Vereinbarkeit mit den grundlegenden Vorschriften der Gemeinschaftsrechtsordnung auf. Mit dem Grundsatz des Rechtsstaats, dem Schutz der Steuergleichheit und der Garantie eines umfassenden und effektiven Rechtsschutzes - Begriffe, die im Rechtssystem der Gemeinschaft jetzt immer stärker hervorgehoben werden - ist der Gedanke, dass unwiderlegliche Vermutungen eingeführt werden, um Sonderprobleme wie das der steuerrechtlichen Qualifizierung einer Ausgabenkategorie auf gesetzlichem Wege zu lösen, kaum zu vereinbaren. Es ist kein Zufall, dass im nationalen Recht der Mitgliedstaaten die Tendenz dahin geht, "rechtliche Axiome" dieser Art als verfassungswidrig anzusehen(55). Es ist im Übrigen nicht sicher, dass diese mit den Grundsätzen der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar sind, zu deren Einhaltung der EG-Vertrag fortan ausdrücklich verpflichtet(56). Außerdem ist der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu entnehmen, dass dieser dem Phänomen der unwiderleglichen Vermutungen nicht mit besonderer Sympathie begegnet(57).

76 Diesen Erwägungen können andere hinzugefügt werden, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betreffen. Selbst wenn die unwiderleglichen Vermutungen mit den allgemeinen Zielen der Sechsten Richtlinie vereinbar und von ihrer Art her unter dem Gesichtspunkt des Gemeinschaftsrechts ansonsten rechtlich nicht problematisch wären, hätte dies keine Auswirkungen auf die Beurteilung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Unabhängig davon, wie man sich bei der Lösung dieser Probleme entscheidet, ist die Entscheidung des Rates nur rechtmäßig, wenn sie erforderlich und zur Verwirklichung des spezifischen, von ihr verfolgten Zieles geeignet ist und sie die Ziele und Grundsätze der Sechsten Richtlinie möglichst wenig beeinträchtigt(58).

77 Die Methode, eine Ausgabenkategorie allgemein und umfassend vom Vorsteuerabzugsrecht auszuschließen, ist meines Erachtens schon nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz problematisch. Die drei in Artikel 1 Absatz 2 der Entscheidung genannten Ausnahmen vom allgemeinen Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts beweisen - trotz teilweise vertretener gegenteiliger Ansicht - nicht, dass die Französische Republik, die Kommission und der Rat sämtliche Fälle ermittelt hätten, in denen die Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen streng geschäftliche Ausgaben darstellten, und damit das Verbot des Absatzes 1 auf das zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung und -umgehung unbedingt Erforderliche beschränkt hätten. Ferner ist es nach der Begründung der Entscheidung des Rates selbst bei Berücksichtigung des Schreibens, mit dem die Französische Republik beim Rat die streitige Abweichung beantragte, nicht möglich, den Gedankengang nachzuvollziehen, aufgrund dessen der Gemeinschaftsgesetzgeber einerseits die Gesamtheit der in Artikel 1 Absatz 1 der Entscheidung 89/487 beschriebenen Fälle vom Vorsteuerabzugsrecht ausschloss, weil sie die Gefahr von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen beinhalteten, und andererseits den Vorsteuerabzug in den Fällen des Artikels 1 Absatz 2 gestattete. Überdies geht aus der Begründung nicht hinreichend hervor, weshalb das Verbot des Artikels 1 Absatz 1 das einzige wirksame Mittel zur Erreichung des verfolgten Zieles ist, Fälle von Steuerhinterziehung oder -umgehung abzustellen. Allgemeiner gesagt könnten die Mängel in der Begründung der fraglichen Entscheidung bereits allein einen berechtigten Grund für die Nichtigerklärung darstellen.

78 Unabhängig jedoch von der formalen Lücke in der Begründung, von der ich soeben gesprochen habe, bin ich der Auffassung, dass berechtigter Anlass zu der Annahme besteht, dass die nationalen und gemeinschaftlichen Stellen das öffentliche Interesse an der Bekämpfung der Steuerhinterziehung und -umgehung erfolgreich durch Maßnahmen gewährleisten können, die das allgemeine System der Sechsten Richtlinie weniger beeinträchtigen. Ich denke nicht an die Einführung einer Bestimmung, nach der die Mehrwertsteuer, die auf die Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen entfällt, nur bis zu einem bestimmten Prozentsatz dieser Aufwendungen abgezogen werden dürfte; es ist nicht unbedingt sicher, dass dies die wirksamste Lösung wäre. Es könnte jedoch eine widerlegliche Vermutung für den nicht geschäftlichen Charakter der betreffenden Aufwendungen eingeführt werden, die der Steuerpflichtige durch entsprechenden Beweis ausräumen könnte.

79 Überdies - und dies ist am wichtigsten - sieht das französische Steuerrecht die Möglichkeit, den geschäftlichen Charakter von Aufwendungen derselben Art zu beweisen, im Rahmen der Körperschaftsteuer vor. Von einigen Beteiligten wurde zwar ausgeführt, dass im vorliegenden Fall das Beispiel des französischen Körperschaftsteuersystems nicht sachdienlich sei, allein zu Unrecht. Die Gefahr der Steuerhinterziehung oder -umgehung, die sich aus der Qualifizierung bestimmter Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen als Aufwendungen im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit sowie aus dem damit verbundenen Abzug von den besteuerbaren Einnahmen, Gewinnen, Gegenständen oder Dienstleistungen ergibt, ist bei der Einkommensteuer oder bei der Körperschaftsteuer im Wesentlichen dieselbe wie bei der Mehrwertsteuer. Es ist daher nicht folgerichtig, wenn die Steuerverwaltung im ersten Fall den Abzug der betreffenden Aufwendungen von dem besteuerbaren Gewinn oder Einkommen gestattet und im zweiten Fall den Abzug der auf die Güter und Dienstleistungen entfallenden Mehrwertsteuer mit der Begründung verbietet, dass diese Unterscheidung durch die Notwendigkeit erzwungen werde, bestimmte Formen von Steuervergehen zu bekämpfen.

80 Ich verstehe daher nicht, warum es erforderlich war, für eine Ausgabenkategorie ein derart umfassendes Verbot aufzustellen, das den Steuerpflichtigen keine Möglichkeit zum Gegenbeweis gibt; der Gefahr der Steuerhinterziehung oder -umgehung, die der Abzug der betreffenden Beträge möglicherweise zur Folge hat, könnte nämlich durch weniger einschneidende Mittel begegnet werden: so durch eine strikte Anwendung des Artikels 230 des Anhangs II des Code général des impôts, wonach Aufwendungen, die nicht im "Interesse" des Unternehmens getätigt werden, nicht vorsteuerabzugsfähig sind, oder etwa durch Erlass strengerer Bestimmungen mit entsprechendem Inhalt insbesondere für die Kategorie der streitigen Aufwendungen.

81 Nach alledem bin ich der Auffassung, dass die fragliche Entscheidung des Rates unverhältnismäßig ist.

82 Bevor ich diesen Teil meiner Untersuchung abschließe, möchte ich auf ein Vorbringen der Kommission eingehen. Danach ist die betreffende Entscheidung grundsätzlich mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar; jedoch müssten die nationalen Behörden bei ihrer Anwendung konkret prüfen, ob eine Aufwendung für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen tatsächlich nicht im Zusammenhang mit den steuerbaren Tätigkeiten des Unternehmens stehe und somit eine Steuerhinterziehung oder -umgehung darstelle. In Wirklichkeit versucht die Kommission, die fraglichen Bestimmungen dadurch für rechtmäßig zu erklären, dass sie sie contra legem auslegt, was aber nicht zulässig ist. Die Entscheidung 89/487 schließt ausdrücklich und umfassend den Abzug der Mehrwertsteuer für eine bestimmte Kategorie von Aufwendungen aus, ohne zugleich vorzusehen, dass zu prüfen wäre, ob die Aufwendungen einen geschäftlichen Charakter haben und ob sie für das ordnungsgemäße Funktionieren des Mehrwertsteuersystems eine Gefahr bedeuten. Es handelt sich um die einzig mögliche Auslegung der fraglichen Bestimmungen, die sich unmittelbar aus ihrem eindeutigen Wortlaut ergibt. Da also diese Bestimmungen, wie aus der vorstehenden Untersuchung hervorgeht, dem von der Sechsten Richtlinie errichteten allgemeinen System zuwiderlaufen und gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen, sind sie in der nationalen und in der Gemeinschaftsrechtsordnung unanwendbar.

83 An dieser Stelle ist der mündlich gestellte Antrag der französischen Regierung zu prüfen, die Wirkungen des Urteils des Gerichtshofes in Bezug auf die Ungültigkeit der Entscheidung des Rates zu beschränken. Meines Erachtens ist dieser Antrag aus zwei Gründen zurückzuweisen. Erstens kann sich ein Mitgliedstaat nicht auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, um den Folgen einer Gerichtsentscheidung zu entgehen, in der die Ungültigkeit einer Handlung der Gemeinschaft festgestellt wird. Das entspräche nicht dem Grundsatz der Rechtssicherheit ab, wie es der Fall sein kann, wenn staatliche Stellen gegenüber Privatpersonen einen Vertrauenstatbestand geschaffen haben; vielmehr würden grundlegende Vorschriften der Rechtssicherheit und des Rechtsstaats in Frage gestellt, da Privatpersonen ein wirksamer Schutz gegen staatliches Handeln versagt würde, das - wenn auch in gutem Glauben - auf rechtswidrigen Rechtsvorschriften beruht. Zweitens gestattet der Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans der französischen Regierung nicht, den Folgen eines Urteils zu entgehen, in dem die Ungültigkeit der streitigen Entscheidung des Rates festgestellt wird, da sie selbst durch ihren an den Rat gerichteten Antrag und durch ihr gesamtes Verhalten zum Erlass der betreffenden Entscheidung mit dem rechtswidrigen Inhalt beigetragen hat.

84 Zur Beantwortung der Vorlagefrage genügt es jedoch nicht, ein negatives Ergebnis bezüglich der Rechtmäßigkeit der Entscheidung 89/487 zu formulieren. Wie ich oben ausgeführt habe(59), ergibt sich mit der Feststellung, dass die in Rede stehende Entscheidung nicht behebbare Mängel aufweist und ungültig ist, die Frage nach dem in den betreffenden Verfahren anwendbaren Steuerrecht. Da aufgrund meiner Feststellung, dass die Entscheidung 89/487 ungültig ist, dem französischen Dekret vom 14. Dezember 1989(60) die Rechtsgrundlage fehlt, bestimmt sich nach nationalem Recht, welche Bestimmungen anzuwenden sind, diese dürfen freilich nicht gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen(61).

85 Vom Gemeinschaftsrecht her bleibt jedoch die Frage zu beantworten, ob und wenn ja wie die Stillhalteklausel des Artikels 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie erneut durchgeführt werden kann. Wie bereits ausgeführt(62), bezog sich die Stillhalteklausel in Frankreich auf das Dekret Nr. 67-604 von 1967. Könnte die Tatsache, dass die Fälle, die früher von dem Dekret von 1967 erfasst wurden(63), auch unter den Anwendungsbereich der Entscheidung 89/487 fielen, dahin ausgelegt werden, dass einerseits das Dekret bereits in dem Zeitpunkt nicht mehr galt, als die Französische Republik den Erlass der Entscheidung 89/487 beantragte, und dass andererseits, wenn diese Entscheidung aus dem Korpus der geltenden Bestimmungen des gemeinschaftlichen Steuerrechts ausgeschlossen wird, die Französische Republik fortan daran gehindert ist, sich erneut auf das Dekret von 1967 und im weiteren Sinne auf die Stillhalteklausel des Artikels 17 der Sechsten Richtlinie zu berufen?

86 Meines Erachtens ist das zu verneinen. Die Französische Republik hat in dem Dekret von 1967 eine spezifische Steuerregelung eingeführt, mit der eine bestimmte Kategorie von Aufwendungen vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen wurde. Die betreffenden Bestimmungen sind weder durch den Erlass des Dekrets Nr. 79-1163 von 1979, mit dem die früheren Vorschriften geändert wurden, noch durch das Dekret Nr. 89-885 von 1989, das auf die Entscheidung 89/487 folgte, in Frage gestellt worden. Die Französische Republik hat lediglich versucht, die Regelung der streitigen Ausschlüsse in einer Weise zu erweitern, die - wie aus der vorstehenden Untersuchung hervorgeht - mit den Vorschriften der Sechsten Richtlinie nicht vereinbar ist. Hierin kommt somit der unveränderte Willen Frankreichs zum Ausdruck, die Geltung der ursprünglichen Ausschlüsse des Vorsteuerabzugsrechts aufrechtzuerhalten und nicht auf die Verwendung der Stillhalteklausel des Artikels 17 der Sechsten Richtlinie zu verzichten. Ich bin daher der Auffassung, dass, wenn die Ungültigkeit der Entscheidung 89/487 festgestellt wird, die Folgen dieser Feststellung nicht dahin gehen, dass sich die Französische Republik nicht mehr auf die Durchführung der Stillhalteklausel berufen kann. Im Übrigen kann nicht davon ausgegangen werden, dass das bisherige französische Verhalten die Rechtssicherheit beeinträchtigt.

87 Um dem vorlegenden Gericht eine Hilfe zu geben, halte ich schließlich folgende Erläuterung für nützlich. Für eine angemessene Entscheidung in den anhängigen Rechtssachen ist es unerlässlich, den genauen Anwendungsbereich der Ausschlüsse des Vorsteuerabzugsrechts zu bestimmen, die mit dem Dekret von 1967 eingeführt worden waren. Betrafen die Ausschlüsse nur diejenigen Aufwendungen für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen, die keinen geschäftlichen Charakter hatten, wie Ampafrance behauptet, oder erfassten sie bestimmte Aufwendungen umfassend unabhängig davon, ob sie einen geschäftlichen Charakter hatten, wie es sich wohl bei einer wörtlichen Auslegung der fraglichen Bestimmungen ergibt? Es handelt sich natürlich um ein Problem, das in die ausschließliche Zuständigkeit des nationalen Gerichts fällt.

88 Ich erinnere lediglich an die oben angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofes(64), nach der das Ermessen, über das ein Mitgliedstaat, der aufgrund der Stillhalteklausel des Artikels 17 der Sechsten Richtlinie die vor Inkrafttreten dieser Richtlinie geltenden Ausschlüsse des Rechts auf Vorsteuerabzug beibehalten will, besonders weit ist; sie können auch Aufwendungen erfassen, die einen streng geschäftlichen Charakter haben. Damit wird jedoch der Grundsatz der Steuerneutralität und die Logik beeinträchtigt, von der das Steuersystem der Sechsten Richtlinie geleitet wird. Dies führt zu folgendem Widerspruch: Während Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich den Vorsteuerabzug bei geschäftlichen Aufwendungen von Unternehmen vorsehen, kann dieser Abzug durch nationale Bestimmungen, die vor der Sechsten Richtlinie galten, ausgeschlossen werden. Dieser Widerspruch, der offenkundig nicht zur Verbesserung des gemeinschaftlichen und nationalen Steuersystems beiträgt, kann nur beseitigt werden, wenn der Rat gesetzgeberische Maßnahmen zu dem streitigen Problem erlässt.

VII - Ergebnis

89 Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Die Entscheidung 89/487/EWG des Rates vom 28. Juli 1989 zur Ermächtigung der Französischen Republik, eine von Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichende Sondermaßnahme zu treffen, ist ungültig.

(1) - ABl. L 239, S. 21.

(2) - Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1; im Folgenden: Sechste Richtlinie).

(3) - Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 11/73.

(4) - KOM(82) 870 endg. (ABl. 1983, C 37, S. 8).

(5) - KOM(98) 377 endg. (ABl. C 219, S. 16).

(6) - JORF vom 28. Juli 1967, S. 7541.

(7) - JORF vom 31. Dezember 1979, S. 3333.

(8) - JORF vom 15. Dezember 1989, S. 15578.

(9) - Vgl. zum Grundsatz der Steuerneutralität Urteile vom 14. Februar 1985 in der Rechtssache 268/83 (Rompelmann, Slg. 1985, 655), vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-110/94 (Inzo, Slg. 1996, I-857) und vom 15. Januar 1998 in der Rechtssache C-37/95 (Ghent Coal Terminal, Slg. 1998, I-1), auf die sich Ampafrance beruft.

(10) - Urteil vom 21. September 1988 in der Rechtssache 50/87 (Slg. 1988, 4797).

(11) - Ibidem, Randnr. 15, Hervorhebung von mir.

(12) - Ibidem, Randnr. 16.

(13) - Ibidem, Randnr. 19. In diesem Urteil entschied der Gerichtshof letztlich, dass das französische Steuersystem, wonach für Unternehmen, die von ihnen erworbene oder bebaute Grundstücke vermieten, das Recht auf Abzug der als Vorsteuer entrichteten Mehrwertsteuer eingeschränkt wird, wenn der Jahresbetrag der Einnahmen aus der Vermietung dieser Grundstücke ein Fünfzehntel des Grundstückswerts unterschreitet, gegen die geltenden gemeinschaftlichen Steuervorschriften verstößt.

(14) - Urteil vom 8. März 1988 in der Rechtssache 165/86 (Slg. 1988, 1471).

(15) - Ibidem, Randnr. 14.

(16) - Jedoch darf die Auslegung des Artikels 17 nicht so weit sein, dass sie das Recht auf Vorsteuerabzug auf Fälle oder wirtschaftliche Tätigkeiten ausdehnt, die nicht ausdrücklich in den Geltungsbereich dieses Artikels fallen. In seinem Urteil vom 6. April 1995 in der Rechtssache C-4/94 (BLP Group, Slg. 1995, I-983) z. B. entschied der Gerichtshof, dass "die betreffenden Gegenstände oder Dienstleistungen, damit das in Absatz 2 vorgesehene Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, eine direkte und unmittelbare Verbindung mit den besteuerten Umsätzen aufweisen müssen und dass insoweit der vom Steuerpflichtigen verfolgte endgültige Zweck unerheblich ist" (Randnr. 19). Aus diesem Grund hat, "wenn ein Steuerpflichtiger einem anderen Steuerpflichtigen Dienstleistungen erbringt, der sie für einen steuerfreien Umsatz verwendet, dieser, außer in den in [den Gemeinschaftsrichtlinien über die Mehrwertsteuer] ausdrücklich vorgesehenen Fällen, nicht das Recht ..., die vorher entrichtete Mehrwertsteuer abzuziehen, auch wenn der endgültige Zweck des steuerfreien Umsatzes die Bewirkung eines besteuerten Umsatzes ist" (Randnr. 28).

(17) - Urteil vom 6. Juli 1995 in der Rechtssache C-62/93 (Slg. 1995, I-1883).

(18) - Ibidem, Randnr. 16.

(19) - Ibidem, Randnr. 18.

(20) - Urteil vom 18. Juni 1998 (Slg. 1998, I-3903).

(21) - Randnr. 18 des Urteils vom 18. Juni 1998 (Kommission/Frankreich, zitiert in Fußnote 20).

(22) - Urteil vom 5. Oktober 1999 in der Rechtssache C-305/97 (Slg. 1999, I-6671).

(23) - Ibidem, Randnr. 23.

(24) - Ibidem, Randnr. 24.

(25) - Vgl. Randnr. 19 des Urteils Royscot u. a. (zitiert in Fußnote 22): "In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission vorgetragen, aus dem Urteil vom 18. Juni 1998 in der Rechtssache C-43/96 (Kommission/Frankreich, Slg. 1998, I-3903) folge, dass das Vereinigte Königreich ursprünglich zur Beibehaltung der streitigen Ausschlüsse des Vorsteuerabzugsrechts berechtigt gewesen sei. Es habe diese Berechtigung jedoch infolge einer unter Verletzung der $Standstill-Klausel` des Artikels 17 Absatz 6 der Sechsten Richtlinie erfolgten Änderung des nationalen Rechts verloren."

(26) - Es sind zwei weitere Urteile des Gerichtshofes zu nennen, die die Frage nach der Auslegung der Stillhalteklauseln der Sechsten Richtlinie betreffen. In der Rechtssache C-74/91 (Urteil vom 27. Oktober 1992, Kommission/Deutschland, Slg. 1992, I-5437) hatte sich die deutsche Regierung auf die Übergangsbestimmungen des Artikels 28 Absatz 3 der Sechsten Richtlinie berufen, die die Mitgliedstaaten ermächtigen, abweichend von den Gemeinschaftsbestimmungen der Sechsten Richtlinie bestimmte Tätigkeiten weiterhin von der Mehrwertsteuer zu befreien. Die deutsche Regierung war der Auffassung, nach diesen Bestimmungen sei davon auszugehen, dass die nationalen Rechtsvorschriften über die Besteuerung der Reisebüros mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stuenden. Der Gerichtshof entschied jedoch, dass sich dieser Staat, da er unstreitig für die verschiedenen von den Reisebüros erbrachten Umsätze die allgemeine, vor Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie geltende Mehrwertsteuerregelung nicht beibehalten habe, sondern eine Sonderregelung erlassen habe, nicht mehr auf die Stillhalteklausel berufen könne. Nach diesem Urteil ist es mit anderen Worten möglich, dass sich ein Mitgliedstaat in bestimmten Fällen auf eine in der Sechsten Richtlinie enthaltene Stillhalteklausel nicht mehr berufen kann, wenn er die ursprünglichen Vorschriften ändert, d. h. die Vorschriften, für die die Stillhalteklausel hätte zum Tragen kommen können.

In seinem jüngsten Urteil Norbury Developments (Urteil vom 29. April 1999 in der Rechtssache C-136/97, Slg. 1999, I-1291), das ebenfalls die Auslegung und Anwendung der Stillhalteklausel des Artikels 28 Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie betraf, stellte der Gerichtshof indessen fest, dass die Mitgliedstaaten sich auf die Stillhalteklausel berufen könnten, wenn sie die vor dem Erlass der Sechsten Richtlinie geltende Regelung durch eine spätere Handlung nur teilweise ändern. Er führte aus, dass die enge Auslegung einer Stillhalteklausel, nach der ein Mitgliedstaat zwar die vor dem Erlass der Sechsten Richtlinie bestehende Regelung beibehalten könne, sie aber nicht einschränken oder, auch nicht teilweise, abschaffen könne, für die einheitliche Anwendung der Sechsten Richtlinie nachteilige Folgen hätte (Randnr. 20 des Urteils Norbury Developments).

Aus diesen Urteilen des Gerichtshofes folgt, dass ein Mitgliedstaat, der unter Berufung auf eine Stillhalteklausel der Sechsten Richtlinie, die vor Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie erlassenen nationalen Rechtsvorschriften beibehalten hat, diese Vorschriften ändern oder einschränken kann, vorausgesetzt jedoch, diese Änderungen verstoßen nicht gegen das Grundprinzip der Rechtssicherheit. Ein solcher Extremfall ist anzunehmen, wenn ein Mitgliedstaat seine vor dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie geltenden Vorschriften offenkundig aufgegeben hat - vor allem durch Erlass einer neuen Vorschrift - und sich hinterher auf die Stillhalteklausel beruft, um die ursprünglich geltenden Bestimmungen wiederaufleben zu lassen. Sieht man jedoch von diesem außergewöhnlichen Fall ab, so verlieren die Mitgliedstaaten die ihnen nach der Stillhalteklausel zustehenden Befugnisse nicht zwangsläufig allein deshalb, weil sie die aufgrund dieser Klausel beibehaltene nationale Regelung geändert haben.

(27) - Vgl. oben, Nrn. 9 und 10 dieser Schlussanträge.

(28) - Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 1 der Sechsten Richtlinie. Meines Erachtens kann die Untätigkeit eine Klage gegen dieses Organ nach Artikel 232 EG rechtfertigen.

(29) - Randnr. 19 des Urteils vom 18. Juni 1998 (Kommission/Frankreich, zitiert in Fußnote 20) und Nrn. 14 bis 19 der Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs zu diesem Urteil.

(30) - Nrn. 74 bis 77 der Schlussanträge des Generalanwalts Léger in der Rechtssache Royscot u. a. (zitiert in Fußnote 22).

(31) - Urteil vom 10. April 1984 (Slg. 1984, 1861).

(32) - Urteil vom 13. Februar 1985 in der Rechtssache 5/84 (Slg. 1985, 617).

(33) - Urteil vom 12. Juli 1988 in den Rechtssachen 138/86 und 139/86 (Slg. 1988, 3937; im Folgenden: Urteil Direct Cosmetics II).

(34) - Ibidem, Randnr. 36.

(35) - Ibidem, Randnr. 48.

(36) - Ibidem, Randnr. 44.

(37) - Zitiert in Fußnote 17.

(38) - Ibidem, Randnr. 22.

(39) - Urteil vom 29. Mai 1997 in der Rechtssache C-63/96 (Slg. 1997, I-2847).

(40) - Ibidem, Randnr. 24.

(41) - Ibidem, Randnr. 26.

(42) - Sie beruft sich insbesondere auf die Urteile vom 9. Juli 1977 (Chaussures Myris) und vom 13. Februar 1980 (SA Locafrance).

(43) - Vgl. die Ausführungen von Ampafrance zu dieser Frage sowie die Rechtsprechung des Conseil d'État, auf die sich Ampafrance bezieht (Nr. 37 dieser Schlussanträge).

(44) - Dieses Ergebnis wird auch durch eine wörtliche Auslegung des Dekrets von 1967 bestätigt, aus der meines Erachtens hervorgeht, dass zwar die Aufwendungen für Unterkunft der Führungskräfte und des Personals der Unternehmen insgesamt vom Steuerabzugsrecht ausgeschlossen sind, die sonstigen, damit verbundenen Aufwendungen (Verpflegung, Aufführungen usw.) aber nur ausgeschlossen sind, wenn sie im Zusammenhang mit den "individuellen Bedürfnissen" der Arbeitnehmer stehen.

(45) - Vgl. Urteil Skripalle (zitiert in Fußnote 39, Randnr. 30).

(46) - Vgl. oben, Nr. 14.

(47) - Zitiert in Fußnote 31.

(48) - Zitiert in Randnr. 31.

(49) - Die französische Regierung bezieht sich auf das Urteil vom 5. Dezember 1989 in der Rechtssache C-165/88 (ORO Amsterdam Beheer, Slg. 1989, 4081, Randnr. 20).

(50) - Vgl. oben, Nrn. 9 und 10 dieser Schlussanträge.

(51) - Vgl. oben, Nr. 14.

(52) - Urteil vom 18. Dezember 1997 in den Rechtssachen C-286/94, C-340/95, C-401/95 und C-47/96 (Slg. 1997, I-7281, Randnr. 46).

(53) - Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie.

(54) - Vgl. oben, Nrn. 9 und 10 dieser Schlussanträge.

(55) - Ich beschränke mich hier auf das Beispiel Griechenlands, wo der Symvoulio tis Epikrateias zwar ursprünglich die unwiderleglichen steuerrechtlichen Vermutungen unter bestimmten Voraussetzungen für verfassungsmäßig hielt (StE 434/1983, EDD 1984, 75), schließlich jedoch entschied, dass die steuerrechtliche Vermutung des Vorliegens einer Einnahme mit den Bestimmungen der Verfassung im Einklang stehe, wenn "diese Vermutung nach dem Gesetz widerlegich ist, ... weil der Betroffene stets die Möglichkeit hat, den Nachweis zu führen, dass die von ihm bezogenen Einnahmen niedriger als nach der Vermutung sind" (StE 1694/1900, NoB 39, S. 153, ToS 1990, S. 493, DD 1990, S. 1189). Die Rechtslehre hat den unwiderleglichen Vermutungen seit jeher ablehnend gegenübergestanden: vgl. etwa Bei, "Ta amachita tekmiria", D. 9, S. 761; Kypraios, "Ta antisyntagmatika amachita tekmiria tou N. 820/9978", DFN 1980, S. 679; Paulopoulos, "I anadromikotita ton forologikon nomon", DFN 1991, S. 1733, 1740; Dellis, "I syntagmatikotita tou antikeimenikou prosdiorismou tou forologiteou eisodimatos", DFN 1996, S. 841.

(56) - Auch wenn sich der Gerichtshof in Straßburg nicht spezifisch mit der Frage der unwiderleglichen steuerrechtlichen Vermutungen befasst hat, beeinträchtigt meines Erachtens die Einführung dieser Art von Vermutung das Recht, vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht Klage zu erheben und zu erreichen, dass die Sache "in billiger Weise" gehört wird; dieses Recht wird in Artikel 6 Absatz 1 EMRK garantiert, der in bekannten Urteilen ausgelegt wurde: Urteil Delcourt/Belgique, vom 29. April 1988, Belilos/Belgique, A Nr. 132; Urteil vom 17. Januar 1970, A Nr. 11; Urteil vom 25. März 1983, Minelli/Italie, A Nr. 62. Es ist auch kein Zufall, dass dieses Gericht bestimmte, von den Verwaltungsbehörden auferlegte steuerrechtliche Zwangsmaßnahmen mit der "strafrechtlichen Anklage" des Artikels 6 der Konvention gleichgesetzt hat.

(57) - Urteile vom 6. Dezember 1990 in der Rechtssache C-208/88 (Kommission/Dänemark, Slg. 1990, I-4445) und in der Rechtssache C-367/88 (Kommission/Irland, Slg. 1990, I-4465). In diesen Urteilen hat der Gerichtshof eine nationale Maßnahme, mit der eine Begrenzung der abgabenfreien Einfuhr von Bier im persönlichen Gepäck von Reisenden auf eine bestimmte Menge eingeführt wurde, für unvereinbar mit den geltenden Gemeinschaftsbestimmungen angesehen; der Gerichtshof hat entschieden, dass mit der streitigen Maßnahme die unwiderlegliche Vermutung für den kommerziellen Charakter der Einfuhr aufgestellt worden sei und dass die Maßnahme teilweise gegen die Bestimmungen der Richtlinie 69/169/EWG des Rates vom 28. Mai 1969 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Befreiung von den Umsatzsteuern und Sonderverbrauchssteuern bei der Einfuhr im grenzüberschreitenden Reiseverkehr (ABl. L 133, S. 6) verstoße. Generalanwalt Darmon hat in seinen Schlussanträgen zu den oben genannten Urteilen ausgeführt: "Die Einhaltung der Richtlinie 69/169 ... verlangt daher, dass die nationalen Behörden an Ort und Stelle eine praktische Kontrolle vornehmen, bei der gegebenenfalls der nichtkommerzielle Charakter einer Einfuhr berücksichtigt werden kann, die offenbar eine hohe Anzahl von Litern umfasst. ... In Wirklichkeit haben die Zollbehörden der Mitgliedstaaten ohne weiteres die Möglichkeit, bis zu einem gewissen Grade eine angemessene Kontrolle zu organisieren. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, erscheint es denkbar und mit der Richtlinie vereinbar, dass die Zollbeamten annehmen dürfen, dass von einer bestimmten Menge an eine Vermutung dafür besteht, dass die Einfuhr kommerziellen Charakter hat, ohne dass es damit für den Reisenden absolut ausgeschlossen wäre, das Gegenteil zu beweisen. Wir berühren damit den Unterschied, der zwischen der Aufstellung einer zwingenden Regel, die die Berücksichtigung besonderer Fälle ausschließt, und der Angabe eines ... quantitativen Kriteriums besteht, aufgrund dessen eine Vermutung eingreifen kann, ohne dass es jedoch untersagt wäre, den Gegenbeweis zu erbringen. ... Es scheint demnach doch Raum für eine ordnungsgemäße Anwendung der Richtlinie zu bestehen, die weder übertrieben ist und praktisch das Unmögliche versucht, nämlich eine Kontrolle in jedem Einzelfall, noch das Wesen des Gemeinschaftssystems ... antastet" (Nrn. 19 und 20).

(58) - Vgl. oben, Nr. 34 dieser Schlussanträge.

(59) - Vgl. oben, Nr. 47 dieser Schlussanträge.

(60) - Vgl. oben, Nr. 15 dieser Schlussanträge.

(61) - Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass man, wenn man das Dekret von 1989 unangewendet lässt, die unmittelbar vorher geltenden Rechtsvorschriften wiederaufleben lassen muss, d. h. das Dekret von 1979, das nur insoweit gilt, als es nicht gegen die Vorschriften der Sechsten Richtlinie verstößt; dies bedeutet, dass die vom Conseil d'État im Urteil Alitalia (zitiert oben in Nr. 14) getroffene Entscheidung erneut Bedeutung erhält.

(62) - Vgl. oben, Nr. 12 dieser Schlussanträge.

(63) - Ich verweise auf meine Prüfung in Nrn. 45 ff. dieser Schlussanträge.

(64) - Vgl. oben, Nr. 24 ff. dieser Schlussanträge.