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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
ANTONIO TIZZANO
vom 11. November 2004(1)


Rechtssache C-25/03



Finanzamt Bergisch Gladbach
gegen
HE


(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs [Deutschland])

„Mehrwertsteuer – Sechste Richtlinie 77/388/EWG – Wohnhaus – Errichtung zu gemeinschaftlichem Erwerb durch zwei Ehegatten – Verwendung eines Teils als Arbeitszimmer durch einen der Ehegatten – Steuerpflichtiger – Möglichkeit des Vorsteuerabzugs – Rechnungserfordernisse“






1.        Mit Beschluss vom 29. August 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Januar 2003, hat der Bundesfinanzhof dem Gerichtshof vier Fragen nach der Auslegung der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (im Folgenden: Sechste Richtlinie) (2) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.        Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob und, wenn ja, in welchem Maße ein Steuerpflichtiger, der zusammen mit seinem Ehegatten ein Wohnhaus gebaut oder errichtet hat, von der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer die Mehrwertsteuer als Vorsteuer abziehen kann, die für den Erwerb oder die Errichtung desjenigen Teils des Wohnhauses entrichtet wurde, den er zur Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit nutzt.

I – Rechtlicher Rahmen

A – Gemeinschaftsrecht

3.        Mit der vorliegenden Rechtssache werden einige Bestimmungen der Sechsten Richtlinie in Erinnerung gerufen, die den Begriff des Mehrwertsteuerpflichtigen bestimmen (Artikel 4) sowie das Recht auf Vorsteuerabzug (Artikel 17) und die Einzelheiten der Ausübung dieses Rechts (Artikel 18 und 22) festlegen.

4.        Artikel 4 bestimmt:

„(1)        Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

(2)        Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.

...“

5.        Zum Recht auf Vorsteuerabzug sieht Artikel 17 Absatz 2 vor:

„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a)       die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden; (3)

…“

6.        Zu den Einzelheiten der Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug bestimmt schließlich Artikel 18:

„(1)   Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige

a)über die nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a abziehbare Steuer eine nach Artikel 22 Absatz 3 ausgestellte Rechnung besitzen;

...“

7.        Artikel 22 Absatz 3 sieht vor:

„a)Jeder Steuerpflichtige hat für Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die er an einen anderen Steuerpflichtigen bewirkt, eine Rechnung oder ein an deren Stelle tretendes Dokument auszustellen und ein Doppel dieser Dokumente aufzubewahren.

...

b)Die Rechnung muss getrennt den Preis ohne Steuer und den auf die einzelnen Steuersätze entfallenden Steuerbetrag sowie gegebenenfalls die Steuerbefreiung ausweisen.

c)Die Mitgliedstaaten legen die Kriterien fest, nach denen ein Dokument als Rechnung betrachtet werden kann.“ (4)

B – Nationales Recht

8.        Im vorliegenden Fall sind die §§ 14 und 15 Umsatzsteuergesetz (UStG) in ihrer von 1991 bis 1993 geltenden Fassung einschlägig.

9.       § 14 – Ausstellung von Rechnungen – sieht vor:

„(1)   Führt der Unternehmer steuerpflichtige Lieferungen oder sonstige Leistungen nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 und 3 aus, so ist er berechtigt und, soweit er die Umsätze an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausführt, auf Verlangen des anderen verpflichtet, Rechnungen auszustellen, in denen die Steuer gesondert ausgewiesen ist. Diese Rechnungen müssen die folgenden Angaben enthalten:

1.den Namen und die Anschrift des leistenden Unternehmers,

2.den Namen und die Anschrift des Leistungsempfängers,

3.die Menge und die handelsübliche Bezeichnung des Gegenstandes der Lieferung oder die Art und den Umfang der sonstigen Leistung,

4.den Zeitpunkt der Lieferung oder der sonstigen Leistung,

5.das Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) und

6.den auf das Entgelt (Nummer 5) entfallenden Steuerbetrag.

…“ (5)

10.     § 15 – Vorsteuerabzug – bestimmt:

„(1)   Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.die in Rechnungen im Sinne des § 14 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. ...“ (6)

II – Sachverhalt und Verfahren

11.      Das Ausgangsverfahren ist durch die Entscheidung des Finanzamts Bergisch Gladbach (im Folgenden: Finanzamt) ausgelöst worden, Herrn HE (im Folgenden: Kläger) die Möglichkeit zu versagen, von der von ihm gegenüber der Steuerverwaltung geschuldeten Mehrwertsteuer den Mehrwertsteuerbetrag als Vorsteuer abzuziehen, der für die Errichtung desjenigen Teils seines gemeinsam mit seiner Ehefrau erworbenen Hauses entrichtet wurde, den er zum beruflich genutzten Arbeitszimmer bestimmt hat.

12.      Nach dem Vorlagebeschluss erwarben die Eheleute HE Ende 1990 ein Grundstück, an dem der Kläger zu einem Viertel und seine Ehefrau zu drei Vierteln Miteigentum hatten.

13.      Danach beauftragten die Eheleute verschiedene Unternehmen mit der Errichtung eines Wohnhauses auf diesem Grundstück. Nach dem Vortrag des Klägers in der Sitzung waren die Eigentumsanteile an diesem Wohnhaus zwischen ihm und seiner Ehefrau im gleichen Verhältnis verteilt wie das Eigentum an dem Grundstück, auf dem es errichtet wurde, nämlich zu einem Viertel und drei Vierteln.

14.      Alle Rechnungen der Bauunternehmer waren an die „Eheleute HE“ gerichtet.

15.      Aus dem Vorlagebeschluss geht weiter hervor, dass der Kläger neben seiner hauptberuflichen nichtselbständigen Tätigkeit einer Nebentätigkeit als selbständiger Fachschriftsteller nachging, für deren Ausübung er einen Raum im Einfamilienhaus benutzte. Da dieser Raum 12 % der Gesamtfläche des Hauses ausmachte, zog der Kläger in seinen Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1991 bis 1993 von der geschuldeten Mehrwertsteuer einen Betrag als Vorsteuer ab, der 12 % der für den Bau dieses Hauses entrichteten Mehrwertsteuer entsprach.

16.      Das Finanzamt lehnte diesen Vorsteuerabzug jedoch ab, da seiner Ansicht nach nicht der Kläger, sondern die von den beiden Eheleuten gebildete Bruchteilsgemeinschaft, auf die die Baurechnungen ausgestellt waren, Bauherr und Leistungsempfänger gewesen sei. Diese Gemeinschaft sei selbst nicht unternehmerisch tätig und habe daher kein Recht auf Vorsteuerabzug.

17.      Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger beim Finanzgericht Klage.

18.      Das Finanzgericht, das der Klage teilweise stattgab, hielt die Bezeichnung der Adressaten in den Rechnungen im Gegensatz zum Finanzamt für unschädlich und sah den Kläger als tatsächlichen Empfänger der Bauleistungen in Bezug auf das Arbeitszimmer an; demgemäß erkannte es dem Kläger ein Recht auf Abzug eines Teils der für diese Leistungen entrichteten Mehrwertsteuer zu. Der Kläger sei jedoch nur zu einem Viertel Eigentümer des Grundstücks und damit des mit diesem verbundenen Arbeitszimmers. Daher könne der Vorsteuerabzugsbetrag nicht, wie der Kläger beantrage, auf 12 % der für den Bau des Hauses entrichteten Mehrwertsteuer, sondern nur auf ein Viertel dieses Prozentsatzes festgesetzt werden.

19.      Dieses Urteil wurde sowohl vom Finanzamt als auch vom Kläger vor dem Bundesfinanzhof angefochten, der somit vor die Wahl zwischen zwei einander diametral entgegengesetzten Auffassungen gestellt wurde.

20.      Das Finanzamt vertritt die Auffassung, mangels weiterer Anhaltspunkte im Zusammenhang mit der Auftragserteilung und der Ausstellung der Rechnungen sei nur die Gemeinschaft der Eheleute als Empfänger der Bauleistungen für das Haus im Sinne von § 15 UStG anzusehen. Daher könne ein einzelner Miteigentümer die für diesen Bau entrichtete Mehrwertsteuer auch nicht anteilig als Vorsteuer abziehen.

21.      Demgegenüber hält sich der Kläger für berechtigt, den Vorsteuerabzug vorzunehmen. Im Gegensatz zur Entscheidung im erstinstanzlichen Urteil erstrecke sich dieses Recht auf den gesamten in Bezug auf den Bau des Arbeitszimmers entrichteten Mehrwertsteuerbetrag, der 12 % der insgesamt entrichteten Mehrwertsteuer entspreche. Dieser Teil des Hauses stehe allein ihm zur Nutzung zu, so dass er insoweit als alleiniger Auftraggeber anzusehen sei.

22.      Nach den Darlegungen des Bundesfinanzhofs bietet das nationale Recht eine Lösung für das genannte Problem an. So gelte nach seiner Rechtsprechung Folgendes:

–Bei gemeinschaftlicher Auftragserteilung durch mehrere Personen, die gemeinschaftlich verbunden seien, aber keine (umsatzsteuerrechtlich) eigenständige Rechtsperson (Personen- oder Kapitalgesellschaft) darstellten, gelte jeder der Gemeinschafter anteilig als Leistungsempfänger, sofern nichts anderes vereinbart sei (7) .

–Zur Zeit der maßgeblichen Vorgänge habe es für das Recht auf Vorsteuerabzug für die Anschaffung und Ausstattung „ein[es] zur Wohnung gehörende[n], aber vom übrigen Wohnbereich abgetrennte[n] Raum[es], der ausschließlich oder nahezu ausschließlich zu betrieblichen und/oder beruflichen Zwecken benutzt wird“ (d. h. eines häuslichen Arbeitszimmers) (8) , keine ausdrückliche Begrenzung gegeben.

–Werde ein Gegenstand gemeinschaftlich erworben, der von einem der Gemeinschafter im eigenen Unternehmen genutzt werde, so stehe dem Unternehmer der Vorsteuerabzug entsprechend seinem Anteil an der Gemeinschaft zu (9) .

–Eine Rechnungsausstellung, wie sie bei den an die Eheleute HE gerichteten Rechnungen erfolgt sei, stehe dem Vorsteuerabzug nicht entgegen (10) .

23.      Da der Bundesfinanzhof jedoch Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Lösung mit der Auslegung der Sechsten Richtlinie hat, hat er dem Gerichtshof gemäß Artikel 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.Handelt jemand, der für eigene Wohnzwecke ein Wohnhaus erwirbt oder errichtet, bei Erwerb oder Errichtung des Wohnhauses als Steuerpflichtiger, wenn er einen Raum des Gebäudes als so genanntes häusliches Arbeitszimmer für eine selbständige nebenberufliche Tätigkeit verwenden will?

Falls Frage 1 bejaht wird:

2.Ist bei gemeinsamer Bestellung eines Investitionsgegenstands durch eine Bruchteils- oder Ehegattengemeinschaft, die selbst nicht unternehmerisch tätig ist, von einem Erwerb durch einen Nichtsteuerpflichtigen, der nicht zum Vorsteuerabzug der auf den Erwerb fallenden Mehrwertsteuer berechtigt ist, auszugehen, oder sind die Gemeinschafter Leistungsempfänger?

Sofern Frage 2 bejaht wird:

3.Steht das Recht auf Vorsteuerabzug bei Erwerb eines Investitionsguts durch Ehegatten in Bruchteilsgemeinschaft, wenn der Gegenstand nur von einem der Gemeinschafter für seine unternehmerischen Zwecke verwendet wird,

a)diesem einen Gemeinschafter nur für den proportional auf seinen Anteil als Erwerber entfallenden Vorsteuerbetrag zu oder

b)steht dem Gemeinschafter gemäß Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie 77/388/EWG der Vorsteuerbetrag zu, der auf den Anteil seiner unternehmerischen Verwendung des gesamten Gegenstands entfällt (vorbehaltlich der Rechnungsvoraussetzungen gemäß Frage 4)?

4.Bedarf es zur Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug gemäß Artikel 18 der Richtlinie 77/388 einer Rechnung im Sinne von Artikel 22 Absatz 3 der Richtlinie 77/388, die auf diesen Ehegatten/Gemeinschafter allein – und mit den auf ihn proportional entfallenden Entgelts- und Steuerbeträgen – ausgestellt ist, oder reicht die an die Gemeinschafter/Ehegatten ohne solche Aufteilung ausgestellte Rechnung aus?

24.      In dem daraufhin vom Gerichtshof eingeleiteten Verfahren haben der Kläger, das Finanzamt und die Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht. Der Kläger und die Kommission sind sodann vom Gerichtshof in der Sitzung vom 23. September 2004 angehört worden.

III – Rechtliche Beurteilung

25.      Wie wir gesehen haben, legt das nationale Gericht vier Fragen vor, die den Fall des Erwerbs oder der Errichtung eines Wohnhauses durch zwei Ehegatten betreffen, von dem ein Teil von einem der Ehegatten als Arbeitszimmer für die Ausübung der eigenen beruflichen Tätigkeit genutzt wird.

Standpunkte der Parteien

26.      Zur Beantwortung dieser Fragen vertritt das Finanzamt, das sich vor allem auf die innerstaatlichen steuerrechtlichen Vorschriften bezieht, die Auffassung, im Fall des Erwerbs oder der Errichtung eines Gebäudes durch mehrere Personen, die gemeinschaftlich verbunden seien, aber keine eigenständige Rechtsperson darstellten, könne ein einzelner Gemeinschafter das Recht auf Vorsteuerabzug nur geltend machen, wenn er i) beim Abschluss des Kaufvertrags oder bei der Erteilung des Auftrags den Teil des Gegenstands, dessen Nutzung er seinem eigenen Unternehmen vorbehalte, genau bezeichnet habe und ii) sich für den betreffenden Umsatz eine Rechnung habe ausstellen lassen, in der der auf ihn entfallende Entgelt- und Steueranteil ausgewiesen sei. Nur dann sei ersichtlich, ob und, wenn ja, in welchem Umfang der einzelne Gemeinschafter Empfänger der steuerpflichtigen Leistung sei.

27.      Anderer Ansicht sind dagegen der Kläger und die Kommission, die aus den von mir im Laufe meiner Beurteilung noch anzuführenden Gründen zu folgenden Schlussfolgerungen gelangen:

–Wer ein Gebäude für Wohnzwecke erwerbe oder errichte, handele als Steuerpflichtiger, wenn er einen Raum des Gebäudes als Arbeitszimmer für die eigene berufliche Tätigkeit verwende und dieses Arbeitszimmer dem Vermögen seines Unternehmens zuordne.

–Erwerben mehrere Personen, die zwar gemeinschaftlich verbunden seien, aber keine eigenständige Rechtsperson, die selbst unternehmerisch tätig sei, darstellten, ein Investitionsgut, so seien alle einzelnen Gemeinschafter als Leistungsempfänger anzusehen.

–Erwerben zwei Ehegatten gemeinschaftlich ein Investitionsgut, das nur von einem von ihnen für berufliche Zwecke genutzt werde, stehe diesem Ehegatten das Recht auf Vorsteuerabzug der entrichteten Mehrwertsteuer zu, die auf den Teil des Gutes entfalle, den er für sein Unternehmen verwende.

28.      Im letztgenannten Punkt weichen die Auffassungen des Klägers und der Kommission teilweise voneinander ab. Nach Ansicht der Kommission ist das Recht auf Vorsteuerabzug der auf den beruflich genutzten Anteil des Gutes entfallenden Mehrwertsteuer davon abhängig, dass der Ehegatte, der die mehrwertsteuerpflichtige Tätigkeit ausübe, nach dem nationalen Recht über das ganze Investitionsgut wie ein Eigentümer verfügen könne. Bei anderer Ausgestaltung des nationalen Rechts stehe dem Ehegatten hingegen das Recht auf Vorsteuerabzug nur für den auf seinen Miteigentumsanteil entfallenden Betrag zu.

29.      Kläger und Kommission stimmen jedoch darin überein, dass das Recht auf Vorsteuerabzug dem Ehegatten, der die mehrwertsteuerpflichtige Tätigkeit ausübe, nicht mit der Begründung abgesprochen werden könne, dass er nur eine Rechnung besitze, die auf beide Ehegatten ausgestellt sei und keine Angaben über die seinem Gemeinschafteranteil entsprechenden Entgelts- und Steuerbeträge enthalte.

Zur Feststellung des Leistungsempfängers im Fall der gemeinschaftlichen Errichtung oder des gemeinschaftlichen Erwerbs eines Investitionsguts (zweite Frage)

30.      Bei der Beantwortung der Fragen des vorlegenden Gerichts ist meiner Ansicht nach von der zweiten Frage auszugehen und demgemäß zunächst zu prüfen, ob, wenn mehrere Personen, die zu einer Bruchteils- oder Ehegattengemeinschaft verbunden sind, die selbst nicht unternehmerisch tätig ist, einen Investitionsgegenstand bestellen, die Gemeinschaft als solche oder die einzelnen Gemeinschafter Empfänger der bestellten Leistung sind.

31.      Wie wir gesehen haben, hat der Bundesfinanzhof klargestellt, dass nach seiner Rechtsprechung in einem solchen Fall jeder der Gemeinschafter anteilig als Leistungsempfänger anzusehen sei, sofern nichts anderes vereinbart sei (siehe oben, Nr. 22).

32.      Diese Lösung verstößt meines Erachtens nicht gegen die Sechste Richtlinie und das mit dieser eingeführte gemeinsame Mehrwertsteuersystem.

33.      Bekanntlich sieht dieses System nämlich vor, dass die Mehrwertsteuer bei allen steuerbaren Umsätzen nur abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet wird, der die verschiedenen Kostenelemente der Gegenstände und Dienstleistungen unmittelbar belastet hat. Der Mechanismus des Vorsteuerabzugs ist seinerseits so ausgestaltet, dass allein die Steuerpflichtigen befugt sind, von der von ihnen geschuldeten Mehrwertsteuer die Mehrwertsteuer abzuziehen, mit der die Gegenstände und Dienstleistungen bereits vorher belastet worden sind.

34.      In diesem Zusammenhang ist Artikel 4 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie zu sehen, der denjenigen als Steuerpflichtigen definiert, der „eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis“.

35.      Außerdem gilt nach Artikel 17 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie, dass „[d]as Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht“, und dass der Steuerpflichtige, „[s]oweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ... befugt [ist], von der von ihm geschuldeten Steuer ... die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen [abzuziehen], die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden“.

36.      Aus den angeführten Gesichtspunkten ist abzuleiten, dass „der Unternehmer durch die Regelung über den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden soll“. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet also, dass „alle wirtschaftlichen Tätigkeiten, sofern sie der Mehrwertsteuer unterliegen, unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis in völlig neutraler Weise steuerlich belastet werden“ (11) .

37.      Danach scheint mir die Kommission den zutreffenden Schluss aus den vorstehenden Erwägungen gezogen zu haben, dass die von den Eheleuten HE gebildete Bruchteilsgemeinschaft nicht als Steuerpflichtiger, der Empfänger der Bauleistungen für das Gebäude ist, angesehen werden kann.

38.      Diese Gemeinschaft hat nämlich, worauf auch das vorlegende Gericht hinweist, keine Rechtspersönlichkeit und ist, da sie als solche keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, kein Steuerpflichtiger im Sinne von Artikel 4 Absatz 1. Folglich hat sie unter dem Gesichtspunkt der Mehrwertsteuer keine eigenständige Bedeutung und steht nicht zwischen den Erbringern der Bauleistungen und den beiden Ehegatten, die somit als die wirklichen Empfänger dieser Leistungen anzusehen sind.

39.      Diese Lösung steht, wie die Klägerin zutreffend vorträgt, auch in Einklang mit dem vorstehend genannten Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer. Wenn man nämlich annähme, dass Leistungsempfänger die Gemeinschaft ist, die keine Rechtspersönlichkeit besitzt, kein Steuerpflichtiger ist und daher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, so würde dies darauf hinauslaufen, dass dem einzelnen Gemeinschafter, der eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, jede Möglichkeit der Vornahme des vorgesehenen Vorsteuerabzugs genommen würde, so dass er mit der im Rahmen seiner Tätigkeit entrichteten Mehrwertsteuer belastet bliebe.

40.      Aus den oben dargelegten Gründen meine ich, dass, wenn mehrere Personen, die zu einer Bruchteils- oder Ehegattengemeinschaft verbunden sind, die keine Rechtspersönlichkeit hat und selbst nicht unternehmerisch tätig ist, einen Gegenstand bestellen, die einzelnen Gemeinschafter und nicht die Gemeinschaft als solche die Empfänger der Leistung sind.

Zur Steuerpflichtigeneigenschaft einer Person, die ein Wohnhaus zu Wohnzwecken errichtet oder erwirbt und es zum Teil für berufliche Zwecke nutzt (erste Frage)

41.      Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine Person, die ein Wohnhaus zu Wohnzwecken errichtet oder erwirbt, als Steuerpflichtiger handelt, wenn sie einen Raum des Hauses als Arbeitszimmer für eine selbständige nebenberufliche Tätigkeit verwenden will.

42.      Hierzu weise ich erneut darauf hin, dass nach Artikel 4 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie als Steuerpflichtiger gilt, „wer eine [wirtschaftliche Tätigkeit] selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis“, und dass der Mechanismus des Vorsteuerabzugs so ausgestaltet ist, dass allein die Personen, die die Steuerpflichtigeneigenschaft besitzen, „befugt sind, von der von ihnen geschuldeten Mehrwertsteuer die Mehrwertsteuer abzuziehen, mit der die Gegenstände bereits vorher belastet worden sind“ (12) .

43.      Weiter erinnere ich mit der Kommission daran, dass nach den Ausführungen des Gerichtshofes im Urteil Lennartz „eine Person, die Gegenstände für Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne von Artikel 4 erwirbt, dies ... als Steuerpflichtiger tut“ und dass zur Beurteilung der Frage, ob im Einzelfall die Gegenstände für diese Zwecke erworben wurden, „[alle] Gegebenheiten des Sachverhalts [zu berücksichtigen sind], zu denen die Art der betreffenden Gegenstände und der zwischen dem Erwerb der Gegenstände und ihrer Verwendung für Zwecke der wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen liegende Zeitraum gehören“ (13) .

44.      Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich nun, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum (1991 – 1993) nebenberuflich der Tätigkeit eines Fachschriftstellers nachging und dass er zur Ausübung dieser Tätigkeit, die ohne weiteres eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, einen Teil des zusammen mit seiner Ehefrau erworbenen Gebäudes, und zwar seit dessen Übergabe, allein genutzt hat (14) . Angesichts dieser Tatsachenfeststellungen des vorlegenden Gerichts meine ich daher, dass der Kläger, als er das Gebäude erworben hat, nach der oben genannten Rechtsprechung als Steuerpflichtiger im Sinne von Artikel 4 der Sechsten Richtlinie gehandelt hat.

45.      Dagegen ließe sich nicht etwa einwenden, dass die Steuerpflichtigeneigenschaft deshalb zu verneinen sei, weil der Kläger nur einen Teil des Gebäudes für diese Tätigkeit genutzt habe.

46.      Die Kommission und der Kläger haben nämlich gerade darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ein Steuerpflichtiger dann, wenn er „ein Investitionsgut ... sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke erwirbt“, wählen kann, ob er es i) „als [Gegenstand] des Unternehmens behandelt ..., hinsichtlich (dessen) die Mehrwertsteuer grundsätzlich voll abziehbar ist“, ii) „in vollem Umfang in seinem Privatvermögen [belässt] und dadurch vollständig dem Mehrwertsteuersystem [entzieht]“ oder iii) (wie der Kläger es im vorliegenden Fall getan hat) nur hinsichtlich des Teils in sein Unternehmen integriert, der der beruflichen Nutzung zugeordnet ist (15) .

47.      Die Entscheidung, einen Gegenstand nur zum Teil für die eigene berufliche Tätigkeit zu verwenden, stellt also kein Kriterium dar, das geeignet wäre, dem Erwerber des Gegenstands die Steuerpflichtigeneigenschaft zu nehmen. Es handelt sich dabei vielmehr um eine Möglichkeit, die das System der Sechsten Richtlinie den Steuerpflichtigen gerade einräumt, um sicherzustellen, dass diese „die Belastung durch die Mehrwertsteuer nur tragen [müssen], wenn [diese Belastung] Gegenstände oder Dienstleistungen betrifft, die [sie] für [ihren] Eigenverbrauch und nicht für [ihre] steuerbare unternehmerische Tätigkeit verwende[n]“ (16) .

48.      Aus den vorstehend dargelegten Gründen meine ich daher, dass eine Person, die nebenberuflich eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 4 der Sechsten Richtlinie ausübt, bei der Errichtung oder beim Erwerb eines Wohnhauses für Wohnzwecke als Steuerpflichtiger handelt, wenn sie einen Teil des Hauses der Ausübung dieser Tätigkeit zuordnet und dementsprechend nutzt.

Zum Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug (dritte Frage)

49.      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob bei einem Erwerb eines Gegenstands durch Ehegatten in Bruchteilsgemeinschaft, von dem ein Teil durch einen der Gemeinschafter zur Ausübung seiner eigenen selbständigen Erwerbstätigkeit genutzt wird, diesem ein Recht auf Abzug der Vorsteuer zusteht, die i) dem Steuerbetrag entspricht, der für den Bau dieses von ihm genutzten Teils des Gegenstands entrichtet wurde (dritte Frage, Lösungsalternative b), oder ii) einem dem Miteigentumsanteil entsprechenden Bruchteil der Steuer entspricht, die für den Bau des genutzten Teils des Gegenstands entrichtet wurde (dritte Frage, Lösungsalternative a).

50.      Ich verstehe den Bundesfinanzhof so, dass er bei Anwendung seiner eigenen Rechtsprechung der letztgenannten Lösung folgen und daher dem Gemeinschafter das Recht auf Vorsteuerabzug im Umfang seines Anteils an der Gemeinschaft zuerkennen würde. Das würde natürlich eine Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung bedeuten, in der das Finanzgericht die Höhe des Vorsteuerabzugs nicht auf 12 % der für die Errichtung des Hauses entrichteten Mehrwertsteuer (d. h. der Mehrwertsteuer, die insgesamt für den Bau des Arbeitszimmers entrichtet wurde), sondern nur auf ein Viertel dieser 12 % festgesetzt hat.

51.      Insoweit erinnere ich erneut daran, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ein Steuerpflichtiger, der „ein Investitionsgut ... sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke erwirbt“, drei Wahlmöglichkeiten hat: Er kann entweder i) „[dieses Gut] als [Gegenstand] des Unternehmens [behandeln], hinsichtlich [dessen] die Mehrwertsteuer grundsätzlich voll abziehbar ist“, oder ii) „[es] in vollem Umfang in seinem Privatvermögen ... belassen“, so dass dann „kein Teil der bei Erwerb des Gutes ... abgeführten Vorsteuer abziehbar [ist]“, oder aber iii) das Gut, wie es der Kläger im Ausgangsverfahren getan hat, dem Unternehmen nur zum Teil zuordnen; in diesem Fall halte ich die Auffassung für richtig, dass das Recht auf Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a nur den Teil des Gegenstands erfasst, der dem Anteil der beruflichen Nutzung im Verhältnis zur privaten Nutzung dieses Gegenstands entspricht (17) .

52.      Ist diese Lösungsalternative – bei der angenommen wird, dass der gemischt genutzte Gegenstand im ausschließlichen Eigentum des Steuerpflichtigen steht – zutreffend, so ist bei Zugrundelegung des in Rede stehenden, anders gelagerten Falles, in dem der Betreffende nur Miteigentümer ist, meiner Ansicht nach davon auszugehen, dass diesem entsprechend den Ausführungen des Bundesfinanzhofs ein Recht auf Vorsteuerabzug zusteht, das seinem Miteigentumsanteil an dem für das Unternehmen verwendeten Teil des Gegenstands entspricht.

53.      Hierfür möchte ich zwei Gründe anführen. Erstens scheint mir diese Lösung mit dem mehrmals genannten Grundsatz der steuerlichen Neutralität in Einklang zu stehen. Der Gemeinschafter wird die Mehrwertsteuer für die Errichtung oder den Erwerb des beruflich genutzten Teils des Gegenstands vermutlich nur anteilig gezahlt haben. Er sollte daher auch nur anteilig in Bezug auf die für diesen Teil des Gegenstands entrichtete Mehrwertsteuer entlastet werden.

54.      Im vorliegenden Fall hat der Kläger erklärt, er sei nur zu einem Viertel Miteigentümer des Gebäudes und damit auch seines beruflich genutzten Teils (des Arbeitszimmers). Es kann daher vermutet werden, dass er die Mehrwertsteuer für den Bau des Arbeitszimmers ebenfalls nur anteilig, nämlich zu einem Viertel, gezahlt hat und dass die verbleibenden drei Viertel von seiner Ehefrau gezahlt worden sind. Entsprechend dürfte er auch in Bezug auf die Errichtung des übrigen, für Wohnzwecke verwendeten Teils des Hauses die Mehrwertsteuer nur anteilig (zu einem Viertel) entrichtet haben.

55.      Wenn dem so ist, kann der Kläger meines Erachtens nach dem Neutralitätsgrundsatz nicht die insgesamt (von ihm und seiner Ehefrau) für die Errichtung des Arbeitszimmers entrichtete Mehrwertsteuer, sondern nur ein Viertel davon als Vorsteuer abziehen. Denn andernfalls würde er als Vorsteuer mehr Mehrwertsteuer abziehen, als er tatsächlich für das Arbeitszimmer gezahlt hat, und würde damit praktisch hinsichtlich eines Teils von der Mehrwertsteuer befreit werden, den er nicht als ein eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit Ausübender, sondern als Privatverbraucher für den für Wohnzwecke bestimmten übrigen Teil des Gebäudes an die Staatskasse gezahlt hat.

56.      Die vorgeschlagene Lösung scheint mir zweitens auch mit dem Gleichheitssatz in Einklang zu stehen. Während nämlich nach der oben angeführten Rechtsprechung eine Person, die alleiniger Eigentümer eines gemischt genutzten Investitionsguts ist und dieses zum Teil ihrem Unternehmen zuordnet, die für den Erwerb (oder die Errichtung) dieses Gutes entrichtete Mehrwertsteuer entsprechend dem Anteil der Nutzung dieses Gutes zu beruflichen Zwecken als Vorsteuer abziehen kann, würde es eine Ungleichbehandlung bedeuten, wenn diese Lösung auch in dem anders gelagerten Fall gelten würde, in dem, wie im Ausgangsverfahren, dem Betreffenden das Eigentum an diesem Gegenstand nur anteilig zusteht.

57.      Es ließe sich auch, wie es die Kommission tut, die Ansicht vertreten, dass der Umfang des Abzugsrechts von der internen Miteigentumsregelung oder der güterrechtlichen Regelung der Ehegatten abhänge, so dass die vorgeschlagene Lösung dann abzulehnen wäre, wenn nach der getroffenen Regelung der einzelne Gemeinschafter über den genutzten Gegenstand völlig frei verfügen kann. Ich fürchte jedoch, dass dann die Gefahr einer Vereitelung des Zweckes der Sechsten Richtlinie bestehen würde, mit der gerade ein „gemeinsames Mehrwertsteuersystem“ geschaffen werden soll. Wenn man nämlich so vorginge, würde der Vorsteuerabzug in den einzelnen Mitgliedstaaten je nach den einschlägigen nationalen zivilrechtlichen Vorschriften letztlich einen anderen Umfang haben.

58.      Demgemäß schlage ich vor, auf die dritte Frage zu antworten, dass ein Steuerpflichtiger, der einen Gegenstand mit seinem Ehegatten gemeinschaftlich erwirbt und einen Teil dieses Gegenstands für die Ausübung seiner eigenen selbständigen beruflichen Tätigkeit nutzt, nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie berechtigt ist, einen seinem Eigentumsanteil entsprechenden Bruchteil der für den Erwerb des beruflich genutzten Teils des Gegenstands entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer von der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer abzuziehen.

Zu den Anforderungen an die Rechnung (vierte Frage)

59.      Mit seiner vierten Frage wünscht das vorlegende Gericht Aufschluss darüber, ob die Artikel 18 und 22 der Sechsten Richtlinie verlangen, dass ein Steuerpflichtiger, der ein Investitionsgut mit seinem Ehegatten gemeinschaftlich errichtet oder erwirbt und einen Teil dieses Gutes für seine eigene selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug eine auf ihn ausgestellte Rechnung besitzt, in der der seinem Eigentumsanteil entsprechende Entgelts- und Steueranteil ausgewiesen ist, oder ob nach diesen Bestimmungen eine auf die Ehegatten/Gemeinschafter ausgestellte, die genannten Angaben nicht enthaltende Rechnung genügt.

60.      Der Bundesfinanzhof meint zwar, dass nach seiner Rechtsprechung eine Rechnung, wie die dem Kläger und seiner Ehefrau erteilte, die auf die „Eheleute HE“ ausgestellt worden sei, dem Abzug der vom Kläger entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer nicht entgegenstehe (18) . Er fragt sich jedoch, ob sich für diesen Vorsteuerabzug ein Hindernis aus den einschlägigen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie ergibt.

61.      Hierzu erinnere ich daran, dass nach Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe a „[der Steuerpflichtige], um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, ... eine nach Artikel 22 Absatz 3 ausgestellte Rechnung besitzen [muss]“. Artikel 22 Absatz 3 sieht vor, dass „[die] Rechnung ... getrennt den Preis ohne Steuer und den auf die einzelnen Steuersätze entfallenden Steuerbetrag sowie gegebenenfalls die Steuerbefreiung ausweisen [muss]“ (Buchstabe b) und dass „[die] Mitgliedstaaten ... die Kriterien fest[legen], nach denen ein Dokument als Rechnung betrachtet werden kann“ (Buchstabe c) (19) .

62.      Diese Bestimmungen legen also, wie die Kommission zu Recht hervorgehoben hat, nur drei Mindestanforderungen (Angabe des Preises ohne Steuer, des auf die einzelnen Steuersätze entfallenden Steuerbetrags und gegebenenfalls der Steuerbefreiung) fest, denen die Rechnung immer entsprechen muss, soll das Recht auf Vorsteuerabzug entstehen. Dagegen sehen sie kein zusätzliches Erfordernis für den Fall vor, dass ein Gegenstand gemeinschaftlich erworben wird, und schreiben insbesondere nicht vor, dass in der Rechnung der den jeweiligen Eigentumsanteilen der Erwerber entsprechende Entgelts- und Steueranteil auszuweisen ist.

63.      Demgemäß bin ich der Auffassung, dass dann, wenn in einem solchen Fall die nationalen Vorschriften, wie vom vorlegenden Gericht dargelegt, keine derartigen Angaben vorschreiben, auch kein Grund besteht, eine Rechnung, die den oben genannten Erfordernissen entspricht, als unzureichend anzusehen und einem Steuerpflichtigen, der einen Teil des erworbenen Gegenstands beruflich nutzt, deshalb das ihm durch Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a zuerkannte Recht auf Vorsteuerabzug abzusprechen.

64.      Aus den vorstehend dargelegten Gründen schlage ich daher vor, auf die vierte Frage zu antworten, dass die Artikel 18 Absatz 1 und 22 Absatz 3 der Sechsten Richtlinie für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie nicht verlangen, dass der Steuerpflichtige, der einen Gegenstand mit seinem Ehegatten gemeinschaftlich errichtet oder erwirbt und einen Teil dieses Gegenstands für seine eigene selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, eine auf ihn ausgestellte Rechnung besitzt, in der der seinem Eigentumsanteil entsprechende Entgelts- und Steueranteil ausgewiesen ist.

IV –Ergebnis

65.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen des Bundesfinanzhofs zu antworten:

1.Wer nebenberuflich eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Artikel 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ausübt, handelt bei der Errichtung oder beim Erwerb eines Wohnhauses für Wohnzwecke als Steuerpflichtiger, wenn er einen Teil des Hauses der Ausübung dieser Tätigkeit zuordnet und dementsprechend nutzt.

2.Bestellen mehrere Personen, die zu einer Bruchteils- oder Ehegattengemeinschaft verbunden sind, die keine Rechtspersönlichkeit hat und selbst nicht unternehmerisch tätig ist, einen Gegenstand, so sind die einzelnen Gemeinschafter und nicht die Gemeinschaft als solche die Empfänger der Leistung.

3.Ein Steuerpflichtiger, der einen Gegenstand mit seinem Ehegatten gemeinschaftlich erwirbt und einen Teil dieses Gegenstands für die Ausübung seiner eigenen selbständigen beruflichen Tätigkeit nutzt, ist nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie berechtigt, einen seinem Eigentumsanteil entsprechenden Bruchteil der für den Erwerb des beruflich genutzten Teils des Gegenstands entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer von der von ihm geschuldeten Mehrwertsteuer abzuziehen.

4.Die Artikel 18 Absatz 1 und 22 Absatz 3 der Sechsten Richtlinie verlangen für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie nicht, dass der Steuerpflichtige, der einen Gegenstand mit seinem Ehegatten gemeinschaftlich errichtet oder erwirbt und einen Teil dieses Gegenstands für seine eigene selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, eine auf ihn ausgestellte Rechnung besitzt, in der der seinem Eigentumsanteil entsprechende Entgelts- und Steueranteil ausgewiesen ist.


1 – Originalsprache: Italienisch.


2 – ABl. L 145, S. 1.


3 – Während der maßgeblichen Vorgänge des Ausgangsverfahrens wurde Artikel 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf die Beseitigung der Steuergrenzen (ABl. L 376, S. 1) geändert. Nach dieser Änderung, die sich auf den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits nicht auswirkt, aber der Vollständigkeit halber hier erwähnt werden soll, lautet diese Bestimmung nunmehr: „Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen: ... a) die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden ...“


4 – Ebenfalls der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass auch Artikel 22 Absatz 3 der Sechsten Richtlinie durch die Richtlinie 91/680 – wie folgt – geändert wurde:

„a)     Jeder Steuerpflichtige hat für die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen, die er an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt, eine Rechnung oder ein an deren Stelle tretendes Dokument auszustellen. ... Der Steuerpflichtige muss eine Ausfertigung von allen ausgestellten Dokumenten aufbewahren.

          ...

b)       Die Rechnung muss getrennt den Preis ohne Steuer und den auf die einzelnen Steuersätze entfallenden Steuerbetrag sowie gegebenenfalls die Steuerbefreiung ausweisen.

c)       Die Mitgliedstaaten legen die Kriterien fest, nach denen ein Dokument als Rechnung betrachtet werden kann.“


5 – [Ohne Bedeutung für die deutsche Fassung der Schlussanträge].


6 – [Ohne Bedeutung für die deutsche Fassung der Schlussanträge].


7 – Urteile des Bundesfinanzhofs vom 1. Februar 2001, V R 79/99, BFHE 194, 488, BFH/NV 2001, 989, und vom 7. November 2000, V R 49/99, BFHE 194, 270, BFH/NV 2001, 402; zuletzt Urteil vom 16. Mai 2002, V R 15/00, BFH/NV 2002, 1346.


8 – Wegen der Definition des häuslichen Arbeitszimmers siehe Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 16. Juni 1998 (IV B 2 – S. 2145 – 59/98, Randnr. 7, BStBl I 1998, 863).


9 – Urteil des Bundesfinanzhofs vom 1. Oktober 1998 (V R 31/98, BFHE 187, 78, BFH/NV 1999, 575).


10 – Urteile des Bundesfinanzhofs in BFH/NV 2002, 1346, und in BFHE 194, 270, BFH/NV 2001, 402.


11 – Urteil vom 14. Februar 1985 in der Rechtssache 268/83 (Rompelman, Slg. 1985, 655, Randnr. 19).


12 – Urteil Rompelman (Randnr. 16).


13 – Urteil vom 11. Juli 1991 in der Rechtssache C-97/90 (Lennartz, Slg. 1991, I-3795, Randnrn. 14 und 21).


14 – Siehe Vorlagebeschluss (Abschnitt I und Abschnitt II, 2.a).


15 – Urteil vom 8. März 2001 in der Rechtssache C-415/98 (Bakcsi, Slg. 2001, I-1831, Randnrn. 25 und 26). Siehe auch Urteil Lennartz (Randnr. 26) und Urteil vom 4. Oktober 1995 in der Rechtssache C-291/92 (Armbrecht, Slg. 1995, I-2775, Randnr. 20).


16 – Urteil Armbrecht (Randnr. 20).


17 – Urteile Bakcsi (Randnrn. 25 und 26), Lennartz (Randnr. 26) und Armbrecht (Randnrn. 20 und 21).


18 – Vorlagebeschluss (Abschnitt II, 3).


19 – Siehe Fußnote 3.