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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

L. A. GEELHOED

vom 20. Oktober 20051(1)

Rechtssache C-88/03

Portugiesische Republik

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

(Einkommensteuersenkung für auf den Azoren ansässige juristische und natürliche Personen)





I –    Einführung

1.     In der vorliegenden Rechtssache klagt die Portugiesische Republik nach Artikel 230 EG auf Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/442/EG der Kommission vom 11. Dezember 2002(2) (im Folgenden: Entscheidung), soweit darin die Steuersenkungen für in der autonomen Region der Azoren (im Folgenden: Azoren) ansässige Personen als staatliche Beihilfen eingestuft werden; die Steuersenkungen sind Teil der Regelung zur Anpassung des portugiesischen Steuersystems an die besonderen Bedingungen der Azoren. Hilfsweise beantragt die Portugiesische Republik, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit darin festgestellt wird, dass die Steuersenkungen für Unternehmen, die Tätigkeiten im Finanzbereich oder solche des Typs gruppeninterne Dienstleistungen ausüben, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind.

2.     Diese Rechtssache wirft eine interessante Frage betreffend die Tragweite von Artikel 87 Absatz 1 EG auf: Unter welchen Umständen fallen Änderungen des Satzes einer nationalen Steuer, die nur für ein bestimmtes geografisches Gebiet eines Mitgliedstaats erlassen werden, unter den Begriff der staatlichen Beihilfe? Dieser Frage kommt vor dem Hintergrund der laufenden Bestrebungen zur Übertragung von Befugnissen, auch im Bereich der Steuern, auf bestimmte Regionen in den Mitgliedstaaten besondere Bedeutung zu, und es geht dabei wieder einmal um die Abgrenzung zwischen den Vorschriften über staatliche Beihilfen und der – grundsätzlich ausschließlichen – Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die direkten Steuern.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Gemeinschaftsrecht

3.     Artikel 87 Absatz 1 EG bestimmt:

„Soweit in diesem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“

4.     Artikel 87 Absatz 3 EG sieht fünf Ausnahmen vor, unter denen eine staatliche Beihilfe abweichend vom Verbot des Artikels 87 Absatz 1 EG als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden kann. Von diesen kommen im vorliegenden Fall folgende in Betracht:

–       Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht (Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a), und

–       Beihilfen zur Förderung der Entwicklung bestimmter Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft (Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c).

5.     Die Kommission hat zwei Leitfäden herausgegeben, die für die vorliegende Rechtssache relevant sind: die Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung (im Folgenden: Mitteilung über die direkte Besteuerung), die 1998 im Kontext einer Aktion auf Gemeinschaftsebene zur Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs erlassen wurde(3), und die Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung (im Folgenden: Leitlinien für Regionalbeihilfen), in denen der Rahmen für die Beurteilung der Vereinbarkeit von Beihilfen, die Regionen gewährt werden, mit dem Gemeinschaftsrecht festgelegt wird(4).

B –    Gemeinschaftsvorschriften für Gebiete in äußerster Randlage

6.     Artikel 299 Absatz 2 EG bestimmt:

„Dieser Vertrag gilt für die französischen überseeischen Departements, die Azoren, Madeira und die Kanarischen Inseln.

Unter Berücksichtigung der strukturbedingten sozialen und wirtschaftlichen Lage der französischen überseeischen Departements, der Azoren, Madeiras und der Kanarischen Inseln, die durch die Faktoren Abgelegenheit, Insellage, geringe Größe, schwierige Relief- und Klimabedingungen und wirtschaftliche Abhängigkeit von einigen wenigen Erzeugnissen erschwert wird, die als ständige Gegebenheiten und durch ihr Zusammenwirken die Entwicklung schwer beeinträchtigen, beschließt der Rat jedoch auf Vorschlag der Kommission nach Anhörung des Europäischen Parlaments mit qualifizierter Mehrheit spezifische Maßnahmen, die insbesondere darauf abzielen, die Bedingungen für die Anwendung dieses Vertrags auf die genannten Gebiete, einschließlich gemeinsamer Politiken, festzulegen.

Bei Beschlüssen über die in Unterabsatz 2 genannten entsprechenden Maßnahmen berücksichtigt der Rat Bereiche wie Zoll- und Handelspolitik, Steuerpolitik, Freizonen, Agrar- und Fischereipolitik, die Bedingungen für die Versorgung mit Rohstoffen und grundlegenden Verbrauchsgütern, staatliche Beihilfen sowie die Bedingungen für den Zugang zu den Strukturfonds und zu den horizontalen Gemeinschaftsprogrammen.

Der Rat beschließt die in Unterabsatz 2 genannten Maßnahmen unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale und Zwänge der Gebiete in äußerster Randlage, ohne dabei die Integrität und Kohärenz der gemeinschaftlichen Rechtsordnung, die auch den Binnenmarkt und die gemeinsamen Politiken umfasst, auszuhöhlen.“

C –    Portugiesisches Recht

7.     Nach Artikel 6 Absatz 2 der portugiesischen Verfassung vom 2. April 1976 in ihrer geänderten Fassung (im Folgenden: Verfassung) bilden die Inselgruppen Azoren und Madeira autonome Regionen mit eigenem politisch-administrativem Status und eigenen Regierungseinrichtungen. In Teil 3 Abschnitt VII der Verfassung sind die Befugnisse dieser autonomen Regionen und ihrer politischen und Verwaltungseinrichtungen geregelt(5). Sie umfassen bestimmte Befugnisse zum Erlass von Rechtsvorschriften(6) und von Verwaltungsvorschriften(7) sowie Befugnisse auf den Gebieten Politik(8), Verwaltung und Finanzen(9). 

8.     Nach Artikel 227 Absatz 1 Buchstabe j der Verfassung stehen den autonomen Regionen eigene Steuereinnahmen sowie kraft eines Grundsatzes der nationalen Solidarität ein Teil der Steuereinnahmen des Staates zu. Nach Artikel 227 Absatz 1 Buchstabe i sind sie zur Ausübung ihrer eigenen Steuerzuständigkeit nach Maßgabe der Gesetze und zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an die regionalen Besonderheiten unter den in einem Rahmengesetz, das von der Assembleia da República erlassen wird, vorgesehenen Voraussetzungen befugt.

9.     Auf der Grundlage dieser Vorschriften legte die Portugiesische Republik mit dem Gesetz 13/98 vom 24. Februar 1998 den Rahmen und allgemeine Grundsätze für die Finanzautonomie, die Steuereinnahmen, die öffentliche Verschuldung der Regionen sowie für die Anpassung des nationalen Steuerrechts an die regionalen Besonderheiten fest. Artikel 4 Absatz 1 des Gesetzes 13/98 sieht einen Grundsatz der nationalen Solidarität vor, der das gesamte Staatsgebiet umfasst und einen angemessenen Stand öffentlicher Dienstleistungen und privater Tätigkeiten auf gleicher Grundlage zum Ziel hat. Artikel 5 des Gesetzes 13/98 führt die Grundsätze für die Zusammenarbeit zwischen dem Staat und den autonomen Regionen auf. Nach Artikel 10 haben die autonomen Regionen Anspruch auf bestimmte Teile der staatlichen Steuereinnahmen. Nach Artikel 33 des Gesetzes 13/98 haben die regionalen Einrichtungen eine Reihe von steuerlichen Zuständigkeiten, deren Ausübung der regionalen gesetzgebenden Versammlung obliegt, darunter die Befugnis, Steuern, die allein in den betreffenden autonomen Regionen gelten, im Einklang mit dem Gesetz 13/98 einzuführen und zu regeln, und die Befugnis, staatliche Steuern an regionale Besonderheiten innerhalb der gesetzlich festgelegten Grenzen und im Einklang mit den übrigen Vorschriften des Gesetzes 13/98 anzupassen. Nach Artikel 37 Absatz 4 des Gesetzes 13/98 kann die regionale gesetzgebende Versammlung unter den gesetzlich festgelegten Voraussetzungen die Sätze der nationalen Körperschaft- und Einkommensteuer sowie der Mehrwertsteuer um bis zu 30 % senken; auch besondere Verbrauchsteuern können im Einklang mit den Gesetzen gesenkt werden.

10.   Mit der regionalen legislativen Verordnung Nr. 2/99/A vom 20. Januar 1999 in der geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung 2/99/A) erließ die regionale gesetzgebende Versammlung der Azoren für das Gebiet Azoren, wie im Gesetz 13/98 vorgesehen, die Regelung über die Ausübung steuerlicher Zuständigkeiten auf regionaler Ebene und die Ausübung der Befugnis zur Anpassung staatlicher Steuern. Die Artikel 4 und 5 dieser Verordnung sehen eine Senkung der Einkommen- und Körperschaftsteuersätze zugunsten aller Wirtschaftsteilnehmer vor, gleich, ob es sich um natürliche oder juristische Personen handelt, soweit sie diesen Steuern unterliegen. Die Einkommensteuer wurde für 1999 um 15 % und für die Zeit ab dem 1. Januar 2000 um 20 % gesenkt, die Körperschaftsteuer wurde um 30 % gesenkt.

III – Sachverhalt

11.   Mit Schreiben vom 5. Januar 2000 meldeten die portugiesischen Behörden bei der Kommission eine Regelung zur Anpassung ihres nationalen Steuersystems an die besonderen Bedingungen der Azoren an. Da die Regelung vor ihrer Genehmigung durch die Kommission in Kraft getreten wäre und die Anmeldung als Reaktion auf ein Auskunftsverlangen der Kommission verspätet eingegangen war, wurde sie in das Verzeichnis der nicht angemeldeten Beihilfen aufgenommen.

12.   Nachdem die Kommission mehrmals zusätzliche Auskünfte angefordert hatte, teilte sie der portugiesischen Regierung im April 2002 mit, dass sie gegen den Teil der Regelung, der sich auf Senkungen der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer und Einkommensteuergutschriften beziehe, keine Einwände habe, jedoch hinsichtlich des Teils, der sich auf Senkungen der Einkommen- und Körperschaftsteuer beziehe, beschlossen habe, das in Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag vorgesehene Verfahren einzuleiten. Zu dieser Entscheidung gingen bei der Kommission Stellungnahmen der portugiesischen Regierung und der Regionalregierung der Ålandinseln, Finnland, ein, die die Auffassung Portugals unterstützte.

IV – Angefochtene Entscheidung und Verfahren vor dem Gerichtshof

A –    Angefochtene Entscheidung

13.   Die Kommission sah in der Steuersenkung für die Azoren eine Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG und wies zunächst darauf hin, dass eine vollständige oder teilweise Ermäßigung der Steuerlast eines Unternehmens einen „Vorteil“ im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG darstelle, da die ihm normalerweise entstehenden Kosten gesenkt würden(10). Dieser Vorteil werde aus „staatlichen Mitteln“ gewährt, da die Gewährung von Steuersenkungen zu Steuermindereinnahmen führe(11). Unter Berücksichtigung ihrer branchenbezogenen Anwendung und soweit zumindest ein Teil der fraglichen Unternehmen eine Wirtschaftstätigkeit ausübe, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten betreffe, beeinträchtige die Steuersenkung den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG.

14.   Zur Selektivität verwies die Kommission zunächst auf ihre Mitteilung über die direkte Besteuerung, wonach „die bisherige Entscheidungspraxis der Kommission [zeigt], dass sich nur die Maßnahmen, die im gesamten Mitgliedstaat Anwendung finden, dem in Artikel 87 Absatz 1 EG festgelegten Kriterium des selektiven Charakters entziehen“ und dass „der EG-Vertrag selbst Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung einer Region als Beihilfen ein[stuft]“(12). Da die fraglichen Steuersenkungen nur für in der Region der Azoren steuerpflichtige und nicht für in anderen Gebieten Portugals wirtschaftlich tätige Unternehmen gälten, gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, dass dieser Vorteil eine „Begünstigung“ im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG darstelle.

15.   Sie stützte sich hierbei auf folgende Argumente.

16.   Erstens beruhe das Kriterium der Selektivität auf einem Vergleich zwischen zwei Gruppen von Unternehmen (denjenigen, denen der Vorteil zugestanden werde, und denjenigen, denen er nicht zugestanden werde); seine Anwendung setze daher die Bestimmung einer „normalen“ Höhe der Besteuerung voraus. Die Kommission trägt hierzu vor:

„Prinzipiell ergibt sich aus der Ökonomie des Vertrages, der die vom Staat oder aus staatlichen Mitteln zu gewährenden Beihilfen regelt, sowie aus der grundlegenden Rolle, die ihnen bei der Definition des politischen und wirtschaftlichen Umfelds zukommt, in dem die Unternehmen sowie die Zentralbehörden der Mitgliedstaaten durch ihre Maßnahmen, durch die von ihnen erbrachten Leistungen sowie eventuell durch von ihnen getätigte Finanztransaktionen wirken, dass der Bezugsrahmen, innerhalb dessen ein solcher Vergleich vorzunehmen ist, der Wirtschaftsraum des Mitgliedstaats ist. Im Text des EG-Vertrags, der Maßnahmen ‚zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung einer Region‘ (Artikel 87 Absatz 3 Buchstaben a und c) als staatliche Beihilfen einstuft, die als vereinbar angesehen werden können, wird darauf hingewiesen, dass Vergünstigungen, deren Umfang auf einen Teil des der Beihilferegelung unterliegenden Staatsgebietes beschränkt ist, als selektive Vergünstigungen eingestuft werden können. … Die ständige Praxis der Kommission, die durch den Gerichtshof bestätigt wird, besteht jedoch darin, solche steuerlichen Regelungen als Beihilfen einzustufen, die in bestimmten Regionen oder Territorien gelten und im Vergleich zur allgemeinen Regelung in einem Mitgliedstaat vorteilhaft sind.“(13)

17.   Zweitens sei es unbefriedigend, bei der Bestimmung des Begriffs „Beihilfe“ für diese Zwecke allein anhand der über die Maßnahme entscheidenden Stelle – regionale oder zentrale Behörde – zu unterscheiden. Eine solche Unterscheidung würde den objektiven Charakter des Begriffs der Beihilfe untergraben, der sämtliche Eingriffe umfasse, die die einem oder mehreren Unternehmen normalerweise entstehenden Kosten senkten, und dies unabhängig von ihrem Zweck, ihrer Begründung, ihrem Ziel und dem Status der Behörde, die sie angeordnet habe oder aus deren Haushalt sie finanziert würden. Die Kommission fügte hinzu: „Es ist daher ebenfalls anzumerken, dass die vorliegende Entscheidung sich nicht auf einen Mechanismus bezieht, der sämtlichen lokalen Gebietskörperschaften einer bestimmten Ebene (Regionen, Bezirke oder andere) die Einführung und Erhebung lokaler Steuern ohne Bezug zur nationalen Besteuerung gestattet. Im vorliegenden Fall handelt es sich dagegen um eine allein auf den Azoren anwendbare Steuersenkung, die von der nationalen Gesetzgebung festgelegt wurde und auf dem portugiesischen Festland anwendbar ist. Unter diesen Umständen stellt die von den regionalen Stellen erlassene Maßnahme eindeutig eine Ausnahme vom nationalen Steuersystem dar.“(14)

18.   Drittens könnten die Senkungen, da sie nicht durch Anwendung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit oder der steuerlichen Progressivität bedingt seien, sondern in einer Region ansässige Unternehmen unabhängig von ihrer finanziellen Situation begünstigten, nicht als durch die Natur oder den inneren Aufbau des portugiesischen Steuersystems gerechtfertigt angesehen werden.

19.   Nachdem die Kommission so zu dem Ergebnis gelangt war, dass die Steuersenkungen eine Beihilfe darstellten und dass diese entgegen Artikel 88 Absatz 3 EG rechtswidrig durchgeführt worden sei, prüfte sie, ob die Beihilfe unter eine im Vertrag vorgesehene Ausnahme falle. Im Hinblick darauf, dass es sich um eine fortlaufende Beihilfe handele, mit der die dauerhaften strukturellen Nachteile, die sich aus der geografischen Lage der Azoren ergäben, überwunden werden sollten, stelle die fragliche Beihilfe eine Betriebsbeihilfe dar. Sie könne daher nur genehmigt werden, wenn sie darauf gerichtet sei, die Mehrkosten für die Ausübung der Wirtschaftstätigkeit, die auf die in Artikel 299 Absatz 2 EG dargelegten Nachteile zurückgingen, unter Einhaltung der Leitlinien für Regionalbeihilfen zu senken.

20.   Insoweit räumte die Kommission zunächst ein, dass die Region der Azoren wegen der geringen Möglichkeit zur Erzielung von größenbedingten Kosteneinsparungen und der Mehrkosten aufgrund ihrer geografischen Lage „in der Tat zu den am wenigsten entwickelten Regionen der Europäischen Union zählt“(15). Dabei sei jedoch zwischen dem Finanzbereich und den anderen Wirtschaftszweigen zu unterscheiden.

21.   Für außerhalb des Finanzbereichs tätige Unternehmen gelangte die Kommission anhand der ihr von den portugiesischen Stellen übermittelten Studie zu dem Ergebnis, dass eine Senkung der Körperschaftsteuer es diesen Unternehmen ermöglichen solle, ihre finanzielle Situation zu verbessern, und somit zur Regionalentwicklung beitrage(16). Folglich sei die Beihilfe, soweit die Steuersenkungen auf solche Unternehmen angewandt würden, nach der Ausnahme des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe a EG mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar(17).

22.   Zu im Finanzbereich tätigen Unternehmen führte die Kommission aus, dass Senkungen der Einkommen- und Körperschaftsteuer „aufgrund ihres Beitrags zur Regionalentwicklung nicht gerechtfertigt sind und ihre Höhe in keinem angemessenen Verhältnis zu den durch sie auszugleichenden Nachteilen steht“(18). Mangels quantifizierter Daten, die ihr eine „objektive Berechnung der Höhe der Mehrkosten, die von den in der Region der Azoren steuerpflichtigen Finanzgesellschaften zu tragen sind“, ermöglicht hätten, könne sie die Steuersenkungen, soweit sie für diese Unternehmen(19) gälten, nicht als erlaubte Regionalbeihilfen nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG oder irgendeiner anderen vom Vertrag vorgesehenen Ausnahmeregelung ansehen. Insbesondere könnten sie unter Berücksichtigung ihrer Eigenschaft als Betriebsbeihilfen nicht unter die Ausnahmeregelung des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe c EG fallen. Diese Bewertung gelte auch für Tätigkeiten des Typs „gruppeninterne Dienstleistungen“(20), da solche Wirtschaftstätigkeiten nicht in ausreichendem Maße zur Regionalentwicklung beitrügen, um unter Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG zu fallen.

23.   In Artikel 3 Absatz 1 der Entscheidung wurde Portugal aufgegeben, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Beihilfen, die aufgrund der in Artikel 4 und 5 der Verordnung durchgeführten Senkungen der Einkommen- und Körperschaftsteuer gewährt worden seien, von den Unternehmen zurückzufordern, die finanzielle Tätigkeiten oder Tätigkeiten des Typs „gruppeninterne Dienstleistungen“ ausüben(21).

B –    Verfahren vor dem Gerichtshof

24.   Am 24. Februar 2003 hat die Portugiesische Republik die vorliegende Nichtigkeitsklage erhoben. Das Vereinigte Königreich hat gemäß Artikel 93 der Verfahrensordnung einen Streithilfeschriftsatz eingereicht. In der Sitzung vom 6. September 2005 haben die Portugiesische Republik, die Kommission, das Vereinigte Königreich und gemäß Artikel 93 § 7 der Verfahrensordnung das Königreich Spanien mündlich verhandelt.

V –    Vorbringen der Parteien

A –    Portugiesische Republik

25.   Die Portugiesische Republik macht drei Klagegründe geltend.

26.   Erstens sei die Anwendung von Artikel 87 Absatz 1 EG, auf der die Entscheidung beruhe, in zweifacher Hinsicht rechtsfehlerhaft, nämlich zum einen im Hinblick auf die Anwendung des Kriteriums der Selektivität und zum anderen insofern, als verkannt worden sei, dass die Steuersenkungen durch die Natur und die Ökonomie des portugiesischen Steuersystems gerechtfertigt seien.

27.   Hinsichtlich der Selektivität habe die Kommission zu Unrecht den ganzen portugiesischen Staat als Bezugsrahmen angesehen. Die in Rede stehenden Steuersenkungen ergäben sich daraus, dass die regionale gesetzgebende Einrichtung ihre Zuständigkeit ausgeübt habe, und gälten für sämtliche Wirtschaftsteilnehmer mit Steuersitz in der Region. Als solche stellten sie keine „Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige“ dar.

28.   Überdies lägen diesen Steuersenkungen die Grundsätze der Umverteilung zugrunde, die in der portugiesischen Verfassung verankert seien mit dem Ziel, auf regionaler Isolation beruhende Ungleichheiten in der wirtschaftlichen Entwicklung zu korrigieren, und zu denen insbesondere der in Artikel 4 Absatz 1 des Gesetzes 13/98 vorgesehene Grundsatz der nationalen Solidarität gehöre. Die Steuersenkungen seien somit Ergebnis der Ausübung der Verfassungssouveränität, und sie seien auf eben die Faktoren gestützt worden, die in Artikel 299 Absatz 2 EG angeführt seien, nämlich geografische Isolation, schwierige Klimabedingungen und wirtschaftliche Abhängigkeit der Azoren von wenigen Erzeugnissen. Die Portugiesische Republik fordert den Gerichtshof auf, diese Gelegenheit zu ergreifen, um den richtigen Ansatz für die Behandlung solcher Fragen der Selektivität bei regionalen Steuersenkungen festzulegen und die Unsicherheit, die derzeit auf diesem Gebiet bestehe, zu beseitigen.

29.   Zur Natur und zur Ökonomie des portugiesischen Steuersystems hebt die Portugiesische Republik hervor, dass die Steuersenkungen sich aus dem Gesetz 13/98 und der Verfassung in ihrer Gesamtheit ergäben; dort fänden sich zahlreiche Bezugnahmen auf das Ziel der Umverteilung und der Gleichheit zwischen dem portugiesischen Festland und den Azoren(22). Überdies gehe das Vorbringen der Kommission fehl, die Steuersenkungen beruhten nicht auf „objektiven Unterschieden zwischen den Steuerpflichtigen“; vielmehr seien sämtliche auf den Azoren tätige Unternehmen denselben Nachteilen ausgesetzt, was eine allgemeine Steuersenkung für sämtliche Branchen auf den Azoren erfordere.

30.   Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Portugiesische Republik einen Verstoß gegen Artikel 253 EG geltend, da in der Entscheidung eine ausreichende Begründung für die Feststellung fehle, dass die Steuersenkungen den Wettbewerb verfälschten und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigten. Ferner habe die Kommission die möglichen Begünstigten der Steuersenkungen nicht hinreichend bestimmt, so dass es nicht möglich gewesen sei, die Auswirkung der Maßnahmen auf den innergemeinschaftlichen Handel in zufrieden stellender Weise zu messen.

31.   Als dritten Klagegrund trägt die Portugiesische Republik vor, die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie die Steuersenkungen im Finanzbereich und im Bereich der gruppeninternen Dienstleistungen als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar angesehen habe. Auch Unternehmen des Finanzbereichs wie z. B. Banken, die gewöhnlich größer als andere auf den Azoren tätige Unternehmen seien, seien beispielsweise von höheren Energiekosten und vom Mangel an Fachkräften betroffen. Da die Kommission sich damit begnügt habe, die durch die besonderen Bedingungen der Azoren bedingten Mehrkosten für die nicht im Finanzbereich tätigen Unternehmen allgemein und nicht branchenbezogen zu veranschlagen, hätte sie diese Vorgehensweise auch auf die im Finanzbereich tätigen Unternehmen ausdehnen müssen. Indem sie dies nicht getan habe, habe sie die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung, der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit verletzt.

B –    Kommission

32.   Die Kommission verteidigt sich im Wesentlichen mit folgenden Argumenten.

33.   Was erstens den angeblichen Rechtsfehler bei der Anwendung des Selektivitätskriteriums angeht, verweist die Kommission auf die Nummern 24 bis 33 der Entscheidung. Insbesondere sei die Zugrundelegung eines rein nationalen Bezugsrahmens bei der Bestimmung, ob eine Maßnahme selektiv sei oder nicht, von Generalanwalt Saggio in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Juntas Generales de Guipúzcoa(23) im Wesentlichen gebilligt worden. Dass die fraglichen Steuersenkungen Unternehmen, die auf den Azoren steuerpflichtig seien, im Vergleich zu anderen portugiesischen Unternehmen begünstigten, reiche für ihre Einstufung als selektiv im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG aus. Diese Auslegung sei durch das System des Vertrages selbst geboten. Deshalb sei der Umstand, dass die Steuersenkungen von einer anderen Körperschaft als dem portugiesischen Staat selbst erlassen worden seien, nicht maßgeblich: Bei der Beurteilung des Charakters als staatliche Beihilfe sei allein auf die Wirkungen der Maßnahme und nicht auf ihre Form abzustellen.

34.   Zudem sei die den Azoren eingeräumte Autonomie in Wirklichkeit begrenzt: Der portugiesische Zentralstaat spiele bei der Definition der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, innerhalb deren die Unternehmen ihren Geschäften nachgingen, eine grundlegende Rolle. Zum Beispiel kämen den auf den Azoren tätigen Unternehmen die vom Zentralstaat finanzierte Infrastruktur und das von ihm unterhaltene System der sozialen Sicherheit zugute. So würden die von den Azoren gewährten steuerlichen Vergünstigungen in Wirklichkeit in dieser Region zu Steuermindereinnahmen führen, die vom Zentralstaat nach dem Grundsatz der nationalen Solidarität wieder ausgeglichen würden. Wie sie in ihrer Entscheidung ausgeführt habe, wäre in einem Fall, in dem sämtliche lokalen Körperschaften einer bestimmten Ebene in gleicher Weise befugt wären, bestimmte Steuern zu erheben und ihre Höhe festzusetzen, keine selektive Gewährung von Vorteilen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG gegeben. In Erwiderung auf die Streithilfeschrift des Vereinigten Königreichs führt die Kommission aus, dass im vorliegenden Fall die Dinge anders lägen als in Bezug auf Schottland – dort gelte die Befugnis des schottischen Parlaments zur Änderung des Steuersatzes nur hinsichtlich der Einkommensteuer und nicht der Körperschaftsteuer – und Nordirland.

35.   Zur Behauptung, dass die Steuersenkungen durch die Natur und die Ökonomie des portugiesischen Steuersystems gerechtfertigt seien, trägt die Kommission vor, dies könne nur dann der Fall sein, wenn die fraglichen Steuervorteile auf objektiven Unterschieden zwischen den Steuerpflichtigen beruhten. Vorliegend beruhten die Steuersenkungen jedoch auf den wirtschaftlichen Merkmalen der Region, was ein außerhalb des Steuersystems liegender Faktor sei. Wenn die übrigen Voraussetzungen gegeben seien, um die Maßnahme eines Mitgliedstaats als staatliche Beihilfe einzustufen, so trage der Mitgliedstaat die Beweislast dafür, dass die Maßnahme durch die Natur und die Ökonomie des Systems gerechtfertigt sei.

36.   Zweitens weist die Kommission das Vorbringen, dass sie ihre Schlussfolgerung, die Steuersenkungen könnten den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verfälschen, nicht angemessen begründet habe, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes zurück, wonach die Kommission diese Punkte in ihren Entscheidungen nicht ausführlich behandeln müsse(24). Es genüge vielmehr der Nachweis, dass sich die Maßnahme zumindest im Falle bestimmter Begünstigter auf den Handel auswirke.

37.   Was schließlich den behaupteten offensichtlichen Beurteilungsfehler und die behauptete Verletzung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung, der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit angeht, weist die Kommission zunächst darauf hin, dass sie bei der Beurteilung der Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt aufgrund der damit verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Bewertungen über einen weiten Spielraum verfüge. Überdies würden in der von der Portugiesischen Republik angeführten Studie des Centre for European Policy Studies die Mehrkosten nicht branchenbezogen beziffert(25). Die Kommission hebt hervor, dass bei der Beurteilung, ob eine Beihilfe aus regionalen Gründen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei, es dem betreffenden Mitgliedstaat obliege, die Mehrkosten zu ermitteln und nachzuweisen, dass sie mit den in Artikel 299 Absatz 2 EG genannten Faktoren zusammenhängen und dass die vorgeschlagene Maßnahme in angemessenem Verhältnis zu der vorgeschlagenen Beihilfemaßnahme stehe.

C –    Vereinigtes Königreich und Königreich Spanien

38.   Das Vereinigte Königreich, das als Streithelfer die Portugiesische Republik unterstützt, konzentriert seine Stellungnahme auf die Frage der Selektivität. Es widerspricht dem Vorbringen der Kommission, das Kriterium der Selektivität in Artikel 87 Absatz 1 EG sei ohne weiteres erfüllt, wenn eine Steuersenkung nicht für das gesamte Gebiet eines Mitgliedstaats gelte, und führt aus, dieses Kriterium werde im Falle von Steuersenkungen, die eine Region, der Befugnisse übertragen worden seien („devoluted region“), oder eine autonome Region mit Wirkung für ihren gesamten Zuständigkeitsbereich eingeführt habe und die nicht branchenspezifisch seien, nicht stets erfüllt sein. Die Frage, wie ein regionales Steuersystem im Hinblick auf die staatlichen Beihilfen zu beurteilen sei, werfe eine umfassende Problematik im Bereich der Autonomie von Regionen auf, die von erheblicher verfassungsrechtlicher Tragweite sei. Folgte man dem Vorbringen der Kommission, so könnte dadurch die „asymmetrische“ verfassungsrechtliche Lösung des Vereinigten Königreichs, insbesondere in Bezug auf die Stellung Schottlands (das schottische Parlament habe die Befugnis, den Basissatz der Einkommensteuer des Vereinigten Königreichs für Schottland um bis zu 3 Pence pro Pfund Sterling abzuändern, ohne irgendeinen Ausgleich in Form von Erstattungs- oder Subventionsansprüchen der bzw. gegen die Zentralregierung)(26) und Nordirlands (die Versammlung Nordirlands sei zur Erhebung von Steuern befugt, die anderer Art seien als diejenigen, die im Allgemeinen im Vereinigten Königreich erhoben würden)(27), in Frage gestellt werden.

39.   Nach Auffassung des Vereinigten Königreichs hätte die Kommission bei der Entscheidung, ob es eine Beihilfe darstelle, wenn für eine Region Steuersätze unter den national geltenden Satz gesenkt würden, den Grad der Autonomie der substaatlichen Körperschaft, die den Steuersatz gesenkt habe, und eine Reihe weiterer Faktoren berücksichtigen müssen; dazu gehöre auch, ob der Beschluss zur Steuersenkung von einer Einrichtung erlassen worden sei, die von der Bevölkerung der fraglichen Region gewählt oder ihr auf demokratische Weise zur Rechenschaft verpflichtet sei, und ob die finanziellen Auswirkungen des Beschlusses von der Region getragen würden, ohne Ausgleich durch Subventionen oder Zuschüsse anderer Regionen oder des Zentralstaats.

40.   Das Königreich Spanien, das als Streithelfer ebenfalls die Portugiesische Republik unterstützt, weist darauf hin, dass die Devolution, wo sie gegeben sei, Teil des verfassungsrechtlichen Rahmens des Mitgliedstaats sei. Mit der Auffassung der Kommission würde dieser verfassungsrechtlichen Struktur nicht Rechnung getragen, denn gerade für die Politik der Direktbesteuerung blieben ausschließlich die Mitgliedstaaten zuständig.

VI – Beurteilung

A –    Sind die beanstandeten Steuersenkungen Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG?

41.   Die Beteiligten legen in ihren Ausführungen den Schwerpunkt zu Recht auf den ersten Klagegrund, d. h. auf die Frage, ob die fraglichen Steuersenkungen unter Artikel 87 Absatz 1 EG fallen.

42.   Allgemeiner betrachtet führt dies zu der folgenden bedeutenden Frage, deren Tragweite über die vorliegende Rechtssache hinausreicht: Nach welchen Grundsätzen ist zu beurteilen, ob nur für ein bestimmtes geografisches Gebiet eines Mitgliedstaats erlassene Änderungen des Satzes einer nationalen Steuer unter die Gemeinschaftsvorschriften über staatliche Beihilfen fallen?

43.   Der Gerichtshof hat diese Frage in seiner Rechtsprechung bisher noch nicht beantwortet(28). Meines Erachtens ist es jedoch im vorliegenden Fall unerlässlich, Beurteilungskriterien oder -grundsätze zu formulieren. Dies folgt erstens und hauptsächlich aus dem Anspruch der Mitgliedstaaten auf Rechtssicherheit bei der Planung ihrer Steuerregelungen. Insbesondere können die Mitgliedstaaten, sofern es keine klaren Kriterien dafür gibt, wann geografisch begrenzte Steueränderungen unter Artikel 87 Absatz 1 EG fallen, nicht voraussagen, in welchen Fällen sie nach Artikel 88 Absatz 3 EG die Kommission von beabsichtigten Steueränderungen vor ihrer Durchführung zu unterrichten haben. Es ist daran zu erinnern, dass eine Verletzung dieser Unterrichtungspflicht dazu führt, dass die Maßnahme als „rechtswidrige Beihilfe“ im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 659/1999(29) des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags behandelt wird. Aus Gründen der Rechtssicherheit und schon um der Wirksamkeit der Vorschriften über die staatlichen Beihilfen willen müssen die Mitgliedstaaten den Umfang dieser Verpflichtung mittels klarer Beurteilungsgrundsätze vorab erkennen können(30).

1.      Wann stellen geografisch begrenzte Änderungen des Satzes einer nationalen Steuer eine staatliche Beihilfe dar?

a)      Allgemeine Grundsätze

44.   Eine steuerliche Maßnahme fällt unter den Begriff der Beihilfe, wenn die vier Kriterien des Artikels 87 Absatz 1 EG erfüllt sind:

–       Die Maßnahme muss „dem Begünstigten einen Vorteil verschaffen, durch den seine normalerweise zu tragenden Belastungen vermindert werden“(31). Dieses Erfordernis ist eindeutig erfüllt, wenn ein Unternehmen einem niedrigeren als dem normalerweise zur Anwendung kommenden Steuersatz unterliegt;

–       dieser Vorteil muss vom Mitgliedstaat oder aus staatlichen Mitteln gewährt worden sein. Wie der Gerichtshof in der Rechtssache Deutschland/Kommission entschieden hat, ist dieses Kriterium im Fall von Steuersenkungen, die von einer regionalen Körperschaft gewährt werden und zu einer Minderung der staatlichen Einnahmen führen, erfüllt(32);

–       die Maßnahme muss bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigen, d. h., sie muss selektiv sein. Eine Maßnahme ist dann nicht selektiv, wenn dem Mitgliedstaat der Nachweis gelingt, dass sie „durch die Natur oder den inneren Aufbau“ des Systems gerechtfertigt ist(33);

–       die Maßnahme muss den Wettbewerb verfälschen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

45.   Für die Frage, in welchem Umfang geografisch begrenzte Änderungen des Satzes einer nationalen Steuer unter Artikel 87 Absatz 1 EG fallen, ist der Begriff der Selektivität entscheidend. Der Grund liegt auf der Hand. Solche Änderungen werden definitionsgemäß nur für Unternehmen vorgesehen, die in einem bestimmten Teil des Gebietes eines Mitgliedstaats tätig sind. Wenn, wie die Kommission meint, als Bezugsrahmen stets das gesamte Gebiet des Mitgliedstaats heranzuziehen wäre, dann wären sämtliche auf eine geografische Untereinheit eines Mitgliedstaats begrenzte Änderungen nationaler Steuern von vornherein als „geografisch“ selektiv (als Gegenbegriff zur „materiellen“ Selektivität, bei der eine Maßnahme Unternehmen eines bestimmten Gewerbes oder Wirtschaftszweigs begünstigt) anzusehen. In diesem Fall wären die Vorschriften über staatliche Beihilfen anwendbar, um Wettbewerbsverfälschungen zu verringern.

46.   Wäre dagegen in bestimmten Fällen auf das geografische Gebiet abzustellen, in dem die Änderungen gelten, so wären sie nicht „selektiv“, da sie für sämtliche in diesem Gebiet tätigen Unternehmen gelten. In diesem Fall stünden zur Verringerung von Wettbewerbsverfälschungen im Rahmen des Vertrages nur Artikel 94 EG, der zum einstimmigen Erlass von Maßnahmen zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken(34), ermächtigt, sowie die (selten in Anspruch genommenen) Artikel 96 EG und 97 EG, nach denen die Kommission mit den Mitgliedstaaten Beratungen aufnimmt und der Rat tätig wird, um auf Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten beruhende Verzerrungen der Wettbewerbsbedingungen auf dem Gemeinsamen Markt zu beseitigen, zur Verfügung.

47.   Die entscheidende Frage lautet daher: Was soll als Bezugspunkt dienen für die Bestimmung, ob eine geografisch begrenzte Änderung des Satzes einer nationalen Steuer „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigt“ im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG?

b)      Wann sind geografisch begrenzte Änderungen des Satzes einer nationalen Steuer selektiv?

48.   Bei dieser Frage ist zunächst danach zu unterscheiden, ob der Satz einer nationalen Steuer für ein bestimmtes geografisches Gebiet des Mitgliedstaats erhöht oder gesenkt wird.

49.   Im Fall einer Erhöhung des Satzes einer nationalen Steuer für ein bestimmtes geografsches Gebiet, wobei unterstellt wird, dass ein Gebiet einen Teil des gesamten Staatsgebiets des Mitgliedstaats darstellt, liegt das vor, was ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache GIL Insurance als „besondere Last“ bezeichnet habe, eine Last, die diesem Gebiet auferlegt wird, statt den Steuerzahlern, für die die allgemeine Regelung und damit ein „niedrigerer“ Steuersatz gilt, eine Beihilfe zu gewähren(35). Ein solcher Sachverhalt fällt aus den in den genannten Schlussanträgen angeführten Gründen nicht unter die Vorschriften über die staatlichen Beihilfen.

50.   Dagegen sind im Fall einer Senkung des Satzes einer nationalen Steuer für ein bestimmtes geografisches Gebiet drei Szenarien zu unterscheiden.

51.   Im ersten beschließt die Zentralregierung eines Mitgliedstaats einseitig, den Satz einer nationalen Steuer in einem bestimmten geografischen Gebiet zu senken. Eine solche Maßnahme ist eindeutig selektiv, da sie von einer Einrichtung allein erlassen wird und nur für einen Teil des geografischen Gebiets gilt, für das sie zuständig ist.

52.   Im zweiten Szenario haben sämtliche lokalen Körperschaften einer bestimmten Ebene (Regionen, Bezirke oder andere) die autonome Befugnis, den Steuersatz für ihren geografischen Zuständigkeitsbereich festzusetzen, gleich ob mit oder ohne Bezug auf einen „nationalen“ Steuersatz.

53.   Wie die Kommission in der Entscheidung und in ihren Schriftsätzen anerkannt hat, sind von einer lokalen Körperschaft in Ausübung solcher Befugnisse erlassene Maßnahmen, sofern sie in ihrem Zuständigkeitsbereich allgemein gelten, auch dann nicht selektiv im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG, wenn eine Körperschaft niedrigere Steuersätze erlässt als die anderen Körperschaften. In einem solchen Fall, in dem jede lokale Körperschaft ihren Steuersatz unabhängig von der Zentralregierung festsetzen kann, hat es keinen Sinn, als Bezugsrahmen für die Beurteilung der Selektivität das gesamte Gebiet des Mitgliedstaats heranzuziehen. Zunächst wäre es künstlich, einen „nationalen Durchschnittssteuersatz“ zu ermitteln, um ihn mit dem Steuersatz einer Region zu vergleichen: In Wirklichkeit würde wahrscheinlich in jeder Region ein anderer Steuersatz gelten. Der Grundgedanke der Selektivität im Bereich der direkten Steuern ist jedoch, dass die steuerliche Maßnahme eine Ausnahme oder Befreiung vom allgemeinen Steuersystem bildet(36). Der Gedanke einer „Ausnahme“ oder „Befreiung“ hat nur dann Sinn, wenn eine den gesamten Staat umfassende Regel aufgestellt werden kann – dies ist in einer Situation, in der jede lokale Gebietskörperschaft befugt ist, autonom eigene Steuersätze zu erlassen, nicht möglich(37).

54.   Damit komme ich zum dritten Szenario: ein Steuersatz, der unter dem nationalen Steuersatz liegt, auf einem Beschluss einer lokalen Körperschaft beruht und nur in deren Gebiet gilt. Hier ist ausschlaggebend, ob der niedrigere Steuersatz auf eine Entscheidung einer lokalen Körperschaft zurückgeht, die gegenüber der Zentralregierung des Mitgliedstaats wirklich autonom ist. Sie muss „wirklich autonom“ sein, damit meine ich institutionell, prozedural und wirtschaftlich autonom, d. h.

–       institutionell autonom: Der Beschluss muss von einer lokalen Körperschaft erlassen worden sein, die verfassungsrechtlich, politisch und administrativ gegenüber der Zentralregierung einen eigenen Status besitzt;

–       prozedural autonom: Der Beschluss muss von der lokalen Körperschaft in einem Verfahren erlassen worden sein, bei dem die Zentralregierung keinerlei Möglichkeit hat, in das Verfahren der Festsetzung des Steuersatzes unmittelbar einzugreifen, und die lokale Körperschaft nicht verpflichtet ist, bei der Festsetzung des Steuersatzes zentralstaatliche Belange zu berücksichtigen;

–       wirtschaftlich autonom: Der niedrigere Steuersatz in der Region darf nicht quersubventioniert oder von der Zentralregierung subventioniert sein, so dass die wirtschaftlichen Folgen dieser Steuersenkungen von der Region selbst getragen werden(38). In einem solchen Fall gehören Entscheidungen über die Erhebung von Steuern und über deren Höhe zum Kern der politischen Vorrechte der Regionalregierung. Solche Entscheidungen schlagen unmittelbar auf die Höhe der Ausgaben der Regierung, etwa für öffentliche Dienstleistungen und die Infrastruktur, durch. Die Regionalregierung könnte z. B. einen Ansatz des „tax and spend“ vorziehen, also die Steuern erhöhen, um Mehrausgaben für öffentliche Dienstleistungen zu finanzieren; oder sie könnte sich dafür entscheiden, die Steuern zu senken und die öffentlichen Dienstleistungen zu verringern. Sind die Steuersenkungen nicht quersubventioniert, wirkt sich diese politische Entscheidung auf die Infrastruktur und das geschäftliche Umfeld aus, in dem die in der Region ansässigen Unternehmen tätig sind. Die Unternehmen mit Sitz in der Region und diejenigen mit Sitz außerhalb der Region arbeiten also unter verschiedenen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die nicht zu vergleichen sind.

55.   Ist Autonomie in jeder dieser Bedeutungen gegeben, wenn eine Körperschaft beschließt, einen Steuersatz unter das nationale Niveau zu senken, so kann diese Entscheidung nicht als selektiv im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG eingestuft werden. In solchen Fällen entfällt die Grundlage für die Auffassung der Kommission, nämlich die „grundlegende Rolle“, die den Zentralbehörden des Mitgliedstaats „bei der Definition des politischen und wirtschaftlichen Umfelds zukommt, in dem die Unternehmen … wirken“(39).

56.   Falls es jedoch an Autonomie in einer dieser Bedeutungen fehlt, so ist der niedrigere Steuersatz meines Erachtens als selektiv im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG einzustufen.

57.   Damit habe ich zusammengefasst, was für mich zu den wesentlichen Grundsätzen zählt, um zu beurteilen, ob regionale Steuersenkungen als „Beihilfe“ einzustufen sind. Der Vollständigkeit halber sind jedoch kurz noch drei Argumente zu behandeln, die die Kommission in diesem Verfahren vorgetragen hat.

58.   Erstens soll es zur Erfüllung des Kriteriums der Selektivität im Wesentlichen bereits ausreichen, dass eine regionale Steuersenkung den Wettbewerb in der Gemeinschaft verfälscht oder zu verfälschen droht(40). Wie ich jedoch bereits erwähnt habe, gibt es neben den Vorschriften über die staatlichen Beihilfen noch weitere Vertragsvorschriften, die die Gemeinschaft ermächtigen, Maßnahmen zum Schutz vor Wettbewerbsverfälschungen im Sinne von Artikel 3 Buchstabe g EG zu ergreifen. Während die Vorschriften über die staatlichen Beihilfen auf selektive Beihilfemaßnahmen ausgerichtet sind, bieten die Artikel 94, 96 und 97 eine Rechtsgrundlage dafür, gegen Verfälschungen durch andere als die in den Vorschriften über die staatlichen Beihilfen erfassten steuerlichen Maßnahmen einzuschreiten, wie ich in meinen Schlussanträgen in den Rechtssachen GIL Insurance(41) und Streekgewest Westelijk Noord-Brabant(42) dargelegt habe. Die Kommission verkennt mit ihrem Argument, es komme allein darauf an, ob eine regionale Steuersenkung zu einer Wettbewerbsverfälschung führe oder nicht, die Abgrenzung zwischen diesen unterschiedlich angelegten Vorschriften(43).

59.   Ein zweites Argument der Kommission geht dahin, dass die Auffassung, bestimmte regionale Steuersenkungen fielen nicht unter Artikel 87 Absatz 1 EG, zur Umgehung der Vorschriften über staatliche Beihilfen ermuntern könnte, indem die Mitgliedstaaten in ihren Gebieten die interne Verteilung der steuerlichen Zuständigkeit anpassten(44). Nach meinen Ausführungen sollte jedoch klar sein, dass eine rein formale Ermächtigung von regionalen Körperschaften zu Maßnahmen im steuerlichen Bereich, die zu von der Zentralregierung festgelegten Bedingungen ohne den von mir beschriebenen wirklich autonomen Entscheidungsprozess zustande kämen, nicht ausreichen würde, um eine Maßnahme vom Anwendungsbereich des Artikels 87 Absatz 1 EG auszunehmen. Der Gedanke, über den rein formalen Aspekt hinauszugehen, wird durch Artikel 87 Absatz 1 EG gestützt, und zwar durch die Worte „gleich welcher Art“, und wurde vom Gerichtshof bestätigt, z. B. in der Rechtssache Italien/Kommission(45) und zuletzt von Generalanwalt Saggio in der Rechtssache Juntas Generales de Guipúzcoa(46).

60.   Wenn dagegen der Beschluss der lokalen Körperschaft in wirklicher Autonomie (in dem von mir dargelegten Sinne) gegenüber der Zentralregierung ergeht, so besteht kein logischer oder dogmatischer Grund für eine Unterscheidung zwischen symmetrischer Devolution von steuerlichen Befugnissen – das zweite oben geschilderte Szenario, in dem sämtliche lokalen Körperschaften die gleichen autonomen steuerlichen Befugnisse haben – und asymmetrischer Devolution von steuerlichen Befugnissen – das dritte oben geschilderte Szenario, in dem nur einige, aber nicht alle lokalen Körperschaften autonome steuerliche Befugnisse haben. Wie das Vereinigte Königreich ausgeführt hat, ist die Entscheidung, auf welche Region eines Mitgliedstaats, wenn überhaupt, steuerliche Befugnisse übertragen werden sollen, offenkundig eine verfassungspolitische Entscheidung, die stark durch die jeder Region eigenen geschichtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten bedingt ist. Ist der Beschluss über den Steuersatz wirklich autonom, so darf er nicht unter die Vorschriften über die staatlichen Beihilfen fallen.

61.   Das letzte Argument der Kommission dagegen, regionale Steuersenkungen in bestimmten Fällen vom Anwendungsbereich von Artikel 87 Absatz 1 EG auszunehmen, ist das der Rechtssicherheit. Die Kommission hebt hervor, dass Artikel 87 Absatz 1 abgrenze, über welche Maßnahmen die Mitgliedstaaten die Kommission zwecks Beurteilung zu unterrichten hätten; die Mitgliedstaaten müssten daher den genauen Umfang ihrer Unterrichtungspflicht vorab kennen.

62.   Hierzu ist meines Erachtens zu sagen, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit zwar ohne Zweifel einem berechtigten Ziel dient; doch genügt er nicht als Rechtfertigung dafür, den Anwendungsbereich von Artikel 87 Absatz 1 EG über dessen oben dargelegten Zweck hinaus auszudehnen. Denn die Definition des Begriffs der Beihilfe enthält schon ein (noch immer) amorphes Konzept, nämlich das der Rechtfertigung „durch die Natur und die Ökonomie des Systems“.

63.   Nachdem ich die Grundsätze, denen meines Erachtens die Anwendung des Kriteriums der Selektivität zu folgen hat, dargelegt habe, will ich diese Grundsätze nun auf den vorliegenden Fall anwenden.

2.      Stellen die Steuersenkungen in der vorliegenden Rechtssache eine Beihilfe dar?

64.   Die Portugiesische Republik beschränkt ihr Vorbringen zur rechtsfehlerhaften Anwendung von Artikel 87 Absatz 1 EG auf die Fragen der Selektivität und der Rechtfertigung durch die Natur und die Ökonomie des Steuersystems. Daher braucht an dieser Stelle nicht erörtert zu werden, ob die Steuersenkungen einen aus staatlichen Mitteln gewährten Vorteil darstellen, der droht, den Wettbewerb zu verfälschen.

65.   Zunächst werde ich die Frage behandeln, ob die Steuersenkungen entsprechend der oben angestellten Analyse das Kriterium der Selektivität erfüllen.

66.   Diese Frage kann meines Erachtens nur bejaht werden.

67.   Die Azoren werden zwar in der portugiesischen Verfassung als „autonome Region“ mit eigenem politisch-administrativem Status und eigenen Regierungseinrichtungen bezeichnet. Weiter sind diese Einrichtungen zur Ausübung ihrer eigenen Steuerzuständigkeit und zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an die regionalen Besonderheiten befugt, wobei sie an das Gesetz 13/98 und die Verordnung 2/99/A gebunden sind. Der Beschluss, der zu den streitigen Steuersenkungen führte, kann daher unter dem institutionellen Aspekt als autonom zustande gekommen angesehen werden.

68.   Meines Erachtens entsprechen jedoch die Umstände seines Zustandekommens nicht einer wirklichen Autonomie in prozeduraler und wirtschaftlicher Hinsicht in dem oben dargelegten Sinne.

69.   Was die prozedurale Autonomie angeht, hat die Portugiesische Republik in ihren Schriftsätzen hervorgehoben, die Steuersenkungen stellten eine Anwendung der in der portugiesischen Verfassung verankerten Grundsätze der Umverteilung und insbesondere des Grundsatzes der nationalen Solidarität in Artikel 4 Absatz 1 des Gesetzes 13/98 dar, d. h. eines Grundsatzes der Gegenseitigkeit, der das gesamte nationale Hoheitsgebiet umfasse und einen angemessenen Stand öffentlicher Dienstleistungen und privater Tätigkeiten ohne Benachteiligung aufgrund von Ungleichheiten zum Ziel habe. Artikel 5 des Gesetzes führt die Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen dem Staat und den autonomen Regionen auf und setzt als Ziel die Erreichung der nationalen Solidarität.

70.   Für mich widerspricht bereits der Umstand, dass die streitigen Steuersenkungen auf der Grundlage eines Grundsatzes der nationalen Solidarität erlassen wurden, dem Konzept wirklicher prozeduraler Autonomie in dem oben dargelegten Sinne. Denn dieser Grundsatz verpflichtet die Regional- und die Zentralregierung dazu, im gesamten portugiesischen Staatsgebiet zur Förderung der Umverteilung zusammenzuarbeiten.

71.   Entsprechend sieht, was die wirtschaftliche Autonomie angeht, Artikel 5 des Gesetzes 13/98 vor, dass der Grundsatz der nationalen Solidarität im Finanzbereich Mitteltransfers erfordert(47) und dass der Staat zusammen mit den Einrichtungen der autonomen Regionen bestrebt ist, die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und Ungleichheiten zu korrigieren. Diese Grundsätze werden in Artikel 10 des Gesetzes 13/98 weiter ausgeführt, der den autonomen Regionen Anspruch auf bestimmte Steuereinnahmen gibt. Überdies hat die Portugiesische Republik nicht nachgewiesen (und auch nicht nachzuweisen versucht), dass die Azoren für die sich aus den Steuersenkungen ergebenden Steuermindereinnahmen aus dem Staatshaushalt keinen finanziellen Ausgleich erhalten. Dies wäre nämlich mit dem Zweck der Steuersenkungen unvereinbar, der darin besteht, Ungleichheiten in der wirtschaftlichen Entwicklung, die sich aus der Abgelegenheit der Azoren ergeben, auszugleichen: Die Erreichung dieses Zieles würde sehr wahrscheinlich behindert und nicht gefördert, wenn die Senkung der Körperschaftsteuer um 30 % nicht vom portugiesischen Staat ausgeglichen würde.

72.   Daher kam meines Erachtens der Beschluss der regionalen Versammlung der Azoren zu der streitigen Steuersenkung nicht auf eine Weise zustande, die im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG gegenüber der portugiesischen Zentralregierung wirklich autonom gewesen wäre. Die Steuersenkungen sind daher als selektiv einzustufen und bedürfen einer etwaigen Rechtfertigung durch die Natur und den Aufbau des Steuersystems.

73.   Hierzu macht die Portugiesische Republik geltend, dass die fraglichen Steuersenkungen durch die Natur und die Ökonomie des Steuersystems gerechtfertigt seien, weil sie auf den in der portugiesischen Verfassung vorgesehenen Umverteilungszielen beruhten und den Ausgleich für die schwerwiegenden strukturellen Probleme zum Ziel hätten, denen auf den Azoren tätige Unternehmen ausgesetzt seien.

74.   In dieser Hinsicht sind, auch wenn die Grenzen der Rechtfertigung „durch die Natur und den inneren Aufbau“ eines Steuersystems weder vom Gerichtshof noch in der Praxis der Kommission ausgelotet worden sind, folgende Punkte klar.

75.   Erstens obliegt der Nachweis für diese Rechtfertigung dem Mitgliedstaat(48).

76.   Zweitens ist für die Rechtfertigung wesentlich, dass sich die Ausnahmen von der Anwendung des Steuersystems „unmittelbar aus den Grund- oder Leitprinzipien des Steuersystems des betreffenden Mitgliedstaats ergeben“(49). Insoweit ist zwischen „externen“ Zielen eines Steuersystems – z. B. sozialen oder regionalen Zielen –, die außerhalb der Rechtfertigung liegen, und dem „eigentlichen Zweck des Steuersystems“ – z. B. Effizienz der Steuererhebung und Progression – unterschieden worden(50). Es ist daher offensichtlich, dass die Anwendung dieser Kriterien je nach den spezifischen Zielen des konkreten Steuersystems unterschiedlich ist.

77.   Die Portugiesische Republik ist meines Erachtens ihrer Beweislast betreffend die Rechtfertigung im vorliegenden Fall nicht nachgekommen. Selbst wenn die Steuersenkungen auf den Azoren wie eine Steuerprogression die Umverteilung von Einkommen von reicheren auf ärmere Regionen zum Ziel hatten, so wurde dies doch mit einer Methode erreicht, die die Form einer regionalen Ausnahme von dem sonst anwendbaren allgemeinen portugiesischen Steuersystem annimmt, und nicht die eines spezifischen Gebrauchs allgemeiner Vorschriften, die im nationalen Steuersystem gelten. Ich verweise entsprechend auf das Urteil des Gerichts erster Instanz in der Rechtssache Diputación Foral de Álava, in dem es um die Minderung der Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer in bestimmten spanischen Provinzen ging(51). Das Gericht wies das Vorbringen der Kläger, das Steuersystem der Provinzen habe seine Grundlage in der spanischen Verfassung und sei gerechtfertigt, da es erforderlich sei, um die Ziele der Förderung von Investitionen und der Schaffung von Arbeitsplätzen zu erreichen, zurück und führte aus, dass sich „daraus, dass die spanische Verfassung den baskischen Stellen steuerliche Kompetenzen zuerkennt, nicht ableiten [lässt], dass jeder von diesen Stellen gewährte Steuervorteil durch das Wesen oder den Zweck des Steuersystems gerechtfertigt wäre“(52). Insbesondere könne eine Maßnahme „der Einstufung als staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG nicht wegen des mit ihr verfolgten wirtschaftlichen Zieles entgehen“(53).

78.   Ebenso dienen die Steuersenkungen in der vorliegenden Rechtssache, wie die Portugiesische Republik selbst vorträgt, im Wesentlichen dem Ziel, Unternehmen für die Nachteile aus den strukturellen Problemen der Azoren zu entschädigen. Ein solches Ziel kann zwar bei der Beurteilung, ob die Beihilfe unter die Ausnahme des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe a EG fällt, zu berücksichtigen sein, nicht aber als Rechtfertigung durch die Natur und die Anlage des portugiesischen Steuersystems.

79.   Der Gerichtshof sollte daher den Klagegrund, mit dem die Portugiesische Republik die Einstufung der beanstandeten Steuersenkungen durch die Kommission als staatliche Beihilfen rügt, zurückweisen.

B –    Begründungspflicht

80.   Mit dem zweiten Klagegrund rügt die Portugiesische Republik, die Kommission habe das in Nummer 24, dritter Gedankenstrich, der Entscheidung dargelegte Ergebnis, dass die angebliche Beihilfe den Wettbewerb in der Gemeinschaft verfälsche oder zu verfälschen drohe, nicht hinreichend begründet.

81.   Ich halte dies nicht für überzeugend. Der Gerichtshof hat zwar entschieden, dass „die Kommission auch in den Fällen, in denen sich aus den Umständen, unter denen die Beihilfe gewährt worden ist, ergibt, dass sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht, zumindest diese Umstände in der Begründung ihrer Entscheidung anzugeben [hat]“(54). In meinen Augen hat die Kommission diese Verpflichtung in ihrer Entscheidung jedoch erfüllt. Sie hat in ihrer Entscheidung die Art und den Umfang der Steuersenkungen ausführlich beschrieben(55), ebenso die geografischen, wirtschaftlichen und sonstigen Bedingungen der Azoren(56), und hat damit hinreichend dargelegt, aufgrund welcher Umstände sie zu dem Ergebnis gelangte, dass die Steuersenkungen den Wettbewerb verfälschen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen könnten. Insbesondere bin ich angesichts der branchenübergreifenden Tragweite (sämtliche Wirtschaftsteilnehmer, gleich ob natürliche oder juristische Personen, werden erfasst, sofern sie auf den Azoren steuerpflichtig sind) und der beträchtlichen Höhe der in Rede stehenden Steuersenkungen (30 % der Körperschaftsteuer) nicht der Auffassung, dass die Kommission ihre Befugnisse überschritten hat, indem sie aus diesen Umständen folgerte, dass zumindest einige der von den Steuersenkungen betroffenen Unternehmen eine Wirtschaftstätigkeit ausüben, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten betrifft, und dass der Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt sein könnte(57).

82.   Ich möchte noch hinzufügen, dass die relativ geringe geografische Größe der Azoren hier keine Rolle spielt, denn der Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass „[w]eder der verhältnismäßig geringe Umfang einer Beihilfe noch die verhältnismäßig geringe Größe des begünstigten Unternehmens … von vornherein die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten aus[schließt]“(58).

83.   Der zweite Klagegrund der Portugiesischen Republik sollte daher meines Erachtens zurückgewiesen werden.

C –    Offensichtlicher Beurteilungsfehler bei der Anwendung von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG auf den Finanzbereich und auf den Bereich der gruppeninternen Dienstleistungen

84.   Mit dem letzten Klagegrund macht die Portugiesische Republik geltend, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung, der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit verletzt und gegen Artikel 299 Absatz 2 EG verstoßen habe, indem sie die Steuersenkungen im Finanzbereich und im Bereich der gruppeninternen Dienstleistungen nicht unter den Ausnahmetatbestand des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe a EG subsumiert habe. Nach Auffassung der Portugiesischen Republik können Finanzunternehmen genau die gleichen durch die geografische Lage der Azoren bedingten Mehrkosten zu tragen haben und sollten daher gleichbehandelt werden.

85.   Hierzu möchte ich zuerst darauf hinweisen, dass die Kommission bei der Beurteilung, ob eine Maßnahme unter eine der Ausnahmen des Artikels 87 Absatz 1 EG fällt, aufgrund der mit dieser Entscheidung verbundenen komplexen wirtschaftlichen und sozialen Wertungen über ein weites Ermessen verfügt. Der Gerichtshof hat sich daher bei der Rechtmäßigkeitskontrolle auf die Prüfung der Frage zu beschränken, ob die Kommission die Grenzen ihres Ermessens nicht dadurch überschritten hat, dass sie die Tatsachen entstellt oder offensichtlich unrichtig beurteilt oder einen Ermessens- oder Verfahrensmissbrauch begangen hat(59).

86.   Dies vorausgeschickt komme ich nun zu der Frage, ob hier eine Ausnahme nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG gegeben ist. Wie die Kommission in ihren Leitlinien für Regionalbeihilfen ausgeführt hat, sind Betriebsbeihilfen – also Beihilfen zur Senkung der laufenden Ausgaben eines Unternehmens, wozu offensichtlich Steuersenkungen gehören – grundsätzlich verboten. Ausnahmsweise können jedoch derartige Beihilfen in Gebieten, die in den Anwendungsbereich des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe a EG fallen, gewährt werden, „wenn sie aufgrund ihres Beitrags zur Regionalentwicklung und ihrer Art nach gerechtfertigt sind und ihre Höhe den auszugleichenden Nachteilen angemessen ist“(60). Nach den Leitlinien können in Gebieten in äußerster Randlage, die unter die Freistellungsvoraussetzung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstaben a und c fallen, Beihilfen „für den teilweisen Ausgleich der Beförderungsmehrkosten unter Einhaltung bestimmter Bedingungen genehmigt werden“(61). Der Mitgliedstaat muss die durch derartige Faktoren verursachten Mehrkosten nachweisen.

87.   Im vorliegenden Fall befand die Kommission, dass der Finanzbereich und der Bereich der gruppeninternen Dienstleistungen nicht unter die Ausnahme fielen, nachdem sie im Hinblick auf Artikel 299 Absatz 2 EG ausgeführt hatte, dass wegen der geringen Größe der regionalen Märkte und der geografischen Lage der Azoren die Möglichkeit zur Erzielung von größenbedingten Kosteneinsparungen für regional ansässige Unternehmen deutlich eingeschränkt sei, während gleichzeitig beträchtliche Mehrkosten bei der Produktion und beim Zugang zu den Märkten entstünden(62). Nach eingehender Untersuchung anhand dieser Faktoren gelangte die Kommission schließlich zu der Entscheidung, dass außerhalb des Finanzbereichs tätige Unternehmen unter Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG fallen.

88.   Wie die Portugiesische Republik ausführt, hat sich die Kommission zwar, indem sie so entschied, damit begnügt, dass die Mehrkosten für Unternehmen, die in der Region wirtschaftlich tätig sind, allgemein und nicht nach Branchen aufgegliedert nachgewiesen wurden, während sie für den Finanzbereich auf „quantifizierten Daten, die ihr eine objektive Berechnung der Höhe der Mehrkosten, die von den in der Region der Azoren steuerpflichtigen Finanzgesellschaften zu tragen sind, ermöglicht hätten“, bestand – Daten, die die Portugiesische Republik nicht beibringen konnte.

89.   Doch sehe ich darin keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler seitens der Kommission. Wie oben ausgeführt, obliegt dem Mitgliedstaat der Nachweis, dass die beanstandete Beihilfe gerechtfertigt ist und in angemessenem Verhältnis zu den Kosten steht, die den regionalen Unternehmen entstehen. Wenn die Kommission etwa beschlossen hat, bei anderen Wirtschaftszweigen als dem Finanzbereich pauschale branchenübergreifende Zahlen zu akzeptieren, so war sie grundsätzlich berechtigt, für den Finanzbereich solche gesonderten Nachweise zu verlangen – zumal die von Portugal zum Nachweis dieser Kosten vorgelegte ökonometrische Studie den Finanzsektor nicht erfasste. Die Portugiesische Republik bestreitet nicht, dass sie während der Ermittlungen der Kommission keinen solchen gesonderten Nachweis geliefert hat(63).

90.   Daher sollte der Gerichtshof auch den dritten Klagegrund der Portugiesischen Republik zurückweisen.

VII – Ergebnis

91.   Aus diesen Gründen sollte der Gerichtshof nach meiner Auffassung

1.         die Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/442/EG der Kommission vom 11. Dezember 2002 über den Teil der Regelung zur Anpassung des portugiesischen Steuersystems an die besonderen Bedingungen der autonomen Region der Azoren, der die Einkommensteuersenkungen betrifft, insgesamt abweisen;

2.         der Portugiesischen Republik die Kosten der Kommission auferlegen;

3.         den Streithelfern jeweils ihre eigenen Kosten auferlegen.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Entscheidung der Kommission vom 11. Dezember 2002 über den Teil der Regelung zur Anpassung des portugiesischen Steuersystems an die besonderen Bedingungen der autonomen Region der Azoren, der die Einkommensteuersenkungen betrifft, ABl. 2003, L 150, S. 52.


3 – ABl. 1998, C 384, S. 3.


4 – ABl. 1998, C 74, S. 9, in der geänderten Fassung.


5 – Artikel 225 bis 234 der Verfassung.


6 – Artikel 227 Absatz 1 Buchstaben a, b, c und i.


7 – Artikel 227 Absatz 1 Buchstabe d.


8 – Artikel 227 Absatz 1 Buchstaben g, r und s.


9 – Artikel 227 Absatz 1 Buchstaben h, j bis q.


10 – Nr. 24 der Entscheidung.


11 – Nr. 24 der Entscheidung.


12 – Nr. 24 der Entscheidung mit Zitat der Mitteilung über die direkte Besteuerung, Nr. 17.


13 –      Die Kommission untermauerte diese Ausführungen durch Bezugnahmen auf eine Reihe eigener Entscheidungen sowie auf das Urteil in der Rechtssache C-156/98, Deutschland/Kommission, Slg. 2000, I-6857.


14 – Nr. 31 der Entscheidung.


15 – Nr. 36 der Entscheidung.


16 – Zum Nachweis wurden in dieser Studie u. a. angeführt: a) eine Untersuchung von 1 083 körperschaftsteuerpflichtigen Unternehmen, davon 100 mit Sitz auf den Azoren; nach Auffassung Portugals ergibt sich aus dieser Untersuchung, dass bei allen verwendeten Indikatoren (Umsatz, Rentabilität, finanzielle Unabhängigkeit, allgemeine Zahlungsfähigkeit und Eigenkapitalrendite) die Werte der auf den Azoren ansässigen Unternehmen wesentlich unter den Werten der auf dem portugiesischen Festland ansässigen Unternehmen lagen; b) eine ökonometrische Studie auf der Grundlage der Daten für 1997 für die gleiche Auswahl von Unternehmen; darin wird festgestellt, dass bei sonst gleichen Verhältnissen die Gewinne der auf den Azoren ansässigen Unternehmen durchschnittlich 33,6 % unter denen der anderen Unternehmen lagen.


17 – Die Kommission weist darauf hin, dass die portugiesischen Stellen die Verpflichtung übernommen hätten, ihr rechtzeitig jede eventuelle Anwendung der Regelung zur Anpassung des nationalen Steuersystems an die besonderen Bedingungen der Azoren über den 31. Dezember 2006 hinaus zu melden (zu diesem Zeitpunkt ende die Gültigkeitsdauer des Verzeichnisses der staatlichen Beihilfen mit regionaler Zielsetzung) (Nr. 38 der Entscheidung).


18 – Nr. 39 der Entscheidung.


19 – Im Sinne von Abschnitt J (Codes 65, 66 und 67) der Statistischen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft (NACE Rev. 1.1).


20 – Tätigkeiten, deren wirtschaftliche Grundlage darin besteht, Dienstleistungen gegenüber Unternehmen der gleichen Gruppe zu erbringen, wie Koordinierungs- oder Vermittlungstätigkeiten (Abschnitt K Code 74 der Statistischen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft [NACE Rev. 1.1]).


21 – Die Kommission erinnerte daran, dass eine negative Entscheidung in Bezug auf eine Beihilferegelung nicht ausschließe, dass bestimmte Vorteile, die im Rahmen dieser Regelung zugestanden worden seien, kraft des ihnen innewohnenden Wertes ganz oder teilweise so eingestuft würden, als wären sie keine Beihilfen oder als wären sie mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar (Nr. 44 der Entscheidung).


22 – Die Portugiesische Republik verweist in diesem Zusammenhang auf die ökonometrische Studie, die sie der Kommission übermittelt hat und auf eine Studie des Centre for European Policy Studies vom 13. November 1999, um die besondere Lage der Azoren zu verdeutlichen.


23 – Verbundene Rechtssachen C-400/97, C-401/97 und C-402/97 (Juntas Generales de Guipúzcoa u. a., Slg. 2000, I-1073).


24 – Urteile des Gerichtshofes in der Rechtssache C-310/99 (Italien/Kommission, Slg. 2002, I-2289) und in der Rechtssache C-280/00 (Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, Slg. 2003, I-7747, Randnrn. 77 bis 81).


25 – Establishing suitable strategies to improve sustainable development in the Portuguese ultraperipheral regions of Madeira and the Azores, Peter Ludlow, Vitor Martins und Jorge Núñez Ferrer, CEPS.


26 – Scotland Act 1998, s. 73.


27 – Vgl. Northern Ireland Act 1998, Ch. 47 s. 4(1) und Schedule 2(9); Northern Ireland Constitution Act 1973, Ch. 36 s. 2 und Schedule 2(B); Government of Ireland Act 1920, s. 21.


28 – Generalanwalt Saggio stand in seinen Schlussanträgen in den verbundenen Rechtssachen C-400/97, C-401/97 and C-402/97 (Juntas Generales de Guipúzcoa u. a., oben angeführt in Fußnote 23) kurz davor, die Frage zu behandeln. Dort ging es um die Vereinbarkeit von steuerlichen Maßnahmen zur Investitionshilfe und zur Förderung der Wirtschaftstätigkeit im Baskenland (Spanien). Der Generalanwalt gelangte jedoch zu dem Ergebnis, dass es sich um „konjunkturelle Maßnahmen handelt, die geeignet sind, die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu verbessern, auf die sie angewandt werden“ (Nr. 38), und formulierte daher keine allgemeinen Grundsätze für die Beurteilung von geografisch begrenzten Steueränderungen. Das Vorabentscheidungsersuchen wurde zurückgezogen, ehe der Gerichtshof darüber abschließend befinden konnte.


29 – ABl. 1999, L 83, S. 1.


30 – Hinzu kommt meines Erachtens, dass, abgesehen von der Frage, wann die Unterrichtungspflicht eingreift, die Tragweite des Begriffs der Beihilfe natürlich in der Praxis eine weitere wichtige Auswirkung hat: Wird eine Steueränderung nämlich als „Beihilfe“ eingestuft, so geht, wie die Kommission in ihren Leitlinien für Regionalbeihilfen ausgeführt hat, die Beweislast dafür, dass sie den Voraussetzungen für die Ausnahme nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstaben a oder c EG genügt, auf den Mitgliedstaat über.


31 – Nr. 9 der Mitteilung über die direkte Besteuerung.


32 – Vgl. zu allgemeinen Steuersenkungen Urteil vom 8. November 2001 in der Rechtssache C-143/99 (Adria-Wien Pipeline u. a., Slg. 2001, I-8365, Randnrn. 38 und 39) und zu regionalen Steuersenkungen Urteil des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1987 in der Rechtssache 248/84 (Deutschland/Kommission, Slg. 1987, 4013): „[D]er Umstand, dass [das] Förderungsprogramm von einem Bundesland oder einer Gebietskörperschaft und nicht vom Bundes- oder Zentralstaat aufgestellt worden ist, [steht] der Anwendung von Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag nicht entgegen …, wenn die Tatbestandsmerkmale dieses Artikels erfüllt sind. Diese Vorschrift bezieht sich nämlich auf staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art und damit auf alle Beihilfen, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden“ (Randnr. 17).


33 – Vgl. Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache 173/73 (Italien/Kommission, Slg. 1974, 709) und Mitteilung über die direkte Besteuerung (Nr. 12).


34– Wegen der Schwierigkeit, über Vorschläge von die direkten Steuern betreffenden gemeinschaftsrechtlichen Regelungen Einstimmigkeit zu erreichen, hat es bisher auf diesem Gebiet nur sehr wenige Harmonisierungsmaßnahmen nach diesem Artikel gegeben.


35 – Schlussanträge vom 18. September 2003 in der Rechtssache C-308/01 (GIL Insurance u. a., Slg. 2004, I-4777).


36 – Dementsprechend führt die Kommission in ihrer Mitteilung über die direkte Besteuerung aus: „Wesentlich für die Anwendung des Artikels 92 Absatz 1 auf eine steuerliche Maßnahme ist also vor allem, dass diese Maßnahme eine Ausnahme von der Anwendung des allgemein geltenden Steuersystems zugunsten bestimmter Unternehmen eines Mitgliedstaats darstellt. Demnach muss also zuerst festgestellt werden, welche allgemeine Regelung gilt“ (Nr. 16).


37 – Diese Voraussetzung kommt im Urteil des Gerichtshofes Adria-Wien implizit zum Ausdruck: „Für die Anwendung des Artikels 92 EG-Vertrag … ist lediglich festzustellen, ob eine staatliche Maßnahme im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung geeignet ist, ‚bestimmte … Unternehmen oder Produktionszweige‘ im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 EG-Vertrag gegenüber anderen Unternehmen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Maßnahme verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, zu begünstigen“; Hervorhebung nur hier, Urteil C-143/99 (Adria-Wien, oben angeführt in Fußnote 32, Randnr. 41).


38 – So hat etwa nach dem Vortrag des Vereinigten Königreichs das schottische Parlament im Zuge der Devolution von steuerlichen Befugnissen gemäß dem Scotland Act 1998 und im Anschluss an ein Referendum zu dieser Frage die Befugnis, den Basissatz der Einkommensteuer des Vereinigten Königreichs für Schottland um bis zu 3 Pence pro Pfund Sterling zu senken oder zu erhöhen. Wird davon Gebrauch gemacht, so führt dies nicht zu einem Ausgleich in Form von Erstattungs- oder Subventionsansprüchen der bzw. gegen die Zentralregierung des Vereinigten Königreichs. Schottland trägt somit das finanzielle „Risiko“ aus den etwaigen Abweichungen bei der Festsetzung des Steuersatzes.


39 – Nr. 26 der Entscheidung.


40 – Die Kommission stützt sich insbesondere auf das Urteil in der Rechtssache 173/73 (Italien /Kommission, oben angeführt in Fußnote 33, Randnr. 13).


41 – Schlussanträge in der Rechtssache C-308/01 (GIL Insurance, oben angeführt in Fußnote 35).


42 – Schlussanträge vom 4. März 2004 in der Rechtssache C-174/02 (Streekgewest Westelijk Noord-Brabant, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).


43 – Zudem würde, wie das Vereinigte Königreich ausführt, wenn allein die Wettbewerbsverfälschung der Lackmus-Test für die Definition des Begriffs „Beihilfe“ wäre, dies auch den Fall erfassen, in dem sämtliche lokalen Körperschaften einer bestimmten Ebene gleiche steuerliche Befugnisse für ihr Gebiet haben – nach dem Vortrag der Kommission liegt in diesem Fall keine Beihilfe vor.


44 – Vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Saggio in den verbundenen Rechtssachen C-400/97, C-401/97 und C-402/97 (Juntas Generales de Guipúzcoa u. a., oben angeführt in Fußnote 23, Nr. 37).


45 – Vgl. Urteil in der Rechtssache 173/73 (Italien/Kommission, oben angeführt in Fußnote 33, Randnr. 27), wo der Gerichtshof das Argument Italiens, die teilweise Befreiung von Sozialabgaben im Textilsektor sei als soziale Maßnahme zu qualifizieren und falle deshalb nicht unter die dem heutigen Artikel 87 entsprechende Vorschrift, mit der Feststellung zurückwies, „Artikel 92 … unterscheidet … nicht nach den Gründen oder Zielen solcher Maßnahmen, sondern beschreibt diese nach ihren Wirkungen“.


46 – Verbundene Rechtssachen C-400/97, C-401/97 und C-402/97 (Juntas Generales de Guipúzcoa u. a., oben angeführt in Fußnote 23, Nr. 37): „Der Umstand, dass die in Rede stehenden Maßnahmen von Gebietskörperschaften mit ausschließlicher Zuständigkeit im Sinne des nationalen Rechts erlassen worden sind, dürfte … einen rein formalen Gesichtspunkt darstellen, der nicht dafür ausreicht, die Vorzugsbehandlung der Unternehmen zu rechtfertigen, die vom Geltungsbereich der örtlichen Regelungen erfasst werden.“


47 – Artikel 5 Absatz 2 des Gesetzes 13/98.


48 – Mitteilung über die direkte Besteuerung, Nr. 23.


49 – Mitteilung über die direkte Besteuerung, Nr. 16.


50 – Mitteilung über die direkte Besteuerung, Nr. 26.


51 – Urteil in den verbundenen Rechtssachen T-346/99, T-347/99 und T-348/99 (Diputación Foral de Álava, Slg. 2002, II-4259).


52 – Ebenda., Randnr. 62.


53 – Ebenda., Randnr. 63.


54 – Vgl. Urteile in der Rechtssache 57/86 (Griechenland/Kommission, Slg. 1988, 2855, Randnr. 15), in den verbundenen Rechtssachen C-329/93, C-62/95 und C-63/95 (Deutschland u. a./Kommission, Slg. 1996, I-5151, Randnr. 52) sowie in der Rechtssache C-156/98 (Deutschland/Kommission, oben angeführt in Fußnote 13, Randnr. 98).


55 – Vgl. z. B. Nrn. 7 bis 9 der Entscheidung.


56 – Vgl. z. B. Nrn. 36 bis 37 der Entscheidung (auch wenn diese Beschreibung im Kontext mit der Beurteilung der Vereinbarkeit mit Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG steht).


57 – Vgl. auch das kürzlich ergangene Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-310/99 (Italien/Kommission, oben angeführt in Fußnote 24, Randnrn. 88 und 89), wo der Gerichtshof befand, dass die Kommission ihre Verpflichtung, Gründe anzuführen, wenn sie in einer Entscheidung über eine staatliche Beihilfe eine potenzielle Wettbewerbsverfälschung feststellt, erfüllt hatte, indem sie allgemein ausführte, dass die Maßnahme den Beihilfeempfängern gegenüber ihren Wettbewerbern einen spürbaren Vorteil verschafft habe und ihrem Wesen nach vor allem Unternehmen zugute komme, die sich am Handel zwischen den Mitgliedstaaten beteiligten. Nach Auffassung des Gerichtshofes war die Kommission „nicht verpflichtet, diesen Punkt ausführlicher zu behandeln“.


58 – Vgl. Urteile in der Rechtssache C-310/99 (Italien/Kommission, oben angeführt in Fußnote 24, Randnr. 86) und in den verbundenen Rechtssachen C-278/92 bis C-280/92 (Spanien/Kommission, Slg. 1994, I-4103, Randnr. 42).


59 – Vgl. z. B. Urteil in der Rechtssache C-225/91 (Matra/Kommission, Slg. 1993, I-3202, Randnr. 24).


60 – Leitlinien für Regionalbeihilfen, Ziffer 4.15.


61 – Leitlinien für Regionalbeihilfen, Ziffer 4.16.


62 – Nr. 36 der Entscheidung.


63 – Siehe Nr. 18 der Entscheidung: „In Bezug auf das Fehlen von Unternehmen des Finanzbereichs in der Grundstichprobe beschränken sich die portugiesischen Behörden … darauf, dieses Fehlen mit dem Mangel an statistischen Daten in Bezug auf die Branche zu rechtfertigen, und erkennen somit an, dass sie im Hinblick auf diese Wirtschaftstätigkeiten nicht eindeutig nachweisen können, dass die fraglichen Steuersenkungen ihrer Art und Höhe nach geeignet sind, die spezifischen Probleme der Region der Azoren zu lösen.“