Available languages

Taxonomy tags

Info

References in this case

References to this case

Share

Highlight in text

Go
Conclusions

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
ANTONIO TIZZANO
vom 25. März 2004(1)


Rechtssache C-315/02



Anneliese Lenz
gegen
Finanzlandesdirektion für Tirol


(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofes [Österreich])

„Artikel 56 EG und 58 EG – Freier Kapitalverkehr – Nationale Regelung über die Besteuerung von Kapitalerträgen“






1.        Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Gerichtshof mit Beschluss vom 27. August 2002 drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 73b und 73d EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 EG bzw. 58 EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Damit fragt uns das österreichische Gericht erneut, ob eine nationale Regelung, nach der Kapitalerträge je nachdem, ob sie von einer inländischen oder einer ausländischen Gesellschaft stammen, unterschiedlich besteuert werden, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

2.        Mit dieser Frage war der Gerichtshof bereits durch die Vorabentscheidungsvorlage des Berufungssenats V der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland in der Rechtssache C-516/99, Schmid, befasst worden; in jener Rechtssache hatte er sich jedoch für unzuständig erklärt, weil der vorlegenden Stelle die Gerichtseigenschaft fehlte (2) .

I – Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3.        Die einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften sind die Artikel 73b und 73d EG-Vertrag. Artikel 73b Absatz 1 bestimmt, dass „alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten“ sind. Artikel 73d sieht jedoch Folgendes vor:

„(1) Artikel 73b berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten,

a) die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln,

b) die unerlässlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts und der Aufsicht über Finanzinstitute, zu verhindern, sowie Meldeverfahren für den Kapitalverkehr zwecks administrativer oder statistischer Information vorzusehen oder Maßnahmen zu ergreifen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt sind.

(2)    ...

(3)     Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Maßnahmen und Verfahren dürfen weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 73b darstellen.“

Nationales Recht

4.        Das österreichische Steuersystem sieht für Gewinne inländischer Kapitalgesellschaften eine Besteuerung auf zwei Ebenen vor: auf der Ebene der Gesellschaften durch Besteuerung der von ihnen erzielten Gewinne zu einem festen Steuersatz von 34 % und auf der Ebene der Aktionäre durch Besteuerung der Dividenden und der anderen von der Gesellschaft gewährten Vorteile (so genannte Kapitalerträge).

5.        Hinsichtlich der Besteuerung der Aktionäre, die hier von unmittelbarerem Interesse ist, unterscheidet die anwendbare Regelung danach, ob es sich um inländische oder um ausländische Kapitalerträge handelt. Diese Regelung bestimmt nämlich: „Inländische Kapitalerträge liegen vor, wenn der Schuldner der Kapitalerträge Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat oder Zweigstelle im Inland eines Kreditinstituts ist ...“ (§ 93 Absatz 2 des Einkommensteuergesetzes 1988, im Folgenden: EStG 1988) (3) .

a)       Die Besteuerung inländischer Kapitalerträge

6.        Für inländische Kapitalerträge räumt das österreichische Recht den Steuerpflichtigen zwei Optionen ein: die Anwendung einer besonderen Steuer mit Abgeltungswirkung (im Folgenden auch: Abgeltungsteuer) zu einem festen Steuersatz von 25 % oder die Anwendung der normalen Einkommensteuer mit einem um 50 % ermäßigten Steuersatz (im Folgenden auch: ermäßigter Steuersatz).

7.        Im erstgenannten Fall muss der Steuerpflichtige eine Steuer in Höhe von 25 % der Kapitalerträge zahlen, die aufgrund der so genannten Abgeltungswirkung dieser Steuer nicht mehr der normalen Einkommensteuer unterliegen. Die Kapitalerträge bleiben somit bei der Festsetzung des einkommensteuerpflichtigen Einkommens außer Ansatz, mit der wahrscheinlichen Folge, dass sich der anwendbare Steuersatz, dessen Höhe von der Höhe des Einkommens abhängt, ermäßigt. Die Abgeltungsteuer wird grundsätzlich an der Quelle (d. h. bei den Gesellschaften) erhoben; in einigen Fällen, in denen eine solche Erhebung nicht möglich ist, ist jedoch vorgesehen, dass die Steuer „durch einen der kuponauszahlenden Stelle in Höhe der Kapitalertragsteuer freiwillig geleisteten Betrag“ erhoben wird (§ 97 EStG) (4) .

8.        Entscheidet sich der Steuerpflichtige dafür, nicht von der besonderen Besteuerung mit Abgeltungswirkung Gebrauch zu machen, findet dagegen die normale Einkommensteuer mit einem um 50 % ermäßigten Steuersatz Anwendung. In diesem Fall werden die Kapitalerträge bei der Festsetzung des steuerpflichtigen Gesamteinkommens berücksichtigt, was wahrscheinlich zu einer Erhöhung des anwendbaren Steuersatzes führt; als Ausgleich profitieren die Kapitalerträge aber von der Ermäßigung „auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes“ (§ 37 EStG) (5) .

b)       Die Besteuerung ausländischer Kapitalerträge

9.        Die soeben beschriebene Regelung findet, wie bereits erwähnt, nur auf inländische Kapitalerträge Anwendung, während die Erträge aus Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften der normalen Einkommensteuer unterliegen. Das bedeutet, dass sie bei der Festsetzung des steuerpflichtigen Gesamteinkommens berücksichtigt werden, was vermutlich zu einer Erhöhung des anwendbaren Steuersatzes führt, und dass sie regulär der Einkommensteuer unterliegen, ohne von einer Ermäßigung zu profitieren. Auf solche Erträge findet somit nicht nur die besondere Besteuerung zu einem festen Steuersatz von 25 % mit Abgeltungswirkung keine Anwendung, sondern sie profitieren auch nicht von der Ermäßigung des anwendbaren Steuersatzes um 50 %.

10.      Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass das oben beschriebene System durch ein am 1. April 2002, nach dem für die vorliegende Rechtssache maßgeblichen Zeitraum, in Kraft getretenes und auf den vorliegenden Fall nicht anwendbares Gesetz geändert worden ist.

II – Sachverhalt und Verfahren

11.      Anneliese Lenz (im Folgenden: Klägerin) ist deutsche Staatsangehörige und wohnt in Österreich, wo sie seit 1994 Steuern zahlt.

12.      Im Jahr 1996 stammte das Einkommen der Klägerin in vollem Umfang aus angefallenen Dividenden von Gesellschaften mit Sitz in Deutschland.

13.      Für dieses Jahr hatte die österreichische Steuerverwaltung die von der Klägerin geschuldete Einkommensteuer jedoch auf der Grundlage des normalen Einkommensteuersatzes berechnet, ohne die Abgeltungsteuer oder den ermäßigten Steuersatz anzuwenden, die in den §§ 37 und 97 EStG vorgesehen sind.

14.      Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin bei der Finanzlandesdirektion für Tirol Berufung ein und machte insbesondere geltend, dass die Nichtanwendung der Abgeltungsteuer und des ermäßigten Steuersatzes auf Erträge, die aus Beteiligungen an Gesellschaften in anderen Mitgliedstaaten stammten, gegen die durch Artikel 73b EG-Vertrag garantierte Kapitalverkehrsfreiheit verstoße. Da diese Berufung abgewiesen wurde, erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgerichtshof. Dieser hegt Zweifel an der Vereinbarkeit der nationalen Steuervorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht und hat dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Stehen Artikel 73b Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 73d Absatz 1 Buchstaben a und b und Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 Absatz 1 EG in Verbindung mit Artikel 58 Absatz 1 Buchstaben a und b und Absatz 3 EG) einer Regelung entgegen, wie sie § 97 Absätze 1 und 4 EStG 1988 in Verbindung mit § 37 Absätze 1 und 4 EStG 1988 vorsieht, nach welcher der Steuerpflichtige bei Dividenden aus inländischen Aktien wählen kann, ob er sie bei einer pauschalen und endgültigen Besteuerung dem Steuersatz von 25 % unterwirft oder ob er sie mit einem Steuersatz in Höhe der Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes versteuert, während Dividenden aus ausländischen Aktien stets mit dem normalen Einkommensteuersatz versteuert werden?

2. Ist für die Beantwortung der Frage 1 die Höhe der Besteuerung des Einkommens der Kapitalgesellschaft mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in dem anderen EU-Mitgliedstaat oder dem Drittstaat, an welcher die Beteiligung besteht, von Bedeutung?

3. Falls Frage 1 bejaht wird: Kann der dem Artikel 73b Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 Absatz 1 EG) entsprechende Zustand dadurch herbeigeführt werden, dass die Körperschaftsteuer, die von Aktiengesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung in anderen EU-Mitgliedstaaten oder in Drittländern in ihrem jeweiligen Ansässigkeitsstaat entrichtet wird, anteilig auf die österreichische Einkommensteuer des Dividendenbeziehers angerechnet wird?

15.      In dem auf diese Weise in Gang gesetzten Verfahren haben die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Regierungen Österreichs, Dänemarks, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission schriftliche Erklärungen abgegeben. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, Österreich, das Vereinigte Königreich und die Kommission sind außerdem in der am 29. Januar 2004 durchgeführten mündlichen Verhandlung aufgetreten.

16.      Bei der Behandlung der Sache hat der Gerichtshof der österreichischen Regierung eine Frage gestellt, um nähere Angaben über die 1996 geltenden steuerrechtlichen Vorschriften zu erlangen.

III – Rechtliche Prüfung

Zu den ersten beiden Fragen

17.      Die ersten beiden Fragen des Verwaltungsgerichtshofes, die unmittelbar nacheinander zu behandeln sind, gehen dahin, ob mit den Vorschriften des Vertrages über den freien Kapitalverkehr eine Regelung vereinbar ist, die es nur denjenigen, die inländische Kapitalerträge erzielen, erlaubt, zwischen einer besonderen Abgeltungsteuer und der normalen Einkommensteuer mit einem um 50 % ermäßigten Steuersatz zu wählen, während sie vorsieht, dass für ausländische Kapitalerträge zwingend die normale Einkommensteuer ohne Ermäßigungen des Steuersatzes gilt. Der Verwaltungsgerichtshof möchte außerdem wissen, ob die Beantwortung dieser Frage von der Höhe der Besteuerung der Gesellschaften, die diese Erträge erzielen, in den anderen Mitgliedstaaten oder in Drittländern abhängt.

18.      Wie ich bereits vorausgeschickt habe, ist eine ähnliche Frage dem Gerichtshof bereits in der Rechtssache Schmid vorgelegt worden, in der man jedoch nicht zu einer Entscheidung in der Sache gelangt ist, weil die seinerzeit vorlegende Stelle (der Berufungssenat) nicht die Eigenschaft eines Gerichts im Sinne von Artikel 234 EG besaß. Für die Unzulässigkeit der Vorabentscheidungsvorlage hatte auch ich mich in den für jene Rechtssache am 29. Januar 2002 vorgelegten Schlussanträgen ausgesprochen (6) ; dabei hatte ich jedoch hilfsweise die Frage, die jetzt im Wesentlichen vom Verwaltungsgerichtshof erneut vorgelegt wird, in der Sache geprüft. Auf diese Schlussanträge werde ich daher im Folgenden weitgehend Bezug nehmen.

19.      Wie in der Rechtssache Schmid wird zur Beantwortung der oben zusammengefassten Frage vor allem festzustellen sein, ob eine Regelung der fraglichen Art eine Beschränkung des Kapitalverkehrs im Sinne des Artikels 73b EG-Vertrag bewirken kann; bejahendenfalls ist sodann zu prüfen, ob diese Regelung nach Artikel 73d gerechtfertigt sein kann.

i) Zum beschränkenden Charakter der fraglichen Regelung

20.      Hinsichtlich des ersten Aspekts muss ich zunächst daran erinnern, dass „Maßnahmen eines Mitgliedstaats ... Beschränkungen des Kapitalverkehrs im Sinne [des Artikels 73b EG-Vertrag] dar[stellen], wenn sie geeignet sind, die Gebietsansässigen davon abzuhalten, in einem anderen Mitgliedstaat ... Anlagen zu tätigen“ (7) . Im Einzelnen hat der Gerichtshof in diesem Zusammenhang ausgeführt, „dass es eine ... Beschränkung des Kapitalverkehrs darstellt, wenn bei der Besteuerung des Einkommens von natürlichen Personen, die Anteilseigner sind, die Gewährung eines Steuervorteils wie des Dividendenfreibetrags von der Voraussetzung abhängig gemacht wird, dass diese Dividenden von Gesellschaften ausgeschüttet werden, die ihren Sitz im Inland haben“ (8) .

21.      Dies ist der Fall, soweit eine solche Regelung

– zum einen „bewirkt, dass Staatsangehörige ..., die in [dem betreffenden Mitgliedstaat] wohnen, davon abgeschreckt werden, ihr Kapital in Gesellschaften anzulegen, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben“;

– zum anderen „sich ... gegenüber Gesellschaften, die in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind, einschränkend aus[wirkt], weil sie für sie ein Hindernis darstellt, [im betreffenden Mitgliedstaat] Kapital zu sammeln, da die von ihnen an dort wohnende Personen gezahlten Dividenden steuerlich ungünstiger behandelt werden als die von einer in [diesem Mitgliedstaat] ansässigen Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden; ihre Anteile sind dadurch für in [dem fraglichen Mitgliedstaat] wohnende Investoren weniger attraktiv als die von Gesellschaften, die dort ihren Sitz haben“ (9) .

22.      Wie ich bereits in der Rechtssache Schmid festgestellt habe, kann man, wenn man sich diesen Begriff der „Beschränkung des Kapitalverkehrs“ im Sinne des Artikels 73b zu Eigen macht, nicht leugnen, dass eine solche Beschränkung in einer Regelung wie der in Rede stehenden enthalten ist, die für inländische Kapitalerträge ein Wahlrecht zwischen der Abgeltungsteuer zu einem festen Steuersatz von 25 % und der normalen Einkommensteuer mit einem um 50 % ermäßigten Steuersatz einräumt, während sie für ausländische Kapitalerträge die Anwendung der normalen Einkommensteuer ohne Ermäßigung des Steuersatzes vorschreibt. Es bestehen nämlich keine Zweifel daran, dass eine solche Regelung inländische Kapitalerträge günstiger behandelt und dadurch inländische Anleger davon abhält, Anteile an Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten zu erwerben, und für diese Gesellschaften ein Hindernis darstellt, in dem betreffenden Mitgliedstaat Kapital zu sammeln.

23.      Wie in der Rechtssache Schmid bin ich daher der Auffassung, dass die fragliche Regelung dadurch, dass sie inländische Kapitalerträge steuerlich günstiger behandelt als ausländische eine nach Artikel 73b EG-Vertrag grundsätzlich verbotene Beschränkung des Kapitalverkehrs nach sich zieht.

ii) Zur möglichen Rechtfertigung der fraglichen Regelung gemäß Artikel 73d

24.      Diese Schlussfolgerung zieht jedoch nicht notwendigerweise die Unvereinbarkeit einer solchen Regelung mit den Vorschriften über den freien Kapitalverkehr nach sich.

25.      Ich erinnere noch einmal daran, dass nach Artikel 73d Absatz 1 EG-Vertrag „Artikel 73b ... nicht das Recht der Mitgliedstaaten [berührt], ... die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem ... Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln“, ebenso wenig wie das Recht, „die unerlässlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften ... zu verhindern“ (10) .

26.      Um die ersten beiden Vorabentscheidungsfragen beantworten zu können, ist also noch zu prüfen, ob die fragliche Regelung nach Artikel 73d Absatz 1 EG-Vertrag gerechtfertigt werden kann.

27.      Insoweit erinnere ich zunächst daran, dass diese Vorschrift, da sie eine Ausnahme vom fundamentalen Grundsatz des freien Kapitalverkehrs zulässt (11) , eng auszulegen ist und auf keinen Fall nationale Vorschriften und Maßnahmen rechtfertigen kann, die „ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung“ oder „eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital[verkehrs] im Sinne des Artikels 73b“ darstellen (Artikel 73d Absatz 3 EG-Vertrag).

28.      Daraus folgt, dass Beschränkungen, die sich aus einer Regelung wie der in Rede stehenden ergeben, nur dann nach Artikel 73d Absatz 1 zulässig sind, wenn die unterschiedliche Behandlung inländischer und ausländischer Kapitalerträge aufgrund der unterschiedlichen Situation oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses sachlich gerechtfertigt ist (12) .

29.      Im Übrigen weise ich darauf hin, dass der Gerichtshof bereits Gelegenheit hatte, in Bezug auf Maßnahmen zur Verhinderung von Verstößen gegen das nationale Steuerrecht klarzustellen, dass eine „Maßnahme ... nur dann unter Artikel 73d EG-Vertrag fallen [kann], wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in dem Sinne genügt, dass sie geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten, und dass sie nicht über das dazu Notwendige hinausgeht“ (13) . Letztlich muss diese Maßnahme „zur Verfolgung dieser Ziele erforderlich“ sein, und „diese Ziele [dürfen] nicht mit Maßnahmen erreicht werden [können], die den freien Kapitalverkehr weniger einschränken“ (14) .

30.      Um festzustellen, ob die sich aus der fraglichen Steuerregelung ergebenden Beschränkungen des Kapitalverkehrs nach Artikel 73d Absatz 1 EG-Vertrag zulässig sind, muss daher, wie die dem Verfahren als Streithelferinnen beigetretenen Regierungen vorgetragen haben, geprüft werden, ob die unterschiedliche Behandlung inländischer und ausländischer Kapitalerträge sachlich gerechtfertigt ist und somit keine willkürliche Diskriminierung oder verschleierte Beschränkung des freien Kapitalverkehrs darstellt.

31.      In diesem Zusammenhang trägt das Vereinigte Königreich vor, die in der fraglichen Regelung vorgesehenen steuerlichen Vergünstigungen seien insoweit auch auf die Dividenden inländischer Gesellschaften beschränkt, als die österreichische Verwaltung die diese betreffende Steuer unmittelbar bei den Gesellschaften erhebe, die die Dividenden ausschütteten. Da diese Erhebungsmodalität bei Kapitalerträgen von in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Gesellschaften nicht möglich sei, sei es technisch unmöglich, diese Vergünstigungen auf die letztgenannten Gesellschaften auszudehnen.

32.      Diesbezüglich weise ich vor allem darauf hin, dass nur die Abgeltungsteuer bei der Gesellschaft erhoben wird, die die Gewinne ausschüttet und die als Steuerabzugspflichtige einen Abzug an der Quelle vornimmt. Nur für diese Form der Besteuerung würde daher dieses technische Hindernis für die Erhebung bestehen, das – so das Vereinigte Königreich – ausländische Kapitalerträge im Verhältnis zu inländischen in eine objektiv unterschiedliche Lage bringen und damit ihre unterschiedliche Behandlung rechtfertigen würde.

33.      Nach dieser Erklärung erinnere ich daran, dass ich dieses Vorbringen schon in der Rechtssache Schmid als kaum überzeugend angesehen hatte. Es ist zwar richtig, dass die Durchführung des Abzugs an der Quelle in Österreich die Anwesenheit eines Steuerabzugspflichtigen in diesem Land voraussetzt, nicht richtig ist dagegen, dass die Abgeltungsteuer zwingend einen Abzug an der Quelle voraussetzt. Meiner Ansicht nach können nämlich für die Erhebung einer Steuer der fraglichen Art (die durch einen festen Steuersatz von 25 % und die Abgeltungswirkung gekennzeichnet ist) unterschiedliche technische Modalitäten vorgesehen werden, die problemlos auch auf Erträge von ausländischen Gesellschaften angewandt werden können.

34.      Wie die Kommission auch in der vorliegenden Rechtssache hervorgehoben hat, ergibt sich ein Beispiel in diesem Sinne aus der oben beschriebenen österreichischen Regelung selbst, wonach die Steuer mit Abgeltungswirkung in bestimmten Fällen, in denen sich kein Abzug an der Quelle vornehmen lässt, „durch einen der kuponauszahlenden Stelle in Höhe der Kapitalertragsteuer freiwillig geleisteten Betrag“ erhoben werden könnte (15) . Für Erträge aus ausländischen Gesellschaften könnte somit eine ähnliche freiwillige Zahlung an die Steuerverwaltung vorgesehen werden, die ihrerseits einwilligt, auch auf solche Erträge die Steuer mit Abgeltungswirkung anzuwenden und so die festgestellten Beschränkungen des Kapitalverkehrs zu beseitigen.

35.      Sodann vertreten alle dem Verfahren als Streithelferinnen beigetretenen Regierungen hinsichtlich der Ermäßigung des Steuersatzes um 50 % im Fall der Anwendung der normalen Einkommensteuer auf inländische Kapitalerträge die Ansicht, dass diese Ermäßigung erforderlich sei, um die Kohärenz des österreichischen Steuersystems zu wahren, und dass dieser Zweck nach den Urteilen Bachmann und Kommission/Belgien (16) ein „Rechtfertigungsgrund für eine Regelung sein kann, die Grundfreiheiten einschränkt“ (17) . Die fragliche Regelung sei insbesondere dadurch gerechtfertigt, dass die Gewinne in Österreich ansässiger Gesellschaften dort bereits mit einem festen Steuersatz von 34 % besteuert würden und es somit unpassend wäre, diese Gewinne im Zeitpunkt ihrer Ausschüttung an die Aktionäre erneut zu besteuern und sie so vollständig der Einkommensteuer zu unterwerfen.

36.      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens und die Kommission sind dagegen der Ansicht, die unterschiedliche Behandlung der Dividenden je nachdem, ob sie von inländischen oder ausländischen Gesellschaften stammten, sei ungerechtfertigt. Sie machen insbesondere geltend, dass die fragliche Regelung nicht durch das angeführte Erfordernis gerechtfertigt werden könne, die Kohärenz des österreichischen Steuersystems zu wahren, indem eine doppelte Besteuerung (im wirtschaftlichen Sinne) vermieden werde, da die Körperschaftsteuer und die Kapitalertragsteuer unterschiedliche Personen beträfen.

37.      Wie ich bereits in der Rechtssache Schmid ausgeführt habe, habe auch ich den Eindruck, dass man sich hier nicht auf dieses den Urteilen Bachmann und Kommission/Belgien entnommene Erfordernis berufen kann. In diesen Rechtssachen „ging es nämlich um ein und denselben Steuerpflichtigen, so dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Gewährung eines Steuervorteils und dem Ausgleich dieses Vorteils durch eine steuerliche Belastung bestand, die im Rahmen einer einzigen Besteuerung erfolgten. Es ging dort um den Zusammenhang zwischen der Abzugsfähigkeit von Versicherungsbeiträgen und der Besteuerung der Beträge, die von Versicherern nach den Alters- und Todesfallversicherungsverträgen geschuldet wurden, der gewahrt werden musste, um die Kohärenz der betreffenden Steuerregelung zu sichern“ (18) . Im vorliegenden Fall besteht dagegen kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Körperschaftsteuer und der Steuer auf die Kapitalerträge, da es sich wie in der Rechtssache Verkooijen „um zwei getrennte Besteuerungen von verschiedenen Steuerpflichtigen“ (die Gesellschaft und die Aktionäre) handelt (19) .

38.      Gemäß den Feststellungen im Urteil Verkooijen bin ich daher nicht der Ansicht, dass die sich aus der fraglichen Regelung ergebenden Beschränkungen des Kapitalverkehrs mit dem Erfordernis gerechtfertigt werden können, die Kohärenz des österreichischen Steuersystems zu wahren.

39.      In Fällen wie dem vorliegenden bin ich darüber hinaus der Auffassung, dass man sich – anders als die dänische Regierung in Bezug auf die zweite Frage ausgeführt hat – auf das Erfordernis der Kohärenz des Steuersystems nicht einmal dann berufen kann, wenn der Ertrag der Gesellschaften, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, in einem solchen Staat einer Besteuerung in geringer Höhe unterliegt.

40.      Wie die Kommission zu Recht erklärt hat, wäre es nämlich nicht gerechtfertigt, nur für ausländische Kapitalerträge die Anwendung der Abgeltungsteuer und des ermäßigten Steuersatzes in Anbetracht des Niveaus der Besteuerung der Gesellschaften auszuschließen. Ein solcher Ausschluss würde nämlich das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Körperschaftsteuer und der Besteuerung der Aktionäre voraussetzen, den es, wie gesagt worden ist, im österreichischen Steuersystem nicht gibt; es wäre daher nicht kohärent, eine derartige Verbindung nur für die Besteuerung der von ausländischen Gesellschaften erzielten Erträge herzustellen.

41.      Die oben genannten Vergünstigungen in Anbetracht der niedrigeren Besteuerung der ausländischen Gesellschaften auszuschließen, wäre auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil man auf diese Weise den Aktionären einen diesen Gesellschaften zuerkannten eventuellen Steuervorteil letztlich abziehen würde, einen Vorteil, der diesen nur mittelbar und eventuell zugute kommen könnte, d. h. nur dann, wenn die niedrigere Besteuerung zu höheren ausgeschütteten Gewinnen führen würde.

42.      Vor allem würden aber dadurch Privatpersonen davon abgehalten, ihr Kapital bei Gesellschaften anzulegen, die vielleicht in anderen Mitgliedstaaten in den Genuss besserer Marktbedingungen kommen und daher in der Lage sind, eine höhere Verzinsung der Anlagen zu garantieren. Dies gilt deshalb, weil die Vorteile aus den Unterschieden in der unmittelbaren Besteuerung von Unternehmen durch eine nachteilige steuerliche Behandlung neutralisiert würden, die letztlich die Freiheit der Privatpersonen, ihr Kapital innerhalb der Gemeinschaft zu bewegen, als solche ihres Inhalts berauben würde (20) .

43.      Zur Rechtfertigung der in Frage stehenden österreichischen Regelung macht die französische Regierung schließlich geltend, dass, wenn die Besteuerung mit Abgeltungscharakter oder die Ermäßigung des Steuersatzes auf von Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten ausgeschüttete Dividenden erstreckt würde, die Steuerverwaltung des Wohnsitzstaats des Aktionärs die Gewinne dieser Gesellschaften nicht wirksam kontrollieren könnte. Die fragliche Regelung könne somit gemäß Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b EG-Vertrag gerechtfertigt sein, wonach Artikel 73b nicht das Recht der Mitgliedstaaten berühre, „die unerlässlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften ... zu verhindern“.

44.      Meiner Ansicht nach ist diesem Vorbringen aber nicht zu folgen. Wie ich bereits in der Rechtssache Schmid unterstrichen habe, liegt es nämlich auf der Hand, dass die fragliche Regelung in keiner Weise die Wirksamkeit der Steuerkontrollen gewährleistet, da die weniger günstige Behandlung ausländischer Kapitalerträge keinesfalls die Kontrolle erlaubt, ob diese Erträge gegenüber der österreichischen Steuerverwaltung für Zwecke der Besteuerung mit der normalen Einkommensteuer ordnungsgemäß erklärt werden.

45.      Nach alledem können die von den dem Verfahren als Streithelferinnen beigetretenen Regierungen angeführten Argumente die sich aus der fraglichen Steuerregelung ergebenden Beschränkungen des Kapitalverkehrs nicht gemäß Artikel 73d Absatz 1 EG-Vertrag rechtfertigen.

46.      Es ist daher festzustellen, dass Artikel 73b Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 73d Absatz 1 EG-Vertrag einer Regelung der fraglichen Art entgegensteht, die nur den Empfängern inländischer Kapitalerträge das Recht einräumt, zwischen der besonderen Steuer mit Abgeltungswirkung und der normalen Einkommensteuer mit einem um 50 % ermäßigten Steuersatz zu wählen, während sie vorsieht, dass auf ausländische Kapitalerträge zwingend die normale Einkommensteuer ohne Ermäßigung des Steuersatzes Anwendung findet.

47.      Dass den Beziehern von ausländischen Kapitalerträgen die angegebene Befugnis nicht zugestanden wird, zwischen den zwei unterschiedlichen Formen der Besteuerung zu wählen, kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass der Ertrag von Gesellschaften, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, in diesem Staat einer Besteuerung von geringer Höhe unterworfen wird.

Zur dritten Frage

48.      Die dritte Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob Artikel 73b Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 Absatz 1 EG) einer nationalen steuerlichen Regelung entgegensteht, die einem Steuerpflichtigen, der Dividenden ausländischer Gesellschaften bezieht, erlaubt, auf die inländische Steuer auf das Einkommen natürlicher Personen anteilig die Steuer auf das Einkommen juristischer Personen anzurechnen, die im Ausland von der Gesellschaft gezahlt wird, an der er beteiligt ist.

49.      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens und die Kommission haben die Zulässigkeit dieser Frage bestritten. Es handele sich nämlich um eine rein hypothetische Frage, da eine derartige Anrechnung in der österreichischen Rechtsordnung tatsächlich nicht vorgesehen sei.

50.      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens trägt vor, wenn diese Anrechnung jedoch vorgesehen worden wäre, würde sie jedenfalls die Diskriminierung zu Lasten desjenigen nicht beseitigen, der Dividenden ausländischer Gesellschaften bezieht, da diese Erträge – zumindest unter bestimmten Umständen – weiterhin stärker besteuert würden als inländische Kapitalerträge.

51.      Die Kommission vertritt dagegen die Auffassung, in dem angegebenen Fall stünde das Gemeinschaftsrecht der Anrechnung, von der das vorlegende Gericht spreche, nicht entgegen, sofern diese in gleicher Weise für inländische und ausländische Dividenden gelte.

52.      Die österreichische und die dänische Regierung sind dagegen der Auffassung, diese Anrechnung sei, auch wenn sie nur auf ausländische Kapitalerträge angewendet werde, mit den Artikeln 73b und 73d EG-Vertrag vereinbar. Eine eventuelle ungünstige steuerliche Behandlung zu Lasten dieser Erträge sei nämlich durch das Erfordernis gerechtfertigt, die Kohärenz des inländischen Steuersystems zu gewährleisten und Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der Staaten zu verhindern, die Gesellschaften mit Sitz in ihrem Hoheitsgebiet nur gering besteuerten.

53.      Meinerseits weise ich vor allem darauf hin, dass nach wohlbekannter Rechtsprechung „die Rechtfertigung des Vorabentscheidungsersuchens und folglich die Zuständigkeit des Gerichtshofes nicht in der Abgabe von Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen liegt …, sondern darin, dass dessen Antwort für die tatsächliche Entscheidung eines Rechtsstreits erforderlich ist“ (21) .

54.      Außerdem weise ich darauf hin, dass der Gerichtshof – gerade um diese Funktion des Vorabentscheidungsersuchens zu erhalten – sich einen Beurteilungsspielraum in Bezug auf die Bewertungen vorbehält, die die innerstaatlichen Gerichte hinsichtlich der Notwendigkeit der von ihnen vorgelegten Fragen vorgenommen haben, und erforderlichenfalls sogar die Zulässigkeit der Vorlage verneint (22) .

55.      Dies vorausgeschickt, stelle ich fest, dass die im Vorlagebeschluss genannten Vorschriften die Möglichkeit, in Österreich die in einem anderen Mitgliedstaat oder in Drittländern gezahlte Körperschaftsteuer anzurechnen, nicht vorsehen. Auch lässt sich anhand des Beschlusses nicht nachprüfen, ob diese Anrechnung sich im Wege der Auslegung aus anderen Vorschriften ergeben kann.

56.      Zum anderen hat die österreichische Regierung, nachdem sie vom Gerichtshof dazu aufgefordert worden war, Erläuterungen zu diesem Punkt abzugeben, selbst bestätigt, dass die zu der für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Zeit geltenden steuerlichen Vorschriften es nicht zuließen – auch nicht im Wege einer extensiven Auslegung des Gesetzes – eine Anrechnung wie die vom vorlegenden Gericht angegebene zu konstruieren.

57.      Kann eine solche Anrechnung – wie die österreichische Regierung selbst ausgeführt hat – nun aber aus den innerstaatlichen Rechtsvorschriften nicht in begründeter Weise hergeleitet werden, so haben die Klägerin des Ausgangsverfahrens und die Kommission Recht, wenn sie behaupten, dass mit dem dritten Teil des Vorabentscheidungsersuchens eine rein hypothetische Frage aufgeworfen wird.

58.      Wenn die Darstellung der österreichischen Regierung zutreffend ist, würde eine Antwort des Gerichtshofes auf diese Frage nämlich eine gutachterliche Stellungnahme zu den Modalitäten darstellen, nach denen ein Mitgliedstaat abstrakt vorgehen kann, um Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs zu beseitigen, die durch das eigene Steuerrecht verursacht werden. Der Gerichtshof würde aber damit ein nur hypothetisches Problem lösen, das ohne irgendeine Beziehung zum Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist.

59.      Ich bin daher der Auffassung, dass der Gerichtshof für die Entscheidung über die dritte Vorabentscheidungsfrage des Verwaltungsgerichtshofes nicht zuständig ist.

60.      Für den Fall, dass der Gerichtshof in Anbetracht der Komplexität der in Frage stehenden steuerlichen Vorschriften und der von dem österreichischen Gericht geäußerten Zweifel es jedoch für angebracht halten sollte, die Frage zu beantworten, wäre diese allerdings meines Erachtens zu verneinen.

61.      Ich bin nämlich der Ansicht, dass eine inländische steuerliche Regelung, die es einem Steuerpflichtigen, der Dividenden ausländischer Gesellschaften bezieht, erlaubt, auf die inländische Einkommensteuer für natürliche Personen anteilig die Steuer auf das Einkommen juristischer Personen anzurechnen, die im Ausland von der Gesellschaft, an der er beteiligt ist, gezahlt wird, eine nach Artikel 73b EG-Vertrag grundsätzlich verbotene Beschränkung des Kapitalverkehrs nach sich zieht, wenn diese Regelung eine steuerliche Vorzugsbehandlung für inländische Kapitalerträge zur Folge hat. Es ist aber Sache des innerstaatlichen Gerichts, zu prüfen, ob im vorliegenden Fall die Anwendung dieser Form der Anrechnung zu Nachteilen bei ausländischen Kapitalerträgen führt.

62.      Darüber hinaus füge ich hinzu, dass – anders als die österreichische und die dänische Regierung geltend machen – die eventuelle unterschiedliche Behandlung weder durch das Erfordernis der Kohärenz des Steuersystems noch durch das Erfordernis, Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der Staaten zu vermeiden, die eine niedrigere Besteuerung von Gesellschaften vorsehen, gerechtfertigt werden könnte. Dies gilt aus den Gründen, die ich bereits in den Nummern 39 bis 42 erläutert habe.

IV – Ergebnis

63.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof daher vor, die Vorabentscheidungsfragen des Verwaltungsgerichtshofes wie folgt zu beantworten:

1. Artikel 73b Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 Absatz 1 EG) in Verbindung mit Artikel 73d Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 58 Absatz 1 EG) steht einer Regelung der Art entgegen, wie sie in den §§ 37 und 97 EStG 1988 (BGBl. 1988/400) in der in BGBl. 1996/797 veröffentlichten Fassung vorgesehen ist, die es nur den Beziehern von inländischen Kapitalerträgen erlaubt, zwischen der besonderen Abgeltungsteuer und der normalen Einkommensteuer mit einer Ermäßigung des Steuersatzes um 50 % zu wählen, während sie vorsieht, dass für ausländische Kapitalerträge zwingend die normale Einkommensteuer ohne Ermäßigung des Steuersatzes gilt.

2. Dass den Beziehern ausländischer Kapitalerträge die genannte Möglichkeit, zwischen den beiden verschiedenen Formen der Besteuerung zu wählen, nicht eingeräumt wird, kann nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass die Erträge der Gesellschaften, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, in diesem Staat nur einer niedrigeren Besteuerung unterliegen.

3. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist für die Beantwortung der dritten vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. August 2002 vorgelegten Frage nicht zuständig.


1 – Originalsprache: Italienisch.


2 – Urteil vom 30. Mai 2002 in der Rechtssache C-516/99 (Schmid, Slg. 2002, I-4573).


3 – BGBl. 1988/400 in der aus dem BGBl. 1996/201 hervorgehenden Fassung.


4 – In der aus dem BGBl. 1996/797 hervorgehenden Fassung.


5 – In der aus dem BGBl. 1996/797 hervorgehenden Fassung.


6 – Schlussanträge vom 29. Januar 2002 in der Rechtssache C-516/99 (Schmid, Slg. 2002, I-4573, insbesondere I-4575).


7 – Urteil vom 26. September 2000 in der Rechtssache C-478/98 (Kommission/Belgien, Slg. 2000, I-7587, Randnr. 18); im gleichen Sinne Urteile vom 14. November 1995 in der Rechtssache C-484/93 (Svensson und Gustavsson, Slg. 1995, I-3955, Randnr. 10), vom 16. März 1999 in der Rechtssache C-222/97 (Trummer und Mayer, Slg. 1999, I-1661, Randnr. 26) und vom 14. Oktober 1999 in der Rechtssache C-439/97 (Sandoz, Slg. 1999, I-7041, Randnr. 19).


8 – Urteil vom 6. Juni 2000 in der Rechtssache C-35/98 (Verkooijen, Slg. 2000, I-4071, Randnr. 36).


9 – Urteil Verkooijen (Randnrn. 34 und 35).


10 – Artikel 73d Absatz 1 Buchstaben a und b.


11 – Urteil vom 14. März 2000 in der Rechtssache C-54/99 (Église de scientologie, Slg. 2000, I-1335, Randnr. 17).


12 – In diesem Sinne ist meines Erachtens das Urteil Verkooijen zu verstehen, in dem im Einklang mit der früheren Rechtsprechung des Gerichtshofes Folgendes bestätigt wird: „Schon vor Inkrafttreten … [dieser Vorschrift] konnten nämlich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes nationale steuerrechtliche Vorschriften der in diesem Artikel bezeichneten Art, die bestimmte Unterscheidungen, insbesondere nach dem Wohnort der Steuerpflichtigen, vorsahen, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sein, sofern sie auf Situationen angewandt wurden, die nicht objektiv vergleichbar (vgl. insbesondere Urteil vom 14. Februar 1995 in der Rechtssache C-279/93, Schumacker, Slg. 1995, I-225) oder durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses, insbesondere die Kohärenz der Steuerregelung, gerechtfertigt waren (Urteile vom 28. Januar 1992 in der Rechtssache C-204/90, Bachmann, Slg. 1992, I-249, und Kommission/Belgien, C-300/90, Slg. 1992, I-305)“ (Randnr. 43).


13 – Urteil vom 26. September 2000 in der Rechtssache C-478/98 (Kommission/Belgien, Slg. 2000, I-7587, Randnr. 41).


14 – Urteil vom 14. Dezember 1995 in den verbundenen Rechtssachen C-163/94, C-165/94 und C-250/94 (Sanz de Lera u. a., Slg. 1995, I-4821, Randnr. 23).


15 – §  97 Absatz 2 EStG.


16 – Urteile vom 28. Januar 1992 in der Rechtssache C-204/90 (Bachmann) und in der Rechtssache C-300/90 (Kommission/Belgien), zitiert in Fußnote 12.


17 – Urteil Verkooijen (Randnr. 56).


18 – Urteil Verkooijen (Randnr. 57), Hervorherbung von mir.


19 – Urteil Verkooijen (Randnr. 58).


20 – Dazu, dass eine steuerliche Benachteiligung, die gegen eine Grundfreiheit verstößt, nicht durch das Bestehen anderweitiger Steuervorteile gerechtfertigt werden kann, siehe Urteil Verkooijen, Randnr. 61. Siehe auch, was Artikel 43 EG angeht, die Urteile vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 270/83 (Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 273, Randnr. 21) und vom 27. Juni 1996 in der Rechtssache C-107/94 (Asscher, Slg. 1996, I-3089, Randnr. 53) und vor allem – in Bezug auf Artikel 49 EG – Urteil vom 26. Oktober 1999 in der Rechtssache C-294/97 (Eurowings Luftverkehr, Slg. 1999, I-7447, Randnrn. 43 bis 45).


21 – Siehe u. a. Urteile vom 15. Juni 1995 in den verbundenen Rechtssachen C-422/93 bis C-424/93 (Zabala Erasun u. a., Slg. 1995, I-1567, Randnr. 29) und vom 12. März 1998 in der Rechtssache C-314/96 (Djabali, Slg. 1998, I-1149, Randnrn. 17 bis 20).


22 – Insbesondere hat der Gerichtshof mehrfach entschieden, dass er „nicht über eine von einem nationalen Gericht zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage befinden [kann], wenn offensichtlich ist, dass die Auslegung oder die Beurteilung der Gültigkeit einer Gemeinschaftsvorschrift, um die das vorlegende Gericht ersucht, in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, [oder aber] wenn das Problem hypothetischer Natur ist“ (Urteil vom 13. Juli 2000 in der Rechtssache C-36/99, Idéal tourisme, Slg. 2000, I-6049, Randnr. 20). Siehe auch die Urteile vom 16. Juli 1992 in den Rechtssachen C-343/90 (Lourenço Dias, Slg. 1992, I-4673, Randnrn. 17 und 18) und C-83/91 (Meilicke, Slg. 1992, I-4871, Randnr. 25), vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache C-415/93 (Bosman, Slg. 1995, I-4921, Randnr. 61) und vom 9. März 2000 in der Rechtssache C-437/97 (EKW und Wein & Co., Slg. 2000, I-1157, Randnr. 52).