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Wichtiger rechtlicher Hinweis

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62000C0108

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 14. Dezember 2000. - Syndicat des producteurs indépendants (SPI) gegen Ministère de l'Economie, des Finances et de l'Industrie. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Conseil d'Etat - Frankreich. - Steuerrecht - Harmonisierung - Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem - Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e zweiter Gedankenstrich der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie - Bestimmung des Ortes der steuerlichen Anknüpfung - Leistungen auf dem Gebiet der Werbung - Einbeziehung von Leistungen, die durch einen Dritten erbracht werden. - Rechtssache C-108/00.

Sammlung der Rechtsprechung 2001 Seite I-02361


Schlußanträge des Generalanwalts


1. Im vorliegenden Verfahren ersucht der Conseil d'État (Frankreich) den Gerichtshof um Auslegung des Artikels 9 Absatz 2 Buchstabe e der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie (im Folgenden: Sechste Richtlinie). Es geht um die Frage, ob der Begriff Leistungen auf dem Gebiet der Werbung" in dieser Vorschrift nur für Leistungen gilt, die der Dienstleistende einem mehrwertsteuerpflichtigen Werbetreibenden unmittelbar erbringt und in Rechnung stellt, oder auch für Leistungen, die dem Werbetreibenden unmittelbar erbracht und einem Dritten (z. B. einer Werbeagentur) in Rechnung gestellt werden, der sie seinerseits dem Werbetreibenden berechnet.

Die maßgeblichen Rechtsvorschriften

Gemeinschaftsrecht

2. Nach Artikel 2 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher gegen Entgelt ausführt. Nach Artikel 4 Absatz 1 gilt als Steuerpflichtiger, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Wirtschaftliche Tätigkeiten sind nach Artikel 4 Absatz 2 die Tätigkeiten eines Dienstleistenden. Artikel 6 Absatz 1 Unterabsatz 1 definiert die Dienstleistung als jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands" ist.

3. Abschnitt VI der Sechsten Richtlinie enthält die Regeln über die Bestimmung des Ortes des steuerbaren Umsatzes. Diese Regeln sind in Fällen wichtig, in denen die Lieferung eines Gegenstands oder die Dienstleistung mehr als ein Land betreffen. Ihr Hauptzweck ergibt sich aus der siebten Begründungserwägung der Sechsten Richtlinie:

Die Bestimmung des Ortes des steuerbaren Umsatzes hat insbesondere hinsichtlich der Lieferung eines Gegenstandes mit Montage und der Dienstleistung zu Kompetenzkonflikten zwischen den Mitgliedstaaten geführt. Wenn auch als Ort der Dienstleistung grundsätzlich der Ort gelten muss, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner beruflichen Tätigkeit hat, so sollte doch insbesondere für bestimmte zwischen Mehrwertsteuerpflichtigen erbrachte Dienstleistungen, deren Kosten in den Preis der Waren eingehen, als Ort der Dienstleistung das Land des Dienstleistungsempfängers gelten."

4. Zu diesem Zweck bestimmt Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie:

Als Ort einer Dienstleistung gilt der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort."

5. Artikel 9 Absatz 2 enthält eine Reihe von Ausnahmen von diesem Grundsatz. Nach Unterabsatz e gilt

als Ort der folgenden Dienstleistungen, die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Empfänger oder an innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Landes des Dienstleistenden ansässige Steuerpflichtige erbracht werden, der Ort, an dem der Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort:

...

- Leistungen auf dem Gebiet der Werbung,

...

- Dienstleistungen von Vermittlern, die im Namen und für Rechnung Dritter handeln, wenn sie bei der Erbringung von unter diesem Buchstaben e) genannten Dienstleistungen tätig werden".

Nationale Vorschriften

6. Artikel 9 der Sechsten Richtlinie wurde durch die Artikel 28 und 49 des Gesetzes Nr. 78-1240 vom 29. Dezember 1978 in französisches Recht umgesetzt. Diese Bestimmungen wurden in den Artikeln 259 bis 259-C des Code général des impôts (Allgemeine Abgabenordnung) kodifiziert. Artikel 259-B lautet:

Abweichend von den Bestimmungen des Artikels 259 gilt der Ort der folgenden Dienstleistungen als in Frankreich gelegen, wenn diese von einem außerhalb Frankreichs ansässigen Dienstleistenden an einen mehrwertsteuerpflichtigen Empfänger erbracht werden, der in Frankreich den Sitz seiner Tätigkeit oder seine feste Niederlassung, für die die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung dort seinen Wohnort oder seinen üblichen Aufenthaltsort hat:

...

3. Leistungen auf dem Gebiet der Werbung;

...

Als nicht in Frankreich gelegen gilt der Ort dieser Dienstleistungen, und zwar auch in dem Fall, dass der Dienstleistende in Frankreich ansässig ist, wenn der Empfänger außerhalb der Europäischen Gemeinschaft ansässig oder in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft mehrwertsteuerpflichtig ist."

7. Die Auslegung des Artikels 259-B durch die französischen Steuerbehörden hat im Lauf der Zeit eine Entwicklung durchgemacht. Ursprünglich war sie in einer Verwaltungsanweisung vom 14. Dezember 1983, veröffentlicht im Bulletin Officiel des Impôts (im Folgenden: BOI) 3 A-28-83, enthalten. Sie wurde nach Erlaß des Urteils Kommission/Frankreich durch eine Anweisung vom 25. Juli 1995, veröffentlicht im BOI 3-A-97, ersetzt. In dieser Rechtssache stellte der Gerichtshof fest, dass die in der Verwaltungsanweisung vom 14. Dezember 1983 enthaltene Auslegung des Begriffes Leistungen auf dem Gebiet der Werbung" gegen die Sechste Richtlinie verstoße, soweit danach u. a. bestimmte Leistungen einer Werbeagentur ausgenommen würden. Um dem Urteil des Gerichtshofes nachzukommen, erließ die französische Verwaltung eine weitere, genauere Anweisung vom 5. November 1998, veröffentlicht im BOI 3 A-8-98 (im Folgenden: Anweisung). Diese sieht, soweit im vorliegenden Fall einschlägig, Folgendes vor:

III - Die Werbeleistung wird an einen steuerpflichtigen Werbetreibenden unmittelbar erbracht.

Nach der siebten Begründungserwägung der Sechsten Richtlinie ist es gerechtfertigt, die Leistungen auf dem Gebiet der Werbung dort zu besteuern, wo der Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, weil die Kosten dieser zwischen Mehrwertsteuerpflichtigen erbrachten Leistungen in den Preis der Waren eingehen. Da der Empfänger üblicherweise in dem Staat, in dem er seinen Sitz hat, die Waren verkauft oder die Dienstleistungen erbringt, für die geworben wird, und damit die entsprechende Mehrwertsteuer dem Endverbraucher in Rechnung stellt, ist es angezeigt, dass auch die Mehrwertsteuer auf die Werbeleistung vom Empfänger an diesen Staat entrichtet wird (Urteil des Gerichtshofes vom 17. November 1993 in der Rechtssache C-68/92, Kommission/Frankreich, Slg. 1993, I-5881, Randnr. 15). Folglich stellen die Maßnahmen zur Förderung des Absatzes der Waren oder Dienstleistungen, die der Dienstleistende unmittelbar für einen mehrwertsteuerpflichtigen Werbetreibenden durchführt, im Rahmen der Anwendung des Artikels 259-B des Code général des impôts Leistungen auf dem Gebiet der Werbung dar. Die Dienstleistung muss also dem Werbetreibenden erbracht und in Rechnung gestellt werden."

8. Aufgrund des letzten Absatzes des Artikels 259-B des Code général des impôts ist ein Dienstleistender in Frankreich nicht verpflichtet, Mehrwertsteuer für Leistungen auf dem Gebiet der Werbung in Rechnung zu stellen, wenn er seine Leistung einem außerhalb der Gemeinschaft ansässigen Empfänger oder einem Steuerpflichtigen in einem anderen Mitgliedstaat erbringt und in Rechnung stellt. Nach dem oben zitierten Abschnitt der Anweisung gilt die Ausnahmeregelung des Artikels 259-B, die Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie wiedergibt, nur, wenn die Dienstleistungen einem steuerpflichtigen Werbetreibenden unmittelbar erbracht werden. (Als Werbetreibender" wird hier und im Folgenden der Empfänger von Leistungen verstanden, deren Zweck in der Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen dieser Person besteht.) Die Ausnahmeregelung gilt somit für Dienstleistungen, die dem Werbetreibenden von einer Werbeagentur oder einer anderen Person unmittelbar erbracht werden. Sie gilt jedoch, entsprechend der Beschränkung durch die Anweisung, nicht für Werbeleistungen, die ein in Frankreich ansässiger Dienstleistender dem Werbetreibenden nicht unmittelbar, sondern mittelbar durch eine Werbeagentur erbringt, und zwar unabhängig davon, wo der Werbetreibende und die Werbeagentur ansässig sind.

Sachverhalt und Vorlagefragen

9. Der Kläger des Ausgangsverfahrens, das Syndicat des producteurs indépendants (im Folgenden: SPI), ist eine Berufsorganisation, die die Interessen französischer Filmproduzenten, einschließlich der Werbefilmproduzenten, vertritt.

10. Nach verschiedenen Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern des SPI und den französischen Steuerbehörden focht das SPI die Anweisung vor dem Conseil d'État an und machte geltend, diese verstoße gegen Artikel 259-B des Code général des impôts und Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie, soweit sie die in einem Werbefilm bestehende Leistung einer Werbeagentur vom Geltungsbereich dieser Artikel ausnehme.

11. Da das Verfahren eine Frage nach der Auslegung von Gemeinschaftsrecht aufwirft, hat der Conseil d'État dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG folgende Frage vorgelegt:

Sind unter dem Begriff der Leistungen auf dem Gebiet der Werbung in Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 in Bezug auf Maßnahmen zur Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen nur Leistungen zu verstehen, die der Dienstleistende einem mehrwertsteuerpflichtigen Werbetreibenden unmittelbar erbringt und in Rechnung stellt, nicht aber Leistungen gleicher Art, die dem Werbetreibenden mittelbar erbracht und einem Dritten in Rechnung gestellt werden, der sie seinerseits dem Werbetreibenden berechnet?

12. Schriftliche Erklärungen haben das SPI, die französische Regierung und die Kommission abgegeben. Das SPI, die französische Regierung und die Kommission waren auch in der mündlichen Verhandlung vom 9. November 2000 vertreten.

13. Das SPI und die Kommission beantragen beim Gerichtshof, die Vorlagefrage zu verneinen. Die Auslegung durch die französische Regierung widerspreche dem Wortlaut und dem Zweck des Artikels 9 Absatz 2 Buchstabe e und führe in der Praxis zu anomalen Ergebnissen. Die Kommission macht außerdem geltend, die Auslegung durch die französische Regierung widerspreche dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer. Die französische Regierung verteidigt ihre Auslegung des Artikels 9 Absatz 2 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie und beantragt beim Gerichtshof, die Vorlagefrage zu bejahen. Sie macht geltend, Artikel 9 Absatz 2 müsse als Ausnahme von der allgemeinen Regel in Artikel 9 Absatz 1 eng ausgelegt werden, die Leistung, die eine Filmgesellschaft einer Werbeagentur erbringe, unterscheide sich ihrer Art nach von Leistungen, die den Werbetreibenden unmittelbar erbracht würden, und die von ihr vertretene Auslegung entspreche daher dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer.

Prüfung

14. Bei Beantwortung der Vorlagefrage des Conseil d'État ist zu berücksichtigen, dass Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e eine Kollisionsnorm ist, die den Ort der Besteuerung von Leistungen auf dem Gebiet der Werbung festlegt und somit die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten voneinander abgrenzt. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes handelt es sich bei dem Begriff Leistungen auf dem Gebiet der Werbung" um einen gemeinschaftsrechtlichen Begriff, der einheitlich ausgelegt werden muss, um eine Doppelbesteuerung oder eine Nichtbesteuerung, die sich aus unterschiedlichen Auslegungen ergeben könnte, zu verhindern. Entgegen der Ansicht der französischen Regierung ist es daher nicht angebracht, Artikel 9 Absatz 2 eng auszulegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt eine Auslegung des Artikels 9 keinen Vorrang des Absatzes 1 gegenüber Absatz 2 ... In jedem Einzelfall stellt sich vielmehr die Frage, ob eine der Bestimmungen des Artikels 9 Absatz 2 einschlägig ist; andernfalls gilt Absatz 1."

15. Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e bezieht sich auf Leistungen auf dem Gebiet der Werbung", die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Empfänger oder an innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Landes des Dienstleistenden ansässige Steuerpflichtige erbracht werden". Um dem vorlegenden Gericht eine Antwort zu geben, anhand deren es den Rechtsstreit entscheiden kann, bedarf es daher der Feststellung, wer Leistungsempfänger ist, und einer Klärung des Begriffes Leistungen auf dem Gebiet der Werbung".

Leistungsempfänger

16. Zur Feststellung, wer der Empfänger von Leistungen auf dem Gebiet der Werbung ist, sind die folgenden Fälle zu unterscheiden.

17. Im ersten Fall willigt ein Dienstleistender, z. B. ein Filmproduzent, ohne die Vermittlung einer Werbeagentur ein, Leistungen zu erbringen und die erbrachten Leistungen einem Werbetreibenden in Rechnung zu stellen. In diesem Fall liegt eine einzige steuerpflichtige Handlung vor, und Leistungsempfänger ist der Werbetreibende. Unter der Voraussetzung, dass die erbrachten Leistungen als Leistungen auf dem Gebiet der Werbung" angesehen werden können, gilt Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e daher in dem Fall, dass der Filmproduzent in Frankreich und der Werbetreibende außerhalb der Gemeinschaft oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind.

18. Im zweiten Fall erbringt und berechnet ein Dienstleistender, z. B. ein Filmproduzent, die Leistungen einem Werbetreibenden unmittelbar, aber durch die Vermittlung einer Werbeagentur. In diesem Fall liegen zwei steuerbare Umsätze vor. Der erste besteht in der Dienstleistung des Filmproduzenten gegenüber dem Werbetreibenden. Bei diesem Umsatz ist Leistungsempfänger der Werbetreibende. Der Werbetreibende bestellt die Leistungen über eine Werbeagentur, verwendet sie, um den Absatz seiner Waren zu fördern, und bezahlt sie. Die Werbeagentur handelt lediglich als Vermittlerin zwischen dem Dienstleistenden und dem Werbetreibenden und kann daher nicht als Leistungsempfänger gelten. Daher ist, wie in dem oben erwähnten Fall, Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e anwendbar - vorausgesetzt, die erbrachten Leistungen können als Leistungen auf dem Gebiet der Werbung" angesehen werden -, wenn der Filmproduzent in Frankreich und der Werbetreibende außerhalb der Gemeinschaft oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind. Der Ort der Niederlassung der Werbeagentur ist insofern unerheblich. Der zweite Umsatz besteht in einer Dienstleistung der Werbeagentur in Form von deren Tätigkeit als Vermittlerin zwischen dem Filmproduzenten und dem Werbetreibenden. Auch hier ist Leistungsempfänger der Werbetreibende. Der Ort, an dem der Umsatz erbracht wird, bestimmt sich nach Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e, insbesondere dessen letztem Gedankenstrich, der sich auf die Dienstleistungen von Vermittlern" bezieht, die im Namen und für Rechnung Dritter handeln, wenn sie bei der Erbringung von unter diesem Buchstaben e) genannten Dienstleistungen tätig werden".

19. Das französische Recht, wie es in Abschnitt III der Anweisung dargestellt ist, stimmt, was die beiden aufgeführten Fälle anbelangt, offensichtlich mit Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e überein. Es gibt jedoch einen dritten Fall, in dem Schwierigkeiten auftreten.

20. In diesem Fall erbringt und berechnet der Dienstleistende (z. B. ein Filmproduzent) die Leistungen gemäß einem Vertrag mit einer Werbeagentur der Agentur, und diese erbringt und berechnet sie ihrerseits einem Werbetreibenden. Vor dem Gerichtshof wurde nicht im Einzelnen erörtert, wer in diesem Fall als Empfänger gelten muss. In der mündlichen Verhandlung haben die französische Regierung und die Kommission die Auffassung vertreten, die - mittelbare - Dienstleistung des Filmproduzenten gegenüber dem Werbetreibenden sei als ein einziger Umsatz anzusehen, bei dem Leistungsempfänger der Werbetreibende sei.

21. Meines Erachtens ist jedoch zu berücksichtigen, dass es in diesem Fall zwei steuerbare Umsätze gibt. Der erste besteht in der Dienstleistung des Filmproduzenten gegenüber der Werbeagentur. Insofern ist die Werbeagentur Leistungsempfänger. Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e ist somit auf diesen Umsatz anwendbar - vorausgesetzt, die erbrachten Leistungen können als Leistungen auf dem Gebiet der Werbung" angesehen werden -, wenn der Filmproduzent in Frankreich und die Werbeagentur außerhalb der Gemeinschaft oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist. Der zweite Umsatz besteht in der Dienstleistung der Werbeagentur gegenüber dem Werbetreibenden. Hier ist der Werbetreibende Leistungsempfänger. Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e gilt daher - vorausgesetzt, die erbrachten Leistungen können als Leistungen auf dem Gebiet der Werbung" angesehen werden -, wenn die Werbeagentur in Frankreich und der Werbetreibende außerhalb der Gemeinschaft oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist.

22. Nach Abschnitt III der Anweisung unterliegt jedoch eine Dienstleistung, die ein in Frankreich ansässiger Leistender einer außerhalb der Gemeinschaft oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Werbeagentur erbringt, nicht Artikel 259-B des Code général des impôts; daher muss der Leistende für diese Leistung die französische Mehrwertsteuer einnehmen. Um festzustellen, ob dies mit der Sechsten Richtlinie vereinbar ist, bedarf es der Auslegung des Begriffes Leistungen auf dem Gebiet der Werbung" in Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e.

Leistungen auf dem Gebiet der Werbung

23. Nach Auffassung der französischen Regierung kauft ein Werbetreibender, der einen Vertrag unmittelbar mit einem Filmproduzenten schließt, von diesem Produzenten eine Leistung auf dem Gebiet der Werbung. Eine Werbeagentur, die einen Vertrag mit einem Filmproduzenten schließe, kaufe hingegen keine Leistung auf dem Gebiet der Werbung. Sie kaufe eine Dienstleistung, die in der Herstellung eines Films bestehe. Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e und dessen zweiter Gedankenstrich seien daher nur anwendbar, wenn die entsprechende Leistung dem Endabnehmer unmittelbar erbracht und in Rechnung gestellt werde. Die Anweisung, aufgrund deren Dienstleistungen, die eine Filmgesellschaft einer Werbeagentur erbringe, vom Geltungsbereich des Artikels 259-B des Code général des impôts ausgeschlossen seien, stimme also mit der Sechsten Richtlinie überein.

24. Ich halte dieses Vorbringen so allgemein nicht für überzeugend.

25. Der Gerichtshof hat im Urteil Kommission/Frankreich entschieden, dass für die Feststellung, ob ein Vorgang eine Leistung auf dem Gebiet der Werbung darstellt, jedesmal alle Umstände, unter denen die betreffende Leistung erfolgt, zu berücksichtigen" sind. Die französische Verwaltungsanweisung schließt offensichtlich eine derartige Bewertung bei Leistungen aus, die einer Werbeagentur beispielsweise von einer Filmgesellschaft erbracht werden. Hinzuzufügen ist, dass der Gerichtshof im Urteil Kommission/Frankreich außerdem entschieden hat, dass mit dem Begriff der Werbung ... notwendigerweise die Verbreitung einer Botschaft verbunden [ist], die dazu dient, die Verbraucher von der Existenz und den Eigenschaften eines Erzeugnisses oder einer Dienstleistung zu unterrichten, um so den Absatz zu erhöhen". Der Begriff der Leistungen auf dem Gebiet der Werbung" in diesem Sinne kann zweifellos Leistungen umfassen, die einem Werbetreibenden mittelbar über eine Werbeagentur erbracht werden. Wie Generalanwalt Gulmann in seinen Schlussanträgen im letztgenannten Fall festgestellt hat, kann man grundsätzlich davon ausgehen, dass Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e zumindest in den Fällen eingreift, in denen ein in einem Land niedergelassener Wirtschaftsteilnehmer sich für die Durchführung einer Werbekampagne der Dienste einer in einem anderen Land ansässigen Werbeagentur bedient und die verschiedenen dabei eingesetzten Mittel tatsächlich der Förderung des Verkaufs der Erzeugnisse des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers dienen sollen. In einer solchen Lage ist dem Begriff der Leistungen auf dem Gebiet der Werbung kein enger Anwendungsbereich zuzuerkennen."

26. Auch wenn die Leistungen, die ein Filmproduzent einer Werbeagentur erbringt, unter bestimmten Umständen möglicherweise nicht als Leistungen auf dem Gebiet der Werbung" im Sinne des Artikels 9 Absatz 2 Buchstabe e angesehen werden können, beschränkt sich diese Vorschrift nicht auf Leistungen, die der Leistende einem steuerpflichtigen Werbetreibenden unmittelbar erbringt und in Rechnung stellt.

27. Überdies könnte es gegen den Zweck des Artikels 9 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie verstoßen, Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e auf Leistungen zu beschränken, die unmittelbar erbracht werden.

28. Aus der siebten Begründungserwägung der Sechsten Richtlinie geht klar hervor, dass Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e sicherstellen soll, dass die Mehrwertsteuer im Land des Dienstleistungsempfängers gezahlt wird, wenn die Kosten [der Dienstleistungen] in den Preis der Waren eingehen". Der Gerichtshof hat dazu festgestellt: Soweit der Empfänger üblicherweise in dem Staat, in dem er seinen Sitz hat, die Waren verkauft oder die Dienstleistungen erbringt, für die geworben wird, und damit die entsprechende Mehrwertsteuer dem Endverbraucher in Rechnung stellt, ist es also nach Ansicht des Gemeinschaftsgesetzgebers angezeigt, dass auch die Mehrwertsteuer auf die Werbeleistung vom Empfänger an diesen Staat entrichtet wird." Die Kosten einer Leistung auf dem Gebiet der Werbung mögen zwar, wie die französische Regierung geltend macht, nicht unmittelbar in den Preis der Waren bzw. Dienstleistungen, die der Werbetreibende verkauft, eingehen, wenn diese Leistung einer Werbeagentur erbracht und in Rechnung gestellt wird, sie werden jedoch - wie das SPI und die Kommission feststellen - möglicherweise in den Preis dieser Waren eingehen, da die Agentur dem Werbetreibenden die Kosten der Dienstleistung einschließlich einer Vergütung berechnen wird.

29. Schließlich ist Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e im Zusammenhang mit der Mehrwertsteuerregelung insgesamt und den dieser zugrunde liegenden Grundsätzen auszulegen.

30. Insofern ist daran zu erinnern, dass die Mehrwertsteuer eine Verbrauchsteuer ist. Obwohl sie von demjenigen eingenommen wird, der Waren liefert oder Dienstleistungen erbringt, ist sie immer vom Endverbraucher zu tragen. Ich halte es für zweifelhaft, ob die Art und Weise, wie der Begriff Leistungen auf dem Gebiet der Werbung" in der Anweisung ausgelegt wird, mit diesem Grundsatz übereinstimmt. Eine Werbeagentur, die eine Leistung auf dem Gebiet der Werbung von einem in Frankreich ansässigen Leistenden, z. B. einem Werbefilmproduzenten, erwirbt, zahlt auf den Preis dieser Leistung in Frankreich Mehrwertsteuer. Die Werbeagentur schlägt diese Mehrwertsteuer dem Preis der Dienstleistung zu, die dem Werbetreibenden in Rechnung gestellt wird. Wenn der Werbetreibende jedoch außerhalb der Gemeinschaft oder in einem anderen Mitgliedstaat als in Frankreich ansässig ist, kann er diese Mehrwertsteuer nicht in seiner internen Umsatzsteuererklärung abziehen. Er wird daher die Mehrwertsteuer tragen, es sei denn, die zuständigen französischen Behörden räumen ihm eine Mehrwertsteuererstattung ein. Bei Erlass des Artikels 9 Absatz 2 Buchstabe e der Sechsten Richtlinie gab es keine gemeinschaftsrechtliche Regelung für eine derartige Erstattung. Eine Erstattungsregelung ist später durch die Achte Mehrwertsteuerrichtlinie eingeführt worden, diese Regelung ist aber erheblich langsamer und umständlicher als ein unmittelbarer Abzug in der internen Steuererklärung des Werbetreibenden.

31. Außerdem unterliegt die Mehrwertsteuer dem Grundsatz der Neutralität. Danach ist die Mehrwertsteuer für identische Waren und Leistungen gleich und muss immer proportional zum Preis der Waren oder Dienstleistungen unabhängig von der Zahl der Handelsstufen sein. Die französische Regierung steht auf dem Standpunkt, dass die Auslegung der Leistungen auf dem Gebiet der Werbung" in der Anweisung diesem Grundsatz entspreche, da Leistungen auf dem Gebiet der Werbung, die einem Werbetreibenden unmittelbar erbracht und in Rechnung gestellt würden, anders geartet seien als Dienstleistungen in Form der Lieferung eines Films an eine Werbeagentur.

32. Ich halte dieses Argument nicht für überzeugend. Wie oben ausgeführt, hängt die Unterscheidung zwischen Leistungen auf dem Gebiet der Werbung und anderen Leistungen von Filmgesellschaften nicht allein davon ab, ob diese Dienstleistungen einem Endabnehmer oder einer Werbegesellschaft erbracht werden. Zur Feststellung, ob eine Leistung eine Leistung auf dem Gebiet der Werbung" im Sinne des Artikels 9 Absatz 2 Buchstabe e darstellt, sind alle Umstände zu berücksichtigen, unter denen die betreffende Dienstleistung erfolgt.

Antrag

33. Ich schlage dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage wie folgt zu beantworten:

Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe e zweiter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage betreffend Leistungen auf dem Gebiet der Werbung" gilt nicht nur für Leistungen, die einem steuerpflichtigen Werbetreibenden unmittelbar erbracht und in Rechnung gestellt werden, sondern auch für Leistungen, die dem Werbetreibenden mittelbar erbracht und einem Dritten in Rechnung gestellt werden, der sie seinerseits dem Werbetreibenden berechnet.