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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
PHILIPPE LÉGER
vom 17. Juni 2003(1)


Rechtssache C-453/00



Kühne & Heitz NV
gegen
Productschap voor Pluimvee en Eieren


(Vorabentscheidungsersuchen des niederländischen College van Beroep voor het bedrijfsleven)

„Geflügelfleisch – Ausfuhrerstattungen – Rückzahlung – Neueinreihung der Waren in der kombinierten Nomenklatur – Verwaltungsentscheidung – Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs – Zahlungsantrag, dem eine bestandskräftig gewordene Verwaltungsentscheidung entgegensteht – Ablehnung – Materielle Rechtskraft der endgültigen Entscheidung – Zeitliche Wirkung von Auslegungsurteilen des Gerichtshofes – Vorrang des Gemeinschaftsrechts – Artikel 10 EG“






1.        Verwehrt das Gemeinschaftsrecht es einem Mitgliedstaat einen auf das Gemeinschaftsrecht gestützten Zahlungsantrag mit der Begründung abzulehnen, dass diesem Antrag eine frühere Verwaltungsentscheidung entgegensteht, die nach Abweisung der gegen sie gerichteten Anfechtungsklage durch rechtskräftiges Urteil bestandskräftig geworden ist, wenn diese endgültige Entscheidung auf einer Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruht, die vom Gerichtshof in einer später verkündeten Vorabentscheidung verworfen worden ist?

2.        Dies ist im Kern die Grundsatzfrage, die das niederländische College van Beroep voor het bedrijfsleven in einem Rechtsstreit über die Einreihung von Geflügelfleisch und die Festsetzung des Betrages der sich daraus ergebenden Ausfuhrerstattungen an den Ausführer vorgelegt hat.

I – Rechtlicher Rahmen

A – Das Gemeinschaftsrecht

3.        Durch die Verordnung (EWG) Nr. 2777/75 des Rates vom 29. Oktober 1975 über die gemeinsame Marktorganisation für Geflügelfleisch (2) wurde eine Regelung für Erstattungen bei der Ausfuhr in Drittländer eingeführt. Diese Regelung soll gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Erzeugnisse auf dem Weltmarkt durch eine Senkung des Ausfuhrpreises (dieser im Allgemeinen in der Europäischen Gemeinschaft hohe Preis wird auf den jeweiligen Weltmarktpreis gesenkt) und zugleich einen angemessenen Lebensstandard der betroffenen Landbevölkerung durch Zahlung gewisser Beträge (oder Erstattungen) an die Ausführer gewährleisten, deren Höhe diesem Preisunterschied entspricht.

4.        Die Festsetzung der Höhe der Erstattungen hängt von der Tarifierung der Ausfuhrerzeugnisse ab. Das Verzeichnis der Erzeugnisse, für die eine Ausfuhrerstattung gewährt wird, und der Betrag dieser Erstattung werden durch eine Verordnung der Kommission für ungefähr drei Monate unter Berücksichtigung der Entwicklung der in Rede stehenden Märkte festgesetzt. Fünf Verordnungen dieser Art fanden in dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum (von Dezember 1986 bis Dezember 1987) Anwendung (3) .

B – Das nationale Recht

5.        Artikel 4:6 der Algemene wet bestuursrecht (Allgemeines Verwaltungsgesetz) (4) enthält mehrere Bestimmungen betreffend die Überprüfung einer Verwaltungsentscheidung. In Absatz 1 heißt es: „Wird nach vollständiger oder teilweise Ablehnung eines Antrags einer neuer Antrag gestellt, so hat der Antragsteller neu eingetretene Tatsachen oder geänderter Umstände anzugeben.“ In Absatz 2 heißt es weiter: „Wenn keine neu eingetretenen Tatsachen oder geänderte Umstände angegeben werden, kann die Verwaltungsbehörde ... den Antrag unter Verweisung auf ihre vorherige ablehnende Entscheidung ablehnen.“

6.        In Artikel 8:88 Absatz 1 des Gesetzes heißt es: „Das Gericht kann auf Antrag einer Partei ein rechtskräftiges Urteil aufgrund von Tatsachen oder Umständen abändern, die

a)vor dem Erlass des Urteils eingetreten sind,

b)dem Kläger vor Erlass des Urteils nicht bekannt waren und vernünftigerweise nicht bekannt sein konnten, und

c)zu einer anderen Entscheidung hätten führen können, wenn sie dem Gericht vorher bekannt gewesen wären.“

II ─ Sachverhalt und Ausgangsverfahren

7.        Von Dezember 1986 bis Dezember 1987 gab die in den Niederlanden niedergelassene Kühne & Heitz NV (im Folgenden: Klägerin) bei den niederländischen Zollbehörden mehrere Anmeldungen zu dem Zweck ab, Ausfuhrerstattungen für Partien von Geflügelfleisch zu erhalten. Diese Waren wurden entsprechend der Nomenklatur im Sinne der Verordnungen Nrn. 3176/86, 267/87, 1151/87, 2800/87 und 3205/87 unter Tarifstelle 02.02 B II e 3 angemeldet.

8.        Entsprechend der tariflichen Einreihung der in den Erklärungen aufgeführten Erzeugnisse zahlte die Productschap voor Pluimvee en Eieren (im Folgenden: PVV) (5) der Klägerin die Beträge, die diese an Ausfuhrerstattungen verlangt hatte, und gab dann die Kaution frei, die diese gestellt hatte, um die Vorfinanzierung dieser Beträge, d. h. ihre Zahlung vor Durchführung der Ausfuhr zu sichern (6) (erster Bescheid).

9.        Am 1. März 1990 ordnete die PVV nach Kontrollen in Bezug auf die Art der ausgeführten Erzeugnisse die Rückzahlung von 970 950,98 NLG durch das Ausfuhrunternehmen und die erneute Stellung der zuvor freigegebenen Kaution an (im Folgenden: zweiter Bescheid). Eine Reihe von Ausfuhranmeldungen der Klägerin habe eine falsche tarifliche Bezeichnung der betreffenden Erzeugnisse enthalten, was zu einem Fehler bei der Festsetzung des Betrages der Erstattungen und der Zahlung eines höheren als des geschuldeteten Betrages geführt habe. Da die in Rede stehenden Hühnerschenkel einen Teil des Rückens umfasst hätten, hätten sie unter der Tarifstelle 02.02 B II ex g, „andere“, angemeldet werden müssen, die als Auffangposition für nicht entbeinte Teile von Geflügel, die keiner anderen Tarifstelle angehörten, anwendbar sei (7) .

10.      Die Klägerin legte gegen die Anordnung der Erstattung der angeblich zu viel gezahlten Beträge an Ausfuhrerstattungen Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 13. Dezember 1990 wies die PVV diesen Widerspruch als unbegründet zurück (dritter Bescheid).

11.      Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid Anfechtungsklage beim College van Beroep (8) . Diese Klage wurde mit Urteil vom 22. November 1991 mit der Begründung abgewiesen, dass in die in den Anmeldungen angegebene Tarifstelle 02.02 B II e 3 nur Waren eingereiht werden könnten, die genau der im Anhang der anwendbaren Verordnungen anwendbaren Formulierung entsprächen, also nur „Schenkel und Teile davon“ und nichts anderes. Da diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien, fielen Hühnerschenkel, an denen noch ein Teil des Rückens hänge, unter die Auffangposition 02.02 B II ex g und nicht unter die in den streitigen Anmeldungen verwendete.

12.      Hierzu führte das College van Beroep aus, die Auslegung der erwähnten Tarifstellen lasse in Anbetracht ihres Wortlauts keinen Raum für berechtigte Zweifel, die die Vorlage einer Frage rechtfertigten. Der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich von demjenigen, über den zuvor in einem Rechtsstreit über die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 2787/81 der Kommission vom 25. September 1981 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen auf dem Rindfleischsektor (9) zu befinden gewesen sei. Denn das College van Beroep habe in dieser Angelegenheit in der Ansicht, dass man sich in Anbetracht ihres Wortlauts zu Recht nach Sinn und Bedeutung bestimmter Tarifstellen fragen könne, dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt (10) .

13.      Der Gerichtshof hat im Urteil vom 5. Oktober 1994, Voogd Vleesimport en -export (11) , festgestellt: „Ein [Hühner-]Schenkel, an dem noch ein Teil des Rückens hängt, ist ... als Schenkel im Sinne der Tarifstelle 02.02 B II e 3 der alten und der Unterposition 0207 41 51 000 der neuen Nomenklatur einzuordnen, wenn dieser Teil des Rückens nicht groß genug ist, um dem Erzeugnis seinen wesentlichen Charakter zu verleihen.“ (12) Der Gerichtshof hat hinzugefügt: „Um festzustellen, ob dies der Fall ist, hat das nationale Gericht, da es seinerzeit keine Gemeinschaftsregelung gab, die inländischen Handelsbräuche und die herkömmlichen Zerlegungsmethoden zu berücksichtigen.“ (13)

14.      Unter Berufung auf dieses Auslegungsurteil beantragte die Klägerin bei der PVV am 13. Dezember 1994 und am 3. Januar 1995 die Zahlung bestimmter Beträge u. a. für von Dezember 1986 bis Dezember 1987 gewährte Ausfuhrerstattungen, deren Rückzahlung von ihr zu Unrecht erfolgt sei, sowie der entsprechenden gesetzlichen Zinsen (im Folgenden: erster Klagepunkt). Sie beantragte ferner die Zahlung eines Betrages für nach Dezember 1987 gewährte Erstattungen, auf die sie Anspruch gehabt hätte, wenn die Geflügelteile entsprechend der vom Gerichtshof im Urteil Voogd Vleesimport en -export zugrunde gelegten Auslegung der Nomenklatur richtig in Tarifstelle 02.02 B II e 3 eingereicht worden wären (im Folgenden: zweiter Klagepunkt).

15.      Die PVV lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 11. Mai 1995 insgesamt ab (im Folgenden: vierter Bescheid). Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid bei der PVV Widerspruch ein, der mit Bescheid vom 21. Juli 1997 ebenfalls zurückgewiesen wurde (im Folgenden: fünfter Bescheid oder angefochtener Bescheid).

16.      Diese Zurückweisung beruht in Bezug auf den ersten Klagepunkt auf folgenden Gründen. Zunächst wirkten die Urteile des Gerichtshofes im Allgemeinen nur für die Zukunft. Sie könnten nur dann unmittelbare Wirkung entfalten, wenn ein nationales Gericht nicht bereits entschieden habe. Im Übrigen sei für die Frage, ob und inwieweit eine Entscheidung des College van Beroep (wie das Urteil vom 22. November 1991) im Wiederaufnahmeverfahren angefochten werden könne, ausschließlich dieses Gericht zuständig. Zum zweiten Klagepunkt wird ausgeführt, dass die in Rede stehenden Erstattungen auf der Grundlage der eigenen Erklärungen der Klägerin gewährt worden seien und dass die entsprechenden Entscheidungen von ihr nicht mit einem Widerspruch angefochten worden seien.

17.      Die Klägerin erhob gegen diese Zurückweisung Klage beim College van Beroep.

18.      Der erste Klagepunkt zielt nach den Ausführungen der Klägerin nur darauf ab, nach einer Überprüfung des in Rede stehenden Sachverhalts in der Hauptsache in Anbetracht des neuen oder veränderten Umstandes, den das Urteil Voogd Vleesimport en -export bedeute, entsprechend der Regelung des Artikels 4:6 Absatz 1 der Algemene wet bestuursrecht eine neue Verwaltungsentscheidung zu erwirken. Es gehe nicht darum, eine Wiederaufnahme des gerichtlichen Verfahrens zu beantragen. Hilfsweise macht die Klägerin geltend, dass die PVV und das College van Beroep in Anbetracht der erwähnten Urteile Ekro und Voogd Vleesimport en -export eine qualifizierte Verletzung des Gemeinschaftsrechts begangen hätten, die ihr einen Anspruch auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens verleihe; dieser Schadenersatz sei in der Form einer Auszahlung des Betrages der Erstattungen zu gewähren, den sie zu Unrecht zurückgezahlt habe. Die Klägerin macht einen Anspruch auf Schadensersatz auch in Bezug auf den zweiten Klagepunkt geltend, um den zusätzlichen Erstattungsbetrag zu erhalten, auf den sie angeblich für die nach Dezember 1987 erfolgten Ausfuhren Anspruch gehabt habe.

19.      Die PVV widerspricht dem Vorbringen der Klägerin. Zum ersten Klagepunkt macht sie geltend, das Urteil des College van Beroep vom 22. November 1991 sei rechtskräftig; nach niederländischem Recht komme eine Wiederaufnahme des Verfahrens wegen eines später verkündeten Urteils des Gerichtshofes nicht in Betracht. Zudem liege keine hinreichend qualifizierte Verletzung des Gemeinschaftsrechts im Sinne der Urteile Brasserie du pêcheur und Factortame (14) sowie Hedley Lomas (15) vor.

III ─ Die Vorlagefrage

20.      In Anbetracht der von den Parteien vorgetragenen Ansichten hat das College van Beroep voor het bedrijfsleven das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Verpflichtet das Gemeinschaftsrecht, insbesondere der in Artikel 10 EG aufgestellte Grundsatz der Gemeinschaftstreue, ein Verwaltungsorgan, unter Umständen, wie sie im vorliegenden Urteil geschildert werden, eine bestandskräftig gewordene Entscheidung zurückzunehmen, um die vollständige Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts in seiner Auslegung durch eine später gegebene Antwort auf ein Vorabentscheidungsersuchen sicherzustellen?

21.      Diese Frage betrifft den ersten Klagepunkt. Der Sachverhalt, auf den er sich bezieht, ist der folgende (16) . Die Klägerin habe, erstens, die ihr zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe ausgeschöpft. Das College van Beroep habe, zweitens, in seinem Urteil vom 22. November 1991 eine Auslegung des Gemeinschaftsrechts vorgenommen, die im Widerspruch zu derjenigen des Gerichtshofes in dem später erlassenen Urteil Voogd Vleesimport en -export gestanden habe. Das College van Beroep habe es bei dieser Gelegenheit, drittens, unterlassen, dem Gerichtshof eine Frage vorzulegen, da es seinerzeit – nach Ansicht der Klägerin zu Unrecht – der Ansicht gewesen sei, dass es in Anbetracht der vorliegenden einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofes (17) berechtigt sei, davon abzusehen. Die Klägerin habe sich, viertens, unmittelbar nachdem sie vom Urteil Voogd Vleesimport en -export Kenntnis erlangt habe, an die Verwaltung gewandt.

22.      Somit möchte das vorlegende Gericht mit dieser Frage wissen, ob das Gemeinschaftsrecht die Überprüfung und gegebenenfalls die Rücknahme einer nationalen Verwaltungsentscheidung durch das Organ, das diese Entscheidung erlassen hat, gebietet, wenn dieser nach Ausschöpfung der inländischen Rechtsbehelfe bestandskräftig gewordene Bescheid sich als Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht in seiner Auslegung durch den Gerichtshof in einem später erlassenen Auslegungsurteil erweist.

23.      Nach dem Vorlagebeschluss stellt sich dem College van Beroep allgemein die Frage, ob eine solche Überprüfung oder eine solche Rücknahme einer Verwaltungsentscheidung, die herkömmlicherweise im niederländischen Recht als Befugnis ausgestaltet ist, nach dem Gemeinschaftsrecht zur Pflicht werden kann (18) .

24.      Hierzu führt das vorlegende Gericht aus, der angefochtene Bescheid könne mit der alleinigen Begründung aufgehoben werden, dass sie auf einer falschen Auslegung des nationalen Rechts beruhe, da sie irrig davon ausgehe, dass ein Verwaltungsorgan nach niederländischem Recht grundsätzlich daran gehindert sei, eine Entscheidung abzuändern, wenn diese nach Ausschöpfung aller Rechtsbehelfe bestandskräftig geworden sei, wenn weder neue Tatsachen noch veränderte Umstände vorlägen.

25.      Jedoch sei die Aufhebung des angefochtenen Bescheids nur dann nützlich und sinnvoll, wenn die PVV nicht nur befugt sei, ihre vorherige Entscheidung zurückzunehmen, sondern verpflichtet sei, zu überprüfen, ob für jede ausgeführte Ware ein Anspruch auf Erstattung bestehe, und bejahendenfalls, in welcher Höhe. Falls die PVV – kraft Gemeinschaftsrecht – eine derartige Überprüfungspflicht treffe, müsse die angefochtene Entscheidung erst recht aufgehoben werden (19) .

26.      Hierzu ergibt sich aus Sachverhalt und Verfahren des Ausgangsverfahrens, dass der angefochtene Bescheid auf der Ansicht beruht, Auslegungsurteile entfalteten nur dann eine unmittelbare Wirkung, wenn ein nationales Gericht nicht bereits endgültig entschieden habe. Denn die Bestandskraft untersage es einem Mitgliedstaat, einem neuen Antrag stattzugeben, dem eine nach Abweisung einer gegen sie gerichteten Klage bestandskräftig gewordene Verwaltungsentscheidung entgegenstehe.

27.      Diese Ansicht liegt der in der angefochtenen Entscheidung aufgeworfenen Frage zugrunde, ob und inwieweit nach nationalem Recht eine Wiederaufnahme des mit dem Urteil des College van Beroep abgeschlossenen Verfahrens zulässig ist. Die PVV nimmt dazu im Ausgangsverfahren dahin gehend Stellung, dass das außerordentliche Rechtsmittel der Wiederaufnahme ausgeschlossen sei, denn es erfordere gemäß Artikel 8:88 der Algemene wet bestuursrecht die Entdeckung einer Tatsache, die vor der Verkündung der Entscheidung des College van Beroep eingetreten sei, während das Urteil Voogd Vleesimport en -export vom Gerichtshof nach diesem Zeitpunkt erlassen worden sei (20) . Daher sei das Urteil des College van Beroep „rechtskräftig“ und infolgedessen endgültig (21) . Somit gebe es keinen Grund, dem neuen Antrag der Klägerin stattzugeben, selbst wenn die in Rede stehenden Hühnerstücke gemäß dem Urteil Voogd Vleesimport en -export künftig anders zu tarifieren seien (22) .

28.      Daher geht die Vorlagefrage dahin, ob das Gemeinschaftsrecht, insbesondere Artikel 10 EG, es einem Mitgliedstaat verwehrt, einen auf das Gemeinschaftsrecht gestützten Zahlungsantrag mit der Begründung abzulehnen, dass diesem Antrag eine vorherige Verwaltungsentscheidung entgegensteht, die nach Abweisung der entsprechenden Anfechtungsklage durch ein rechtskräftiges Urteil bestandskräftig geworden ist, wenn diese Entscheidung auf einer Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruht, die durch ein später verkündetes Auslegungsurteil verworfen worden ist.

29.      Schließlich ist, um jede Mehrdeutigkeit in Bezug auf Sinn und Tragweite der Vorlagefrage zu beseitigen, daran zu erinnern, dass sie nicht die Frage der Haftung des Mitgliedstaats wegen einer angeblichen Verletzung des Gemeinschaftsrechts betrifft. Diese Frage hat das vorlegende Gericht nicht gestellt. Im Übrigen wäre, wie die niederländische Regierung in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, das College van Beroep für die Entscheidung hierüber unzuständig, da für einen derartigen Haftungsprozess die Zivilgerichte zuständig sind.

IV ─ Erklärungen der Verfahrensbeteiligten

30.      Die Klägerin macht geltend, dass der zweite Bescheid über die Anordnung der Rückzahlung der in Rede stehenden Erstattungen, der vom College van Beroep nicht beanstandet worden ist, die damalige vorliegende Rechtsprechung des Gerichtshofes (insbesondere das Urteil Ekro), die später durch das Urteil Voogd Vleesimport en -export bestätigt worden sei, verkannt habe. Die PVV sei zur Überprüfung des streitigen Bescheides verpflichtet, da es sich um den einzigen (nach Ausschöpfung der inländischen Rechtsbehelfe) zur Verfügung stehenden oder zumindest um den für die Wiederherstellung des Gemeinschaftsrechts in seiner Gesamtheit wirksamsten (weniger lang und weniger kostspielig als die Einleitung eines Schadensersatzverfahrens, das die Haftung des niederländischen Staates beinhalte) Rechtsbehelf handele. Hilfsweise macht die Klägerin geltend, die Haftung des betroffenen Mitgliedstaats sei ausgelöst worden, da es sich um eine qualifizierte Verletzung des Gemeinschaftsrechts handele, die in erster Linie durch richterliche Entscheidung (des College van Beroep) und in zweiter Linie durch die Verwaltung (die PVV) erfolgt sei.

31.      Die PVV macht geltend, die Einführung einer Pflicht zur Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen sei insbesondere unter den Umständen des vorliegenden Falles zu einer für die Verwaltungsorgane unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und der Bestandskraft unannehmbar. Im Übrigen sei eine etwaige Überprüfung im vorliegenden Fall weitgehend theoretisch, denn in Ermangelung aktueller Angaben über die Größe der in Rede stehenden Rückenstücke sei es nicht mehr möglich, die Konsequenzen aus dem Urteil Voogd Vleesimport en -export in vollem Umfang zu ziehen.

32.      Wie die PVV wendet sich die niederländische Regierung gegen die Einführung einer allgemeinen Pflicht zur Überprüfung der Verwaltungsentscheidungen durch die Mitgliedstaaten. Unter Berufung auf die Grundsätze der Verfahrensautonomie und der Rechtssicherheit macht sie geltend, der grundsätzlich endgültige Charakter rechtskräftiger Urteile und der nicht angefochtenen oder nicht aufgehobenen Verwaltungsentscheidungen, wie er namentlich im niederländischen Recht vorgesehen sei, stehe im Einklang mit den vom Gerichtshof aufgestellten Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität. Im Übrigen könnten die Umstände des vorliegenden Falles keine Ausnahme vom Grundsatz der Unantastbarkeit der in Rede stehenden Entscheidungen rechtfertigen.

33.      Nach Ansicht der französischen Regierung muss die Rechtssicherheit und die Bestandskraft, die deren Ausdruck sei, zwangsläufig Vorrang vor dem Legalitätsprinzip haben. Dies gelte auch dann, wenn die in Rede stehende Verwaltungsentscheidung nicht mit einer Klage angefochten oder die Klage, mit der sie angefochten worden sei, als verspätet abgewiesen worden sei. Im Übrigen widerspräche die Einführung einer gemeinschaftsrechtlichen Pflicht zur Überprüfung einer bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung dem Grundsatz der Verfahrensautonomie. Daher sei die Vorlagefrage in dieser Rechtssache vorbehaltlich der Einhaltung des Grundsatzes der Äquivalenz zu verneinen, dem die Mitgliedstaaten im Rahmen der Verfahrensautonomie weiterhin unterlägen.

34.      Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften vertritt mit der niederländischen und der französischen Regierung die Ansicht, dass die Frage entweder wegen des Grundsatzes der Rechtssicherheit oder wegen des Grundsatzes der Verfahrensautonomie zu verneinen sei, wobei jedoch die erstgenannte Ansicht eher zu bevorzugen sei.

35.      Die Überwachungsbehörde der EFTA (Europäische Freihandelszone) schlägt wegen der Verfahrensautonomie ebenfalls vor, die Frage zu verneinen.

V ─ Erörterung

36.      Wie die Vorabentscheidungen, die die Ungültigkeit eines Rechtsaktes der Gemeinschaft feststellen (23) , entfalten die Vorabentscheidungen, mit denen eine Auslegung vorgenommen wird, grundsätzlich Rückwirkung.

37.      Nach ständiger Rechtsprechung wird durch „die Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts, die der Gerichtshof in Ausübung seiner Befugnisse aus Artikel 177 EWG-Vertrag [jetzt Artikel 234 EG] vornimmt, ... erläutert und erforderlichenfalls verdeutlicht, in welchem Sinn und mit welcher Tragweite diese Vorschrift seit ihrem In-Kraft-Treten zu verstehen und anzuwenden ist oder gewesen wäre“ (24) .

38.      Da eine Vorabentscheidung rein deklaratorisch und nicht konstitutiv ist, wirkt sie grundsätzlich „auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ausgelegten Vorschrift zurück ...“ (25) Nach der angeführten ständigen Rechtsprechung folgt daraus, „dass die Gerichte die Vorschrift in dieser Auslegung auch auf Rechtsverhältnisse anwenden können und müssen, die vor Erlass des auf das Ersuchen um Auslegung ergangenen Urteils entstanden sind, wenn alle sonstigen Voraussetzungen für die Anrufung der zuständigen Gerichte in einem die Anwendung dieser Vorschrift betreffenden Streit vorliegen“ (26) .

39.      Dieser Grundsatz verhindert, dass das Gemeinschaftsrecht in seiner zeitlichen Anwendung verzerrt wird und damit seine einheitliche Anwendung und seine volle Wirksamkeit beeinträchtigt werden. Er ergibt sich zwangsläufig aus dem mit dem Vorabentscheidungsverfahren verfolgten Ziel, durch einen Mechanismus der gerichtlichen Zusammenarbeit eine einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch alle Mitgliedstaaten zu gewährleisten (27) .

40.      Nur ausnahmsweise, im Urteil vom 8. April 1976, „Defrenne II“, hat sich der Gerichtshof – erstmals – die Möglichkeit vorbehalten (über den Wortlaut von Artikel 234 EG hinausgehend) (28) , die Rückwirkung von Vorabentscheidungen, mit denen eine Auslegung vorgenommen wird, im Hinblick auf zwingende Erwägungen der Rechtssicherheit, die sich aus der Gesamtheit der beteiligten öffentlichen und privaten Interessen ergeben, zu begrenzen (29) .

41.      Wie in den Urteilen Roders u. a. sowie Bautiaa und Société française maritime ausgeführt, hat der „Gerichtshof ... diese Lösung in der Tat nur unter ganz bestimmten Umständen angewandt“ (30) . Er hat ausgeführt, dass dies dann der Fall war, „wenn die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen bestand, die insbesondere auf die große Anzahl von Rechtsverhältnissen zurückzuführen waren, die gutgläubig auf der Grundlage [einer] als gültig betrachteten Regelung eingegangen worden waren, und wenn sich herausstellte, dass die Bürger und die nationalen Behörden durch eine objektive und bedeutende Ungewissheit über die Tragweite der Gemeinschaftsbestimmungen, zu der gegebenenfalls auch das Verhalten anderer Mitgliedstaaten oder der Kommission beigetragen hatte, zu einem mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbaren Verhalten veranlasst worden waren“ (31) . Nur unter solchen Umständen kann sich der Gerichtshof veranlasst sehen, „die Möglichkeit einzuschränken, sich auf diese Auslegung der Vorschrift mit dem Ziel zu berufen, eine erneute Sachentscheidung über die in gutem Glauben begründeten Rechtsverhältnisse herbeizuführen“ (32) .

42.      Nach ständiger Rechtsprechung muss jedoch eine „solche Einschränkung ... in dem Urteil selbst enthalten sein, durch das über das Auslegungsersuchen entschieden wird“ (33) . Denn aus „dem grundlegenden Erfordernis, dass das Gemeinschaftsrecht in allen Fällen einheitlich anzuwenden ist, folgt, dass es allein Sache des Gerichtshofes ist, darüber zu entscheiden, ob die Geltung der von ihm vorgenommenen Auslegungen in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt werden soll“ (34) .

43.      Im vorliegenden Fall hat der Gerichtshof die Tragweite seines Urteils Voogd Vleesimport en -export (erlassen am 5. Oktober 1994) zeitlich nicht beschränkt. Somit wirkt dieses Urteil zwangsläufig zurück, so dass es auf vor seinem Erlass entstandene und eingerichtete Rechtsbeziehungen, insbesondere auf die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und der PVV in Bezug auf die von den streitigen Anmeldungen (die von Dezember 1986 bis Dezember 1987 abgegeben wurden) erfassten Ausfuhren angewandt werden kann.

44.      Meines Erachtens hätte die PVV aus diesem Urteil die notwendigen Konsequenzen ziehen müssen. Sie hätte den Antrag der Klägerin – der auf die Auslegung gestützt wurde, die der Gerichtshof den einschlägigen Verordnungen bei dieser Gelegenheit beigemessen hat –, nicht allein mit der Begründung ablehnen dürfen, dass die Bestandskraft einer nach Abweisung der entsprechenden Anfechtungsklage durch rechtskräftiges (35) und nicht nur mit Bindungswirkung ausgestattetes Urteil bestandskräftig gewordenen Verwaltungsentscheidung entgegenstehe.

45.      Der Gerichtshof hat mit Nachdruck ausgeführt, dass „jede Bestimmung einer nationalen Rechtsordnung oder jede Gesetzgebungs-, Verwaltungs- oder Gerichtspraxis mit den in der Natur des Gemeinschaftsrechts liegenden Erfordernissen unvereinbar wäre, die dadurch zu einer Abschwächung der Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts führen würde, dass dem für die Anwendung dieses Rechts zuständigen Gericht die Befugnis abgesprochen wird, bereits zum Zeitpunkt dieser Anwendung alles Erforderliche zu tun, um diejenigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften auszuschalten, die unter Umständen ein auch nur vorübergehendes Hindernis für die volle Wirksamkeit der Gemeinschaftsnormen bilden“ (36) .

46.      Diese nachdrückliche Feststellung beruht auf den Grundsätzen der unmittelbaren Anwendbarkeit (37) und des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts (38) .

47.      Sie beruht auch auf einigen Bestimmungen des EG-Vertrags, insbesondere auf Artikel 10 EG. Im Urteil Factortame u. a. hat der Gerichtshof daran erinnert, dass „die innerstaatlichen Gerichte entsprechend dem in Artikel 5 EWG-Vertrag [jetzt Artikel 10 EG] ausgesprochenen Grundsatz der Mitwirkungspflicht den Rechtsschutz zu gewährleisten [haben], der sich für die einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts ergibt“ (39) . Dieser Verweis auf Artikel 10 EG findet sich auch im Urteil vom 19. November 1991, Francovich u. a. (40) , zur Begründung der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Schäden zu ersetzen, die Einzelpersonen durch von ihnen zu vertretende Verletzungen des Gemeinschaftsrechts entstanden sind. Hierzu hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten nach Artikel 10 EG „alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht zu treffen haben“ (41) . Er hat ausgeführt: „Zu diesen Verpflichtungen gehört auch diejenige, die rechtswidrigen Folgen eines Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht zu beheben.“ (42)

48.      Bekanntlich berührten die Urteile Simmenthal und Factortame u. a. die Beziehungen zwischen dem nationalen Gericht und dem nationalen Recht. Es ist bemerkenswert, dass die nationalen Bestimmungen, um die es in diesen beiden Rechtssachen ging, keineswegs unbedeutend waren; die eine hatte Verfassungsrang, die andere war tief im fraglichen nationalen in Rede stehenden Rechtssystem verankert.

49.      In der Rechtssache Simmenthal ging es um eine italienische Bestimmung, die die Lösung eines Konfliktes zwischen einem nationalen Gesetz und einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts der italienischen Corte costituzionale und nicht dem Fachgericht vorbehielt, dessen Rolle sich darauf beschränkte, die Frage der Verfassungswidrigkeit dieses Gesetzes aufzuwerfen.

50.      Bedeutsam ist, dass dieser Widerspruch zwischen einem nationalen Gesetz und dem Gemeinschaftsrecht durch eine vorherige Vorabentscheidung als Antwort auf eine Frage des gleichen vorlegenden Gerichts im Rahmen einer Klage auf Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge ergangene Vorabentscheidung festgestellt worden war. Hierzu hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die praktische Wirksamkeit des Artikels 234 EG in Vorabentscheidungsverfahren „geschmälert [würde], wenn es dem Gericht verwehrt wäre, das Gemeinschaftsrecht nach Maßgabe der Entscheidung oder der Rechtsprechung des Gerichtshofes unmittelbar anzuwenden“ (43) .

51.      Anhand der Grundsätze der unmittelbaren Anwendbarkeit und des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts sowie der Artikel 10 und 234 EG hat der Gerichtshof entschieden, dass „das staatliche Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden hat, gehalten ist, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede – auch spätere – entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsgerichtliches Verfahren beantragen oder abwarten müsste“ (44) .

52.      In der Rechtssache Factortame u. a. ging es um den althergebrachten Grundsatz des Common law, dass die britischen Gerichte nicht befugt sind, die vorläufige Aussetzung des Vollzugs von Gesetzen anzuordnen, selbst wenn die Vereinbarkeit dieser Gesetze mit dem Gemeinschaftsrecht vernünftigen Zweifeln unterliegt und daher zu einem Vorabentscheidungsersuchen über die Auslegung führt.

53.      In Weiterentwicklung des Urteils Simmenthal hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die praktische Wirksamkeit des durch Artikel 234 EG geschaffenen Systems „beeinträchtigt würde, wenn ein nationales Gericht, das das Verfahren bis zur Beantwortung seiner Vorlagefrage durch den Gerichtshof aussetzt, nicht so lange einstweiligen Rechtsschutz gewähren könnte, bis es auf der Grundlage der Antwort des Gerichtshofes seine eigene Entscheidung erlässt“ (45) . Weiter hat er ausgeführt, dass „ein nationales Gericht, das in einem bei ihm anhängigen, das Gemeinschaftsrecht betreffenden Rechtsstreit zu der Auffassung gelangt, dem Erlass einstweiliger Anordnungen stehe nur eine Vorschrift des nationalen Rechts entgegen, diese Vorschrift nicht anwenden darf“ (46) .

54.      Diese Pflicht, keine nationale Vorschrift anzuwenden, die die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts behindert, trifft nicht nur das nationale Gericht, sie gilt auch für die Verwaltung.

55.      Denn schon vor dem Urteil Simmenthal hat der Gerichtshof im Urteil vom 13. Juli 1972 entschieden (47) , dass sich aus der Wirkung des Gemeinschaftsrechts, wie sie durch ein vorhergehendes Urteil im Vertragsverletzungsverfahren rechtskräftig festgestellt worden war, „für die nationalen Behörden ohne weiteres das Verbot [ergab], eine mit dem Vertrag für unvereinbar erklärte nationale Vorschrift anzuwenden, sowie gegebenenfalls die Verpflichtung, alle Bestimmungen zu erlassen, um die volle Geltung des Gemeinschaftsrechts zu erleichtern“ (48) .

56.      In jener Rechtssache war gerügt worden, dass die italienische Verwaltung weiterhin eine gesetzlich geregelte innerstaatliche Abgabe erhob, obwohl der Gerichtshof diese Abgabe bereits in einem vorherigen Urteil im Vertragsverletzungsverfahren für rechtswidrig erklärt hatte.

57.      Der Gerichtshof hat ausgeführt, die Auffassung, der Verletzung einer unmittelbar geltenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung könne nur durch verfassungsrechtlich zur Aufhebung der Bestimmungen über die streitige Abgabe geeignete Maßnahmen ein Ende gesetzt werden, „würde darauf hinauslaufen, dass die Anwendung der Gemeinschaftsrechtsnorm dem Recht der einzelnen Mitgliedstaaten untergeordnet wäre, genauer, dass die Anwendung dieser Norm unmöglich wäre, solange ein nationales Gesetz entgegenstünde“ (49) . Er hat hinzugefügt: „Zur Verwirklichung der Ziele der Gemeinschaft müssen die Normen des Gemeinschaftsrechts ... ohne weiteres gleichzeitig und mit gleicher Geltung im gesamten Hoheitsgebiet der Gemeinschaft Anwendung finden, ohne dass die Mitgliedstaaten ihnen irgendwelche Hindernisse entgegenstellen können.“ (50) . Im gleichen Sinn hat er ausgeführt: „Die Mitgliedstaaten haben damit, dass sie der Gemeinschaft die Rechte und Befugnisse verliehen haben, die den Bestimmungen des Vertrages entsprechen, eine endgültige Beschränkung ihrer Souveränitätsrechte bewirkt, gegen die innerstaatliche Rechtsvorschriften, gleich welcher Art, nicht mit Erfolg ins Feld geführt werden können.“ (51)

58.      Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass die Verwaltung verpflichtet ist, jede nationale Bestimmung, auch verfassungsrechtlicher Art, unangewendet zu lassen, sofern sie die wirksame Durchführung des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigt. Der Gerichtshof hat diese Pflicht der Verwaltung mehrfach bestätigt und sie parallel zur entsprechenden Pflicht der nationalen Gerichte betrachtet (52) .

59.      In diesem Zusammenhang verdient das Urteil Larsy besondere Aufmerksamkeit, denn es behandelt die Frage der Anwendung der Regel der Rechtskraft durch die nationale Verwaltung. Diese Frage ähnelt stark der Frage, die uns beschäftigt.

60.      Obwohl die Wiedergabe von Sachverhalt und Ausgangsverfahren recht umfangreich ist, ist sie vorzunehmen, um Sinn und Tragweite der Antwort des Gerichtshofes zu diesem Punkt genau herauszuarbeiten.

61.      Diese Frage ist im Rahmen eines Rechtsstreits einer Einzelperson gegen eine belgische Sozialversicherungsstelle im Zusammenhang mit der Festlegung ihrer Altersversorgungsansprüche aufgeworfen worden. Die Verwaltungsbehörde hatte dem Betroffenen eine vollständige Rente bewilligt, kürzte sie aber später, da ihm bereits von den französischen Behörden eine Altersrente bewilligt worden war. Er erhob gegen diese Verwaltungsentscheidung Klage beim Tribunal du travail Tournai (Belgien). Die Klage wurde abgewiesen. Da dieses Urteil nicht zugestellt wurde, wurde es nicht rechtskräftig.

62.      Kurze Zeit später wurde beim selben Gericht vom Bruder des Betroffenen, der sich in einer entsprechenden Lage befand, eine ähnliche Klage erhoben. Das Gericht beschloss, dem Gerichtshof mehrere Fragen zur unterbliebenen Kumulierung der Leistungen und zu ihrer Festsetzung durch die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zur Vorabentscheidung vorzulegen. Entsprechend dem Urteil, das der Gerichtshof bei dieser Gelegenheit erlassen hat, gab das Vorlagegericht der Klage des Bruders des Betroffenen statt.

63.      Unter Berufung auf diese Vorabentscheidung beantragte der Betroffene bei der zuständigen Verwaltung die Bereinigung seiner Situation. Diese gab ihm insoweit Recht, dass sie seinen Ansprüchen (im Sinne einer vollständigen Rente) entsprach, tat dies allerdings nicht mit voller Rückwirkung (in Anwendung einiger Bestimmungen einer Gemeinschaftsverordnung auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit, die nicht einschlägig waren). Der Betroffene legte gegen das Urteil des Tribunal du travail Rechtsmittel ein und berief sich auf die Haftung des belgischen Staates wegen der angeblichen Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch die Verwaltung, um Ersatz seines Schadens zu erhalten.

64.      In diesem Zusammenhang machte die beklagte Verwaltung geltend, dass die angebliche Verletzung des Gemeinschaftsrechts dadurch gerechtfertigt sei, dass ihm eine nationale Bestimmung im Zusammenhang mit der Beachtung der Rechtskraft untersage, die in Rede stehende Verwaltungsentscheidung rückwirkend zu ändern.

65.      Hierzu hat der Gerichtshof ausgeführt, dass dieses Vorbringen dadurch entkräftet worden sei, dass die in Rede stehende Verwaltung ihre Entscheidung teilweise rückwirkend geändert habe (53) . Der Gerichtshof hat sich jedoch nicht auf diese Feststellung beschränkt. Er hat nämlich ausgeführt: „Soweit nationale Verfahrensvorschriften [betreffend die Beachtung der Rechtskraft] der effektiven Wahrung der Rechte entgegenstanden, die sich für den Kläger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts ergaben, hätte das Inasti [die beklagte Verwaltung] sie deshalb nicht anwenden dürfen.“ (54) Der Gerichtshof hat diese Feststellung auf den Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts gestützt. Sie ist damit Teil der ständigen Rechtsprechung zur Pflicht der nationalen Gerichte und der Verwaltung, die nach diesem Grundsatz ergangen ist (55) .

66.      Meines Erachtens ist die Antwort, die der Gerichtshof im Urteil Larsy gegeben hat, in vollem Umfang auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens übertragbar, auch wenn das Urteil, auf das sich die beteiligte nationale Verwaltung berief (in der Rechtssache Larsy), nicht endgültig war, als sie die streitige Entscheidung traf, so dass es nicht rechtskräftig war, wie in der vorliegenden Rechtssache. Meines Erachtens ist dieser Unterschied der Bedeutung einer gerichtlichen Entscheidung nicht maßgeblich. Der Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts gilt für die Verwaltung unabhängig davon mit gleicher Kraft, ob dieser ein nicht rechtskräftiges oder ein rechtskräftiges Urteil vorliegt (56) . Dieser Grundsatz des Vorrangs verwehrt es einer nationalen Verwaltung, einen auf das Gemeinschaftsrecht gestützten Antrag eines Einzelnen mit der Begründung abzulehnen, diesem Antrag stehe eine vorherige Verwaltungsentscheidung entgegen, die gerichtlich nicht beanstandet worden sei, und zwar unabhängig davon, ob dieses Urteil rechtskräftig ist oder nicht.

67.      Dasselbe gilt auch auf der Grundlage des Grundsatzes der unmittelbaren Anwendbarkeit und Artikel 10 EG in Fortentwicklung der Urteile Simmenthal und Facortame u. a. und parallel zum Urteil Francovich u. a.

68.      Meines Erachtens stellt dieses Ergebnis den Grundsatz der Verfahrensautonomie, wie er vom Gerichtshof entwickelt und bisher durchgeführt worden ist, nicht in Frage.

69.      Dieser Grundsatz wurde bei der Festsetzung von Klagefristen mit Ausschluss- oder Verfallswirkung namentlich im Bereich der Erstattung rechtsgrundlos gezahlter Beträge entwickelt (57) . Der Gerichtshof hat ihn auch namentlich in Bezug auf bestimmte Voraussetzungen der Auslösung der Haftung des Staates bei Verletzung des Gemeinschaftsrechts (58) oder im Zusammenhang mit der Rolle des nationalen Gerichts bei der Behandlung von auf das Gemeinschaftsrecht gestützten Klagegründen von Amts wegen (59) angewandt.

70.      Ich leite aus dieser Rechtsprechung ab, dass der Grundsatz der Verfahrensautonomie im Rahmen der gerichtlichen Geltendmachung eines auf das Gemeinschaftsrecht gestützten Anspruchs und nicht im Rahmen der Existenz eines solchen Anspruchs eine Rolle spielt. Im Übrigen ist im Auge zu behalten, dass eine Ausweitung der Tragweite des Grundsatzes der Verfahrensautonomie über dessen gegenwärtigen Rahmen hinaus, das Bestehen von gemeinschaftsrechtlichen Ansprüchen vom Stand der nationalen Regelungen der Mitgliedstaaten abhängig macht. Das wäre mit dem Wesen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere seinem Anspruch auf Vorrang und auf einheitliche Anwendung unvereinbar. Der Gerichtshof hat diesen Weg auch nicht beschritten, um das Bestehen des Schadensersatzanspruchs von Einzelpersonen zu begründen, der seine Grundlage unmittelbar im Gemeinschaftsrecht findet.

71.      Aufgrund dieser Erwägungen bin ich der Ansicht, dass der Grundsatz der Verfahrensautonomie im Rahmen der Frage, ob ein Einzelner ein Recht hat, z. B. das Recht, die Prüfung eines auf das Gemeinschaftsrecht in seiner Auslegung durch eine Vorabentscheidung gestützten Zahlungsanspruchs durch die Verwaltung in der Sache zu erwirken, keine Rolle spielen kann, auch wenn diesem Antrag eine bestandskräftig gewordene Verwaltungsentscheidung entgegensteht.

72.      Hiergegen können die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes auf dem Gebiet der Verfahrensautonomie im Namen der Rechtssicherheit verlangen, dass ein auf das Gemeinschaftsrecht gestützter Zahlungsantrag wie derjenige, um den es im Ausgangsverfahren geht, (bei der zuständigen Verwaltung) innerhalb angemessener Fristen gestellt wird (60) .

73.      Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass mein Ergebnis den Grundsatz der Verfahrensautonomie nicht in Frage stellen will.

74.      Ferner zielt dieses Ergebnis nicht darauf ab, die Verwaltungsorgane zu zwingen, Bescheide zurückzunehmen, oder die Gerichte, ihre rechtskräftigen Urteile aufzuheben, wenn derartige Entscheidungen auf einer Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruhen, die durch eine später verkündete Vorabentscheidung verworfen worden ist. Ich meine nur, dass das Gemeinschaftsrecht es einer nationalen Verwaltung verbietet, einen auf das Gemeinschaftsrecht in seiner Auslegung durch den Gerichtshof in einer Vorabentscheidung gestützten Antrag mit der alleinigen Begründung abzulehnen, dass die Berücksichtigung dieses Antrags gegen eine nationale Bestimmung im Zusammenhang mit der Rechtskraft verstieße. Die Berücksichtigung eines derartigen Antrags durch die Verwaltung bedeutet nicht zwangsläufig die Rücknahme der vorherigen Verwaltungsentscheidung oder die Aufhebung der in Rede stehenden gerichtlichen Entscheidung. Demgemäß obliegt es den Mitgliedstaaten, entsprechende Regelungen zu erlassen, wenn sie das für notwendig halten.

75.      Daher ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Grundsätze der unmittelbaren Anwendbarkeit und des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts sowie Artikel 10 EG es einem Mitgliedstaat verwehren, einen auf das Gemeinschaftsrecht gestützten Zahlungsantrag eines Einzelnen mit der Begründung abzulehnen, dass diesem Antrag eine vorherige, nach Abweisung der entsprechenden Anfechtungsklage durch ein rechtskräftiges Urteil bestandskräftig gewordene Entscheidung entgegenstehe, wenn diese bestandskräftige Entscheidung auf einer Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruht, die durch eine später verkündete Vorabentscheidung verworfen worden ist.

VI ─ Entscheidungsvorschlag

76.      Nach allem schlage ich vor, auf die vom College van Beroep vorgelegte Frage wie folgt zu antworten: Die Grundsätze der unmittelbaren Anwendbarkeit und des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts sowie Artikel 10 EG verwehren es einem Mitgliedstaat, einen auf das Gemeinschaftsrecht gestützten Zahlungsantrag eines Einzelnen mit der Begründung abzulehnen, dass diesem Antrag eine vorherige, nach Abweisung der entsprechenden Anfechtungsklage durch ein rechtskräftiges Urteil bestandskräftig gewordene Entscheidung entgegenstehe, wenn diese bestandskräftige Entscheidung auf einer Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruht, die durch eine später verkündete Vorabentscheidung verworfen worden ist.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – ABl. L 282, S. 77.


3 – Die Verordnungen (EWG) Nr. 3176/86 vom 17. Oktober 1986 (ABl. L 295, S. 14), Nr. 267/87 vom 28. Januar 1987 (ABl. L 26, S. 33), Nr. 1151/87 vom 27. April 1987 (ABl. L 111, S. 21), Nr. 2800/87 vom 18. September 1987 (ABl. L 268, S. 47), und Nr. 3205/87 vom 27. Oktober 1987 (ABl. L 306, S. 7) der Kommission zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen auf dem Geflügelfleischsektor.


4 – Gesetz vom 4. Juni 1992 (Stbl. 1992, 315), mehrfach geändert u. a. am 12. Dezember 2001 (Stbl. 2001, 664).


5 – Diese Einrichtung ist ein Dachverband der Berufsverbände für Vieh, Fleisch und Eier, die die Interessen der auf diesen Sektoren tätigen Personen vertreten sollen.


6 – Zur Verbesserung der Lesbarkeit und zur Erleichterung des Verständnisses von Sachverhalt und Ausgangsverfahren bezeichne ich die Verwaltungsentscheidungen, um die es im vorliegenden Verfahren geht, nach ihrer zeitlichen Reihenfolge.


7 – Aus den Verordnungen Nrn. 3176/86, 267/87, 1151/87, 2800/87 und 3205/87, die im für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Zeitraum anwendbar waren, geht hervor, dass der der Tarifstelle 02.02 B II ex g entsprechende Betrag der Erstattungen zwei- bis dreimal niedriger als der Betrag entsprechend der in den in Rede stehenden Anmeldungen angegebenen Tarifstelle 02.02 B II e 3 ist.


8 – Dieses Gericht, das Rechtsmittelgericht in Wirtschaftsangelegenheiten, ist als einziges Gericht für Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen von Berufsverbänden wie der PVV zuständig. Obwohl es keine nachgeordneten Gerichte gibt, spielt es die Rolle eines Obersten Gerichts, denn gegen seine Urteile findet kein Rechtsmittel statt.


9 – ABl. L 271, S. 44.


10 – Der Gerichtshof hat diese Vorlagefrage im Urteil vom 18. Januar 1984 in der Rechtssache 327/82 (Ekro, Slg. 1984, S. 107) beantwortet.


11 – C-151/93, Slg. 1994, I-4915. Dieses Urteil ist in Beantwortung einer Vorlagefrage eines niederländischen Rechtsmittelgerichts in Strafsachen erlassen worden, nachdem ein Unternehmen im ersten Rechtszug verurteilt worden war, weil es bei der Ausfuhr von Geflügelfleisch in Drittländer auf bestimmten Ausfuhrformblättern als falsch erachtete Tarifpositionen angegeben hatte, um Restitutionen zu erhalten.


12 – Randnr. 20. Die alte Nomenklatur, auf die Bezug genommen wird, findet sich im Anhang der Verordnungen Nrn. 267/87, 1151/87 und 2800/87, die im vorliegenden Ausgangsverfahren ebenfalls anwendbar sind.


13 – Randnr. 21.


14 – Urteil vom 5. März 1996 in den Rechtssachen C-46/93 und C-48/93 (Slg. 1996, I-1029).


15 – Urteil vom 23. Mai 1996 (C-5/94, Slg. 1996, I-2553).


16 – Siehe Nr. 6:4 Absatz 2 des Vorlagebeschlusses.


17 – Insbesondere Urteil Ekro.


18 – Siehe Nr. 6,4 Absatz 3 des Vorlagebeschlusses.


19 – Nr. 6,4 zweiter und dritter Absatz des Vorlagebeschlusses.


20 – Nr. 5 Absatz 3 des Vorlagebeschlusses.


21 – A. a. O.


22 – A. a. O.


23 – Urteil vom 26. April 1994 in der Rechtssache C-228/92 (Roquette Frères, Slg. 1994, I-1445 Randnr. 17)


24 – Dieser Grundsatz wurde durch die Urteile vom 27. März 1980 in der Rechtssache 61/79 (Denkavit italiana, Slg. 1980, 1205, Randnr. 16) und in den Rechtssachen 66/79, 127/79 und 128/79 (Salumi u. a., Slg. 1980, 1237, Randnr. 9) aufgestellt und häufig bestätigt, namentlich durch die Urteile vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 811/79 (Ariete, Slg. 1980, 2545, Randnr. 6) und in der Rechtssache 826/79 (Mireco, Slg. 1980, 2559, Randnr. 7), vom 2. Februar 1988 in der Rechtssache 309/85 (Barra u. a., Slg. 1988, 355, Randnr. 11) und in der Rechtssache 24/86 (Blaizot u. a., Slg. 1988, 379, Randnr. 27), vom 6. Juli 1995 in der Rechtssache C-62/93 (BP Soupergaz, Slg. 1995, I-1883, Randnr. 39), vom 11. August 1995 in den Rechtssachen C-367/93 bis 377/93 (Roders u. a., Slg. 1995, I-2229, Randnr. 42), vom 19. Oktober 1995 in der Rechtssache C-137/94 (Richardson, Slg. 1995, I-3407, Randnr. 31), vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93 (Bosman, Slg. 1995, I-4921, Randnr. 141), vom 13. Februar 1996 in den Rechtssachen C-197/94 und C-252/94 (Bautiaa und Société française maritime, Slg. 1996, I-505, Randnr. 47), vom 2. Dezember 1997 in der Rechtssache C-188/95 (Fantask u. a., Slg. 1997, I-6783, Randnr. 36), vom 15. September 1998 in der Rechtssache C-231/96 (Edis, Slg. 1998, I-4951, Randnr. 15), vom 4. Mai 1999 in der Rechtssache C-262/96 (Sürül, Slg. 1999, I-2685, Randnr. 107), vom 20. September 2001 in der Rechtssache C-184/99 (Grzelczyk, Slg. 2001, I-6193, Randnr. 50) und vom 3. Oktober 2002 in der Rechtssache C-347/00 (Barreira Pérez, Slg. 2002, I-8191, Randnr. 44) bestätigt worden.


25 – Vgl. Urteil Richardson (Randnr. 33).


26 – Siehe die in Fußnote 24 angegebene Rechtsprechung.


27 – Vgl. inbesondere Urteile vom 16. Januar 1974 in der Rechtssache 166/73 (Rheinmühlen, Slg. 1974, 33, Randnr. 2) und vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 283/81 (Cilfit u. a., Slg. 1982, 3415, Randnr. 7). Dieses Erfordernis der Einheitlichkeit bei der Anbindung des Gemeinschaftsrechts ist besonders zwingend, wenn es um die Gültigkeit eines Gemeinschaftsrechtsakts und nicht seine bloße Auslegung geht. Vgl. in diesem Sinn Urteil vom 22. Oktober 1987 in der Rechtssache 314/85 (Foto-Frost, Slg. 1987, 4199, Randnr. 15).


28 – Nach Artikel 231 EG kann der Gerichtshof im Rahmen der Nichtigerklärung einer Gemeinschaftshandlung, falls er dies für notwendig hält, diejenigen ihrer Wirkungen bezeichnen, die als fortgeltend zu betrachten sind. In Bezug auf die Vorabentscheidungsurteile, mit denen eine Ungültigerklärung oder eine Auslegung vorgenommen wird, sieht der Vertrag keine vergleichbaren Bestimmungen vor.


29 – Rechtssache 43/75, Slg. 1976, 455, Randnrn. 69 bis 75.


30 – Urteile Roders u. a. (Randnr. 43) sowie Bautiaa und Société française maritime (Randnr. 48).


31 – A. a. O.


32 – Seit dem erwähnten Urteil Defrenne II gab es nur wenige Fälle, in denen sich der Gerichtshof zu einer derartigen Einschränkung veranlasst sah. Vgl. in diesem Sinn die Urteile vom 17. Mai 1990 in der Rechtssache C-262/88 (Barber, Slg. 1990, I-1889), vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-163/90 (Legros u. a., Slg. 1992, I-4625), vom 7. November 1996 in der Rechtssache C- 126/94 (Cadi Surgelés u. a., Slg. 1996, I-5647), vom 9. März 2000 in der Rechtssache C-437/97 (EKW und Wein & Co., Slg. 2000, I-1157) sowie die erwähnten Urteile Blaizot u. a., Bosman und Sürül. In derartigen Fällen ist der Gerichtshof allgemein bestrebt, die Rückwirkung seiner Vorabentscheidungsurteile in Bezug sowohl auf die Beteiligten des Ausgangsverfahrens als auch die Personen, die vor der Verkündung dieser Urteile Klage erhoben oder einen entsprechenden Rechtsbehelf eingelegt haben, nicht auszuschließen.


33 – §Siehe insbes. die Urteile Denkavit italiana (Randnr. 18), Ariete (Randnr. 8), Mireco (Randnr. 9), Blaizot u. a. (Randnr. 28), Legros u. a. (Randnr. 30), Bosman (Randnr. 142) sowie EKW und Wein & Co. (Randnr. 57)


34 – A. a. O.


35 – Die Entscheidung des College van Beroep ist nicht mit einem Rechtsbehelf anfechtbar (abgesehen vom möglichen außerordentlichen Rechtsbehelf der Wiederaufnahme des Verfahrens). Zur Unterscheidung zwischen diesen beiden Begriffen vgl. Nr. 96 meiner Schlussanträge vom 8. April 2003 in der beim Gerichtshof anhängigen Rechtssache Köbler (C-224/01).


36 – Urteile vom 9. März 1978 in der Rechtssache 106/77 (Simmenthal, Slg. 1978, 629, Randnr. 22) und vom 19. Juni 1990 in der Rechtssache C-213/89 (Factortame u. a., Slg. 1990, I-2433, Randnr. 20).


37 – Urteile Simmenthal (Randnrn. 14 bis 16) und Factortame u. a. (Randnr. 18).


38 – Urteile Simmenthal (Randnrn. 17 und 18) und Factortame u. a. (Randnr. 18).


39 – Randnr. 19.


40 – C-6/90 und C-9/90, Slg. 1991, I-5357.


41 – Urteil Francovich u. a. (Randnr. 36).


42 – A. a. O.


43 – Urteil Simmenthal (Randnr. 20).


44 – A. a. O., Randnr. 24.


45 – Urteil Factortame (Randnr. 22).


46 – A. a. O., Randnr. 23.


47 – 48/71 (Kommission/Italien, Slg. 1972, 529).


48 – Urteil Kommission/Italien (Randnr. 7).


49 – A. a. O., Randnr. 6.


50 – A. a. O., Randnr. 8.


51 – A. a. O., Randnr. 9.


52 – Insbesondere Urteile vom 22. Juni 1989 in der Rechtssache 103/88 (Fratelli Costanzo, Slg. 1989, 1839, Randnr. 33), vom 19. Januar 1993 in der Rechtssache C-101/91 (Kommission/Italien, Slg. 1993, I-191, Randnr. 24) und vom 28. Juni 2001 in der Rechtssache C-118/00 (Larsy, Slg. 2002, I-5063, Randnr. 52).


53 – Urteil Larsy (Randnr. 54).


54 – A. a. O., Randnr. 53.


55 – A. a. O., Randnrn. 51 und 52.


56 – In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Köbler (Randnr. 106) habe ich bereits ausgeführt, dass im Hinblick auf den Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts eine nationale Vorschrift wie die über die Beachtung der materiellen Rechtskraft endgültiger Entscheidungen einem Einzelnen nicht entgegengehalten werden kann, um eine auf das Gemeinschaftsrecht gestützte Schadensersatzklage wegen dessen Verletzung durch ein oberstes Gericht zu Fall zu bringen.


57 – Vgl. insbes. Urteile vom 16. Dezember 1976 in der Rechtssache 33/76 (Rewe, Slg. 1976, 1989, Randnr. 6) und Comet (45/76, Slg. 1976, 2043, Randnr. 19) sowie die Urteile Fantask u. a. (Randnr. 52) und Edis (Randnr. 26).


58 – Urteile Francovich u. a. (Randnr. 42 und 43) sowei Brasserie du pêcheur und Factortame (Randnr. 67).


59 – Urteile vom 14. Dezember 1995 in der Rechtssache C-312/93 (Peterbroeck, Slg. 1995, I-4599, Randnr. 12 ff.) sowie Van Schijndel und Van Veen (C430/93 und C-431/93, Slg. 1995, I-4705, Randnrn. 17 ff.).


60 – In Bezug auf gerichtliche Klagen vgl. die Urteile Rewe (Randnrn. 5 und 7), Comet (Randnrn. 17 und 18), Denkavit italiana (Randnr. 23), Fantask u. a. (Randnr. 48) und Edis (Randnr. 20) sowie die Urteile vom 10. Juli 1997 in der Rechtssache C-261/95 (Palmisani, Slg. 1997, I-4025, Randnr. 28), vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-90/94 (Haahr Petroleum, Slg. 1997, I-4085, Randnr. 48) und Urteil Roquette Frères (Randnrn. 22 und 36).