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Wichtiger rechtlicher Hinweis

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62000C0184

Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed vom 27. Juni 2001. - Office des produits wallons ASBL gegen Belgischer Staat. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal de première instance de Charleroi - Belgien. - Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a - Besteuerungsgrundlage - Unmittelbar mit dem Preis zusammenhängende Subvention. - Rechtssache C-184/00.

Sammlung der Rechtsprechung 2001 Seite I-09115


Schlußanträge des Generalanwalts


I - Einleitung

1. Mit diesem Ersuchen um Vorabentscheidung fragt das Tribunal de première instance Charleroi nach der Auslegung des Artikels 11 Teil A Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (im Folgenden: Richtlinie). Konkret geht es um die Frage, ob ein betrieblicher Zuschuss, der einer Einrichtung gewährt wird, die Gegenstände liefert und Dienstleistungen erbringt, mehrwertsteuerpflichtig ist.

II - Rechtlicher Rahmen

2. Artikel 11 Teil A Absatz 1 der Richtlinie legt die Besteuerungsgrundlage der Mehrwertsteuer für Umsätze im Inland wie folgt fest:

a) bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter den Buchstaben b), c) und d) genannt sind, alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.

..."

Diese Bestimmung ist in Belgien durch Artikel 26 des Code de la TVA umgesetzt worden.

III - Sachverhalt und Verfahren

3. Das Office des Produits Wallons ASBL (im Folgenden: OPW) betätigt sich im Bereich der Werbung und des Verkaufs wallonischer Produkte und ist insoweit mehrwertsteuerpflichtig. Unter anderem gibt das OPW eine Zeitschrift heraus. Es erhält Zuschüsse von der Wallonischen Region, mit der es eine Rahmenvereinbarung geschlossen hat.

4. Am 19. Februar 1997 führte die Mehrwertsteuerverwaltung eine Rechnungsprüfung beim OPW durch, über die am 25. April 1997 ein Protokoll erstellt wurde. Die Mehrwertsteuerverwaltung warf dem OPW vor, auf die von der Wallonischen Region erhaltenen Zuschüsse keine Mehrwertsteuer entrichtet zu haben. Sie forderte daher für die Jahre 1994 bis 1996 6 712 500 BEF zuzüglich eines unbestrittenen Betrages von 33 833 BEF.

5. Am 7. Dezember 1998 wurde ein Zahlungsbefehl über 6 746 333 BEF (Mehrwertsteuer) und 1 349 000 BEF (Bußgeld) zuzüglich monatlicher Zinsen in Höhe von 0,8 % vom 21. Januar 1997 an erlassen. Mit vom Gerichtsvollzieher zugestelltem Schreiben vom 14. Januar 1999 legte das OPW beim Tribunal de première instance Charleroi Widerspruch gegen diesen Zahlungsbefehl ein. Es beantragte den Zahlungsbefehl aufzuheben, soweit er den Betrag von 33 833 BEF übersteige, und den belgischen Staat zu verurteilen, alle ungerechtfertigt eingezogenen Beträge einschließlich gesetzlicher Zinsen zurückzuzahlen.

6. Der Rechtsstreit zwischen dem OPW und dem belgischen Staat vor dem nationalen Gericht beruht auf Artikel 26 des Code de la TVA.

7. Die Parteien des Ausgangsverfahrens sind sich einig, dass eine Subvention Teil der Besteuerungsgrundlage sei, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Preis stehe; dies sei der Fall, wenn die Subvention

- an den Hersteller, Lieferer oder Dienstleistenden gewährt werde,

- von einem Dritten gezahlt werde,

- ein Entgelt oder einen Teil des Entgeltes für eine Lieferung oder Dienstleistung darstelle.

Die Parteien sind jedoch unterschiedlicher Auffassung hinsichtlich der Bedeutung der dritten Voraussetzung.

8. Das Tribunal de première instance Charleroi (Zweite Zivilkammer) hat mit Urteil vom 11. Mai 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Mai 2000, den Gerichtshof um Vorabentscheidung über folgende Fragen ersucht:

1. Sind betriebliche Zuschüsse, die einen Teil der Betriebsaufwendungen (Investitionshilfen, Beteiligung an den allgemeinen Kosten oder laufenden Ausgaben, Personalkosten) eines Steuerpflichtigen abdecken und den Selbstkostenpreis seiner Waren oder Dienstleistungen beeinflussen, ohne einen konkreten Bezug zum Preis der Umsätze aufzuweisen, gemäß Artikel 11 Teil A der Sechsten Richtlinie (77/388) des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage steuerpflichtig?

2. Hängt die Steuerpflichtigkeit vom Vorliegen einer konkreten Leistung zugunsten des Subventionsgebers und einer Gleichwertigkeit des von ihm erlangten Vorteils mit dem geleisteten Gegenwert ab?

3. Wenn ja, wie ist der Wert des vom Subventionsgeber erlangten Vorteils zu bestimmen?

IV - Einschlägige Rechtsprechung

9. Zur Bedeutung des letzten Teils von Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie hat Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Landboden-Agrardienste einige interessante Gedanken vorgetragen:

12. Mit einiger Rechtfertigung lässt sich sagen, dass es keinen Sinn macht, auf Subventionen Mehrwertsteuer zu erheben. Damit nimmt die öffentliche Hand nur Gelder zurück, die sie selbst gewährt hat; sind verschiedene Stellen tätig, so stellt die Besteuerung von Subventionen im Ergebnis einen recht indirekten - und teuren - Weg des Finanzausgleichs zwischen diesen Stellen dar ...

13. Zudem wird eine Besteuerung von Subventionen, wenn sie nicht durch eine entsprechende Erhöhung ausgeglichen wird, zu einer Verringerung der wirtschaftlichen Wirkungen führen, die die Subvention erreichen soll. Hat der Begünstigte die Wahl zwischen dem Verkauf seines Erzeugnisses und der Annahme einer Subvention für seine Nichtvermarktung, wird die Besteuerung der Subvention diese weniger interessant machen.

14. Die Sechste Richtlinie sieht die Besteuerung von Subventionen nur in beschränktem Maße vor. Nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a gehören zur Besteuerungsgrundlage die ,unmittelbar mit dem Preis [von] Umsätzen zusammenhängenden Subventionen. Eine Subvention ist damit Teil der Besteuerungsgrundlage, wenn sie unter der Bedingung gewährt wird, dass der Begünstigte Waren liefert oder Dienstleistungen erbringt. So ist eine Regelung, nach der ein Landwirt für jedes von ihm verkaufte Erzeugnis eine bestimmte Subvention erhält, Teil des Entgelts für die Lieferung. Andererseits sind Subventionen, die mit bestimmten Lieferungen nur indirekt zusammenhängen und ganz allgemein die wirtschaftliche Lage des Betriebs verbessern sollen, nicht Teil der Besteuerungsgrundlage. Beispiele für solche Subventionen sind Subventionen für den Ankauf von Betriebsgegenständen, für die Deckung von Verlusten und für die Umstrukturierung des Betriebes.

15. Die Unterscheidung, die sich aus der Sechsten Richtlinie ergibt, ist nicht unproblematisch. Die Kommission führt in ihrem Ersten Bericht [über die Anwendung der Richtlinie] aus.

,In Artikel 11-A Absatz 1 Buchstabe a) der Richtlinie heißt es, dass die einem Steuerpflichtigen gewährten Subventionen, die ,unmittelbar mit dem Preis der von ihm bewirkten Umsätze ,zusammenhängen, in die Besteuerungsgrundlage als Elemente des von Dritten gezahlten Preises einzubeziehen sind. Wenn es verhältnismäßig leicht fällt, in einer ersten Untersuchung als ,unmittelbar mit dem Preis zusammenhängend Subventionen anzusehen, deren Betrag entweder im Verhältnis zum Verkaufspreis der gelieferten Gegenstände oder Dienstleistungen oder entsprechend den verkauften Mengen oder auch entsprechend den Kosten von unentgeltlich gebotenen Gegenständen und Dienstleistungen bestimmt wird, so bestehen doch größte Zweifel bezüglich anderer Arten von Subventionen ...

16. Gleichwohl entspricht die Behandlung der Subventionen in der Richtlinie der allgemeinen Regel, dass zwischen der Lieferung und dem Entgelt ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen sollte. Sie lässt sich auch mit dem Gedanken rechtfertigen, dass Subventionen, die für bestimmte Lieferungen gewährt werden, sich aller Wahrscheinlichkeit nach direkter auf den Wettbewerb auswirken. Zumindestens auf den ersten Blick lässt sich besser begründen, dass solche Subventionen als Teil des vom (oder für den) Verbraucher gezahlten Preises zu betrachten sind."

10. Der Gerichtshof hat sich in zwei Fällen mit der Frage der Mehrwertsteuerpflichtigkeit bestimmter staatlicher Subventionen an Privatpersonen beschäftigt. Sowohl im Urteil Mohr als auch im Urteil Landboden-Agrardienste ging es um eine Vergütung für einen Landwirt, der sich im Gegenzug dazu verpflichtet hatte, seine Produktion einzuschränken. Der Gerichtshof stellte in diesen Urteilen fest, dass eine von der öffentlichen Hand im allgemeinen Interesse geleistete Zahlung das Entgelt für eine Dienstleistung im Sinne der Richtlinie sein könne. Er führte dazu aus: Um festzustellen, ob eine Dienstleistung in den Geltungsbereich der Sechsten Richtlinie fällt, ist daher der Umsatz anhand der Ziele und der Merkmale des Gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu prüfen." In dem betreffenden Fall erbringt der Landwirt keinem identifizierbaren Verbraucher Dienstleistungen, und er verschafft keinen Vorteil, der einen Kostenfaktor in der Tätigkeit eines anderen Beteiligten am Wirtschaftsleben bilden könnte".

11. Zweitens ist für die vorliegende Rechtssache von Bedeutung, was unter Gegenleistung zu verstehen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes stellt diese Gegenleistung den ,subjektiven, nämlich im konkreten Fall tatsächlich erhaltenen Wert und nicht einen nach objektiven Maßstäben geschätzten Wert dar".

12. Im Fall einer Subvention lässt sich leicht ein subjektiver Wert feststellen. Interessanter ist, ob dieser Wert auch die Gegenleistung des gelieferten Gegenstandes oder der erbrachten Dienstleistung ist. Es geht also um den unmittelbaren Zusammenhang. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ist eine Dienstleistung daher nur dann steuerpflichtig ..., wenn zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht". Im Urteil Tolsma gibt der Gerichthof ein schönes Beispiel für seine Auslegung des Begriffes unmittelbarer Zusammenhang". Ich zitiere: Wenn ein Musikant, der auf öffentlichen Wegen spielt, von Passanten eine Vergütung erhält, können diese Einnahmen nicht als Gegenleistung für eine den Passanten erbrachte Dienstleistung angesehen werden." Es besteht nämlich zwischen den Parteien keine Vereinbarung und auch kein notwendiger Zusammenhang zwischen der Darbietung und der Bezahlung. Die Zahlung eines Betrages ist nämlich losgelöst vom Genuss der musikalischen Darbietung.

13. Ich möchte auch auf das Urteil Apple and Pear Development Council hinweisen. Diese Rechtssache betraf eine Einrichtung, deren Aufgabe die Werbung, die Förderung und die Verbesserung der Qualität der in England und Wales erzeugten Äpfel und Birnen war. Diese Aufgabe ist der des OPW vergleichbar. Finanziert wurde der Council jedoch durch die Beiträge der betroffenen Erzeuger. Der Gerichtshof stellte fest, dass Pflichtbeiträge, wie sie von den Erzeugern erhoben werden, kein Entgelt darstellen, das in unmittelbarem Zusammenhang mit den Vorteilen steht, die einzelnen Erzeugern aus der Wahrnehmung der Aufgaben des Council erwachsen". Ich möchte betonen, dass es nicht um eine Subvention ging. Der Gerichtshof musste über die Frage entscheiden, ob die Beiträge der Erzeuger als Gegenleistung der ihnen erbrachten Dienstleistungen angesehen werden konnten.

14. Generalanwalt Slynn führte dazu in seinen Schlussanträgen in dieser Rechtssache aus, dass der Council im Interesse der Allgemeinheit errichtet worden sei und die Beiträge zur Deckung der Verwaltungskosten und anderer Kosten für verschiedene Tätigkeiten bestimmt gewesen seien.

15. Das Urteil First National Bank of Chicago verdeutlicht in zwei Punkten, wie eng der Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung sein muss. Diese Rechtssache betraf die Vergütung, die ein Bank für Devisengeschäfte in Rechnung stellte. Die Vergütung ergab sich aus der Differenz zwischen Ankaufs- und Verkaufspreis der Devisen. Erstens muss kein individualisierbarer Zusammenhang zwischen der Leistung (Devisenumtausch) und der dafür verlangten Gegenleistung bestehen. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass der Bruttoertrag der von der Bank während eines bestimmten Zeitraums getätigten Geschäfte die Gegenleistung [bildet], d. h. den Betrag, über den die Bank effektiv selbst verfügen kann". Zweitens ist für die Möglichkeit, eine Transaktion zu besteuern, auch nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige, der die Gegenstände liefert oder die Dienstleistung erbringt, oder die andere an der Transaktion beteiligte Partei den genauen Betrag der Gegenleistung kennt, der als Besteuerungsgrundlage dient".

V - Würdigung

A - Einleitende Bemerkungen

16. Es liegt nicht unmittelbar auf der Hand, in eine Mehrwertsteuerregelung eine Vorschrift aufzunehmen, nach der Subventionen mehrwertsteuerpflichtig sind. Der Staat nimmt nämlich damit, wie Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Landboden-Agrardienste zu Recht angemerkt hat, mit der einen Hand einen prozentualen Anteil von dem weg, was er mit der anderen Hand gegeben hat. Auch das Argument der Kommission zur Rechtfertigung der Mehrwertsteuerpflichtigkeit bestimmter Subventionen, nämlich dass diese Subventionen den Wettbewerb beeinflussen, ist nicht sehr überzeugend. Es ist ein allgemeines Kennzeichen von Subventionen, die Wirtschaftsteilnehmern gewährt werden, dass sie den Wettbewerb beeinflussen. Um unerwünschte Auswirkungen auf den Wettbewerb zu verhindern, sehen die Artikel 87 ff. EG eine Regelung über eine (präventive) Kontrolle der Kommission vor. Warum sollen daneben bestimmte Subventionsformen mehrwertsteuerpflichtig sein? Dazu kommt noch, dass die Erhebung der Mehrwertsteuer nur eine begrenzte Wirkung hat. Wenn der Subventionsgeber weiß, dass von der Subvention Mehrwertsteuer abgezogen werden muss, kann er sich veranlasst sehen, die Subvention zum Ausgleich der Mehrwertsteuer um einen bestimmten Prozentsatz zu erhöhen.

17. Gleichwohl hat sich der Gemeinschaftsgesetzgeber dafür entschieden, auf bestimmte Subventionen Mehrwertsteuer zu erheben. Aufgrund dessen muss das Kriterium unmittelbar mit dem Preis [der] Umsätze zusammenhängende Subventionen" so ausgelegt werden, dass die Steuer auch wirksam erhoben werden kann. Dieses Kriterium der Richtlinie ist in der Praxis jedoch nicht immer sinnvoll. Wie auch immer der Gerichtshof es auslegen mag, es wird für den Subventionsgeber die Versuchung bestehen, eine Form der Subvention zu finden, die dieses Kriterium nicht erfuellt. Dann wird keine Mehrwertsteuer geschuldet. Oder der Mitgliedstaat wird, wenn er eine Subvention gewährt, die doch unmittelbar mit dem Preis zusammenhängt", diese Subvention so erhöhen, dass die Erhebung der Mehrwertsteuer für den Begünstigten keine nachteiligen Folgen hat. Der Vollständigkeit halber möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Kommission einen Vorschlag angekündigt hat, die Richtlinie in diesem Punkt zu ändern.

18. Nichtsdestotrotz ist der Gerichtshof natürlich an den derzeitigen Wortlaut der Richtlinie gebunden. Bei einer Auslegung des Artikels 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie ist zwischen zwei Arten von Subventionen zu unterscheiden:

- erstens: Subventionen, die einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit des Begünstigten unmittelbar zuzurechnen sind und damit zu einer Senkung des Preises eines Gegenstandes oder einer Dienstleistung führen;

- zweitens: Subventionen, die nicht einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen sind.

Um diese Unterscheidung treffen zu können, ist der Begünstigte unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten. Dadurch wird die praktische Wirksamkeit der Entscheidung so weit wie möglich garantiert. Nicht die Form der Subvention ist entscheidend, sondern ihre betriebswirtschaftlichen Folgen.

B - Zur ersten Frage

Vorbringen der Beteiligten

19. Das OPW, die belgische und die französische Regierung sowie die Kommission haben Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht. Während der Sitzung vom 22. März 2001 haben das OPW, die belgische Regierung und die Kommission ihren Standpunkt mündlich verdeutlicht. Alle stimmen darin überein, dass ein indirekter Zusammenhang mit dem Preis nicht ausreicht, um eine Subvention steuerbar zu machen.

20. Das OPW ist der Meinung, dass die im vorliegenden Fall gewährten Zuschüsse nicht mehrwertsteuerpflichtig seien. Es gehe um betriebliche Zuschüsse, die nicht einem abgegrenzten steuerbaren Umsatz zugerechnet werden können, da zum einen ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem steuerbaren Umsatz (der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen) und der Subvention fehle und zum anderen die Subvention dem Verbraucher nur indirekt zugute komme.

21. Das Kriterium des unmittelbaren Zusammenhangs" verlange, dass die Subvention anhand eines Bezugspreises berechnet werde, der dem Preis entspreche, den der Subventionsempfänger für die Gegenstände oder Dienstleistungen kalkuliert habe. Als Folge der Subvention werde der Preis, der dem Kunden in Rechnung gestellt werde, niedriger.

22. Im Ausgangsverfahren gehe es jedoch um einen Zuschuss für die Förderung einer Region. Der Subventionsempfänger habe den Auftrag, dieses Ziel zu erreichen. Die Subvention hänge nicht unmittelbar mit dem Preis zusammen, sondern sei auf die betrieblichen Kosten gerichtet und wirke sich damit nur indirekt auf den Preis aus.

23. Die belgische Regierung unterscheidet drei Arten von Subventionen. Bei der ersten Art gebe es drei Beteiligte: den Subventionsgeber, den Begünstigten und den Kunden des Begünstigten. Bei dieser Art von Subvention bedeute das Erfordernis eines unmittelbaren Zusammenhangs nicht, dass die Höhe der Subvention notwendigerweise mit dem Preis jedes einzelnen subventionierten Umsatzes oder dem Volumen dieser Umsätze zusammenhänge. Die Subvention könne auch als Fest- oder Pauschalbetrag festgesetzt sein. Dies biete dem Subventionsempfänger die Möglichkeit, seine Kosten zu begrenzen und damit einen niedrigeren Preis zu verlangen.

24. Bei der zweiten Art von Subvention bestehe eine bilaterale Beziehung zwischen dem Subventionsgeber und dem Begünstigten. Der Subventionsgeber sei dabei Empfänger der Gegenstände oder Dienstleistungen. Dann sei auch stets Mehrwertsteuer zu entrichten.

25. Die dritte Art von Subventionen seien betriebliche Zuschüsse, zu denen auch Subventionen für die Finanzierung bestimmter Tätigkeiten gehörten. Jeder betriebliche Zuschuss beeinflusse den Preis der Gegenstände und Dienstleistungen, die Dritten geliefert bzw. erbracht würden. Jedoch sei der indirekte Einfluss dieser Subventionen auf diese Gegenstände und Dienstleistungen als Grundlage für die Erhebung der Mehrwertsteuer nicht ausreichend. Ob eine Subvention mehrwertsteuerpflichtig sei, hänge von der Würdigung der Tatsachen ab.

26. In der Sitzung hat die belgische Regierung noch ausgeführt, dass das Erfordernis eines unmittelbaren und eines konkret feststellbaren Zusammenhangs zwischen der Subvention und dem Preis dazu führe, dass beinahe alle betrieblichen Zuschüsse nicht mehrwertsteuerpflichig wären.

27. Die belgische Regierung zieht eine Parallele zu dem Fall, der dem Urteil Naturally Yours Cosmetics zugrunde lag. Nach ihrer Ansicht ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass der Zuschuss für das OPW gekürzt worden sei, da das OPW die Zeitschrift Wallonie nouvelle" nicht entsprechend den Erfordernissen gemäß der Rahmenvereinbarung herausgegeben habe.

28. Die französische Regierung nennt zwei Kriterien für einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem steuerbaren Umsatz (Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen) und der Subvention. Zuerst müsse die Subvention im Zusammenhang mit dem steuerbaren Umsatz gewährt worden sein, die der Begünstigte für seine Kunden bewirke. Zweitens müsse die Subvention mit dem Preis oder dem Beitrag, der den Kunden zugute komme, zusammenhängen. Aus dem Urteil First National Bank of Chicago ergebe sich, dass ein allgemeiner Zusammenhang zwischen Subvention und Preis ausreiche.

29. Nach Ansicht der Kommission muss die Subvention im Hinblick auf die Lieferung eines bestimmten Gegenstandes oder einer bestimmten Dienstleistung gezahlt werden. Ein betrieblicher Zuschuss, der den Preis nur mittelbar beeinflusse, sei nicht mehrwertsteuerpflichtig. Es müssten drei Voraussetzungen erfuellt sein: Die Subvention müsse an den gezahlt werden, der die Gegenstände liefere oder Dienstleistungen erbringe, sie müsse von einem Dritten gezahlt werden und sie müsse die Gegenleistung für einen Gegenstand oder eine Dienstleistung oder Bestandteil einer solcher Gegenleistung sein.

30. Ob die Subvention Bestandteil der Gegenleistung sei, müsse von Fall zu Fall bestimmt werden. Eine solche Beurteilung der Tatsachen sei Sache des nationalen Gerichts. In der Sitzung hat die Kommission ein Beispiel für Tatsachen genannt, die eine Rolle spielen könnten. Ein unmittelbarer Zusammenhang könne angenommen werden, wenn sich eindeutig zeige, dass die Kürzung des Zuschusses im Jahr 1996 dazu geführt habe, dass die Zeitschrift Wallonie nouvelle" im darauffolgenden Jahr zu einem höheren Preis verkauft worden sei.

Beurteilung

31. Die Frage des vorlegenden Gerichts betrifft die Tragweite des Begriffes unmittelbar mit dem Preis [der] Umsätze zusammenhängenden Subventionen". Es geht insbesondere um die Frage, ob betriebliche Zuschüsse, die nicht unmittelbar für die Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienstleistungen gewährt worden sind, wohl aber dazu führen können, dass die Gegenstände und Dienstleistungen zu einem niedrigeren Preis angeboten werden können, mehrwertsteuerpflichtig sind.

32. Als erstes möchte ich auf eine Voraussetzung für die Anwendung der Regelung des Artikels 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a hinweisen, die sich aus den Urteilen Mohr und Landboden-Agrardienste ergibt. Der Begünstigte muss einem Verbraucher oder einem anderen Teilnehmer am Wirtschaftsleben gegen Entgelt Gegenstände liefern oder Dienstleistungen erbringen. Zweitens bezieht sich die Frage des vorlegenden Gerichts auf eine Subvention für die Tätigkeiten für Dritte und nicht auf die Bezahlung eines Gegenstands oder einer Dienstleistung. Insoweit unterscheidet sich dieser Fall von der Rechtssache Apple and Pear Development Council, in der es um die Frage ging, ob die Erhebung eines Beitrags als Bezahlung anzusehen sei.

33. Im Falle einer Subvention ist der Zusammenhang mit dem Preis für einen Gegenstand oder eine Dienstleistung weniger eng als bei der Entrichtung eines Entgelts. Jedenfalls ist es nicht erforderlich, dass bei der Gewährung der Subvention der Preis für den zu liefernden Gegenstand oder die zu erbringende Dienstleistung berücksichtigt wird. Dies lässt sich meines Erachtens dem Urteil First National Bank of Chicago entnehmen. Der Preis für die Leistung braucht für die Erbringung der Gegenleistung, hier der Subvention, keine Rolle zu spielen. Der Subventionsgeber braucht sogar den Preis nicht zu kennen. Den Standpunkt des OPW hierzu halte ich denn auch für falsch.

34. Generalanwalt Jacobs hat in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Landboden-Agrardienste einzelne Beispiele für Subventionen genannt, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Preis für eine Tätigkeit stehen. Dies sind Subventionen für den Ankauf von Betriebsgegenständen, für die Deckung von Verlusten und für die Umstrukturierung des Betriebes. Bei diesen Beispielen liegt es auf der Hand, dass sie nicht unmittelbar mit dem Preis zusammenhängen. Für betriebliche Zuschüsse ist dies weniger klar. Wird nämlich der Betrieb einer Einrichtung teilweise von der öffentlichen Hand bezahlt, kann zu niedrigeren Kosten produziert werden.

35. Für die Beantwortung der Frage des vorlegenden Gerichts halte ich es für entscheidend, ob die betrieblichen Zuschüsse unmittelbar einer bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeit des Begünstigten zuzurechnen sind, die in der Erzeugung eines Gegenstands oder der Erbringung einer Dienstleistung besteht. Dies ist der Fall, wenn aufgrund der Subventionen der Preis für einen Gegenstand oder eine Dienstleistung, die der Begünstigte dem Verbraucher liefert, sich ermäßigt oder die Menge der gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen zunimmt. Ein betrieblicher Zuschuss kann auch dazu führen, dass der Begünstigte eine größere Menge erzeugt, da er weiß, dass ein Teil des Risikos der Subventionsträger trägt.

36. Für die Feststellung, ob der Preis oder die Menge unmittelbar beeinflusst worden sind, können u. a. folgende Gesichtspunkte eine Rolle spielen:

- Besteht eine der Haupttätigkeiten des Begünstigten darin, dem Verbraucher Gegenstände zu liefern oder Dienstleistungen zu erbringen, kann eher davon ausgegangen werden, dass die Subvention sich unmittelbar auf den Preis oder die Menge auswirkt.

- Wird die Subvention für die festen Kosten des Begünstigten gewährt, spricht dies weniger für eine unmittelbare Auswirkung, sofern die Subvention auf die variablen Kosten abzielt, die mit den tatsächlichen Tätigkeiten des Begünstigten zusammenhängen.

- Die Absicht des Subventionsgebers. Von einer unmittelbaren Auswirkung auf den Preis kann eher die Rede sein, wenn der Subventionsgeber mit der Subvention gerade die Erzeugung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienstleistungen (zu einem angemessenen Preis) fördern will. Die Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen kann sogar Voraussetzung für die Subvention sein.

- Ebenso ist eher von einer unmittelbaren Auswirkung auszugehen, wenn die Entwicklung der Höhe der Subvention, die erzeugte Menge und die Entwicklung des Preises für die betreffenden Gegenstände oder Dienstleistungen in einem arithmetischen Verhältnis stehen.

37. Anhand der Umstände des konkreten Falles ist zu entscheiden, ob betriebliche Zuschüsse zu einer Senkung des Preises oder zu einer Erhöhung der Menge von Gegenständen oder Anzahl von Dienstleistungen führt, die von dem Subventionsbegünstigten geliefert werden. Eine solche Beurteilung muss sich vor allem auf betriebswirtschaftliche Erwägungen stützen. Bei Zweifeln kann das Gutachten eines Rechnungsprüfers Aufschluss geben.

C - Zur zweiten und dritten Frage

38. Im Grunde ergeben sich diese beiden Fragen nicht unmittelbar aus dem Ausgangsrechtsstreit, wie auch das OPW und die belgische Regierung in ihren beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen vorgetragen haben. Nach den dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Informationen kann keine Rede von einer Dienstleistung sein, die das OPW der Wallonischen Region als Gegenleistung für die ihm gewährten Zuschüsse erbringt.

39. Trifft diese Auslegung des Sachverhalts zu, braucht der Gerichtshof die zweite und die dritte Frage nicht zu beantworten. Zwar steht es nach Artikel 234 Absatz 2 EG im Ermessen des vorlegenden Gerichts, welche Fragen es dem Gerichtshof vorlegen will, doch weist der Gerichtshof nach seiner ständigen Rechtsprechung - u. a. nach dem Urteil Butterfly Music das Ersuchen dieses Gerichts zurück, wenn klar ist, dass die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht.

40. Sollte der Gerichtshof dennoch der Ansicht sein, dass die zweite und die dritte Frage tatsächlich in einem Zusammenhang mit dem Ausgangsverfahren stehen, ist Folgendes von Bedeutung. Mit der Kommission bin ich der Ansicht, dass es in dem vom vorlegenden Gericht beschriebenen Fall nicht um eine Subvention, sondern um das Entgelt für eine dem Staat erbrachte Dienstleistung geht. Die Dienstleistung kann beispielsweise darin bestehen, dass das OPW die Zeitschrift Wallonie nouvelle" im Auftrag oder jedenfalls für die Wallonische Region herausgibt. Die Bezahlung durch die Wallonische Region stellt die Gegenleistung selbst (der Preis der Leistung) und nicht eine Subvention dar, die mit dem Preis zusammenhängt. Eine solche Bezahlung ist mehrwertsteuerpflichtig. Artikel 11 Teil A Absatz 1 der Sechsten Richtlinie ist auf eine solche Zahlung nicht anwendbar.

Ergebnis

Aufgrund dieser Erwägungen möchte ich dem Gerichtshof vorschlagen, auf die vom Tribunal de première instance Charleroi vorgelegten Fragen wie folgt zu antworten:

1. Auf die erste Frage:

Aufgrund von Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage sind Zuschüsse, die einen Teil der betrieblichen Kosten eines Steuerpflichtigen decken, steuerbar, wenn sie unmittelbar einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Begünstigten zuzurechnen sind und damit zu einer Ermäßigung des Preises für einen Gegenstand oder eine Dienstleistung, die der Begünstigte dem Verbraucher liefert, oder zu einer Erhöhung der Menge der gelieferten Gegenstände oder der Anzahl der erbrachten Dienstleistungen führen. Anhand der Umstände des Einzelfalls muss beurteilt werden, ob ein betrieblicher Zuschuss zu einer Ermäßigung des Preises oder zu einer Erhöhung der Menge führt. Diese Beurteilung muss sich vor allem auf betriebswirtschaftliche Erwägungen stützen.

2. Auf die zweite und die dritte Frage:

Dieses Fragen brauchen nicht beantwortet zu werden, da sie mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits in keinem Zusammenhang stehen.

Sollte der Gerichtshof diese Meinung nicht teilen, kann die Antwort auf diese Fragen wie folgt lauten: In dem vom vorlegenden Gericht beschriebenen Fall geht es nicht um eine Subvention, sondern um das Entgelt für eine dem Staat erbrachte Dienstleistung. Eine solche Zahlung ist mehrwertsteuerpflichtig.