Available languages

Taxonomy tags

Info

References in this case

Share

Highlight in text

Go

Wichtiger rechtlicher Hinweis

|

61999C0213

Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 21/09/2000. - José Teodoro de Andrade gegen Director da Alfândega de Leixões, Beteiligter: Ministério Público. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal Fiscal Aduaneiro do Porto - Portugal. - Abfertigung von Waren zum freien Verkehr - Überschreitung der Frist für die Erteilung einer zollrechtlichen Bestimmung - Verfahren der Verwertung von Waren oder der Erhebung einer wertabhängigen Abgabe. - Rechtssache C-213/99.

Sammlung der Rechtsprechung 2000 Seite I-11083


Schlußanträge des Generalanwalts


I - Einführung

1 In der vorliegenden Rechtssache geht es namentlich um die Frage, inwieweit das im portugiesischen Recht vorgesehene Verfahren für Waren, bei denen den erforderlichen Förmlichkeiten nicht rechtzeitig entsprochen wurde (im Folgenden: Fristüberschreitungsverfahren), mit dem Gemeinschaftszollrecht und den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts vereinbar ist.

II - Rechtlicher Rahmen

2 Die gemeinschaftsrechtlichen Zollvorschriften sind in der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften(1) (im Folgenden: Zollkodex oder Kodex) enthalten.

3 Artikel 4 des Zollkodex bestimmt:

"Im Sinne dieses Zollkodex ist ...

...

5. Entscheidung: eine hoheitliche Maßnahme auf dem Gebiet des Zollrechts zur Regelung eines Einzelfalls mit Rechtswirkung für eine oder mehrere bestimmte oder bestimmbare Personen; ..."

4 In Artikel 6 Absatz 3 heißt es:

"Schriftliche Entscheidungen, mit denen Anträge abgelehnt werden oder die für die Personen, an die sie gerichtet sind, nachteilige Folgen haben, sind zu begründen. Sie müssen eine Belehrung über die Möglichkeit enthalten, einen Rechtsbehelf nach Artikel 243 einzulegen."

5 Titel III des Kodex mit den Artikeln 37 bis 57 trägt die Überschrift "Vorschriften, die für in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachte Waren gelten, bis diese eine zollrechtliche Bestimmung erhalten haben"; Kapitel 4 dieses Titels betrifft die "Verpflichtungen, den gestellten Waren eine zollrechtliche Bestimmung zu geben". Artikel 49 enthält die Fristen für die Anmeldung der Waren und schreibt Folgendes vor:

"(1) Wenn für die Waren eine summarische Anmeldung abgegeben worden ist, müssen innerhalb der folgenden Fristen die Förmlichkeiten erfuellt werden, damit die Waren eine zollrechtliche Bestimmung erhalten:

a) fünfundvierzig Tage ab dem Tag der summarischen Anmeldung für auf dem Seeweg beförderte Waren;

b) zwanzig Tage ab dem Tag der summarischen Anmeldung für auf andere Weise beförderte Waren.

(2) Wenn es die Umstände rechtfertigen, können die Zollbehörden eine kürzere Frist festsetzen oder die Fristen nach Absatz 1 verlängern. Diese Fristverlängerung darf jedoch nicht über die durch die Umstände gerechtfertigten tatsächlichen Erfordernisse hinausgehen."

6 Titel III Kapitel 5 betrifft die "vorübergehende Verwahrung". Artikel 50 definiert diesen Begriff wie folgt: "Bis zum Erhalt einer zollrechtlichen Bestimmung haben die gestellten Waren die Rechtsstellung von Waren in vorübergehender Verwahrung." Artikel 53 bestimmt:

"(1) Sind die Förmlichkeiten, die zu erfuellen sind, damit die Waren eine zollrechtliche Bestimmung erhalten, nicht vor Ablauf der nach Artikel 49 festgesetzten Fristen eingeleitet worden, so treffen die Zollbehörden zur Regelung des Falls unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Veräußerung der Waren.

(2) Die Zollbehörden können die Waren bis zur Regelung des Falls auf Kosten und Gefahr der Person, die sie in Besitz hat, an einen unter zollamtlicher Überwachung stehenden besonderen Ort verbringen lassen."

7 Titel VIII mit den Artikeln 243 bis 246 bezieht sich auf den Rechtsbehelf. Artikel 243 lautet:

"(1) Jede Person kann einen Rechtsbehelf gegen Entscheidungen der Zollbehörden auf dem Gebiet des Zollrechts einlegen, die sie unmittelbar und persönlich betreffen.

Einen Rechtsbehelf kann auch einlegen, wer bei den Zollbehörden eine Entscheidung auf dem Gebiet des Zollrechts beantragt hat, aber innerhalb der Frist nach Artikel 6 Absatz 2 keine Entscheidung erhalten hat.

Der Rechtsbehelf ist in dem Mitgliedstaat einzulegen, in dem die Entscheidung getroffen oder beantragt wurde.

(2) Ein Rechtsbehelf kann eingelegt werden:

a) auf einer ersten Stufe bei der von den Mitgliedstaaten dafür bestimmten Zollbehörde;

b) auf einer zweiten Stufe bei einer unabhängigen Instanz; dabei kann es sich nach dem geltenden Recht der Mitgliedstaaten um ein Gericht oder eine gleichwertige spezielle Stelle handeln."

8 Abschnitt II der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage(2) (im Folgenden: Sechste Richtlinie) legt den Anwendungsbereich der Richtlinie fest. Artikel 2 als alleinige Bestimmung dieses Abschnitts lautet:

"Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;

2. die Einfuhr von Gegenständen."

9 Artikel 4 der Sechsten Richtlinie definiert den Begriff "Steuerpflichtiger" wie folgt:

"(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

...

(5) Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.

Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

..."

Anhang D erfasst auch die "Lagerhaltung".

10 Im portugiesischen Recht enthalten die Artikel 638 und 639 des Regulamento das Alfândegas (Zollverordnung) die Regelung für zollrechtlich gelagerte Waren, für die die Verwahrungsfristen überschritten sind.

11 Diese Waren sind gemäß Artikel 638 im Wege der öffentlichen Versteigerung zu verwerten, für die die Verwahrungsfristen überschritten sind.

12 Nach Artikel 639 können die Eigentümer solcher Waren diese allerdings noch abfertigen lassen, wenn sie einen entsprechenden Antrag binnen sechs Monaten ab Bereitstellung der Waren zur öffentlichen Versteigerung stellen. Die so abgefertigten Waren unterliegen sämtlichen geltenden Steuern und Abgaben zuzüglich eines Betrages in Höhe von 5 % ihres Wertes (im Folgenden: Fristüberschreitungsabgabe oder Abgabe).

13 Artikel 675 schreibt Folgendes vor:

"Der Reinerlös der Versteigerung wird nach folgender Rangordnung verteilt:

...

Bei nicht ausgelagerten Waren oder unter den Voraussetzungen von Artikel 638 Absätze 3 und 4 wird der Reinerlös aus ihrer Verwertung nach Abzug der Eigenmittel der Gemeinschaft, der nationalen Eingangsabgaben und der sonstigen Abgaben an Order des Staates hinterlegt und wird als Einnahme verbucht, wenn er nicht innerhalb einer Frist von einem Monat abgefordert wird."

14 Im Übrigen hat der Gerichtshof bereits in der Rechtssache Siesse das Vorabentscheidungsersuchen beantwortet, das die portugiesische Zollverordnung betraf(3). Aufgrund dieses Urteils haben das Supremo Tribunal Administrativo (oberstes portugiesisches Verwaltungsgericht) und das Tribunal Constitucional (portugiesisches Verfassungsgericht) die Fristüberschreitungsabgabe als mit den vom Gerichtshof aufgezeigten Grundsätzen des Gemeinschaftsrecht vereinbar befunden.

III - Sachverhalt und Ausgangsverfahren

15 Nach dem Vorlagebeschluss führte Herr Andrade (im Folgenden: Kläger) sieben Paletten Rinderhäute in die Europäische Gemeinschaft ein, die dort am 11. Juni 1995 eintrafen. Er beantragte eine Verlängerung der Frist für die Erteilung einer zollrechtlichen Bestimmung der Waren. Die Zollbehörden gewährten ihm eine Fristverlängerung von 45 Tagen. Die Waren wurden am 15. September 1995 beim Zollamt Leixões zur Zolllagerung angemeldet und vom 19. September 1995 bis 2. Januar 1996 partieweise in den freien Verkehr überführt. Am 9. Mai 1996 leitete das Zollamt Leixões für die Waren das Fristüberschreitungsverfahren ein.

16 Dabei verlangten die Zollbehörden vom Kläger die Zahlung einer Steuerschuld in Höhe von 905 483 ESC, bestehend aus einer Stempelgebühr (310 ESC), einer Fristüberschreitungsabgabe (773 652 ESC) und einer hierauf erhobenen 17%igen Mehrwertsteuer (131 521 ESC). Der Kläger entrichtete diesen Betrag und erhob daraufhin beim Tribunal Fiscal Aduaneiro Porto (Zollgericht Porto) Klage auf Nichtigerklärung des Abgabenbescheids über den genannten Betrag(4).

17 Da das Tribunal Fiscal Aduaneiro Porto der Auffassung war, dass diese Klage gemeinschaftsrechtliche Fragen aufwerfe und dass für seine Urteilsfindung eine Entscheidung darüber erforderlich sei, hat es dem Gerichtshof gemäß Artikel 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist das vorstehend beschriebene nationale Zollverwaltungsverfahren mit Artikel 53 des Zollkodex, insbesondere Artikel 53 Absatz 1, vereinbar, soweit darin vorgeschrieben ist, dass Waren, für die die gesetzlichen Fristen überschritten sind, automatisch und ohne vorherige Benachrichtigung dem Verfahren für Waren, für die die Fristen überschritten sind, (Verwertung) unterliegen?

2. Kann das nationale Zollverwaltungsverfahren, soweit es als einzige (und, wie dargestellt, automatische) Maßnahme, die die nationalen Zollbehörden zu ergreifen haben, die Durchführung des Verfahrens für Waren, für die die Fristen überschritten sind, vorsieht, das nur die Verwertung der Waren regelt, als unverhältnismäßige Maßnahme angesehen werden, die die Verteidigungsrechte der Abgabenpflichtigen verletzt und als Hemmnis für den freien Warenverkehr betrachtet werden kann, zumal diese Maßnahme als automatische Maßnahme sofort, am ersten Tag nach Ablauf der gesetzlichen Lagerfrist getroffen werden kann, ohne dass der Importeur der Ware benachrichtigt wird?

3. Verstößt das nationale Zollverwaltungsverfahren dadurch gegen Artikel 6 Absatz 3 des Zollkodex der Gemeinschaften, dass danach Waren in den angegebenen Fällen sofort ohne vorherige Benachrichtigung der "Verwertung" zugeführt werden?

4. Verstößt das nationale Zollverwaltungsverfahren dadurch gegen Artikel 243 des Zollkodex der Gemeinschaften, dass im Rahmen des Verfahrens für Waren, für die die Fristen überschritten sind, nach den Artikeln 638 ff. der portugiesischen Zollverordnung eine Benachrichtigung nicht zwingend vorgeschrieben ist?

5. Unterliegt die Abgabe für Waren, für die die Fristen überschritten sind, gemäß Artikel 638 ff. der portugiesischen Zollverordnung der Mehrwertsteuer, wenn sie (entsprechend der Auffassung der nationalen Gerichte) als verwaltungsverfahrensrechtliche Sanktion anzusehen ist?

6. Kann der Umstand, dass die Abgabe eine wertabhängige (objektive) Abgabe ist und das Verschulden des Handelnden oder die Kosten, die die Zollbehörden im konkreten Fall für Sicherungsmaßnahmen bei der Überwachung, der Einlagerung oder sonstigen Maßnahmen getragen haben, nicht berücksichtigt werden, als Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angesehen werden, wenn der in der fünften Frage dargelegten Ansicht (wonach die Abgabe eine Verwaltungssanktion darstellt) gefolgt wird?

7. Wenn jedoch davon ausgegangen wird, dass die erwähnte Abgabe keinen Sanktionscharakter hat, sondern vielmehr den Charakter eines Entgelts für eine Dienstleistung, die die Zollbehörden erbracht haben, ist dann die Erhebung von Mehrwertsteuer gerechtfertigt?

IV - Bemerkungen und Analyse

18 Schriftliche Erklärungen im Verfahren vor dem Gerichtshof haben der Kläger, die Portugiesische Republik und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften abgegeben.

19 Die Vorlagefragen beziehen sich auf vier Gebiete, die ich der Reihe nach prüfen werde, nämlich die Verhältnismäßigkeit der Sanktion (Teil von Frage 2 und Frage 6), die Verteidigungsrechte (Frage 1 sowie Teil der Fragen 2, 3 und 4), den freien Warenverkehr (Teil von Frage 2) und die Mehrwertsteuer (Fragen 5 und 7).

20 Es bedarf einer Vorbemerkung, bevor ich mich mit dem Inhalt der Vorlagefragen befasse. Aus dem im Vorlagebeschluss dargelegten Sachverhalt geht hervor, dass der Kläger die in Rede stehenden Waren am 15. September 1995 beim Zollamt zur Zolllagerung angemeldet hat und diese Waren vom 19. September 1995 bis 2. Januar 1996 in den freien Verkehr hat überführen lassen. Als das Zollamt am 9. Mai 1996 das Fristüberschreitungsverfahren für die Waren des Klägers einleitete, befanden sich diese demnach bereits im zollrechtlich freien Verkehr der Gemeinschaft und waren dementsprechend zollrechtlich ausgelagert. Somit konnten die Waren des Klägers nicht von den Zollbehörden aufgrund der Einleitung des Fristüberschreitungsverfahrens veräussert werden. Ich beschränke meine Untersuchung der Vereinbarkeit des Verfahrens mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und meine Prüfung einer etwaigen Verletzung der Verteidigungsrechte des Klägers daher, außer wenn anders angegeben, auf die Vereinbarkeit der Fristüberschreitungsabgabe mit den genannten Grundsätzen. Demgemäß gehe ich nicht auf die zollrechtliche Zwangsversteigerung eingeführter Waren ein, wenngleich sich zuweilen eine Bezugnahme darauf nicht vermeiden lässt.

a) Die Vereinbarkeit der Fristüberschreitungsabgabe mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

21 Die Frage 2 (soweit sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betrifft) und die Frage 6 des vorlegenden Gerichts gehen dahin, ob die Erhebung einer Fristüberschreitungsabgabe ohne Benachrichtigung des Importeurs und ohne Berücksichtigung der Schwere seines Verschuldens mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist.

22 Der Kläger führt aus, dieser Grundsatz, der ein allgemeines Prinzip des Gemeinschaftsrechts darstelle, sei ausdrücklich in Artikel 53 des Zollkodex enthalten, der sich auf "alle erforderlichen Maßnahmen" beziehe. Wenn die Waren nicht innerhalb der vorgeschriebenen Fristen angemeldet würden, sehe die portugiesische Regelung ihre automatische Veräußerung vor oder sie zwinge den Importeur zur Zahlung einer Fristüberschreitungsabgabe. Diese beiden Möglichkeiten verletzten das Eigentumsrecht des Importeurs, der sich gar nicht dazu äußern könne, ob die Veräußerung oder die Abgabe wirklich erforderlich sei.

23 Nach Ansicht des Klägers ist die Verhältnismäßigkeit der portugiesischen Regelung im Ganzen zu prüfen. Die nationalen Gerichte, die die vorliegende Regelung noch nach Erlass des Urteils Siesse(5) aufrechterhalten hätten, prüften lediglich die Verhältnismäßigkeit der Fristüberschreitungsabgabe gegenüber der zollrechtlichen Zwangsversteigerung der eingeführten Waren und der etwaigen Aneignung des Veräußerungserlöses durch den Staat. Eine Regelung, die eine verspätete Warenanmeldung von einer derartigen Abgabe abhängig mache und Beträge umfasse, die für die Zwecke des Verfahrens nicht erforderlich seien, müsse als unverhältnismäßig im Vergleich zu dieser Zielsetzung angesehen werden.

24 Der Kläger bemerkt schließlich, die Abgabe sei auch deshalb unverhältnismäßig, weil ihr Betrag wertabhängig mit einem Satz von 5 % des Zollwerts der Ware errechnet werde. Überdies berücksichtige das portugiesische Recht bei einer Sanktion grundsätzlich die Schwere des Verschuldens. Demnach werde die Fristüberschreitungsabgabe nicht unter gleichen Bedingungen wie bei entsprechenden nationalen Sanktionen erhoben, wie es der Gerichtshof verlangt habe(6).

25 Die portugiesische Regierung erklärt, Artikel 53 des Kodex überlasse die Regelung von Fällen, in denen Waren nicht rechtzeitig angemeldet worden seien, dem Ermessen der Mitgliedstaaten. Dieser Artikel gestatte hierfür ausdrücklich u. a. die Veräußerung der Ware. Das portugiesische System entspreche in wirksamer Weise dem Erfordernis, die Fristeinhaltung zu fördern. Es sei dennoch flexibel, da die Importeure die Anmeldung nachholen könnten, sofern sie die Fristüberschreitungsabgabe entrichteten.

26 Die Angemessenheit der Regelung ergebe sich auch daraus, dass der Importeur eine Verlängerung der Frist für eine zollrechtliche Bestimmung der Ware beantragen könne.

27 Die portugiesische Regierung beruft sich schließlich auf die Entscheidungen des portugiesischen Tribunal Constitucional aufgrund des Urteils Siesse, wonach eine wertmäßige Sanktion dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspreche(7).

28 Die Kommission teilt die Ansicht der portugiesischen Behörden, dass Artikel 53 ihnen einen Ermessensspielraum bei Sanktionen einräume. Diese müssten jedoch wirksam, abschreckend und verhältnismäßig sein(8). Die Mitgliedstaaten seien gemäß Artikel 10 EG gehalten, Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht zu ahnden.

29 Nach Ansicht der Kommission steht die portugiesische Regelung jedoch außer Verhältnis zu dem von ihr angestrebten Ziel. Während der Gerichtshof nämlich im Urteil Siesse entschieden habe, dass die Veräußerung der Waren eines Importeurs nur eine letzte Maßnahme darstelle, gehe das portugiesische System von der absoluten Notwendigkeit einer derartigen Verwertung aus, um den Fall solcher Waren zu regeln.

30 Die Kommission gibt auch zu bedenken, dass ein System objektiver Verantwortung unangemessen sei, da der betreffende Rechtsverstoß nicht schwer wiege und es eine Entlastungsmöglichkeit (z. B. bei höherer Gewalt) geben müsse. Zudem müsse der objektive Charakter der Sanktion klar und unzweideutig sein, was hier nicht der Fall sei.

31 Wenn die Sanktion wertabhängig festgesetzt werde, bedeute dies nicht notwendigerweise, dass sie unverhältnismäßig sei. Die Verhängung einer derartigen Sanktion falle unter das Ermessen des Mitgliedstaats. Zudem habe der Gerichtshof im Urteil Siesse nicht entschieden, dass die 5%ige Abgabe auf Waren, für die die Fristen überschritten seien, als unverhältnismäßig angesehen werden müsse. Die 5%ige Abgabe umfasse die gesamte Schuld des Importeurs gegenüber den Zollbehörden und es sei keine zusätzliche Belastung für die Verwaltungskosten oder Zinsen vorgesehen.

32 Wie bereits dargelegt, befasse ich mich in erster Linie, wenn nicht gar ausschließlich, nur mit der Vereinbarkeit der Fristüberschreitungsabgabe mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

33 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist ein grundlegendes Prinzip des Gemeinschaftsrechts, dessen Einhaltung der Gerichtshof sicherzustellen hat(9). Um ihren Zwecken zu entsprechen, muss eine Maßnahme erforderlich und angemessen sein, um das mit ihr verfolgte Ziel zu erreichen. Letzteres darf nicht in einer weniger beschränkenden Weise erreichbar sein und die angestrebten Vorteile dürfen nicht außer Verhältnis zu den belastenden Wirkungen der Maßnahme stehen(10).

34 Wie die Kommission zu Recht bemerkt, ist ein Verfahren zur Regelung des Falles erforderlich, dass ein Importeur nicht die vorgeschriebenen Zollförmlichkeiten einhält. Die vorübergehende Verwahrung von Waren ist für einen Mitgliedstaat mit Kosten verbunden und es besteht die Gefahr, dass die Waren ihren Verkehrswert verlieren oder eine Beschädigung des Zolllagers der Behörden verursachen. Die Auferlegung einer Frist für die Erteilung einer zollrechtlichen Bestimmung entspricht somit einer ordnungsgemäßen Verwaltung, die zu einem effizienteren Umgehen der Zollbehörden mit den Waren beiträgt.

35 Die Kommission weist ferner zu Recht darauf hin, dass die Ahndung einer Fristversäumung vorteilhaft sein könne. Sie halte den Importeur von einer erneuten Fristversäumung ab, begünstige allgemein die Einhaltung der Fristen, beende die vorübergehende Verwahrung oder Überwachung der Waren durch die Zollbehörden und sichere die Zahlung noch nicht entrichteter Zölle.

36 In diesem Sinn erfasst der Begriff "erforderlich" in Artikel 53 Absatz 1 des Zollkodex meines Verachtens die Verhängung einer Sanktion, die allgemein von der Außerachtlassung von Zollförmlichkeiten abhält.

37 Der Gerichtshof hat bereits die portugiesischen Rechtsvorschriften geprüft, die im vorliegenden Fall in Rede stehen. Er hat im genannten Urteil Siesse entschieden, dass es nach der dem Zollkodex vorausgehenden Regelung, der Verordnung (EWG) Nr. 4151/88 des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Festlegung der Vorschriften für in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachte Waren(11), den Zollbehörden nicht verwehrt war, eine Anmeldung der in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbrachten Waren zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr auch nach Ablauf der in Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung festgelegten Fristen anzunehmen(12). Bezüglich der Sanktionen (Fristüberschreitungsabgabe), die Mitgliedstaaten gegenüber Wirtschaftsteilnehmern verhängen können, die die genannten Fristen nicht einhalten, hat der Gerichtshof befunden, dass den Mitgliedstaaten bei der Wahl der Sanktionen zwar ein Ermessen verbleibt, sie jedoch darauf achten müssen, dass Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht wirksam, verhältnismäßig und in abschreckender Weise geahndet werden(13). Außerdem müssen diese Sanktionen den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts und insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen und nach Regeln festgesetzt werden, wie sie denen entsprechen, die für Zuwiderhandlungen gleicher Art und Schwere gegen das nationale Recht gelten(14). Nach der Feststellung des Gerichtshofes obliegt dem nationalen Gericht die Beurteilung, ob der streitige Zuschlag diesen allgemeinen Grundsätzen und Bedingungen entspricht(15).

38 Der Gerichtshof hat die Fristüberschreitungsabgabe als "Sicherungsmaßnahme" bezeichnet, "durch die die tatsächliche Zahlung der entsprechenden Abgabe gewährleistet werden soll"(16), und der Generalanwalt hat die Ansicht vertreten, dass es sich dabei für die Zollbehörden um ein Mittel zur Wahrung eines "Sicherheitsrechts" im Hinblick auf die Zahlung der entstandenen Kosten handelt(17).

39 Es geht hier aus dem Vorlagebeschluss hervor, dass alle Zölle für die eingeführten Waren bei deren Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr entrichtet wurden, und zwar, wie bereits erwähnt, bevor die Behörden das Fristüberschreitungsverfahren einleiteten. Demgemäß kann im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass mit der Fristüberschreitungsabgabe die Zahlung aller Steuerschulden für die Waren des Importeurs sichergestellt werden sollte. Die Abgabenerhebung dient hier im Verhältnis zwischen dem Kläger und den Behörden in Bezug auf die betreffenden Waren lediglich der Ahndung für die Fristversäumung des Klägers sowie der Erstattung der durch die verlängerte Zolllagerung der Waren entstandenen Kosten und der Zahlung der Zinsen für die verspätete Entrichtung der ursprünglich fälligen Zölle.

40 Das nationale Gericht muss bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Fristüberschreitungsabgabe dem Zweck dieser Abgabe und den sonstigen eine derartige Sanktion rechtfertigenden Gründen Rechnung tragen, die wie ich sie oben (Nrn. 34 und 35) dargelegt habe. Desgleichen muss das nationale Gericht sicherstellen, dass das betreffende System dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Allgemeinen und nicht nur in seiner Anwendung im Einzelfall entspricht.

41 Eine wertabhängige Bemessung hat den Vorzug der Verhältnismäßigkeit zum Wert der Ware. Sie ist auch objektiv und vorhersehbar.

42 Wie aus dem Vorlagebeschluss und den schriftlichen Erklärungen hervorgeht, wird die Fristüberschreitungsabgabe in dem Sinn automatisch erhoben, dass keine Ausnahme vorgesehen ist. Gelangt das nationale Gericht zu dem Schluss, dass sich die Zollbehörden bei der Auferlegung der Abgabe oder bei deren Berechnung geirrt haben, so ist der Importeur, zumindest im Ausmaß dieses Irrtums, von der Zahlung der Abgabe befreit.

43 Wenngleich die Kommission die fehlende Möglichkeit einer Abgabenminderung bei höherer Gewalt bemängelt, lässt sich daraus im vorliegenden Fall meines Erachtens nichts ableiten. Die Rechtsprechung verdeutlicht, dass der Gerichtshof die Frage der höheren Gewalt im Zusammenhang mit dem speziellen normativen Rahmen des jeweiligen Falles beurteilt. Wie der Gerichtshof im Urteil First City Trading u. a. ausgeführt hat, "hat dieser Begriff nach ständiger Rechtsprechung auf den verschiedenen Anwendungsgebieten des Gemeinschaftsrechts nicht den gleichen Inhalt; seine Bedeutung ist daher anhand des rechtlichen Rahmens zu bestimmen, innerhalb dessen er seine Wirkungen entfalten soll"(18). Nach Artikel 53 des Zollkodex können die Behörden nur die "erforderlichen" Maßnahmen zur Regelung des Falles einer Ware treffen. Die vorliegende Rechtssache betrifft die Umsetzung von Gemeinschaftsrecht in die Rechtsordnung eines Mitgliedstaats. Die Mitgliedstaaten müssen bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts die grundlegenden Rechte und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Auslegung durch den Gerichtshof beachten(19). Demnach dürfte, zumindest unter Umständen von höherer Gewalt, eine Zwangsveräußerung von Waren eines Importeurs als unmittelbarer Eingriff in ein Eigentumsrecht kaum eine verhältnismäßige Maßnahme darstellen. Der Kläger hat indessen keine auf höherer Gewalt beruhenden Umstände dargetan, die dazu führen konnten, dass er die Waren nicht rechtzeitig abfertigen ließ. Die Waren wurden ja auch, wenngleich verspätet, abgefertigt und der übliche Zoll wurde dann entrichtet. Wenn der Streit, wie hier, nur die Erhebung einer finanziellen Sanktion betrifft, so ist es meines Erachtens nicht angebracht, Spekulationen anzustellen, indem man versucht, den Geltungsbereich des Begriffs der höheren Gewalt zu umreißen, ohne dass irgendetwas für ihr Vorliegen vorgetragen worden ist.

44 Der Kläger hat zwar erklärt, die Fristüberschreitungsabgabe werde nicht entsprechend den Bedingungen erhoben, die bei Verstößen gleicher Art und Schwere gegen das nationale Recht gelten. Da der Vorlagebeschluss hierzu aber keine Informationen enthält, ist mir eine eingehendere Beurteilung dieser Beanstandung nicht möglich. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im genannten Urteil Siesse für die Gültigkeit einer Sanktion voraussetzt, dass die Verstöße "nach sachlichen und verfahrensrechtlichen Regeln geahndet werden, die denjenigen entsprechen, die für nach Art und Schwere gleichartige Verstöße gegen nationales Recht gelten"(20). Im Urteil Siesse sollte meines Erachtens sichergestellt werden, dass der Verstoß unter zumindest ebenso strengen Bedingungen geahndet wird wie nach nationalem Recht. Wenn die Sanktion im Verhältnis zu ihrem Zweck steht, muss sie nicht notwendigerweise ihrem nationalen Äquivalent gleichen; es kann sich also mit anderen Worten um eine strengere Sanktion handeln.

b) Die Beachtung der Verteidigungsrechte

45 Mit seinen Fragen 1, 2 (bezüglich einer etwaigen Verletzung der Verteidigungsrechte des Abgabenpflichtigen), 3 und 4 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das portugiesische Fristüberschreitungsverfahren dadurch gegen Artikel 6 Absatz 3, 53 Absatz 1 oder 243 des Zollkodex verstößt, dass es automatisch und ohne vorherige Benachrichtigung angewandt wird.

46 Der Kläger macht auch hier geltend, dass ein Verfahren für Waren, die nicht einer zollrechtlichen Bestimmung zugeführt worden seien, erforderlich sein müsse. Er führt aus, der Importeur könne nur dann dartun, dass die Veräußerung oder Erhebung der Fristüberschreitungsabgabe für die Ware nicht erforderlich sei, wenn ihm die Einleitung des genannten Verfahrens bekannt gegeben werde. Werde er davon nicht benachrichtigt, so könne er auch nicht seine grundlegenden Verteidigungsrechte wahrnehmen. Ein derartiges Verfahren müsse kontradiktorisch sein.

47 Der Kläger trägt ferner vor, dass die Einleitung eines Fristüberschreitungsverfahrens eine "Entscheidung" im Sinne von Artikel 4 Absatz 5 des Zollkodex darstelle. Zudem handele es sich um eine "nachteilige" Entscheidung, die gemäß Artikel 6 Absatz 3 des Kodex zu begründen sei und eine Belehrung über die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs nach Artikel 243 enthalten müsse.

48 Die portugiesische Regierung erklärt hingegen, es sei keine Entscheidung erforderlich, um das Fristüberschreitungsverfahren einzuleiten. Die Eröffnung dieses Verfahrens sei eine unmittelbare Rechtsfolge des Verstoßes gegen Artikel 49 des Zollkodex und die Behörden seien aufgrund des Artikels 53 des Kodex verpflichtet, den Fall der betreffenden Waren zu regeln. Daher finde hier weder Artikel 6 Absatz 3 noch Artikel 243 des Kodex Anwendung. Der Importeur könne während des Verfahrens jedenfalls ein Rechtsmittel einlegen, so dass kein Verstoß gegen Artikel 243 vorliegen könne.

49 Nach Ansicht der Kommission ist eine Benachrichtigung des Importeurs gemäß Artikel 6 Absatz 3 des Kodex nicht erforderlich. Artikel 53 des Kodex verpflichte die Zollbehörden, "unverzüglich" zu handeln. Eine zusätzliche Mitteilungspflicht gegenüber dem Importeur würde das Verfahren verlangsamen und die Erfuellung der Aufgabe der Zollbehörden verzögern.

50 Die Kommission vertritt ferner die Auffassung, dass Artikel 6 Absatz 3 des Kodex nicht anwendbar sei. Es sei nicht erforderlich, dass die Behörden eine schriftliche Entscheidung träfen, um das Verfahren einzuleiten. Die Entscheidung könne zwar für den Betroffenen nachteilig sein, doch nicht alle nachteiligen Entscheidungen müssten schriftlich ergehen. Nur wenn der Beteiligte selbst einen schriftlichen Antrag stelle, sei eine schriftliche Entscheidung geboten. Im Übrigen setze das Verfahren des Artikels 6 Absatz 3 voraus, dass eine danach getroffene Entscheidung an einen bestimmten Adressaten gerichtet sei. Dies sei bei Fristüberschreitungsverfahren nicht stets der Fall, da die Behörden nicht immer in der Lage seien, den Importeur zum maßgeblichen Zeitpunkt zu identifizieren.

51 Bei dem Rechtsbehelf nach Artikel 243 des Kodex trifft die Kommission eine Unterscheidung zwischen der Erhebung der Fristüberschreitungsabgabe und der Zwangsveräußerung der Ware. Ihres Erachtens ist eine Benachrichtigung des Importeurs über die Auferlegung einer finanziellen Sanktion nicht erforderlich, da er davon erfahre, wenn die Zahlung verlangt werde. Bei der Veräußerung der Ware müsse der Importeur nicht sofort benachrichtigt werden, wenn die Verwertung dringend sei, aber auch in diesem Fall müsse die Benachrichtigung so bald wie möglich erfolgen. Die Verpflichtungen der Behörden würden dadurch etwas abgemildert, dass Artikel 659 der portugiesischen Zollverordnung die Veröffentlichung einer Liste der Waren vorschreibe, deren Veräußerung aufgrund des Fristüberschreitungsverfahrens vorgesehen sei. Ansonsten trifft die Kommission eine weitere Unterscheidung, je nachdem ob der Importeur den Behörden bekannt ist oder nicht. Im letzteren Fall könne es sehr kostspielig sein, den Betroffenen ausfindig zu machen, so dass eine Benachrichtigung nicht erforderlich sei; sei der Importeur den Behörden dagegen bekannt, müsse er über sein Recht auf Einlegung eines Rechtsbehelfs belehrt werden. Gehe einem den Zollbehörden bekannten Importeur keine derartige Mitteilung zu, könne er kein mangelndes Erfordernis und keinen Irrtum der Zollbehörde nachweisen, so dass dann durchaus die Gefahr eines irreparablen Schadens bestehe. Diese Gefahr erhöhe sich durch die sehr begrenzten Kontrollbefugnisse, über die das nationale Gericht in diesem Verfahren verfüge.

52 Es ist zu bedenken, dass die Beachtung der Verteidigungsrechte einen fundamentalen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts darstellt, wonach die Adressaten von Entscheidungen der öffentlichen Behörden, wenn ihre Interessen - wie hier - durch die Entscheidung spürbar berührt werden, Gelegenheit erhalten müssen, ihren Standpunkt gebührend darzulegen(21).

53 Der Zollkodex umfasst in seinen Artikeln 6 Absatz 3 und 243 Bestimmungen für die Ausübung dieses Rechts auf ein angemessenes Verfahren. Artikel 243 schreibt nicht selbst vor, dass ein Importeur über sein Recht auf Einlegung eines Rechtsbehelfs zu belehren ist. Andererseits bestimmt Artikel 6 Absatz 3, dass dem Betroffenen die Entscheidungsgründe mitzuteilen sind und er zugleich über die Möglichkeit zu belehren ist, einen Rechtsbehelf einzulegen. Die Geltung des Artikels 6 Absatz 3 unterliegt bestimmten Voraussetzungen; erstens muss eine "Entscheidung" (im Sinne des Artikels 4 Absatz 5 des Kodex) vorliegen, zweitens muss die Entscheidung "schriftlich" ergangen sein und schließlich muss mit ihr ein Antrag "abgelehnt werden" oder sie muss für den Adressaten "nachteilige" Folgen haben.

54 Die portugiesische Regierung betont, dass die Einleitung des Fristüberschreitungsverfahrens nach portugiesischem Recht eine automatische rechtliche Folge der Nichtbeachtung des Artikels 49 des Zollkodex darstelle. Meines Erachtens ist der Begriff "Entscheidung" in der Gemeinschaft indessen einheitlich auszulegen. Ob eine Entscheidung ergangen ist, darf nicht davon abhängen, wie die einzelnen Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen aus Artikel 53 des Kodex auslegen.

55 Meines Erachtens ist eine "Entscheidung" ein Rechtsakt, der eine Beurteilung oder die Ausübung eines Ermessens zum Ausdruck bringt. Es handelt sich dabei um einen Akt, der unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren erlassen wird und er muss nach dem Gemeinschaftsrecht die Gründe angeben, die zu dieser Ermessensausübung geführt haben, so dass sein Empfänger in der Lage ist, die Geltung des Rechtsakts in geeigneter Weise anzufechten(22).

56 In Portugal ist die 5%ige Fristüberschreitungsabgabe fällig, wenn der Importeur von seinem Recht einer verspäteten Anmeldung nach Artikel 639 der portugiesischen Zollverordnung Gebrauch macht. Um dem Gemeinschaftsrecht zu entsprechen, muss die Abgabe, wie bereits erwähnt, bestimmten Grundsätzen Genüge leisten. Ich nehme für den vorliegenden Zusammenhang an, dass die Abgabe verhältnismäßig ist und unter Bedingungen angewandt wird, die denjenigen entsprechen, die bei Verstößen gleicher Art und Schwere gegen nationales Recht gelten, da sich nur dann die Frage einer etwaigen Verletzung der Verteidigungsrechte des Importeurs stellt. Unterstellt man also diese Fallgestaltung, so wird die Fristüberschreitungsabgabe, wie die portugiesische Regierung erklärt, in der Tat in dem Sinn automatisch auferlegt, dass ihre Erhebung nicht von einer Beurteilung oder der Ausübung eines Ermessens abhängt. Daher ist die Erhebung der Abgabe meines Erachtens keine "Entscheidung" im Sinne des Gemeinschaftsrechts.

57 Die Handlung, mit der dem Importeur seine Verbindlichkeit für die verspätet ausgelagerten Waren mitgeteilt wird, erfordert keinen eingehenderen Nachweis. Wie der Kläger und der weitere Beteiligte in ihren schriftlichen Erklärungen dargelegt haben, ist die Höhe der Abgabe immer wertabhängig im Verhältnis von 5 % des Warenwerts, der sich leicht feststellen lässt.

58 Da hier meines Erachtens keine "Entscheidung" ergangen ist, waren die Behörden nicht gehalten, den Kläger zu informieren oder eine Belehrung über die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs nach Artikel 243 des Zollkodex zu erteilen. Dem Kläger verbleibt indessen das Recht, die Auferlegung der Fristüberschreitungsabgabe in seinem Einzelfall anzufechten. So kann er z. B. einen Irrtum der Behörden geltend machen oder, wie im vorliegenden Verfahren, die Verhältnismäßigkeit der Abgabe in Frage stellen. Dadurch, dass der Kläger hier das Tribunal Fiscal Aduaneiro mit seinem Fall befasst hat, wird deutlich, dass ein Importeur, selbst wenn die Artikel 6 Absatz 3 und 243 des Kodex nicht anwendbar sind, nicht auf das Recht auf eine gerichtliche Entscheidung über die Gültigkeit der Erhebung einer Fristüberschreitungsabgabe verzichten muss.

59 Ich möchte allerdings zwei Beispiele aufzeigen, bei denen eine "Entscheidung" im Sinne von Artikel 4 Absatz 5 des Zollkodex ergangen wäre, so dass Artikel 6 Absatz 3 zum Zug käme. Erstens besteht kaum Zweifel daran, dass eine Zollbehörde ein Ermessen ausübt und somit eine "Entscheidung" erlässt, wenn sie gemäß Artikel 49 des Kodex eine kürzere Frist für die zollrechtliche Bestimmung einer Ware festsetzt oder beschließt, eine beantragte Fristverlängerung abzulehnen. Zweitens liegt auch dann eine Entscheidung vor, wenn die Ware eines Importeurs gemäß Artikel 638 der portugiesischen Zollverordnung zwangsveräußert wird. Eine Veräußerung gemäß Artikel 638 beruht auf Artikel 53 des Kodex, der sie indessen nicht zwingend vorschreibt. Die Inanspruchnahme der in Artikel 53 enthaltenen Möglichkeit beinhaltet die Ausübung eines Ermessens oder eine Beurteilung durch die Zollbehörden. Sie müssen namentlich zu dem Schluss gelangen, dass die Veräußerung der Ware im Gegensatz zu anderen Mitteln erforderlich ist. Zudem ist eine derartige Verwertung der Ware zwar grundsätzlich anhand des Artikels 53 erlaubt, sie stellt jedoch einen wesentlichen Eingriff in das Eigentumsrecht des Importeurs dar, vor allem, wenn man bedenkt, dass sich der Staat unter bestimmten in Artikel 675 der portugiesischen Zollverordnung genannten Voraussetzungen den Veräußerungserlös aneignen kann. Das Grundrecht des Importeurs als Eigentümer ist zu beachten(23). Daher sind Importeure, deren Waren veräußert werden sollen, so bald wie möglich und rechtzeitig von dieser "Entscheidung" zu benachrichtigen. Andernfalls wird ihr Eigentumsrecht verletzt, ohne dass sie das ihnen nach Artikel 639 der portugiesischen Zollverordnung zustehende Recht ausüben können, die Fristüberschreitungsabgabe zu entrichten.

c) Der freie Warenverkehr

60 Die Frage 2 des nationalen Gerichts geht dahin, ob die Erhebung der Fristüberschreitungsabgabe ein Hemmnis für den freien Warenverkehr darstellt.

61 Diese Abgabe ist gewiss keine Maßnahme zollgleicher Wirkung im Sinne von Artikel 25 EG, da sie nur Waren aus Drittländern betrifft(24).

62 Der Kläger macht jedoch geltend, dass die Abgabe dem Grundsatz der einheitlichen Behandlung aus Drittländern eingeführter Waren durch alle Mitgliedstaaten zuwiderlaufe. Dieser Grundsatz ergebe sich aus der Schaffung einer Zollunion im Sinne von Artikel 23 EG. Der Umstand, dass sich die Mehrwertsteuer nach dem Abgabenbetrag richte, bestätige, dass die Abgabe in Wahrheit ein Hemmnis für den freien Warenverkehr darstelle.

63 Für die Kommission steht fest, dass die Mitgliedstaaten seit der Einführung des Gemeinsamen Zolltarifs nicht einseitig neue Abgaben auf aus Drittländern eingeführte Waren einführen oder bestehende Abgaben erhöhen dürfen(25). Sie bemerkt jedoch auch - und ich teile diesen Standpunkt -, dass die Fristüberschreitungsabgabe nicht generell auf alle Einfuhren erhoben werde, sondern nur auf diejenigen, bei denen die Fristen für die Erteilung einer zollrechtlichen Bestimmung nicht eingehalten worden seien. Demnach stellt die Abgabe kein Hemmnis für den freien Warenverkehr dar(26).

d) Die Mehrwertsteuer

64 Mit den Fragen 5 und 7 möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Zollbehörden Mehrwertsteuer auf den Betrag der Fristüberschreitungsabgabe erheben können.

65 Der Kläger, die portugiesische Regierung und die Kommission sind übereinstimmend der Auffassung, dass die Abgabe eine Verwaltungssanktion darstelle und daher nicht der Mehrwertsteuer unterliegen dürfe. Ich teile diese Ansicht, da die Zollbehörden bei der Erhebung der Abgabe als Träger "öffentlicher Gewalt" handeln und somit nicht als "Steuerpflichtige" im Sinne von Artikel 4 der Sechsten Richtlinie anzusehen sind. Demgemäß ist hier keine Mehrwertsteuer zu zahlen(27).

66 Die Kommission bemerkt zu Recht, dass die Wahrnehmung dieser Sanktionsbefugnis durch die Zollbehörden keine Wettbewerbsverzerrung nach sich ziehen könne. Die Behörden hätten keine potenziellen Konkurrenten auf diesem Gebiet, so dass nicht gegen den wichtigen Neutralitätsgrundsatz der Mehrwertsteuer verstoßen werden könne.

67 Hätten die Zollbehörden hingegen eine Lagerungsdienstleistung erbracht, so könnte diese der Mehrwertsteuer unterliegen. Die Lagerhaltung wird in Anhang D Ziffer 9 der Sechsten Richtlinie genannt; nach Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 3 wären die genannten Behörden "steuerpflichtig", wenn ihre Dienstleistungen "nicht unbedeutend" sind.

V - Ergebnis

68 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen sind die Fragen des Tribunal Fiscal Aduaneiro Porto meines Erachtens wie folgt zu beantworten:

- Das Gemeinschaftsrecht verwehrt es den zuständigen Zollbehörden nicht, die Zahlung einer wertabhängigen Sanktion in Höhe von 5 % des Zollwerts von Waren für die Annahme einer Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr nach Ablauf der Fristen des Artikels 49 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften zu verlangen, sofern der Sanktionsbetrag in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und unter Bedingungen festgesetzt wird, die denjenigen entsprechen, die im nationalen Recht für Verstöße gleicher Art und Schwere gelten. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob die im Ausgangsverfahren streitige Sanktion diesen Grundsätzen entspricht.

- Unterliegt ein Importeur einer Sanktion wegen einer Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr nach Ablauf der in Artikel 49 der Verordnung Nr. 2913/92 vorgesehenen Fristen, so erlassen die Zollbehörden keine "Entscheidung" im Sinne von Artikel 4 Absatz 5 dieser Verordnung und weder deren Artikel 6 Absatz 3 noch ihr Artikel 243 ist anwendbar.

- Eine Sanktion wegen einer Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr nach Ablauf der in Artikel 49 der Verordnung Nr. 2913/92 vorgesehenen Fristen stellt kein Hemmnis des freien Warenverkehrs dar.

- Eine Sanktion wegen einer Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr nach Ablauf der in Artikel 49 der Verordnung Nr. 2913/92 vorgesehenen Fristen ist eine Verwaltungssanktion und unterliegt daher nicht der Mehrwertsteuer im Sinne der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage.

(1) - ABl. L 302, S. 1.

(2) - ABl. L 145, S. 1.

(3) - Urteil vom 26. Oktober 1995 in der Rechtssache C-36/94 (Slg. 1995, I-3573).

(4) - Der Kanzlei des Gerichtshofes wurde mitgeteilt, dass die Rechtssache wegen der Auflösung des Tribunal Fiscal Aduaneiro Porto aufgrund der Verordnung Nr. 301-A/99 vom 5. August 1999 dem Tribunal Tributário de Primeira Instância Porto (Steuergericht erster Instanz) übertragen wurde.

(5) - Oben, Fußnote 4.

(6) - Urteil Siesse (zitiert in Fußnote 4).

(7) - Urteil des Tribunal Constitucional vom 29. Juni 1999, Siesse, 940/88.

(8) - Urteil vom 27. Februar 1997 in der Rechtssache C-177/95 (Ebony Maritime und Loten Navigation, Slg. 1997, I-1111).

(9) - Urteil vom 26. November 1985 in der Rechtssache 182/84 (Miro, Slg. 1985, 3731, Randnr. 14).

(10) - Siehe meine Schlussanträge vom 29. Juni 2000 in der Rechtssache C-217/99 (Kommission/Belgien, Slg. 2000, I-0000, Nr. 35) und die Erörterung in Fußnote 18 der genannten Schlussanträge.

(11) - ABl. L 367, S. 1. Diese Verordnung ist in allen Punkten, die im vorliegenden Fall von Bedeutung sind, mit dem Zollkodex identisch.

(12) - Urteil Siesse (zitiert in Fußnote 4, Randnr. 12).

(13) - Ebenda, Randnrn. 20 und 24.

(14) - Randnrn. 20 und 24.

(15) - Randnr. 25.

(16) - Randnr. 23.

(17) - Nr. 27 der Schlussanträge des Generalanwalts Elmer.

(18) - Urteil vom 29. September 1998 in der Rechtssache C-263/97 (Slg. 1998, I-5537, Randnr. 41). Siehe auch Nr. 29 meiner Schlussanträge in derselben Rechtssache und die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 16. März 2000 in der Rechtssache C-236/99 (Kommission/Belgien, Nrn. 15 bis 33).

(19) - Urteil vom 13. Juli 1989 in der Rechtssache 5/88 (Wachauf, Slg. 1989, 2609, Randnr. 19).

(20) - Ebenda, Randnr. 20.

(21) - Urteil des Gerichtshofes vom 23. Oktober 1974 in der Rechtssache 17/74 (Transocean Marine Paint Association/Kommission, Slg. 1974, 1063, Randnr. 15) und des Gerichts vom 16. Februar 2000 in der Rechtssache T-122/99 (Procter & Gamble/HABM, Slg. 2000, II-269, Randnr. 42).

(22) - Urteil vom 4. Juli 1963 in der Rechtssache 24/62 (Deutschland/Kommission, Slg. 1963, 143).

(23) - Urteil vom 13. Dezember 1979 in der Rechtssache 44/79 (Hauer, Slg. 1979, 3727, Randnr. 17).

(24) - Urteil Siesse (zitiert in Fußnote 4, Randnr. 17).

(25) - Ebenda, Randnr. 17, und Urteil vom 13. Dezember 1973 in den verbundenen Rechtssachen 37/73 und 38/73 (Indiamex und De Belder, Slg. 1973, 1609, Randnr. 22).

(26) - Ebenda, Randnr. 18.

(27) - Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-202/90 (Ayuntamiento de Sevilla, Slg. 1991, I-4247, Randnr. 18).