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Wichtiger rechtlicher Hinweis

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61999C0380

Schlussanträge der Generalanwältin Stix-Hackl vom 6. März 2001. - Bertelsmann AG gegen Finanzamt Wiedenbrück. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesfinanzhof - Deutschland. - Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a - Besteuerungsgrundlage - Versandkosten von Sachprämien. - Rechtssache C-380/99.

Sammlung der Rechtsprechung 2001 Seite I-05163


Schlußanträge des Generalanwalts


I - Einleitung

1. Im vorliegenden Fall befasst der Bundesfinanzhof den Gerichtshof mit der Frage, ob die Besteuerungsgrundlage für die Lieferung einer Sachprämie, die dem Empfänger für die Vermittlung eines neuen Kunden zugesandt wird, nach der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (im Folgenden: Sechste Richtlinie) außer dem Einkaufspreis für die Sachprämie auch die Versandkosten umfasst.

II - Rechtlicher Rahmen

A - Gemeinschaftsrecht

2. Gemäß Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie ist die Besteuerungsgrundlage bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll".

3. In Absatz 2 dieser Bestimmung werden verschiedene Positionen genannt, die in die Besteuerungsgrundlage einzubeziehen sind, und zwar u. a. nach Buchstabe b die Nebenkosten wie Provisions-, Verpackungs-, Beförderungs- und Versicherungskosten, die der Leistungserbringer von dem Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger fordert. Die Mitgliedstaaten können als Nebenkosten Kosten ansehen, die Gegenstand einer gesonderten Vereinbarung sind."

B - Nationales Recht

4. Welche Umsätze der Umsatzsteuer unterliegen, ist in § 3 des deutschen Umsatzsteuergesetzes von 1980 (UStG) festgelegt, wobei Absatz 12 dieser Bestimmung die folgende Regelung in Bezug auf Tauschumsätze enthält: Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder einer sonstigen Leistung besteht."

5. Des Weiteren lautet § 10 Absatz 2 Satz 2 UStG, der sich auf die Berechnung der Besteuerungsgrundlage für Tauschgeschäfte und tauschähnliche Umsätze bezieht: Beim Tausch (§ 3 Absatz 12 Satz 1), bei tauschähnlichen Umsätzen (§ 3 Absatz 12 Satz 2) und bei Hingabe an Zahlungs statt gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz."

III - Sachverhalt und Ausgangsverfahren

6. Die Klägerin im Ausgangsverfahren, die Bertelsmann AG (im Folgenden: Bertelsmann), ist Organträgerin mehrerer Organgesellschaften, die im Clubgeschäft" mit Büchern und Schallplatten tätig sind. Die Bertelsmann-Gesellschaften vergaben in den Jahren 1985 bis 1990 Sachprämien wie Bücher, Schallplatten oder Fahrräder an Altkunden, die neue Kunden als neue Mitglieder anwarben. Diese Sachprämien für die Mitgliederanwerbung wurden von den Gesellschaften von Drittlieferern erworben und auf eigene Kosten an die Vermittler versandt.

7. Das Finanzamt Wiedenbrück, die Beklagte im Ausgangsverfahren, hat für die Steuerbescheide der Jahre 1985 bis 1990 neben den Einkaufspreisen für die Sachprämien auch die von den Organgesellschaften getragenen Versandkosten in die Besteuerungsgrundlage einbezogen.

8. Da Bertelsmann der Auffassung war, dass die vorgenommene Einbeziehung der Versandkosten für die Lieferung der Sachprämien in die Besteuerungsgrundlage gegen die Sechste Richtlinie verstoße, erhob sie Sprungklage beim Finanzgericht. Dieses wies die Klage mit der Begründung ab, dass bei der zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlage der tauschähnlichen Umsätze nach § 10 Absatz 2 Satz 2 UStG vorzunehmenden Schätzung neben dem Einkaufspreis der Sachprämien auch die Versandkosten für die Lieferung der Sachprämien zu berücksichtigen seien. Damit werde im Übrigen entgegen dem Vorbringen der Klägerin auch nicht gegen Artikel 11 Teil A Absatz 2 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie verstoßen.

9. Gegen das Urteil des Finanzgerichts legte Bertelsmann Revision beim Bundesfinanzhof ein, in der sie rügte, dass die Auslegung des § 10 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 2 UStG durch das Finanzgericht gegen Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a und Absatz 2 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie verstoße und auch mit dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Empire Stores unvereinbar sei, aus dem hervorgehe, dass nur der Kaufpreis für die Sachprämien, nicht jedoch die Nebenkosten als Besteuerungsgrundlage heranzuziehen seien.

10. Da der Bundesfinanzhof die Frage der Einbeziehung der Nebenkosten in die Besteuerungsgrundlage, wie sie sich im vorliegenden Fall tauschähnlicher Umsätze stellt, auch nicht als durch die Rechtssachen Naturally Yours Cosmetics und Empire Stores eindeutig geklärt erachtete, hat er das Revisionsverfahren ausgesetzt und mit Beschluss vom 5. August 1999 dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Umfasst die Besteuerungsgrundlage für die Lieferung einer Sachprämie, die dem Empfänger für die Vermittlung eines neuen Kunden zugesandt wird, nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG außer dem Einkaufspreis für die Sachprämie auch die Versandkosten?

IV - Vorbringen der Beteiligten

11. Bertelsmann ist der Auffassung, dass die Besteuerungsgrundlage für die Lieferung einer Sachprämie, die dem Empfänger für die Vermittlung eines neuen Kunden zugesandt wird, nur den Einkaufspreis für die Sachprämie ohne die Versandkosten umfasse. Das folge aus dem Urteil in der Rechtssache Empire Stores, in dem der Gerichtshof festgestellt habe, dass allein der Einkaufspreis für die Besteuerungsgrundlage maßgeblich sei und nicht etwa irgendein anderer Betrag wie zum Beispiel Einkaufspreis zuzüglich Versandkosten. Obwohl es in der Rechtssache Empire Stores um ein Versandhandelsunternehmen ging und Versandkosten entstanden sein müssten, habe der Gerichtshof diese nicht in die Besteuerungsgrundlage einbezogen.

Ferner macht Bertelsmann geltend, dass die Berücksichtigung allein des Einkaufspreises nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie auch sachlich gerechtfertigt sei, weil es sich im gegenständlichen Fall um einen tauschähnlichen Umsatz handle, bei dem der als Besteuerungsgrundlage dienende Gegenwert für die Lieferung von Sachprämien nach den Urteilen Empire Stores sowie Naturally Yours Cosmetics ein subjektiver Wert sei, nämlich die tatsächlich erhaltene Gegenleistung, hier eben die Vermittlungsleistung. Da der subjektive Wert nur schwer bestimmt werden könne, sei allein der Einkaufspreis der Sachprämien zu berücksichtigen. So würden Sachprämien nicht nur für die Vermittlung von neuen Kunden an Altkunden zugesandt, sondern sie dienten auch der Pflege und Erhaltung des Altkundenbestandes. Bertelsmann weist auch darauf hin, dass Versandhandelsunternehmen die Portokosten nicht zwingend weiterberechnen müßten und manche zumindest ab einer bestimmten Mindestbestellmenge keine Versandkosten berechneten.

Schließlich bringt Bertelsmann vor, dass die Versandkosten auch nicht als Nebenkosten nach Artikel 11 Teil A Absatz 2 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie zu berücksichtigen seien, weil sie im vorliegenden Fall diese als Leistungserbringerin selbst aufwende und nicht von ihren Abnehmern, den werbenden Altkunden, einfordere.

12. Die übrigen Beteiligten - die deutsche Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission - vertreten demgegenüber im Wesentlichen die Auffassung, dass die Besteuerungsgrundlage für die Sachprämie neben dem Einkaufspreis auch die Versandkosten umfasse.

13. Die Kommission vertritt wie Bertelsmann die Auffassung, dass der zuerst zu prüfende Artikel 11 Teil A Absatz 2 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie nicht anwendbar sei.

Der ihrer Meinung nach allein maßgebliche Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a verweise hinsichtlich der Besteuerungsgrundlage auf die Gegenleistung". Dieser Begriff sei in Entsprechung der Urteile Naturally Yours Cosmetics, Coöperatieve Aardappelenbewaarplaats sowie Empire Stores auszulegen. Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich nach Auffassung der Kommission folgende Voraussetzungen für die Festsetzung der Besteuerungsgrundlage entsprechend dem Wert der Dienstleistung: erstens Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Lieferung des Gegenstands und der als Gegenleistung empfangenen Dienstleistung; zweitens die Möglichkeit, den Wert der Dienstleistung in Geld auszudrücken; drittens sei als Besteuerungsgrundlage der subjektive Wert der Gegenleistung heranzuziehen, da die Besteuerungsgrundlage der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung zu entsprechen habe.

Nach Auffassung der Kommission seien im vorliegenden Fall die ersten beiden Kriterien im Lichte der Rechtssache Empire Stores erfuellt. Die Kundenvermittlung stelle im Sinne von Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie die Gegenleistung für die Lieferung der Sachprämie dar.

Bezüglich der Bestimmung des subjektiven Wertes der Gegenleistung - dem dritten Kriterium - sei allein entscheidend, welchen Aufwand der Liefernde tätige, um die im Austausch gegen seine Lieferung angestrebte Dienstleistung zu erhalten. Zu diesem Aufwand gehörten im Lichte des Urteils Naturally Yours Cosmetics sämtliche Kosten, die der Liefernde zur Erreichung dieses Zieles tragen müsse, im gegenständlichen Fall also auch die vom Liefernden getragenen Kosten der Versendung.

Des Weiteren trägt die Kommission vor, dass sich der Gerichtshof in der Rechtssache Empire Stores auf Grund der damaligen Fragestellung nicht explizit zur Einbeziehung der Versandkosten geäußert habe, und daher das Urteil der von ihr vertretenen Auffassung nicht entgegenstehe. Vielmehr lasse sich aus dem Urteil zweifelsfrei ableiten, dass derartige Nebenleistungen in die Besteuerungsgrundlage einzubeziehen seien.

14. Die deutsche Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs teilen im Wesentlichen diese Rechtsausführungen der Kommission.

15. Die deutsche Regierung macht darüber hinaus unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes geltend, dass sich die Gegenleistung für die erfolgreiche Kundenvermittlung aus einer Haupt- (Sachprämie) und einer Nebenleistung (Versendung) zusammensetze, so dass auch zwischen der Vermittlungsleistung und der Versendung der geforderte unmittelbare Zusammenhang bestehe. Für diese Auffassung spreche auch das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Card Protection Plan, aus dem sich ergebe, dass eine Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung teile. Es werde eine einheitliche Gegenleistung geschuldet und es wäre lebensfremd, hier bei der rechtlichen Beurteilung eine künstliche" Aufspaltung zwischen der Versendungsleistung und der Übergabe des Gegenstands an sich vorzunehmen.

Diese Zugehörigkeit zur Hauptsache bedeute, dass auf die Versendungsleistung die gleichen Wertmaßstäbe anzuwenden seien wie auf die Lieferung der Sachprämie. Auch für die Versendungsleistung müsse ein Wert bestimmt werden, den ihr der Versender beimesse, und dieser Wert habe auf Grundlage des Urteils Empire Stores den dem Versender entstandenen Kosten zu entsprechen.

16. Schließlich ergibt sich die Notwendigkeit der Einbeziehung der Versandkosten für die deutsche Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreiches auch aus dem Grundsatz, die Mehrwertsteuer in wettbewerbsneutraler und gleichmäßiger Weise zu erheben. Andernfalls käme es zu einem unversteuerten Letztverbrauch. Die Umsatzsteuer müsse sich wirtschaftlich so realisieren, als ob der Vermittler die Sachprämie einschließlich ihrer Versendung gegen eine Geldzahlung erworben hätte, die auch die Versandkosten abdecke.

17. Der subjektive Wert der Vermittlungsleistung für den Steuerpflichtigen vereine nach Ansicht der Regierung des Vereinigten Königreichs die Anschaffungs- und die Versandkosten, weshalb deren Summe die Besteuerungsgrundlage ergebe. Folgte man hingegen der Argumentation von Bertelsmann, würde die Besteuerungsgrundlage nicht den vollen subjektiven Wert der vom Steuerpflichtigen erbrachten Gegenleistung für die Vermittlungsleistung widerspiegeln, was das Umsatzsteuerregime der Sechsten Richtlinie verzerren würde und eine Möglichkeit zur Steuerumgehung für Sachlieferungen böte, indem die Besteuerungsgrundlage zu niedrig angesetzt würde.

18. Hinsichtlich der Besteuerungsgrundlage führt die Regierung des Vereinigten Königreichs ferner aus, dass Artikel 11 Teil A Absatz 2 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie bestätige, dass Beförderungs- und Versandkosten einzubeziehen seien und bestreitet insofern die von Bertelsmann vertretene Sichtweise des Urteils Empire Stores, die dieser Bestimmung widersprechen würde. Der Gerichtshof sei in der Rechtssache Empire Stores nur zur Bewertung einer Lieferung von Gegenständen als Gegenleistung für die Erbringung von Dienstleistungen befragt worden, wogegen es sich im vorliegenden Fall um eine gemischte Leistung handle, nämlich um die Lieferung von Sachprämien und deren Versendung.

Wenngleich es Sache des nationalen Gerichts sei, zu entscheiden, ob eine gemischte Leistung vorliege, so ergebe sich dennoch eindeutig aus dem vom vorlegenden Gericht dargestellten Sachverhalt, dass es sich um eine solche handle. Dementsprechend liefere der Steuerpflichtige Gegenstände, die nach den Grundsätzen des Urteils Empire Stores zu bewerten seien. Darüber hinaus biete der Steuerpflichtige seinen Altkunden die Dienstleistung der Zusendung dieser Gegenstände. Folglich bilde der Gesamtwert der zwei Elemente der gemischten Leistung die Besteuerungsgrundlage.

V - Würdigung

19. Im vorliegenden Fall ist zu klären, ob die Kosten für die Versendung von Sachprämien, die eine Dienstleistung darstellt, in die Besteuerungsgrundlage nach Artikel 11 Teil A der Sechsten Richtlinie einzubeziehen sind, wenn als Gegenleistung nur eine Dienstleistung in Betracht kommt.

20. Bevor auf die Bestimmung des Artikels 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a eingegangen werden kann, ist gemäß dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Boots Company zuerst die Anwendbarkeit des Artikels 11 Teil A Absatz 2 Buchstabe b zu prüfen.

21. Bei den Versandkosten handelt es sich im vorliegenden Fall zwar um Beförderungskosten im Sinne von Artikel 11 Teil A Absatz 2 Buchstabe b, allerdings muss nach dieser Bestimmung der Leistungserbringer diese vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger fordern. Diese Regelung dürfte wohl eine zweifache Bedeutung haben. Einerseits soll sichergestellt werden, dass nur jener Gegenwert - ohne weitere Prüfung - in die Besteuerungsgrundlage einfließt, den der Steuerpflichtige tatsächlich erhalten hat, andererseits wird ein bestimmtes Verhalten des Steuerpflichtigen verlangt, worauf das Wort fordert" hindeutet.

22. Da Bertelsmann im vorliegenden Fall die Beförderungskosten nicht vom Empfänger der Sachprämie fordert", scheidet Artikel 11 Teil A Absatz 2 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie als Rechtsgrundlage für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlage aus.

23. Besteuerungsgrundlage bei der Lieferung eines Gegenstands oder der Erbringung einer Dienstleistung ist nach der Sechsten Richtlinie die tatsächlich dafür erhaltene Gegenleistung. Erfasst ist nämlich nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder vom Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll". Es ist also in Bezug auf die Dienstleistung der Versendung zu prüfen, ob der Versender für diese eine Gegenleistung erhalten hat und in welcher Höhe. Ist die Vermittlung nicht auch Entgelt für die Versendung, handelt es sich bei letzterer um eine unentgeltliche Leistung, die keinen steuerbaren Umsatz im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie darstellt und die auch für die Besteuerungsgrundlage nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a unerheblich ist.

24. Hinsichtlich der Einbeziehung von Versendungskosten sind alle Beteiligten auf die Rechtssache Empire Stores eingegangen, wobei die Sichtweise des Urteils strittig war.

25. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Parteien nach der Aktenlage im Ausgangsverfahren der Rechtssache Empire Stores nicht auf den Versand der Sachprämien oder die Versandkosten eingingen, sondern allein auf die Sachprämien Bezug nahmen. Während die Klägerin den diesbezüglichen Selbstkostenpreis ansetzte, zog die beklagte Steuerbehörde jenen Preis heran, den die Klägerin für die betreffenden Artikel berechnet hätte, wenn diese in ihrem Verkaufsangebot angeboten worden wären.

26. Vor diesem Hintergrund ist die erste Vorlagefrage in der Rechtssache Empire Stores zu verstehen. Mit dieser wollte das vorlegende Gericht wissen, was die Gegenleistung für die Lieferung der Sachprämien darstellt, wenn es nicht der Geldbetrag ist, der dem Lieferer für bei ihm bestellte Katalog-Waren zu zahlen ist. Erst die zweite Vorlagefrage bezog sich auf die Besteuerungsgrundlage und nennt mehrere Alternativen: bezahlter Einkaufspreis, hypothetischer Verkaufspreis oder irgendein anderer, und wenn ja, welcher Betrag".

27. Wenn sich der Gerichtshof im Urteil Empire Stores auf die Lieferung" von Gegenständen bezieht, meint er damit die reine Sachleistung. Da der Gerichtshof bereits auf die Versendung nicht eingegangen ist, hatte er auch keine Veranlassung, sich zu den Kosten der Versendung zu äußern.

28. Der Gerichtshof hat sich insofern also weder für noch gegen die Einbeziehung der Versandkosten in die Besteuerungsgrundlage ausgesprochen.

29. Nun ist also der Frage nachzugehen, worin im vorliegenden Fall der Gegenwert besteht, der als Besteuerungsgrundlage dient. Wie der Gerichtshof im Urteil Empire Stores unter Bezugnahme auf das Urteil Naturally Yours Cosmetics festgestellt hat, kann die Gegenleistung für eine Lieferung von Gegenständen aus einer Dienstleistung bestehen und deren Besteuerungsgrundlage im Sinne von Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie sein, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Lieferung von Gegenständen und der Dienstleistung besteht und wenn der Wert der Dienstleistung in Geld ausgedrückt werden kann". Da die Sechste Richtlinie Lieferungen und Dienstleistungen gleich behandelt, haben diese Kriterien auch für Dienstleistungen zu gelten.

30. Zunächst ist daher zu untersuchen, ob die Vermittlung, d. h. die Dienstleistung, die von den Altkunden erbracht wird, in unmittelbarem Zusammenhang mit der Sachprämie und deren Versendung steht. Wie das Urteil Naturally Yours Cosmetics zeigt, kann eine Dienstleistung grundsätzlich die Gegenleistung für eine Lieferung sein.

31. Nach ständiger Rechtsprechung besteht ein unmittelbarer Zusammenhang dann, wenn sich zwei Leistungen derart gegenüberstehen, dass die eine Leistung durch die andere bedingt ist.

32. Wie der Gerichtshof bereits im Urteil Empire Stores für Recht erkannt hat, besteht zwischen der Lieferung einer Sachprämie und einer Vermittlungstätigkeit ein unmittelbarer Zusammenhang.

33. Zu klären bleibt allerdings, ob auch die Versendungsleistung entgeltlich ist, d. h., ob auch sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vermittlungsleistung steht.

34. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die Versendung eine Nebenleistung zur Hauptleistung Sachprämie darstellt. Nach dem Urteil Card Protection Plan ist nämlich eine Leistung als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen". Somit bilden Sachprämie und Versendung zusammen einen einheitlichen Umsatz, dem eine Gegenleistung in Form der Vermittlungsleistung gegenübersteht.

35. Wenn die Vermittlungsleistung erbracht wird, steht dem Altkunden die Sachprämie samt deren Versendung zu. Damit besteht nicht nur zwischen der Sachprämie und der Vermittlungsleistung, sondern auch zwischen der Versendung und der Vermittlungsleistung ein unmittelbarer Zusammenhang.

36. Auch eine für das Steuerrecht grundlegende wirtschaftliche Betrachtungsweise spricht für die Einbeziehung der Versendung. Denn im Wirtschaftsverkehr ist wohl generell davon auszugehen, dass Leistungen nicht unentgeltlich erbracht werden.

37. Insgesamt ist also festzuhalten, dass als Besteuerungsgrundlage im Sinne des Artikels 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Wert der Sachprämie und der Wert der Versendung heranzuziehen ist.

38. Da die Voraussetzung vorliegt, dass der Wert der Dienstleistung, hier also der Versendung, in Geld ausgedrückt werden kann, ist nunmehr der nach dem Urteil Naturally Yours Cosmetics maßgebliche subjektive Wert der Gegenleistung zu ermitteln.

39. Dieser subjektive Wert ist nach dem Urteil Empire Stores derjenige Wert, den der Empfänger der Dienstleistung, die die Gegenleistung für die Lieferung von Gegenständen darstellt, den Dienstleistungen beimisst, die er sich verschaffen will". Dieser Wert hat dem Betrag [zu] entsprechen, den er zu diesem Zweck aufzuwenden bereit ist".

40. Erstens ist also vom Dienstleistungsempfänger auszugehen, um festzustellen, was der Dienstleistungserbringer tatsächlich als Gegenleistung erbracht hat. Zweitens sind als Wert dieser Gegenleistung grundsätzlich mindestens die Aufwendungen für die Leistung zugrunde zu legen.

41. Im Übrigen ist diese Methode der Sechsten Richtlinie nicht fremd. Sie ist etwa für Dienstleistungen vorgesehen, die nicht gegen Bezahlung eines Geldbetrages erbracht werden, also für die sogenannten gleichgestellten Dienstleistungen im Sinne von Artikel 6 Absatz 2. Für diese legt Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c den Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung als Besteuerungsgrundlage fest.

42. Im vorliegenden Fall sind für die Dienstleistung der Versendung die Aufwendungen für die Versendung anzusetzen, also die Versandkosten.

43. Dafür spricht schließlich die von der deutschen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs vertretene Auffassung, wonach es dem Prinzip einer wettbewerbsneutralen und gleichmäßigen Erhebung der Mehrwertsteuer widersprechen würde, die Versandkosten bei der Besteuerungsgrundlage unberücksichtigt zu lassen. Denn der Versand einer Sachprämie, für die der Empfänger des Gegenstands eine Dienstleistung erbringt, ist steuerlich nicht anders zu behandeln als der Versand eines Gegenstands, der vom Empfänger bezahlt wird.

44. Die Besteuerungsgrundlage für die Lieferung einer Sachprämie, die dem Empfänger für die Vermittlung eines neuen Kunden zugesandt wird, umfasst daher nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie außer dem Einkaufspreis für die Sachprämie auch die Versandkosten.

VI - Ergebnis

45. Im Lichte dessen wird daher vorgeschlagen, auf die Vorlagefrage wie folgt zu antworten:

Die Besteuerungsgrundlage für die Lieferung einer Sachprämie, die dem Empfänger für die Vermittlung eines neuen Kunden zugesandt wird, umfasst nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie des Rates 77/388/EWG vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage außer dem Einkaufspreis für die Sachprämie auch die Versandkosten.

Christine Stix-Hackl