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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
FRANCIS G. JACOBS
vom 18. November 2004(1)


Rechtssache C-378/02



Waterschap Zeeuws Vlaanderen
gegen
Staatssecretaris van Financiën


„“






1.        In diesem Verfahren ersucht der Hoge Raad der Niederlande den Gerichtshof um die Auslegung der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie (2) (im Folgenden: Richtlinie), und zwar im Hinblick auf ihre Anwendung auf öffentliche Einrichtungen.

2.        Im Ausgangsverfahren errichtete ein niederländischer Wasserverband in seiner Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt eine Kläranlage. Später verkaufte er die Anlage an einen Dritten, von dem er sie gleichzeitig zurück mietete. Anschließend beantragte der Verband einen Steuerabzug im Wege der Berichtigung der Vorsteuer, die er für die Errichtung der Kläranlage entrichtet hatte.

3.        Das vorlegende Gericht möchte deshalb wissen, ob eine Einrichtung des öffentlichen Rechts nach Artikel 20 der Richtlinie ein Recht auf Berichtigung der Mehrwertsteuer hat, die beim Erwerb eines Investitionsgutes gezahlt worden ist, das diese Einrichtung für Tätigkeiten genutzt hat, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, wenn sie dieses Gut anschließend als Steuerpflichtiger verkauft.

4.        Das vorlegende Gericht fragt außerdem, ob eine Einrichtung des öffentlichen Rechts das Recht hat, einen Investitionsgegenstand, der teilweise für Tätigkeiten als Steuerpflichtiger und teilweise bei der Ausübung öffentlicher Gewalt verwendet wird, vollständig außerhalb des Betriebsvermögens zu belassen, wie dies bei steuerpflichtigen natürlichen Personen der Fall ist.

Rechtlicher Rahmen

5.        Nach Artikel 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher … gegen Entgelt ausführt“ der Mehrwertsteuer. Als Steuerpflichtiger gilt nach Artikel 4 Absatz 1, „wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt“.

6.        Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 1 bestimmt, dass „Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts … nicht als Steuerpflichtige [gelten], soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben“. Nach Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 2 gelten diese Einrichtungen jedoch als Steuerpflichtige, wenn sie solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, „sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde“. Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 4 sieht außerdem vor, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … die Tätigkeiten der vorstehend genannten Einrichtungen, die nach Artikel 13 oder 28 von der Steuer befreit sind, als Tätigkeiten behandeln [können], die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen“.

7.        Artikel 13 behandelt Befreiungen vom Mehrwertsteuersystem. Die Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken ist mit bestimmten Ausnahmen normalerweise auf Grund von Artikel 13 Teil B Buchstabe b von der Mehrwertsteuer befreit; das Gleiche gilt auf Grund von Artikel 13 Teil B Buchstabe g für die Lieferungen von Gebäuden und Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden. Allerdings erlaubt Artikel 13 Teil C den Mitgliedstaaten, ihren Steuerpflichtigen das Recht einzuräumen, für eine Besteuerung dieser Tätigkeiten zu optieren.

8.        Die Artikel 17 bis 20 betreffen den Vorsteuerabzug. Artikel 17 Absatz 1 bestimmt, dass „[d]as Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht“. Nach Artikel 17 Absatz 2 ist der Steuerpflichtige, „[s]oweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, … befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer … abzuziehen: … die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden“.

9.        Die Berichtigung der Vorsteuerabzüge wird in Artikel 20 behandelt, der, soweit von Belang, Folgendes bestimmt:

„(1)Der ursprüngliche Vorsteuerabzug wird nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten berichtigt, und zwar insbesondere:

a)wenn der Vorsteuerabzug höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war;

(2)Für Investitionsgüter wird eine Berichtigung vorgenommen, die sich auf einen Zeitraum von fünf Jahren einschließlich des Jahres, in dem die Güter erworben oder hergestellt wurden, erstreckt. Die jährliche Berichtigung betrifft nur ein Fünftel der Steuer, mit der diese Güter belastet waren. Die Berichtigung erfolgt unter Berücksichtigung der Änderungen des Anspruchs auf Vorsteuerabzug in den folgenden Jahren gegenüber dem Anspruch für das Jahr, in dem die Güter erworben oder hergestellt wurden.

Bei Grundstücken, die als Investitionsgüter erworben wurden, kann der Zeitraum für die Berichtigung bis auf zwanzig Jahre verlängert werden.

(3)Bei Lieferung eines Investitionsgutes innerhalb des Berichtigungszeitraums ist dieses so zu behandeln, als ob es bis zum Ablauf des Berichtigungszeitraums weiterhin für eine wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen verwendet worden wäre. Diese wirtschaftliche Tätigkeit gilt als steuerpflichtig, wenn die Lieferung des genannten Investitionsgutes steuerpflichtig ist; sie gilt als steuerfrei, wenn die Lieferung steuerfrei ist. Die Berichtigung wird in diesen Fällen für den gesamten noch verbleibenden Berichtigungszeitraum auf einmal vorgenommen.“

10.      Das niederländische Recht räumt Steuerpflichtigen das Recht ein, für eine Besteuerung zu optieren, was nach Artikel 13 Teil C zulässig ist. Es bestimmt auch, dass öffentlich-rechtliche Einrichtungen hinsichtlich der Übertragung von unbeweglichen Sachen und von Rechten hieran als Steuerpflichtige anzusehen sind.

Sachverhalt und Ausgangsverfahren

11.      Der Waterschap Zeeuws Vlaanderen (im Folgenden: WZV) ist in Teilen der Niederlande als Wasserverband tätig. Nach den einschlägigen nationalen Gesetzen ist er eine Einrichtung des öffentlichen Rechts. In seiner Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt ließ er eine Kläranlage errichten, die 1990 fertig gestellt wurde.

12.      Der WZV gestattete später zwei anderen Wasserverbänden, die Anlage ebenfalls zu nutzen. Die Kosten für den Umbau der Anlage wurden teilweise von diesen beiden Verbänden getragen, wie auch die Kosten, die regelmäßig infolge der Benutzung der Anlage durch diese anfielen. Aufgrund einer Absprache mit der Finanzverwaltung stellte der WZV – bei gleichzeitigem Verzicht auf Ausübung seines Rechts auf Vorsteuerabzug – für die weitergereichten Kosten keine Mehrwertsteuer in Rechnung.

13.      An dieser Stelle sollte ich darauf hinweisen, dass die Grundlage für diese Vereinbarung mit der Finanzverwaltung zwar unklar ist, dass sich Schwierigkeiten in dieser Hinsicht aber wohl kaum auf den in dieser Rechtssache zu beschreitenden Lösungsweg auswirken.

14.      1994 initiierte der WZV die Gründung einer Stiftung zur Förderung der Umwelt in seinem Bezirk, an die er die Kläranlage verkaufte. Am selben Tage vermietete die Stiftung die Kläranlage für die Dauer von neun Jahren an den WZV zurück.

15.      Sowohl der Verkauf als auch die Vermietung waren grundsätzlich steuerbefreite Vorgänge. Der WZV und die Stiftung machten jedoch jeweils von der Option auf Besteuerung Gebrauch, die ihnen nach dem niederländischen Recht offen stand. Deshalb wurde für beide Vorgänge Mehrwertsteuer fällig.

16.      Der WZV beantragte anschließend einen gemäß Artikel 20 der Richtlinie berichtigten Vorsteuerabzug für den Teil der Mehrwertsteuer, der für die ursprüngliche Errichtung der Anlage entrichtet worden war. Die Berichtigung wurde für fünf Zehntel der Gesamtsumme begehrt, da fünf Jahre des Zehnjahreszeitraums für die Berichtigung abgelaufen waren. Die Finanzverwaltung lehnte den Antrag des WZV ab.

17.      Der WZV erhob gegen diese Entscheidung Klage. Der Rechtsstreit ist nunmehr beim Hoge Raad anhängig, nachdem gegen die Entscheidung des Gerechtshof Amsterdam (regionales Berufungsgericht Amsterdam) Rechtsmittel eingelegt worden ist.

18.      Soweit die Finanzverwaltung davon ausging, dass die Lieferung der Anlage an die Stiftung kein steuerpflichtiger Vorgang gewesen sei, schließt sich der Hoge Raad der Rechtsmittelbegründung des WZV an. Es bestehe kein Zweifel, dass ein Träger öffentlicher Gewalt nach niederländischem Recht als Steuerpflichtiger handele, wenn er eine unbewegliche Sache übertrage, und der WZV habe zudem in dieser Eigenschaft von der ihm eingeräumten Option auf Besteuerung Gebrauch gemacht.

19.      Hinsichtlich der Frage, ob der WZV eine Berichtigung nach Artikel 20 Absatz 2 der Richtlinie verlangen könne, verweist der Hoge Raad auf das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Lennartz (3) . Er ist der Ansicht, dass der WZV dies nicht verlangen könnte, wenn dieses Urteil übertragbar wäre, da der Gerichtshof dort entschieden habe, dass Artikel 17 und nicht Artikel 20 Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug bestimme und das Bestehen eines Rechts auf Vorsteuerabzug allein davon abhänge, in welcher Eigenschaft eine Person zum Zeitpunkt des Erwerbs handele.

20.      Der Hoge Raad ist sich jedoch nicht sicher, ob das Urteil Lennartz, das eine natürliche Person betraf, die sowohl als Privatperson wie auch als Unternehmer handelte, auf eine Einrichtung des öffentlichen Rechts angewendet werden kann.

21.      Der Hoge Raad weist auch darauf hin, dass der Gerechtshof entschieden habe, dass eine Berichtigung der Vorsteuerabzüge nicht möglich gewesen sei, weil es der WZV unterlassen habe, die Anlage teilweise dem Betriebsvermögen zuzurechnen, als er mit der Finanzverwaltung vereinbart habe, keine Mehrwertsteuer für die Betriebskosten in Rechnung zu stellen, die er an die beiden anderen Wasserverbände, die die Anlage nutzten, weitergab. Nach Ansicht des Hoge Raad wirft diese Feststellung die Frage auf, ob die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu der dem Steuerpflichtigen eingeräumten Option, Investitionsgüter dem Privatvermögen oder dem Betriebsvermögen zuzuordnen, entsprechend auf Einrichtungen des öffentlichen Rechts angewendet werden könne.

22.      Der Hoge Raad hat deshalb entschieden, das bei ihm anhängige Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen vorzulegen:

1. Hat eine Einrichtung des öffentlichen Rechts in Bezug auf einen von ihr angeschafften Investitionsgegenstand, den sie gegen Entgelt einem Dritten liefert – wobei sie hinsichtlich dieser Lieferung als Steuerpflichtiger gilt – ein Recht auf Berichtigung der für die Anschaffung entrichteten Umsatzsteuer gemäß Artikel 20 (insbesondere Absätze 2 und 3) der Sechsten Richtlinie, soweit sie diesen Gegenstand im Rahmen der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Artikel 4 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie verwendet hat?

2.Hat eine Einrichtung des öffentlichen Rechts aufgrund der Sechsten Richtlinie das Recht, einen Investitionsgegenstand, der teilweise für Tätigkeiten als Steuerpflichtiger und teilweise bei der Ausübung öffentlicher Gewalt verwendet wird, vollständig außerhalb des Betriebsvermögens zu belassen, wie dies der Gerichtshof in Bezug auf steuerpflichtige natürliche Personen entschieden hat?

Erörterung

23.      Vorab sei angemerkt, dass einige Beteiligte sich in ihren Ausführungen vor dem Gerichtshof mit der Frage beschäftigen, ob der WZV die Anlage in seiner Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt errichtet hat. Es ist jedoch eindeutig Sache des nationalen Gerichts, diese Feststellung zu treffen. Hinsichtlich der Kriterien, die bei einer solchen Feststellung anzuwenden sind, sind dem Gerichtshof keine Fragen vorgelegt worden. Der richtige Lösungsweg wird allerdings im Urteil Lennartz (4) aufgezeigt, und die erste Vorlagefrage lässt darauf schließen, dass das nationale Gericht zu der Feststellung gelangt ist, dass der WZV die Anlage ursprünglich in seiner Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt errichtet hatte.

24.      Ein weiterer Punkt, der nicht angesprochen worden ist und der ohne ausführlichen Vortrag nicht angemessen geprüft werden kann, ist die Frage, ob nationale Vorschriften, nach denen sich eine öffentliche Einrichtung beim Erwerb von Investitionsgütern als nicht steuerpflichtig, bei deren Verkauf hingegen als steuerpflichtig behandeln lassen muss, als mit der Sechsten Richtlinie vereinbar angesehen werden können.

25.      Ich werde daher meine Erörterung auf die rechtlichen Fragestellungen beschränken, die tatsächlich in der Vorlageentscheidung aufgeworfen worden sind.

26.      Die erste Frage ist nach übereinstimmender Ansicht der Beteiligten und des vorlegenden Gerichts zu verneinen, falls das Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Lennartz (5) auf Einrichtungen des öffentlichen Rechts anwendbar ist, wenn diese Geschäfte im Hinblick auf ihre Tätigkeiten als Träger öffentlicher Gewalt vornehmen.

27.      Denn in der Rechtssache Lennartz wurde der Gerichtshof gefragt, ob die in Artikel 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie festgelegten Regeln für die Berichtigung der gezahlten Vorsteuer Anwendung finden, wenn der Steuerpflichtige die Gegenstände ursprünglich für ausschließlich private Zwecke erwirbt, sie aber irgendwann später innerhalb des Berichtigungszeitraums für unternehmerische Zwecke verwendet.

28.      Der Gerichtshof vertrat die Ansicht, dass, da das Recht auf Vorsteuerabzug entstehe, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entstehe, „das Bestehen eines Rechts auf Vorsteuerabzug allein davon [abhänge], in welcher Eigenschaft eine Person zu diesem Zeitpunkt [handele]“. Wie sich aus Artikel 17 Absatz 2 ergebe, sei der Steuerpflichtige, soweit er als solcher die Gegenstände für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt, die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für diese Gegenstände abzuziehen. Dagegen entstehe kein Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Steuerpflichtige die Gegenstände nicht für Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne von Artikel 4, sondern für seinen privaten Verbrauch verwende (6) .

29.      Auch wenn dieses Ergebnis in einigen Fallgestaltungen ein wenig hart in seinen Auswirkungen und nicht ganz in Übereinstimmung mit dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer erscheinen mag, so ist doch zuzugestehen, dass es sich aus dem Wortlaut des Artikels 17 Absätze 1 und 2 ergibt und eine gegenläufige Lösung ernste Probleme im Hinblick auf die Rechtssicherheit aufwerfen würde.

30.      Artikel 20 Absatz 2 legt nach Ansicht des Gerichtshofs lediglich das Verfahren für die Berechnung der Berichtigung des Vorsteuererstabzugs fest. Er könne daher kein Recht auf Vorsteuerabzug entstehen lassen oder die von einem Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit seinen nicht besteuerten Umsätzen entrichtete Steuer in eine abzugsfähige Steuer im Sinne von Artikel 17 verwandeln (7) .

31.      Die Niederlande und die Kommission meinen, dass das Urteil Lennartz analog auf eine Fallgestaltung übertragbar sei, bei der der ursprüngliche Erwerb nicht durch eine Person für den privaten Bedarf erfolge, sondern durch eine Einrichtung des öffentlichen Rechts für Aktivitäten, die dieser im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. In beiden Fällen sei der Erwerber kein Steuerpflichtiger hinsichtlich der Transaktion mit der Folge, dass auch kein Recht auf Vorsteuerabzug entstehe.

32.      Im Gegensatz hierzu argumentiert der WZV, dass eine Einrichtung des öffentlichen Rechts mit einem Steuerpflichtigen verglichen werden müsse, der eine steuerbefreite Leistung erbringe, und nicht mit einem Steuerpflichtigen, der Gegenstände für seine eigenen privaten Zwecke erwerbe.

33.      Meiner Ansicht nach vertreten die Niederlande und die Kommission zu Recht den Standpunkt, dass das Urteil Lennartz auch dann anwendbar sei, wenn der ursprüngliche Erwerb durch eine Einrichtung des öffentlichen Rechts für Tätigkeiten erfolge, die dieser im Rahmen öffentlicher Gewalt obliegen.

34.      Wie die Niederlande und die Kommission vortragen, erscheint es zutreffend, eine Analogie zwischen einer Einrichtung des öffentlichen Rechts, die als Träger öffentlicher Gewalt tätig wird, und einem Steuerpflichtigen, der Gegenstände für den privaten Bedarf erwirbt, zu ziehen. Beide fallen im Gegensatz zu einem Steuerpflichtigen, der eine steuerbefreite Lieferung vornimmt, gänzlich aus dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer heraus. Wer eine Anschaffung für den privaten Bedarf tätigt, übt keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie aus. In ähnlicher Weise legt Artikel 4 Absatz 5 der Richtlinie klar fest, dass Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige gelten, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Da sie keine Steuerpflichtigen sind, können ihre Transaktionen niemals ein Recht auf Vorsteuerabzug auslösen. Im Gegensatz hierzu befindet sich ein Steuerpflichtiger, der eine steuerbefreite Transaktion vornimmt, innerhalb des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer. Es entsteht nur deshalb kein Recht auf Vorsteuerabzug, weil – und nur so lange und so weit – die Lieferungen steuerbefreit sind.

35.      Wie die Kommission allerdings zutreffend anmerkt, unterscheidet sich ein Ausschluss von den Mehrwertsteuerregeln in Art und Wirkung von den Steuerbefreiungen in Abschnitt X der Richtlinie (8) . Wäre dies nicht der Fall, so gäbe es keinen Grund dafür, dass der letzte Untersatzabsatz des Artikels 4 Absatz 5 den Mitgliedstaaten erlaubt, bestimmte steuerbefreite Tätigkeiten in den Anwendungsbereich dieses Ausschlusstatbestands einzubeziehen.

36.      Der WZV vertritt die Ansicht, dass eine Wettbewerbsverzerrung die Folge wäre, wenn öffentlich-rechtliche Einrichtungen unter den Umständen, wie sie in der ersten Frage dargelegt worden sind, nicht die Möglichkeit zum Abzug der Mehrwertsteuer hätten. Solche Einrichtungen würden gegenüber Steuerpflichtigen, die die beim ursprünglichen Erwerb eines Investitionsgegenstandes zu entrichtende Mehrwertsteuer in Abzug bringen könnten, ungerechtfertigt benachteiligt. Der WZV verweist in diesem Zusammenhang auf Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 2, der vorsieht, dass Einrichtungen des öffentlichen Rechts, auch wenn sie als Träger öffentlicher Gewalt tätig werden, als Steuerpflichtige gelten, sofern andernfalls größere Wettbewerbsverzerrungen entstehen würden.

37.      Dieses Argument überzeugt mich nicht, auch wenn ich ihm Sympathie entgegenbringe.

38.      Es ist der Existenz von Ausnahmen vom Mehrwertsteuersystem eigen, dass diese bis zu einem gewissen Grad mit der Anwendung der Grundsätze der Neutralität und der Gleichbehandlung kollidieren. Was auch immer die Gründe für die Entscheidung waren, öffentlich-rechtliche Einrichtungen als Endverbraucher zu behandeln, sie bildet einen integralen Bestandteil der Richtlinie. Insofern und in vergleichbaren Fällen werden steuerpflichtige Personen und Personen, die vom Mehrwertsteuersystem ausgeschlossen sind, zwangsläufig unterschiedlich behandelt.

39.      Im Augenblick des Erwerbs wird ein Träger öffentlicher Gewalt als solcher einer Steuerbelastung unterworfen, die anderer Art ist als die, die für einen Steuerpflichtigen gilt. Der Träger öffentlicher Gewalt erwirbt eine Leistung zu einem Preis, der die Mehrwertsteuer einschließt, kann aber, anders als ein Steuerpflichtiger, keine Vorsteuer abziehen. Seine Mehrwertsteuerbelastung wird demnach im Augenblick des Erwerbs festgesetzt und ändert sich durch nachfolgende Ausgangsumsätze nicht.

40.      Trotzdem kann diese unterschiedliche Behandlung allein meines Erachtens nicht als Auslöser größerer Wettbewerbsverzerrungen im Sinne von Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie angesehen werden. Wenn dies der Fall wäre, würde fast jede Leistung, die von einer öffentlichen Einrichtung als solcher erbracht wird, von dieser Bestimmung erfasst werden.

41.      Der Sinn von Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 1 ist, Tätigkeiten von öffentlichen Einrichtungen, die in ihrer Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt tätig werden, grundsätzlich und mit allen möglichen Folgen, die dies nach sich zieht, vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer auszuschließen. Der Sinn von Artikel 4 Absatz 5 Unterabsatz 2 ist, größere Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, die im Vergleich zu den normalen Folgen des Ausschlusses notwendigerweise außergewöhnlich sein müssen, wenn der zweite Unterabsatz den ersten nicht völlig verdrängen soll. Die unterschiedliche Behandlung im vorliegenden Fall ist eine normale Folge des Ausschlusses und kann deshalb nicht von Unterabsatz 2 erfasst werden.

42.      Folglich muss eine Einrichtung wie der WZV im Hinblick auf Lieferungen oder Leistungen, die er im Zusammenhang mit Tätigkeiten im Rahmen der Ausübung öffentlicher Gewalt erwirbt, als Nicht-Steuerpflichtiger angesehen werden. Da ihr demnach kein Recht auf Vorsteuerabzug zusteht kann sich das Problem der Berichtigung des Vorsteuerabzugs, das in der ersten Frage des nationalen Gerichts angesprochen worden ist, nicht stellen.

43.      Da zudem der Status als öffentliche Einrichtung für die Zwecke der Mehrwertsteuer im Augenblick des Erwerbs bestimmt wird, kann die nachfolgende Verwendung der erworbenen Lieferung oder Leistung an diesem Status nichts mehr ändern. Aufgrund der vom vorlegenden Gericht getroffenen Feststellung, dass der WZV die Anlage in seiner Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt errichtet hatte, ist die zweite Frage folglich nicht zu prüfen.

Ergebnis

44.      Demgemäß beantrage ich aus den oben genannten Gründen, die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, die einen Investitionsgegenstand erwirbt und diesen später gegen Entgelt einem Dritten liefert, wobei sie als Steuerpflichtiger handelt, hat nur insoweit einen Anspruch auf Berichtigung der beim Erwerb entrichteten Mehrwertsteuer nach Artikel 20 der Richtlinie 77/388/EWG des Rates, als sie auch beim anfänglichen Erwerb des Gegenstands als Steuerpflichtiger gehandelt hat.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1).


3 – Urteil des Gerichtshofes vom 11. Juli 1991 in der Rechtssache C-97/90 (Lennartz, Slg. 1991, I-3795, insbesondere Randnrn. 8 und 11).


4 – Vgl. Randnr. 21 des Urteils.


5 – Angeführt in Fußnote 3.


6 – Randnrn. 8 und 9 des Urteils.


7 – Randnr. 12 des Urteils.


8 – Vgl. z. B. in der Rechtssache C 45/95 (Kommission/Italien, Slg. 1997, I-3605) die Randnr. 20 des Urteils und die Nrn. 42 ff. des Generalanwalts Ruiz-Jarabo.