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Wichtiger rechtlicher Hinweis

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62000C0062

Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed vom 24. Januar 2002. - Marks & Spencer plc gegen Commissioners of Customs & Excise. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) - Vereinigtes Königreich. - Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Nationale Regelung, die rückwirkend eine Verjährungsfrist für die Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge verkürzt - Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Effektivität und des Vertrauensschutzes. - Rechtssache C-62/00.

Sammlung der Rechtsprechung 2002 Seite I-06325


Schlußanträge des Generalanwalts


I Einleitung

1. Im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren wird der Gerichtshof um Beantwortung der Frage ersucht, ob die rückwirkende Aberkennung des Anspruchs auf Rückzahlung von Beträgen, die mehr als drei Jahre vor Erhebung der Erstattungsklage als Mehrwertsteuer gezahlt wurden, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Hier wird die Frage für den Zeitraum gestellt, in dem ein Mitgliedstaat eine unmittelbar wirkende Richtlinienbestimmung nicht ordnungsgemäß in sein nationales Recht umgesetzt hat.

II Der rechtliche Rahmen

Das Gemeinschaftsrecht

2. Artikel 11 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (im Folgenden: Sechste Richtlinie) lautet wie folgt:

A. Im Inland

(1) Die Besteuerungsgrundlage ist:

a) bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter den Buchstaben b), c) und d) genannt sind, alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen;

..."

Das nationale Recht

3. Beide Parteien des Ausgangsverfahrens und das vorlegende Gericht gehen davon aus, dass Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie erst mit Wirkung vom 1. August 1992 ordnungsgemäß in das nationale Recht umgesetzt worden ist, und zwar durch die Änderung von Section 10(3) des Value Added Tax Act 1983 (im Folgenden: Gesetz von 1983) durch den Finance (No. 2) Act 1992. Diese Bestimmung lautete:

Erfolgt die Lieferung im Austausch für eine Gegenleistung, die nicht oder nicht in vollem Umfang in Geld besteht, so bestimmt sich ihr Wert nach dem Betrag, der zuzüglich der angefallenen Steuer der Gegenleistung entspricht."

4. Das Gesetz von 1983 wurde mit Wirkung vom 1. September 1994 aufgehoben. An seine Stelle trat der Value Added Tax Act 1994 (im Folgenden:

Gesetz von 1994). Section 19(3) des Gesetzes von 1994 hat denselben Wortlaut wie Section 10(3) des Gesetzes von 1983 in der Fassung des Finance (No. 2) Act 1992, außer dass Section 19(3) von angefallener Mehrwertsteuer" spricht, während Section 10(3) in der geänderten Fassung von angefallener Steuer" spricht.

5. Hinsichtlich der Rückzahlung der ohne eine entsprechende Steuerschuld an die Commissioners gezahlten Mehrwertsteuerbeträge bestimmte soweit hier einschlägig Section 24 des Finance Act 1989 (mit Wirkung vom 1. Januar 1990) Folgendes:

(1) Ein ohne Rechtsgrund an die Commissioners als Mehrwertsteuer gezahlter Betrag ist von diesen zu erstatten.

(2) Die Commissioners erstatten einen Betrag nach dieser Section nur bei Geltendmachung eines entsprechenden Anspruchs.

...

(4) Ein Rückzahlungsanspruch nach dieser Section verjährt, soweit in Subsection (5) nichts anderes bestimmt ist, nach Ablauf von sechs Jahren ab dem Zeitpunkt der Zahlung.

(5) Ist ein Betrag an die Commissioners irrtümlich entrichtet worden, verjährt ein Anspruch auf Rückzahlung nach dieser Section nach Ablauf von sechs Jahren ab dem Zeitpunkt, zu dem der Antragsteller den Irrtum bemerkt hat oder bei Anwendung angemessener Sorgfalt hätte bemerken können.

...

(7) Der Umstand, dass ein Betrag an die Commissioners ohne Rechtsgrund als Mehrwertsteuer entrichtet wurde, begründet einen Anspruch gegen diese auf Rückerstattung des Betrages ausschließlich nach den Bestimmungen dieser Section.

..."

6. Section 24 des Finance Act 1989 wurde mit Wirkung vom 1. September 1994 aufgehoben und durch Section 80 des Gesetzes von 1994 ersetzt. Die materiellen Bestimmungen von Section 80 haben denselben Wortlaut wie Section 24, außer dass das Gesetz von 1994 von Mehrwertsteuer" spricht, während der Finance Act 1989 die Begriffe Steuer" und Mehrwertsteuer" verwendet.

7. Am 18. Juli 1996 teilte der Finanzminister dem Parlament mit, dass die Regierung wegen zunehmender Risiken für den Staatshaushalt aufgrund rückwirkend geltend gemachter Ansprüche auf Erstattung von Beträgen, die zu Unrecht als Steuern erhoben worden waren, beabsichtige, rückwirkend ab 18. Juli 1996 eine dreijährige Verjährungsfrist für die Erhebung von Klagen auf Rückzahlung der Mehrwertsteuer und anderer indirekter Steuern einzuführen. Die vorgeschlagene Gesetzesänderung müsse zum Zeitpunkt dieser Mitteilung in Kraft treten, um zu verhindern, dass sie durch den Zeitablauf bis zum Abschluss der parlamentarischen Behandlung wirkungslos werde.

8. Am 4. Dezember 1996 stimmte das Unterhaus dem Haushaltsvorschlag der Regierung zu, darunter auch dem Vorschlag vom 18. Juli 1996, der als Section 47 in die Finance Bill aufgenommen wurde.

9. Der Finance Act 1997 wurde am 19. März 1997 erlassen. Section 47(1) dieses Gesetzes änderte Section 80 des Gesetzes von 1994 ab. Section 80(5) wurde in vollem Umfang aufgehoben. Section 80(4) erhielt folgende Fassung:

Ein Rückzahlungsanspruch gegen die Commissioners nach dieser Section besteht nicht für Beträge, die mehr als drei Jahre vor Geltendmachung des Anspruchs an sie entrichtet wurden."

10. Soweit hier entscheidungserheblich, bestimmt Section 47(2) des Finance Act 1997:

... Subsection (1) gilt als am 18. Juli 1996 in Kraft getretene Bestimmung, die in Bezug auf Rückzahlungen zu oder nach diesem Zeitpunkt auf alle Ansprüche nach Section 80 des Value Added Tax Act 1994 einschließlich der Ansprüche anwendbar ist, die vor diesem Zeitpunkt geltend gemacht wurden, und derjenigen, die sich auf Zahlungen vor diesem Zeitpunkt beziehen."

11. Section 47(2) bis (5) des Finance Act enthält außerdem eine Übergangsregelung. Darin wird bestimmt, dass die Dreijahresfrist nicht für nach dem 18. Juli 1996 erhobene Klagen gilt, wenn diese nach einem erfolgreichen Einspruch gegen einen Beschluss der Commissioners erhoben wurden und wenn das gerichtliche Verfahren gegen den angefochtenen Beschluss vor dem 18. Juli 1996 eingeleitet wurde. In diesem Fall gilt, dass die Rückforderung auf Beträge begrenzt ist, die in den drei Jahren vor Beginn des Verfahrens gezahlt wurden.

III Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

12. Marks and Spencer plc (im Folgenden: M& S) ist ein bekanntes Einzelhandelsunternehmen im Vereinigten Königreich und ist Mehrwertsteuerpflichtiger.

13. Die Commissioners of Customs and Excise (im Folgenden: Commissioners) sind für die Erhebung der Mehrwertsteuer im Vereinigten Königreich zuständig.

14. Zur entscheidungserheblichen Zeit verkaufte M& S an juristische Personen Geschenkgutscheine zu einem Preis, der niedriger war als ihr Nennwert. Die Geschenkgutscheine wurden dann an Dritte verkauft oder verschenkt, die sie bei M& S gegen Waren im Nennwert des Gutscheins einlösen konnten. Im Dezember 1990 trug M& S gegenüber den Commissioners vor, dass sie für diejenigen Beträge mehrwertsteuerpflichtig sei, die sie durch den Verkauf der Gutscheine erzielt habe, und nicht für deren Nennwert. Im Januar 1991 entschieden die Commissioners, dass M& S Mehrwertsteuer auf den Nennwert der Gutscheine zu entrichten habe. M& S tat dies, bis der Gerichtshof das Urteil in der Rechtssache Argos Distributors erließ. Dort hat der Gerichtshof Artikel 11 Teil A Absatz 1 der Sechsten Richtlinie dahin ausgelegt, dass in einem Fall, in dem ein Lieferant an einen Erwerber einen Gutschein unter Gewährung eines Rabatts mit dem Versprechen verkauft hat, diesen Gutschein später beim Kauf von Waren durch einen Kunden, der nicht der Erwerber des Gutscheins war und der normalerweise den tatsächlichen, vom Lieferanten beim Verkauf des Gutscheins verlangten Preis nicht kennt, zu seinem Nennwert als vollständige oder teilweise Bezahlung anzunehmen, die durch den Gutschein gebildete Gegenleistung der Betrag ist, den der Lieferant beim Verkauf des Gutscheins tatsächlich erhalten hat.

15. Mit dem Erlass dieses Urteils wurde klar, dass auf die Geschenkgutscheine von M& S nicht die zutreffende Mehrwertsteuer erhoben worden war. Deshalb beantragte M& S mit Schreiben vom 31. Oktober 1996 an die Commissioners Rückzahlung der infolge der unrichtigen Behandlung der Geschenkgutscheine an die Commissioners zu viel bezahlte Mehrwertsteuer in Höhe von 2 638 057 GBP. Der Antrag betraf den Zeitraum von Mai 1991 bis August 1996. Er wurde mit Schreiben vom 6. und 22. November 1996 geändert und ergänzt.

16. Die Commissioners erklärten sich mit Schreiben vom 11. Dezember 1996 bereit, den Teil des verlangten Betrages zurückzuzahlen, der von der Einführung der dreijährigen Verjährungsfrist nicht erfasst wurde. Am 15. Januar 1997 zahlten sie an M& S einen Betrag von 1 913 462 GBP.

17. M& S hatte von April 1973 bis Oktober 1994 auch für Teacakes" (eine typisch englisches Gebäck) zu viel Mehrwertsteuer bezahlt. Während dieses gesamten Zeitraums hatte sie Mehrwertsteuer nicht zum Nullsatz, sondern zum Standardsatz entrichtet. Dieser Fehler wurde von den Comissioners mit Schreiben vom 30. September 1994 eingeräumt. Daraufhin ersuchte M& S die Commissioners am 8. Februar 1995 um Erstattung der zu viel gezahlten Mehrwertsteuer in Höhe von 3,5 Millionen GBP. Die Commissioners stimmten dem zu, erklärten sich jedoch unter Berufung auf Section 80(3) des Gesetzes von 1994 (unjust enrichment defense", Einwand der ungerechtfertigten Bereicherung) nur zur Erstattung von 10 % der zu viel gezahlten Mehrwertsteuer bereit, da der darüber hinausgehende Betrag an die Kunden von M& S weitergegeben worden sei.

18. Hinsichtlich der Rückzahlung der Mehrwertsteuer für die Teacakes teilten die Commissioners M& S mit Schreiben vom 10. März 1997 mit, dass sie auch hier die dreijährige Verjährungsfrist anzuwenden beabsichtigten.

19. Am 4. April 1997 erhielt M& S deshalb statt 10 % von 3,5 Millionen GBP den Betrag, der 10 % des während der dreijährigen Verjährungsfrist zu viel gezahlten Betrages entsprach, d. h. 88 440 GBP.

20. In der Folgezeit ersuchte M& S die Commissioners um Überprüfung ihrer Entscheidung, die dreijährige Verjährungsfrist auf die beiden Anträge anzuwenden. Die Comissioners bekräftigten jedoch ihren zuvor eingenommenen Standpunkt.

21. Am 15. April 1997 erhob M& S Klage gegen diese Entscheidung beim VAT and Duties Tribunal. Das Gericht wies die Klage am 22. April 1998 ab. Das dagegen von M& S eingelegte Rechtsmittel wies der High Court mit Beschluss vom 21. Dezember 1998 zurück. Schließlich legte M& S hiergegen ein weiteres Rechtsmittel zum Court of Appeal ein.

22. Der Court of Appeal wies das weitere Rechtsmittel mit Urteil vom 14. Dezember 1999 hinsichtlich der Forderung auf Rückzahlung betreffend die Teacakes insgesamt und betreffend die Geschenkgutscheine für den Zeitraum von August 1992 bis August 1996 zurück.

23. Bezüglich der Forderung betreffend die von Mai 1991 bis Juli 1992 zu viel gezahlte Mehrwertsteuer vertrat der Court of Appeal die Auffassung, dass Artikel 11 Teil A der Sechsten Richtlinie während dieses Zeitraums durch das Gesetz von 1983 nicht ordnungsgemäß umgesetzt gewesen sei. Deshalb entschied er, dass M& S für diesen Zeitraum Rechte aus dem Gemeinschaftsrecht herleiten könne, auf die sie sich vor dem nationalen Gericht berufen könne. Nach Auffassung des Court of Appeal ist auch fraglich, ob es mit dem Grundsatz der Effektivität der sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Rechte und dem Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar ist, dass eine Verjährungsfrist mit sofortiger Wirkung geändert wurde und dadurch denen, die aufgrund des nationalen Rechts Anspruch auf Rückzahlung rechtsgrundlos gezahlter Beträge hatten, dieser Anspruch genommen wurde.

24. Dies hat den Court of Appeal veranlasst, eine Vorabentscheidungsfrage zu stellen.

IV Die Vorabentscheidungsfrage

25. Die durch Beschluss vom 14. Dezember 1999, der am 28. Februar 2000 beim Gerichtshof eingegangen ist, vom Court of Appeal (Civil Division) (England and Wales) gestellte Frage lautet wie folgt:

Ist es, wenn ein Mitgliedstaat Artikel 11 Teil A der Richtlinie 77/388 des Rates nicht ordnungsgemäß in sein nationales Recht umgesetzt hat, mit dem Grundsatz der Effektivität der Rechte, die einem Steuerpflichtigen nach Artikel 11 Teil A zustehen, oder mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, ein Gesetz anzuwenden, das einen nach nationalem Recht bestehenden Anspruch auf Rückzahlung von Beträgen, die mehr als drei Jahre vor Erhebung des Anspruchs als Mehrwertsteuer entrichtet wurden, rückwirkend beseitigt?

V Würdigung

Vorbemerkungen: Tragweite der Frage

26. Aus den Akten geht hervor, dass M& S zwei Forderungen erhoben hat, deren eine die für die Teacakes und deren andere die für die Geschenkgutscheine zu viel bezahlte Mehrwertsteuer betreffen. Diese letzte Forderung lässt sich in zwei Teile untergliedern: eine Forderung hinsichtlich der Geschenkgutscheine in der Zeit vor August 1992, d. h., bevor Section 10 des Finance (No. 2) Act 1992 in Kraft getreten ist, und eine Forderung betreffend Geschenkgutscheine in der Zeit von August 1992 bis Mitte Oktober 1996.

27. Die gestellte Vorabentscheidungsfrage bezieht sich lediglich auf die Rückforderung von zu viel gezahlter Mehrwertsteuer für Geschenkgutscheine in der Zeit vor Inkrafttreten der Section 10 des Finance (No. 2) Act 1992.

28. Das vorlegende Gericht unterscheidet hinsichtlich des Rückzahlungsanspruchs von M& S zwischen dem Fall, in dem die Richtlinie nicht oder nicht richtig umgesetzt worden sein soll, und den beiden anderen Fällen, in denen die Richtlinie zwar richtig in das nationale Recht umgesetzt, jedoch unrichtig angewandt wurde.

29. Im Fall der Geschenkgutscheine wird dies ganz deutlich. Unterschieden wird zwischen der Zeit vor Juli 1992 (als Artikel 11 Teil A der Sechsten Richtlinie unrichtig umgesetzt war) und der Zeit danach (als die betreffende Bestimmung der Sechsten Richtlinie zwar richtig in das nationale Recht umgesetzt war, aber noch eine Reihe von Jahren bis zum Erlass des Urteils in der Rechtssache Argos durch zuständige Steuerbehörde unrichtig angewandt wurde). Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts können sich die Einzelnen im ersten Fall unmittelbar auf die Sechste Richtlinie berufen. Im zweiten Fall sei dies jedoch nicht möglich, da dieser die Situation betreffe, dass die Sechste Richtlinie ordnungsgemäß in das nationale Recht umgesetzt worden sei. In einer derartigen Situation könnten die Einzelnen keine Rechte mehr aus der Sechsten Richtlinie herleiten. Das vorlegende Gericht stützt diese Auffassung auf das Urteil Becker. Dort hat der Gerichtshof entschieden, dass sich die Einzelnen vor dem nationalen Gericht unmittelbar auf eine Richtlinienbestimmung berufen könnten, wenn 1. ein Mitgliedstaat eine Richtlinie nicht oder nicht richtig umgesetzt habe und 2. die fragliche Bestimmung unbedingt und hinreichend genau sei. Da die erste Becker-Voraussetzung" nicht erfuellt sei, könne sich die Klägerin nicht auf die Sechste Richtlinie berufen.

30. Im Vorlagebeschluss wird nicht auf die Rückforderung von zu viel gezahlter Mehrwertsteuer für die Teacakes eingegangen. Obwohl der Vorlagebeschluss diese nicht erwähnt, ergibt sich insoweit ein ähnliches Problem. Auch hier stellt sich die Frage, ob die Einzelnen in einem Fall, in dem die Richtlinie selbst ordnungsgemäß in das nationale Recht umgesetzt wurde, dieses jedoch im Widerspruch zum klaren Ziel der Richtlinie angewandt wurde, Rechte aus dem Gemeinschaftsrecht herleiten können.

31. M& S und die Kommission verweisen auf die Unrichtigkeit des vom vorlegenden Gericht gezogenen Gegenschlusses und die sich daraus möglicherweise ergebenen Folgen. Die Kommission führt aus, bei der Durchführung von Richtlinien gehe es um eine Verpflichtung zur Erzielung eines Ergebnisses. Zur Begründung dieser Auffassung verweist sie auf den Wortlaut des Artikels 249 EG, der ganz deutlich bestimme, dass die Richtlinie hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich sei. In diesem Zusammenhang weisen die Kommission und M& S auch auf die Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Kommission/Deutschland hin, wonach es nicht genüge, den Wortlaut der Richtlinie einfach in das nationale Recht zu übernehmen, sondern die Mitgliedstaaten darüber hinaus die Anwendung dieses Rechts in der Praxis sicherstellen müssten (Nr. 14 der Schlussanträge). Nach Meinung der Kommission liegt in dieser Argumentation des vorlegenden Gerichts die Gefahr, dass ein Mitgliedstaat seinen Verpflichtungen aus einer Richtlinie nicht nachkomme, wenn er diese zwar ordnungsgemäß umsetze, sodann jedoch falsch anwende. Sowohl die Kommission als auch M& S haben darum ersucht, auf diesen grundsätzlichen Aspekt einzugehen, sei es durch ein obiter dictum, sei es durch eine weite Auslegung der Vorabentscheidungsfrage.

32. Nach ständiger Rechtsprechung zu Artikel 234 EG hält sich der Gerichtshof für an die Vorlagefragen gebunden und geht nicht über den materiellen Rahmen der ihm gestellten Fragen hinaus. Die dem Vorlagebeschluss vorausgehenden Erwägungen in den Entscheidungen des High Court und des Court of Appeal geben mir jedoch Gelegenheit zu einer Randbemerkung.

33. Hier geht es um zwei grundsätzliche Fragen, und zwar erstens die, wann eine Richtlinie als ordnungsgemäß umgesetzt angesehen werden kann, und zweitens die, ob sich die Einzelnen auch dann noch auf die Rechte, die sie aus einer Richtlinie herleiten konnten, berufen können, wenn die Richtlinie in das nationale Recht umgesetzt worden ist.

34. Hauptmerkmal der Richtlinie ist, dass sie den nationalen Gesetzgeber und die innerstaatlichen Stellen hinsichtlich der Form und der Mittel nicht bindet, wohl jedoch hinsichtlich des vom Gemeinschaftsgesetzgeber angestrebten Zieles. Je nach Gegenstand und Natur der Richtlinie kann dieses Ergebnis bisweilen allein durch deren Umsetzung in das nationale Recht erreicht werden, dann wieder ist es zu ihrer ordnungsgemäßen Durchführung wie im vorliegenden Fall erforderlich, dass sie zunächst in das innerstaatliche Recht umgesetzt und dieses sodann richtig angewandt wird. Schließlich gibt es auch Richtlinien, deren ordnungsgemäße Durchführung weniger das Tätigwerden des nationalen Gesetzgebers als vielmehr das der innerstaatlichen Verwaltung erfordert, wie dies z. B. bei der Nitrat- und der Habitatrichtlinie der Fall ist.

35. Ausschlaggebend für die Frage, ob der Mitgliedstaat die Richtlinie richtig oder falsch umgesetzt hat, ist und bleibt jedoch in den drei Fällen, die hier idealtypisch wiedergegeben wurden, das vom Gemeinschaftsgesetzgeber verfolgte Ziel.

36. Das eigentliche Problem, auf das die Kommission und M& S hinweisen, ist nun gerade die unrichtige Anwendung durch die Commissioners in der Praxis. Darauf ist meines Erachtens zu Recht aufmerksam gemacht worden. Die praktische Anwendung einer umgesetzten Richtlinie im innerstaatlichen Bereich ist in der Tat von Bedeutung, da eine falsche Anwendung zu ganz anderen als den mit der Richtlinie angestrebten Ergebnissen führen kann. Außerdem haben Unterschiede bei der Anwendung von Richtlinien negative Folgen für die Einheit und Gleichheit innerhalb der Gemeinschaftsrechtsordnung.

37. Das mit der Richtlinie verfolgte Ziel verlangt somit 1. eine ordnungsgemäße Umsetzung und 2. eine Anwendung der entsprechenden nationalen Vorschriften im Einklang mit dem Ziel der Richtlinie. In diesem Sinne stimme ich der Kommission darin zu, dass die Durchführung einer Richtlinie mehr erfordert als eine ordnungsgemäße Umsetzung in das innerstaatliche Recht. Auch die darauf bezogenen nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften müssen richtlinienkonform angewandt werden.

38. Sodann erhebt sich die Frage, ob die Einzelnen sich weiter auf die Rechte, die sie aus einer Richtlinie herleiten konnten, berufen können, nachdem diese in das nationale Recht umgesetzt worden ist.

39. Anders ausgedrückt geht die Frage dahin, ob die Überwachung der richtigen Anwendung des in das innerstaatliche Recht umgesetzten Gemeinschaftsrechts ausschließlich Sache der Kommission ist oder ob weitergehend auch die innerstaatlichen Stellen, also auch die Gerichte, dafür zu sorgen haben, dass die umgesetzte Richtlinie ordnungsgemäß, d. h. richtlinienkonform, angewandt wird. Bleibt mit anderen Worten die Richtlinie so, wie sie vom Gemeinschaftsgesetzgeber erlassen wurde, eine Richtschnur für die Auslegung des nationalen Rechts, in das sie umgesetzt worden ist?

40. Meines Erachtens ist diese Frage uneingeschränkt zu bejahen. Folgte man der Auffassung des vorlegenden Gerichts, so würde dies dazu führen, dass die Gemeinschaftsbürger durch die Umsetzung der Richtlinie in das nationale Recht Ansprüche verlören, die sie aus der Richtlinie, also aus dem Gemeinschaftsrecht, herleiten konnten, bevor die Richtlinie umgesetzt wurde. Der Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung Ansprüche der Einzelnen auf ordnungsgemäße Durchführung bejaht, wenn es um eine unrichtige Umsetzung in das innerstaatliche Recht ging. Es würde zu einem mit der Gemeinschaftsrechtsordnung unvereinbaren Ergebnis führen, wenn der Einzelne sich in dem Fall, dass der nationale Gesetzgeber unrichtig, d. h. entgegen der Richtlinie, handelt, auf eine Richtlinie berufen kann, nicht dagegen, wenn die innerstaatliche Verwaltung bei der Anwendung der zur Umsetzung erlassenen innerstaatlichen Vorschriften offenkundig im Widerspruch zur Richtlinie tätig wird.

41. Auch aus dem Urteil Becker kann kein Gegenschluss gezogen werden. Dort ging es um einen Fall, in dem der betroffene Mitgliedstaat die Richtlinie zu spät umgesetzt hatte, und es stellte sich die Frage, ob sich die Einzelnen in einem solchen Fall auf die Richtlinie berufen konnten. Für diesen Fall hat der Gerichtshof die beiden Voraussetzungen aufgestellt, und der Einzelne musste sich in diesem Rahmen auf die unmittelbar anwendbare Verpflichtung berufen. Daraus kann nicht hergeleitet werden, wie das britische Gericht dies offensichtlich tut, dass ein Einzelner keine Rechte mehr aus der Richtlinie herleiten kann, wenn ein Mitgliedstaat zwar die erforderlichen Maßnahmen erlassen hat, diese aber in der Folgezeit im Widerspruch zu der Richtlinie angewandt werden. Auch in diesem Fall liegt keine ordnungsgemäße Durchführung der Richtlinie vor.

42. Die Verpflichtungen, die die Mitgliedstaaten infolge der Gemeinschaftsrichtlinien haben, sind nur erfuellt, wenn die mit diesen Richtlinien verfolgten Ziele verwirklicht oder gewahrt werden. Deshalb kann die Umsetzung durch den Gesetzgeber allein für die Durchführung der Sechsten Richtlinie nicht ausreichen. Auch die für die Durchführung verantwortliche Behörde und das nationale Gericht haben die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass das mit der Richtlinie verfolgte Ziel erreicht wird.

43. Konkret ergibt sich aus den Verfahrensakten, dass Artikel 11 Teil A der Richtlinie zwar durch den Finance (No. 2) Act 1992, Section 10, ordnungsgemäß umgesetzt wurde, dass diese gesetzlichen Bestimmungen jedoch so ausgelegt und angewandt wurden, dass sie zu einem mit der Richtlinie unvereinbaren Ergebnis führten. Die Verpflichtungen, die die Richtlinien den Mitgliedstaaten auferlegen, richten sich nicht allein an deren gesetzgebende, sondern auch an die vollziehende und die rechtsprechende Gewalt. Deshalb ist die britische Steuerbehörde grundsätzlich verpflichtet, entgegen der Richtlinie zu viel erhobene Beträge zurückzuzahlen, und das nationale Gericht hat die Aufgabe, sicherzustellen, dass die Einzelnen in der Lage sind, Rechte, die sie aus dem Gemeinschaftsrecht herleiten können, durchzusetzen.

44. Aus den Akten des vorliegenden Verfahrens ergibt sich eindeutig, dass die Commissioners sowohl hinsichtlich der Teacakes als auch hinsichtlich der Geschenkgutscheine nach August 1992 innerstaatliche Steuergesetze im Widerspruch zur Richtlinie angewandt haben. Klar ist auch, dass das vorlegende Gericht M& S die Berufung auf die Richtlinie gegen diese unrichtige Verwaltungspraxis verweigert. Daraus folgt meines Erachtens unumstößlich, dass sich sowohl die Steuerbehörden als auch das zuständige Gericht im vorliegenden Fall gemeinschaftsrechtswidrig verhalten. Damit verletzt das Vereinigte Königreich seine Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Durchführung des betreffenden Teils der Sechsten Richtlinie.

Beurteilung der Vorabentscheidungsfrage

45. Das Gericht des Ausgangsverfahrens ersucht um Beantwortung der Frage, ob der Umstand, dass der britische Gesetzgeber dem Gesetz zur Verkürzung der Frist für die Rückforderung zu viel entrichteter Mehrwertsteuer rückwirkende Kraft verliehen hat, gegen die Grundsätze der Effektivität und des Vertrauensschutzes verstößt.

46. M& S und die Kommission haben in ihren schriftlichen Erklärungen vorgetragen, dass die streitigen Maßnahmen des britischen Steuergesetzgebers in der Tat gegen diese Grundsätze verstießen. Zur Begründung ihres Vortrags berufen sie sich außerdem noch auf Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) und auf Artikel 1 des Zusatzprotokolls zu dieser Konvention.

47. Ich werde erstens prüfen, welche Leitlinien sich für das vorlegende Gericht aus dem Grundsatz der Effektivität ergeben. Sodann werde ich derselben Frage für den Grundsatz des Vertrauensschutzes nachgehen. Schließlich werde ich kurz auf die Argumente eingehen, die M& S und die Kommission aus der EMRK und dem Zusatzprotokoll dazu herleiten.

48. Fest steht, dass M& S zwischen Mai 1991 und Juli 1992 aufgrund einer nationalen gesetzlichen Regelung, durch die Artikel 11 Teil A der Sechsten Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden war, zu viel Mehrwertsteuer entrichtet hat.

49. Meiner Meinung nach steht ebenfalls fest, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ein Anspruch von M& S auf Rückzahlung der im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht entrichteten Mehrwertsteuer besteht: Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes stellt das Recht auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhoben hat, eine Ergänzung der Rechte dar, die den Einzelnen durch die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften, die Abgaben mit gleicher Wirkung wie Zölle oder je nachdem die diskriminierende Erhebung inländischer Abgaben untersagen, in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof eingeräumt worden sind (Urteil [vom 9. November 1983] in der Rechtssache 199/82, San Giorgio, Slg. 1983, 3595, Randnr. 12; Urteile vom 2. Februar 1988 in der Rechtssache 309/85, Barra, Slg. 1988, 355, Randnr. 17, und vom 6. Juli 1995 in der Rechtssache C-62/93, BP Soupergaz, Slg. 1995, I-1883, Randnr. 40). Der Mitgliedstaat ist also grundsätzlich verpflichtet, unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobene Abgaben zu erstatten (Urteil vom 14. Januar 1997 in der Rechtssache C-192/95 bis C-218/95, Comateb u. a., Slg. 1997, I-165, Randnr. 20)." In dem in diesem Zitat genannten Urteil Soupergaz hatte der Gerichtshof ebenfalls ausgeführt, dass das Recht auf Erstattung auch für im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht entrichtete Mehrwertsteuer besteht.

50. Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat in ihren schriftlichen Erklärungen und in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, dass sich die Erstattungspflicht des Vereinigten Königreichs nur aus dem geltenden innerstaatlichen Recht ergeben könne, da die Richtlinie keine Bestimmungen enthalte, die auf Anträge auf Erstattung von vom Steuerpflichtigen entgegen dem Gemeinschaftsrecht entrichteter Mehrwertsteuer anwendbar seien. Nach den geltenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften entstehe der Rückzahlungsanspruch nur dann, wenn innerhalb der gesetzlichen Frist ein entsprechender Antrag gestellt worden sei und nachdem dieser durch die Commissioners als zuständiger Stelle geprüft worden sei. Nur nach Erfuellung dieser Verfahrensvoraussetzungen habe M& S einen Erstattungsanspruch und entstehe eine entsprechende Verpflichtung für das Vereinigte Königreich. Daraus ergebe sich Folgendes: Zu dem Zeitpunkt, als dem Parlament ein Vorschlag zur Gesetzesänderung mit dem Zweck der rückwirkenden Verkürzung der Verjährungsfrist für Erstattungsansprüche vorgelegt worden sei, d. h. am 18. Juli 1996, habe M& S lediglich ein Verfahrensrecht besessen, das darin bestanden habe, dass sie einen Antrag auf Rückzahlung der zu Unrecht als Mehrwertsteuer an die Comissioners entrichteten Beträge habe einreichen können. Da M& S zu diesem Zeitpunkt noch keinen Antrag auf Rückzahlung der zu viel gezahlten Mehrwertsteuer für die Geschenkgutscheine gestellt habe, seien die Commissioners zu keinerlei Zahlung an sie verpflichtet gewesen. M& S habe deshalb am 18. Juli 1996 keinen materiellen Anspruch auf Rückzahlung des zu viel entrichteten Betrages gehabt.

51. Meines Erachtens ist dieser Standpunkt der britischen Regierung angesichts der oben wiedergegeben Rechtsprechung des Gerichtshofes unhaltbar. In dieser Rechtsprechung wird konsequent unterschieden zwischen dem Recht oder dem Anspruch auf Rückzahlung der im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht an die nationalen Behörden entrichteten Beträge und den nationalen Vorschriften, nach denen dieses Recht durchgesetzt werden kann. Diese Vorschriften können sich beziehen auf das einzuhaltende Verfahren, die Benennung der mit der Rückzahlung beauftragten Behörden, die Fristen, binnen deren die Forderungen geltend gemacht werden müssen, und deren Prüfung.

52. Die Frage des vorlegenden Gerichts betrifft deshalb nicht das Bestehen des Anspruchs von M& S auf Rückzahlung der bezüglich der Geschenkgutscheine zu viel entrichteten Mehrwertsteuer, sondern die Bedingungen, die der nationale Gesetzgeber für die Durchsetzung dieses Anspruchs aufgestellt hat. Genauer geht es um die Frage, ob die rückwirkende Verkürzung der Fristen, in denen diese Forderungen geltend gemacht werden können, mit dem Grundsatz der Effektivität in der Auslegung durch den Gerichtshof vereinbar ist.

53. Die Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Vereinbarkeit nationaler Vorschriften über die Rückzahlung von im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht entrichteten Abgaben ist umfangreich und eindeutig.

54. Die in dieser Rechtsprechung aufgestellte Hauptregel, die unlängst noch einmal im Urteil Roquette Frères bestätigt wurde, lautet wie folgt:

Mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung auf dem Gebiet der Erstattung zu Unrecht erhobener nationaler Abgaben sind die Bestimmung der zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung des Verfahrens für die Klagen, die den Schutz der den Einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, Sache der nationalen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten; dabei dürfen freilich diese Bedingungen nicht ungünstiger sein als diejenigen für entsprechende nur nationales Recht betreffende Klagen, und sie dürfen nicht so gestaltet sein, dass sie die Ausübung der Rechte, die die nationalen Gerichte zu schützen verpflichtet sind, praktisch unmöglich machen (Urteile vom 16. Dezember 1976 in den Rechtssachen 33/76, Rewe, Slg. 1976, 1989, Randnr. 5, und 45/76, Comet Slg. 1976, 2043, Randnrn. 13 und 16, vom 27. März 1980 in der Rechtssache 61/79, Denkavit Italiana, Slg. 1980, 1205, Randnrn. 25 und 29, und vom 29. Juni 1988 in der Rechtssache 240/87, Deville, Slg. 1988, 3513, Randnr. 12)."

55. Die letzte Voraussetzung, dass nämlich die Ausübung der Rechte, die die nationalen Gerichte wahren müssen, in der Praxis nicht unmöglich gemacht werden darf, ist Ausdruck des gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes der Effektivität.

56. In Nummer 30 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Roquette Frères hat Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer eine Übersicht über die Fälle gegeben, in denen der Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit, die sowohl den Abgabenpflichtigen als auch die betroffene Verwaltung schützt, die Vereinbarkeit angemessener Ausschlussfristen mit dem Gemeinschaftsrecht bejaht hat. In diesen Fällen hat der Gerichtshof die Auffassung vertreten, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass derartige Fristen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich machten oder übermäßig erschwerten, selbst wenn ihr Ablauf zur vollständigen oder teilweisen Abweisung der Klage führe.

57. Im Urteil Aprile II hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Abkürzung der Verjährungsfrist für die Rückforderung von im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht erhobenen Abgaben als solche nicht gegen den Grundsatz der Effektivität verstoße. Im Urteil Dilexport hat der Gerichtshof diese Rechtsprechung bekräftigt und ausgeführt, dass das Gemeinschaftsrecht es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, nach dem Erlass von Urteilen des Gerichtshofes, in denen Abgaben für gemeinschaftsrechtswidrig erklärt werden, Vorschriften zu erlassen, nach denen die Voraussetzungen für die Erstattung dieser Abgaben weniger günstig sind, als sie es ohne diese Vorschriften wären, sofern sich diese Änderung nicht speziell auf die betreffenden Abgaben bezieht und die neuen Vorschriften die Ausübung des Rechts auf Erstattung nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren".

58. Der Sachverhalt, der der vorliegenden Vorabentscheidungsfrage zugrunde liegt, unterscheidet sich jedoch von denen der oben genannten Urteilen dadurch, dass der britische Gesetzgeber die Verjährungsfrist rückwirkend von sechs auf drei Jahre verkürzt hat. Davon sind nicht nur die Steuerpflichtigen betroffen, die darauf vertraut haben, dass sie nach der bestehenden Regelung noch ausreichend Zeit hätten, ihre Forderungen geltend zu machen, sondern auch die Steuerpflichtigen, die vor dem Zeitpunkt, zu dem der Vorschlag einer Gesetzesänderung bekannt gegeben wurde (18. Juli 1996), oder vor dem Zeitpunkt, zu dem dieses Gesetz bekannt gegeben wurde (19. März 1997) einen Antrag auf Rückzahlung der zu Unrecht von ihnen erhobenen Steuer gestellt hatten.

59. Der Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache weist eine unverkennbare Parallele zu dem Sachverhalt auf, der dem Urteil Barra zugrunde liegt. Dort hatte der belgische Gesetzgeber rückwirkend die Geltung der Frist, in der die Rückzahlung von zu Unrecht für den Zugang zum berufsbildenden Unterricht entrichteten Studiengebühren verlangt werden konnte, allein auf Kläger beschränkt, die eine Erstattungsklage vor Erlass des Urteils des Gerichtshofes erhoben hatten, in dem dieser festgestellt hatte, dass für die Zahlung kein Rechtsgrund bestand. Der Gerichtshof hat dazu in den Randnummern 17 bis 21 des Urteils Barra ausgeführt, dass eine derartige Gesetzesbestimmung denjenigen, die diese Voraussetzung nicht erfuellen, einfach das Recht auf Erstattung der ohne Rechtsgrund gezahlten Beträge nehme. Dadurch mache sie die Ausübung der Rechte, die das Gemeinschaftsrecht hier Artikel 7 des damaligen Vertrages (jetzt Artikel 12 EG) den Betroffenen einräume, unmöglich.

60. Im Urteil Deville hat der Gerichtshof seine Entscheidung in der Rechtssache Barra bekräftigt. Dort ging es um eine feste Sondersteuer für Kraftfahrzeuge, die, wie der Gerichtshof früher festgestellt hatte, gegen Artikel 95 EG-Vertrag (jetzt Artikel 90 EG) verstieß. Nach Erlass dieses Urteils wurden die in Rede stehenden nationalen Vorschriften über die Rückforderung der zu Unrecht erhobenen Steuer geändert. Dazu führte der Gerichtshof in Randnummer 13 des Urteils Deville aus, dass der nationale Gesetzgeber nicht nach Verkündung eines Urteils des Gerichtshofes, dem zufolge bestimmte Rechtsvorschriften mit dem Vertrag unvereinbar sind, eine Verfahrensregel erlassen kann, die speziell die Möglichkeiten einschränkt, auf Erstattung der Abgaben zu klagen, die aufgrund dieser Rechtsvorschriften zu Unrecht erhoben worden sind". In einem derartigen Fall werde die Ausübung der Rechte, die das nationale Gericht zu schützen habe, praktisch unmöglich gemacht.

61. Dieser Rechtsprechung liegt der Gedanke zugrunde, dass dadurch, dass einer nationalen gesetzlichen Regelung, die die Geltendmachung von aus dem Gemeinschaftsrecht hergeleiteten Ansprüchen auf Rückzahlung von im Widerspruch zu diesem Recht erhobenen Abgaben an engere Voraussetzungen knüpft, rückwirkende Kraft verliehen wird, es den Steuerzahlern praktisch unmöglich gemacht wird, diese Ansprüche ganz oder teilweise durchzusetzen. Damit verlieren die Rechte, die sie aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts herleiten, ihre Wirksamkeit.

62. Meines Erachtens steht der Grundsatz der Effektivität nicht nur der rückwirkenden Beschränkung von Erstattungsansprüchen auf diejenigen Personen entgegen, die wie hier die M& S aufgrund der früheren Regelung bereits einen Antrag auf Rückzahlung gestellt hatten, sondern auch einer solchen Beschränkung auf Forderungen, die unter den Bedingungen der früheren Regelung noch rechtswirksam hätten geltend gemacht werden können. Die Ansprüche, die bei rascher Nutzung der Möglichkeiten der alten" Regelung hätten geltend gemacht werden können, würden durch eine rückwirkend eingeführte restriktive Regelung von vornherein unwirksam. Im Urteil Barra hat der Gerichtshof ausdrücklich die Rechte derjenigen geschützt, die noch keinen Antrag auf Rückzahlung von nicht geschuldeten Abgaben gestellt hatten. Dazu besteht auch im vorliegenden Fall aus denselben Gründen Anlass.

63. Die hier angestellten Erwägungen gelten mutatis mutandis auch für die Ansprüche von Einzelnen auf Rückzahlung von unter Verstoß gegen unmittelbar wirkende Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts erhobener Mehrwertsteuer, wenn diese Bestimmungen zwar ordnungsgemäß in das innerstaatliche Recht umgesetzt, jedoch im Widerspruch zum Ziel der Richtlinie angewandt wurden.

64. Das vorlegende Gericht fragt außerdem, ob die rückwirkende Verkürzung der Fristen, in denen die Einzelnen ihre Ansprüche auf Rückzahlung rechtsgrundlos gezahlter Beträge geltend machen können, gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstößt.

65. M& S und die Kommission meinen, dass diese Frage zu bejahen sei. Sie berufen sich dabei auf das Urteil Meiko-Konservenfabrik.

66. Die Regierung des Vereinigten Königreichs macht dagegen geltend, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes dem Schutz, den die Einzelnen aus dem Grundsatz der Effektivität und dem Gleichheitsgrundsatz herleiten könnten, nichts hinzufüge. Unter dem Blickwinkel des Gemeinschaftsrechts habe M& S ausschließlich darauf vertrauen können, dass ihre Forderung in Übereinstimmung mit dem nationalen Recht diesen Grundsätzen entsprechend behandelt werde. Da sie nicht bestreite, dass ihre Forderung entsprechend dem geltenden britischen Recht behandelt worden sei, hätte sie sich darauf beschränken können, sich auf den Grundsatz der Effektivität und den Gleichheitsgrundsatz zu berufen. Nach britischem Recht habe M& S nicht darauf vertrauen können, dass ihr Rückzahlungsanspruch nach den gesetzlichen Regeln behandelt würde, die zu dem Zeitpunkt gegolten hätten, als die umstrittenen Steuerzahlungen an die Steuerbehörden erfolgt seien. Hier erinnert die britische Regierung an ihren oben wiedergegebenen Standpunkt, dass eine Rückzahlungspflicht der Comissioners als zuständiger Steuerbehörde erst nach Stellung eines entsprechenden Antrags und Prüfung der Forderung entstehen könne. Nach britischem Recht könnten zwischen dem Zeitpunkt der rechtsgrundlosen Steuerzahlung und der Entscheidung über die Erstattungsklage die anwendbaren Vorschriften, auch mit rückwirkender Kraft, geändert werden. Deshalb könne sich M& S nicht auf den Schutz berechtigten Vertrauens berufen. In diesem Zusammenhang erinnert die britische Regierung weiter daran, dass die Ankündigung der Gesetzesänderung am 18. Juli 1996 erfolgt sei, während M& S ihren Antrag auf Rückzahlung erst am 31. Oktober 1996 gestellt habe. Sie habe deshalb nicht damit rechnen können, vor der Anwendung der neuen, auf drei Jahre halbierten Frist für die Stellung des Antrags geschützt zu sein.

67. Ich erinnere daran, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes die im Gemeinschaftsrecht anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze auch für die Auslegung und Anwendung dieses Rechts im nationalen Bereich gelten. Dies ist für den Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht anders als für den Grundsatz der Effektivität. Deshalb ist zuerst zu prüfen, ob der Grundsatz des Vertrauensschutzes als Grundsatz des Gemeinschaftsrechts der rückwirkenden Einschränkung der Möglichkeiten, rechtsgrundlos geleistete Zahlungen zurückzufordern, entgegensteht. Sodann stellt sich die Frage, ob und wie weit dieser Grundsatz es dem einzelstaatlichen Gesetzgeber verwehrt, die Möglichkeiten der Rückforderung von entgegen unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht erhobenen Abgaben mit rückwirkender Kraft zu beschränken.

68. Ich möchte die Hauptlinien der Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Grundsatz des Vertrauensschutzes wie folgt zusammenfassen:

Erstens hat der Gerichtshof in einer Reihe von Entscheidungen ausgeführt, dass dieser Grundsatz, der eine Emanation des Grundsatzes der Rechtssicherheit sei, Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung sei. Der Grundsatz verlange, dass Rechtsvorschriften genau sein müssten, und solle sicherstellen, dass Rechtsverhältnisse und -beziehungen, die vom Gemeinschaftsrecht geregelt würden, vorhersehbar sein müssten;

zweitens könnten die Einzelnen nicht darauf vertrauen, dass die für sie geltenden Rechtsvorschriften unverändert blieben. Der Gemeinschaftsgesetzgeber bleibe befugt, die bestehenden Vorschriften geänderten wirtschaftlichen Bedingungen und, wie ich hinzufügen würde, veränderten politischen und sozialen Einsichten anzupassen;

drittens müssten die Einzelnen darauf vertrauen können, dass Rechte, die unter einer geltenden Regelung entstanden seien, nicht rückwirkend beseitigt würden. Nur in sehr außergewöhnlichen Fällen könne es eine Ausnahme von diesem Grundsatz geben, wenn etwa zwingende wirtschaftliche Erfordernisse, die mit der Verwaltung der gemeinsamen Agrarmarktordnungen zusammenhingen, oder zwingende Gründe des öffentlichen Interesses vorlägen.

69. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass entgegen der Auffassung der Regierung des Vereinigten Königreichs der Grundsatz des Vertrauensschutzes dem Sachverhalt, der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegt, sehr wohl etwas hinzufügt. Dieser betrifft nämlich die Art und Weise, wie die nationalen Behörden Gemeinschaftsvorschriften, aus denen die Einzelnen Rechte herleiten können, im innerstaatlichen Bereich durchgeführt und angewandt haben. Ich habe bereits oben dargelegt, dass die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes der Auffassung entgegensteht, dass die Einzelnen einen Anspruch auf Rückzahlung rechtsgrundlos entrichteter Abgaben nur besäßen, nachdem sie eine für die Geltendmachung dieses Anspruchs bestehende nationale Vorschrift erfuellt hätten, und dass deshalb der Grundsatz des Vertrauensschutzes im vorliegenden Fall nur als nationaler" Rechtsgrundsatz gelte.

70. Deshalb ist davon auszugehen, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes als gemeinschaftsrechtlicher Grundsatz auch den britischen Gesetzgeber bindet, wenn er gesetzliche Fristen verkürzt, in denen die Einzelnen ihre sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Ansprüche geltend machen können.

71. Mit diesem Grundsatz ist es unvereinbar, einer solchen Beschränkung rückwirkende Kraft zu verleihen, es sei denn, dafür bestuende eine zwingende Rechtfertigung aufgrund des öffentlichen Interesses. Die Gründe, die die britische Regierung für ihre Maßnahme geltend gemacht hat, sind unzureichend. Zwar bestanden nach der alten", vor dem 18. Juli 1996 geltenden Regelung gewisse Risiken für den britischen Staatshaushalt. Deren Ausmaß konnte jedoch logischerweise nicht größer sein als die ungerechtfertigte Bereicherung des Staatshaushalts durch entgegen dem Gemeinschaftsrecht erhobene Mehrwertsteuer. Der Wunsch, rechtsgrundlos von den Abgabenpflichtigen entrichtete Beträge im Staatshaushalt zu behalten, ist jedenfalls keine akzeptable Rechtfertigung für die Verkürzung der Frist für die Rückforderung der rechtsgrundlos entrichteten Mehrwertsteuer mit rückwirkender Kraft.

72. Ich komme deshalb zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung, der in Rede stehenden Gesetzesänderung rückwirkende Kraft zu verleihen, mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes unvereinbar ist.

73. Die Kommission und M& S führen weiter aus, dass diese Entscheidung auch gegen Artikel 6 Absatz 1 EMRK und Artikel 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK verstießen.

74. Die Kommission trägt vor, dass das in Artikel 6 Absatz 1 EMRK verankerte Recht auf Zugang zum Gericht es verbietet, Erstattungsfristen mit rückwirkender Kraft zu verkürzen, um die Rückzahlungsverpflichtungen der Steuerbehörden zu begrenzen. In diesem Zusammenhang zitiert sie einige Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, in denen dieser zwar bestimmte Beschränkungen des Zugangs zum Gericht als mit dem normalen Funktionieren des Gerichtssystems vereinbar ansehe, zugleich aber ausführe, dass diese Maßnahmen den Zugang der Einzelnen zum Gericht jedoch nicht so beschränken dürften, dass das Wesen des Zugangs selbst gefährdet sei. Übertrieben kurze Fristen für die Geltendmachung rechtlicher Ansprüche habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Rechtsprechung abgelehnt. Die Kommission leitet daraus her, dass diese Rechtsprechung auf jeden Fall der Abkürzung von Fristen für die Geltendmachung rechtlicher Ansprüche mit rückwirkender Kraft entgegenstehe. Diese versperre nämlich für den Teil der Forderung, der durch die rückwirkende Kraft der Beschränkung wegfalle, den Zugang zum Gericht vollständig. Im Übrigen könne eine Beschränkung, die lediglich bezwecke, die Rückzahlungsverpflichtungen der Steuerbehörden zu beschränken, schwer als einem gerechtfertigten Ziel dienend angesehen werden.

75. Die Kommission und M& S berufen sich ferner auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Artikel 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK. Sie leiten daraus her, dass Vorschriften, die mit rückwirkender Kraft Forderungen auf Geldleistungen beseitigten, auf eine gegen diesen Artikel verstoßende Enteignung hinausliefen, da derartige Forderungen als Eigentum" im Sinne dieser Bestimmung anzusehen seien. In einer dieser zitierten Entscheidungen (Pressos Compania Naviera/Belgien) habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausdrücklich die Auffassung verworfen, dass sich die Entscheidung, der in dem Verfahren streitigen Maßnahme rückwirkende Kraft zu verleihen, mit der Notwendigkeit des Schutzes der finanziellen Interessen des Staates rechtfertigen lasse.

76. Zu diesen Argumenten von M& S und der Kommission möchte ich bemerken, dass sie streng gesehen über die Frage des vorlegenden Gerichts hinausgehen, mit der der Gerichtshof lediglich um eine genauere Auslegung des Grundsatzes der Effektivität und des Grundsatzes des Vertrauensschutzes als gemeinschaftliche Rechtsgrundsätze ersucht wird. Der Gerichtshof hat in einer inzwischen umfangreichen Rechtsprechung dargelegt, dass die Grundrechte Teil der allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrecht seien und deshalb auch bei der Umsetzung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die nationalen Behörden in die innerstaatliche Rechtsordnung beachtet werden müssten. Diese Rechtsprechung gibt vielleicht Anlass, von Amts wegen zu prüfen, ob durch die Entscheidung, der im Ausgangsverfahren umstrittenen britischen Rechtsvorschriften rückwirkende Kraft zu verleihen, Grundrechte berührt werden und gegebenenfalls welche.

77. Ich meine gleichwohl, dass es im vorliegenden Fall genügt, wenn der Gerichtshof den Grundsatz der Effektivität und den Grundsatz des Vertrauensschutzes genauer auslegt, worum das vorlegende Gericht ihn ersucht hat. Diese Auslegung führt zu einem Ergebnis, das mit der von M& S und der Kommission zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte übereinstimmt oder dieser weitgehend entspricht. Allenfalls könnte man daraus weitere, hier nicht relevante Schlüsse ziehen. Da das vorlegende Gericht darum nicht ersucht und dazu unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Rechte der Einzelnen kein Anlass besteht, rege ich an, dass der Gerichtshof nicht auf die von der Kommission und M& S insoweit zusätzlich aus der EMRK und dem Zusatzprotokoll hergeleiteten Argumente eingeht.

VI Ergebnis

78. Aufgrund dieser Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Court of Appeal wie folgt zu antworten:

Hat ein Mitgliedstaat aufgrund einer unrichtigen Umsetzung und/oder Anwendung von Bestimmungen der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, die unmittelbare Wirkung haben, wie Artikel 11 Teil A Absatz 1, zu viel Abgaben erhoben, so steht die Verkürzung der Frist für die Rückforderung dieser Abgaben mit rückwirkender Kraft im Widerspruch zum Grundsatz der Effektivität und zum Grundsatz des Vertrauensschutzes.