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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PHILIPPE LÉGER

vom 29. September 20051(1)

Rechtssache C-210/04

Ministero dell’Economia e delle Finanze,

Agenzia delle Entrate,

gegen

FCE Bank plc

(Vorabentscheidungsersuchen der Corte Suprema di Cassazione [Italien])

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Artikel 2 Nummer 1 und Artikel 9 Absatz 1 – Innerhalb ein und derselben rechtlichen Einheit erbrachte Dienstleistungen – Feste Niederlassung – Mehrwertsteuerfreie Umsätze – OECD-Doppelbesteuerungsabkommen – Belastung der im Niederlassungsstaat mit Hilfe der festen Niederlassung erzielten Gewinne mit den Kosten der erbrachten Dienstleistungen – Unerheblichkeit für die Mehrwertsteuer“





1.     Das vorliegende Vorabentscheidungsverfahren betrifft im Wesentlichen die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen innerhalb ein und derselben rechtlichen Einheit erbrachte Dienstleistungen als mehrwertsteuerpflichtige(2) gegen Entgelt erbrachte Dienstleistungen im Sinne der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates(3) anzusehen sind.

2.     Das Verfahren beruht auf einem Rechtsstreit zwischen den italienischen Mehrwertsteuerbehörden und der FCE Bank plc(4) mit Sitz im Vereinigten Königreich über Dienstleistungen, die diese Bank ihrer festen Niederlassung in Italien auf dem Gebiet des Managements und der Personalaus- und -fortbildung erbracht hat und mit deren Kosten die genannte Niederlassung belastet wurde. Zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens ist streitig, ob die Leistungen, die innerhalb ein und derselben rechtlichen Einheit erbracht wurden, als mehrwertsteuerpflichtige entgeltliche Dienstleistungen anzusehen sind.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Gemeinschaftsrecht

3.     Nach Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“.

4.     Nach der Definition in Artikel 4 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie gilt als Steuerpflichtiger, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig und unabhängig von ihrem Ort gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis ausübt. Der in Artikel 4 Absatz 1 verwendete Begriff „selbständig“ schließt nach Artikel 4 Absatz 4 Unterabsatz 1 die Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der Besteuerung aus, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft.

5.     Der Ort des steuerbaren Umsatzes ist für Dienstleistungen in Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie geregelt, der Folgendes bestimmt:

„Als Ort einer Dienstleistung gilt der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung sein Wohnort oder sein üblicher Aufenthaltsort.“

B –    Nationales Recht

6.     Die einschlägigen italienischen Mehrwertsteuervorschriften finden sich in dem grundlegenden Gesetz über die Mehrwertsteuer (Dekret Nr. 633 des Präsidenten der Republik) vom 26. Oktober 1972 (im Folgenden: DPR). Nach Artikel 1 DPR fällt die Mehrwertsteuer auf Dienstleistungen an, die im Inland erbracht werden. Artikel 3 DPR definiert diese Dienstleistungen als Leistungen, die für eine Gegenleistung erbracht werden.

7.     Artikel 7 DPR mit dem Titel „Territorialität der Steuer“ bestimmt in Absatz 3, dass Dienstleistungen als „im Inland erbracht gelten, wenn sie von Personen mit Sitz im Inland oder dort ansässigen Personen ohne Sitz im Ausland sowie von festen Niederlassungen von Personen in Italien erbracht werden, die im Ausland ihren Sitz haben oder ansässig sind“.

II – Sachverhalt und Verfahren des Ausgangsrechtsstreits

8.     Unternehmensgegenstand der FCE Bank ist die Ausübung mehrwertsteuerfreier Tätigkeiten im Finanzbereich. Die Bank erbringt für Rechnung ihrer Zweitniederlassungen Dienstleistungen der Beratung, des Managements, der Aus- und Fortbildung des Personals, der Datenverarbeitung sowie der Bereitstellung und Betreuung von Anwendersoftware, deren Kosten diese Zweitniederlassungen anteilig tragen.

9.     Nach der Sachverhaltsdarstellung der Corte Suprema di Cassazione (Italien) nahm die FCE IT, eine feste Niederlassung der FCE Bank in Italien, im Rahmen der genannten Umsätze für die Jahre 1996 bis 1999 eine Verlagerung der Steuerschuld vor. Nachdem sie der italienischen Verwaltung die entsprechende Mehrwertsteuer entrichtet hatte, beantragte die FCE IT die Erstattung dieser Steuer mit der Begründung, dass sie keine eigene Rechtspersönlichkeit besitze.

10.   Da dieser Antrag von den zuständigen italienischen Behörden nicht beantwortet und somit stillschweigend abgelehnt wurde, erhob die FCE IT Klage, der stattgegeben wurde. Die Berufung der italienischen Verwaltung gegen diese Entscheidung wurde zurückgewiesen. Das zuständige Gericht war der Ansicht, dass die in Rede stehenden Leistungen interne Umsätze innerhalb ein und derselben rechtlichen Einheit seien, die als solche nicht der Mehrwertsteuer unterlägen. Die der festen Niederlassung von der Muttergesellschaft berechneten Kosten der Dienstleistungen seien keine Gegenleistung für eine Dienstleistung, sondern lediglich eine Kostenzuweisung innerhalb ein und desselben Unternehmens.

11.   Gegen diese Entscheidung legte das italienische Wirtschafts- und Finanzministerium Kassationsbeschwerde ein. Dabei stützte es sich auf Artikel 7 DPR und machte geltend, dass jede Zahlung zugunsten der Muttergesellschaft in Bezug auf von dieser erbrachte Leistungen aufgrund der subjektiven Steuerautonomie, die einer festen Niederlassung zuerkannt werde, als Gegenleistung anzusehen sei und somit eine Besteuerungsgrundlage für die Erhebung der Mehrwertsteuer darstelle.

III – Die Vorlagefragen

12.   Das vorlegende Gericht führt aus, dass sich ihm zwei Fragen stellten, nämlich ob ein für Mehrwertsteuerzwecke erhebliches Rechtsverhältnis zwischen der Muttergesellschaft und ihrer festen Niederlassung bestehe und was unter dem Begriff „entgeltliche Leistung“ zu verstehen sei.

13.   Hinsichtlich des ersten Punktes sei zu klären, ob nach dem nationalen Recht und Artikel 2 der Sechsten Richtlinie die feste Niederlassung oder die Tochtergesellschaft eines Unternehmens, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sei als die Muttergesellschaft, eine selbständige Einheit und damit mehrwertsteuerpflichtiger Empfänger einer Dienstleistung sein könne, da eine Dienstleistung nach der Rechtsprechung nur dann der Steuer unterliege, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehe(5).

14.   Nach dem nationalen Recht, so bemerkt das vorlegende Gericht, müssten gebietsfremde Unternehmen, die in Italien eine feste Niederlassung errichteten, diese zwar in das Handelsregister eintragen lassen, eine derartige Außenstelle, insbesondere wenn sie von einer Bank eingesetzt werde, besitze jedoch keine von der Muttergesellschaft getrennte Rechtspersönlichkeit. Rechtsverhältnisse mit Dritten würden der Muttergesellschaft zugerechnet.

15.   Bei den direkten Steuern seien die festen Niederlassungen gebietsfremder Unternehmen indessen hinsichtlich der Einkommensteuer steuerpflichtig, und für die von ihnen getätigten Geschäfte sei eine von derjenigen des Stammbetriebs getrennte Buchführung vorgeschrieben. Das vorlegende Gericht wirft in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob das von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erstellte Musterabkommen für die Einkommen- und Vermögensteuer(6) in Bezug auf dessen Artikel 7(7) auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer von Bedeutung sein könnte. Es betont, dass die OECD-Kommentierung zu dem genannten Artikel 7 die Erbringung von Dienstleistungen durch den Stammbetrieb zugunsten der Betriebsstätte ausdrücklich als mögliche Quelle von Aufwendungen erwähne, die dieser Betriebsstätte zugewiesen werden könnten. Überdies seien diese Bestimmungen des OECD-Musterabkommens in das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Italienischen Republik und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland übernommen worden.

16.   Das vorlegende Gericht wirft ferner die Frage auf, ob gegebenenfalls das Vorliegen einer Kostenzuweisungsvereinbarung (Cost-Sharing-Agreement) oder zumindest eines Rechtsakts, wonach der festen Niederlassung die Kosten von Dienstleistungen zugewiesen würden, die die Muttergesellschaft ihr gegenüber erbringe, ein Rechtsverhältnis zwischen Muttergesellschaft und fester Niederlassung im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes erkennen lasse.

17.   Somit sei zu klären, ob innerhalb ein und desselben Rechtssubjekts eine Einheit bestehen könne, die selbständig genug sei, um ein Rechtsverhältnis zu ermöglichen, aus dem heraus Leistungen entstünden. Bejahendenfalls ergäben sich zwei Fragen, nämlich wie eine derartige Selbständigkeit festzustellen sei und ob das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes nach nationalem Recht oder, wie aus dem Urteil Town and County Factors vom 17. September 2002(8) hervorzugehen scheine, nach den Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts zu beurteilen sei.

18.   Hinsichtlich des Begriffes „entgeltliche Leistung“ stelle sich die Frage, ob die Kostenbelastung oder gegebenenfalls eine teilweise Belastung in Ermangelung eines Unternehmensgewinns eine Gegenleistung im Sinne der Rechtsprechung sein könne.

19.   Aufgrund dieser Erwägungen hat die Corte Suprema di Cassazione das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Sind die Artikel 2 Nummer 1 und 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass die Filiale eines Unternehmens mit Sitz in einem anderen Staat (innerhalb oder außerhalb der Europäischen Union), die die Eigenschaften einer Fertigungsstätte hat, als selbständiger Steuerpflichtiger angesehen werden kann und damit ein Rechtsverhältnis zwischen den beiden Einheiten vorstellbar ist, das dazu führt, dass die Erbringung von Dienstleistungen durch den Stammbetrieb mehrwertsteuerpflichtig ist? Kann zur Bestimmung dieses Rechtsverhältnisses das Arm’s-Length-Kriterium des Artikels 7 Absätze 2 und 3 des OECD-Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und des Abkommens vom 21. Oktober 1988 zwischen Italien, dem Vereinigten Königreich und Nordirland herangezogen werden? Ist im Fall eines Cost-Sharing-Agreement betreffend die Erbringung von Dienstleistungen für die Niederlassung ein Rechtsverhältnis vorstellbar? Welche Voraussetzungen gelten bejahendenfalls für das Bestehen eines solchen Rechtsverhältnisses? Bestimmt sich der Begriff des Rechtsverhältnisses nach dem nationalen Recht oder nach dem Gemeinschaftsrecht?

2.      Kann die Belastung der Filiale mit den Kosten solcher Dienstleistungen unabhängig von ihrem Umfang und von der Erzielung eines Unternehmensgewinns als Gegenleistung für die erbrachten Dienstleistungen im Sinne des Artikels 2 der Sechsten Richtlinie angesehen werden und, wenn ja, in welchem Umfang?

c)      Verstößt, falls die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Stammbetrieb und Filiale grundsätzlich als mehrwertsteuerfrei anzusehen ist, weil der Empfänger nicht selbständig und deshalb kein Rechtsverhältnis zwischen den beiden Einheiten vorstellbar ist, eine nationale Verwaltungspraxis, nach der die Leistung dann als steuerbar angesehen wird, wenn der Stammbetrieb in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässig ist, gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß Artikel 43 EG?

IV – Würdigung

A –    Zur Bedeutung der Vorlagefragen

20.   Die in den Vorlagefragen verwendeten Begriffe sind teilweise mehrdeutig und bedürfen insoweit einer Klärung, um die Fragen des vorlegenden Gerichts zweckdienlich beantworten zu können.

21.   Zunächst ist zu bemerken, dass dieses in seinen Vorabentscheidungsfragen und in den Gründen der Vorlageentscheidung wiederholt den Begriff „Filiale“ verwendet hat, weshalb man glauben könnte, dass die FCE IT eine nach italienischem Recht gegründete Gesellschaft und damit eine von der FCE Bank verschiedene rechtliche Einheit sei.

22.   Aus den Gründen der Vorlageentscheidung geht indessen hervor, dass der genannte Begriff „Filiale“ nicht in diesem eigentlichen Sinn, sondern in dem weiteren Sinn einer Zweitniederlassung zu verstehen ist. Das vorlegende Gericht führt nämlich aus, dass die FCE IT eine Betriebsstätte (oder feste Niederlassung) der FCB Bank sei(9) und sich im Ausgangsverfahren die Frage stelle, ob innerhalb ein und desselben Rechtssubjekts ein Rechtsverhältnis bestehen könne, aus dem heraus der Mehrwertsteuer unterworfene Leistungen entstehen könnten(10).

23.   Zudem hat die FC Bank in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass die FCE IT eine Zweigstelle im Sinne von Artikel 1 Nummer 3 der Richtlinie 2000/112/EG des Europäischen Parlaments und des Rates(11) sei, die zur Verwirklichung des Binnenmarktes für die Tätigkeit der Kreditinstitute erlassen worden ist. Nach der in der genannten Bestimmung enthaltenen Definition ist die FCE IT „eine Betriebsstelle, die einen rechtlich unselbständigen Teil eines Kreditinstituts bildet und unmittelbar sämtliche Geschäfte oder einen Teil der Geschäfte betreibt, die mit der Tätigkeit eines Kreditinstituts verbunden sind“.

24.   Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die genaue Rechtsnatur der FCE IT festzustellen. Aufgrund der vorstehend dargelegten Anhaltspunkte kann aber wohl davon ausgegangen werden, dass es sich hier um eine Zweitniederlassung handelt, die keine gesonderte rechtliche Einheit gegenüber ihrem Stammbetrieb darstellt, und dass das vorlegende Gericht hier die Frage stellt, ob und in welchem Umfang Dienstleistungen, die innerhalb ein und derselben rechtlichen Einheit erbracht werden, der Mehrwertsteuer unterliegen.

25.   Ferner bemerkt das vorlegende Gericht, wie bereits dargelegt, dass die FCE IT einen feste Niederlassung der FCE Bank sei. Es ersucht mit seiner ersten Vorabentscheidungsfrage um Auslegung der Artikel 2 Nummer 1 und 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie. Letzterer bestimmt, dass als Ort einer Dienstleistung der Ort gilt, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus die Dienstleistung erbracht wird(12).

26.   Dieser Begriff „feste Niederlassung“ wird in der Sechsten Richtlinie nicht definiert; nach gefestigter Rechtsprechung setzt er jedoch voraus, dass die in einem Mitgliedstaat von einer gebietsfremden Gesellschaft eingesetzte Niederlassung die Personal- und Sachmittel aufweist, die für die Erbringung der dem Geschäftsbereich dieser Gesellschaft entsprechenden Dienstleistungen erforderlich sind(13). Da allein das nationale Gericht, bei dem der Rechtsstreit anhängig ist und in deren Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten des jeweiligen Falles über die Stichhaltigkeit der Fragen zu befinden hat, die es an den Gerichtshof richtet(14), kann angenommen werden, dass die FCE IT als feste Niederlassung im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie anzusehen ist.

27.   Ich gehe daher bei der Prüfung der ersten Vorlagefrage davon aus, dass die FCE IT eine Zweitniederlassung der FCE Bank in Italien ist, die keine selbständige rechtliche Einheit bildet und in diesem Mitgliedstaat eine feste Niederlassung im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie ist.

B –    Zur ersten Vorlagefrage

28.   Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Artikel 2 Nummer 1 und 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass Dienstleistungen, die eine gebietsfremde Muttergesellschaft gegenüber einer Zweitniederlassung in einem Mitgliedstaat erbringt, die keine gesonderte rechtliche Einheit bildet und eine feste Niederlassung in diesem Mitgliedstaat im Sinne der letztgenannten Bestimmung darstellt, der Mehrwertsteuer unterliegende Umsätze sein können, wenn diese Niederlassung mit den Kosten der genannten Dienstleistungen belastet wird.

29.   Mit dieser Frage soll geklärt werden, ob eine derartige Zweitniederlassung gegenüber ihrer gebietsfremden Muttergesellschaft als selbständig genug angesehen werden kann, um ein Rechtsverhältnis zwischen beiden zu ermöglichen, aufgrund dessen innerhalb derselben rechtlichen Einheit erbrachte Leistungen als der Mehrwertsteuer unterliegende Leistungen angesehen werden können.

30.   Das vorlegende Gericht fragt in diesem Zusammenhang, ob eine derartige Selbständigkeit aus den in dem OECD-Musterabkommen vorgesehenen Bedingungen abzuleiten ist, unter denen die im Aufnahmestaat von dem betreffenden Unternehmen mit Hilfe seiner Betriebsstätte erzielten Gewinne in diesem Staat der Steuer unterliegen, und ob diese Selbständigkeit gegebenenfalls durch das Vorliegen eines „Cost-Sharing-Agreement“ oder durch eine Maßnahme begründet wird, wonach die genannten Gewinne mit den Kosten der vom Stammbetrieb erbrachten Leistungen belastet werden. Das vorlegende Gericht wirft zudem die Frage auf, ob sich der Begriff des Rechtsverhältnisses nach dem nationalen Recht oder nach dem Gemeinschaftsrecht bestimmt.

31.   Nach Ansicht der italienischen und der portugiesischen Regierung unterliegen die von einer Muttergesellschaft gegenüber ihrer festen Niederlassung erbrachten Dienstleistungen der Mehrwertsteuer, da die feste Niederlassung im Aufnahmestaat als selbständiger Steuerpflichtiger anzusehen sei.

32.   Die italienische Regierung stützt sich dabei auf Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie sowie auf Artikel 1 der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates(15), wonach „[f]ür die Anwendung dieser Richtlinie als nicht im Inland ansässiger Steuerpflichtiger derjenige Steuerpflichtige nach Artikel 4 Absatz 1 der [Sechsten] Richtlinie [gilt], der … in diesem Land weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung, von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind, … gehabt hat …“ Sie schließt daraus, dass der Stammbetrieb und seine Zweigstelle selbst dann insbesondere bezüglich der Mehrwertsteuer selbständige Steuerpflichtige darstellen, wenn sie zur selben juristischen Person gehören.

33.   Die portugiesische Regierung weist darauf hin, dass sich der Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer nicht nur auf Einheiten mit Rechtspersönlichkeit erstrecke und der Begriff des Mehrwertsteuerpflichtigen nach der Definition des Artikels 4 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie auch Rechtssubjekte erfassen können, die keine eigene Rechtspersönlichkeit hätten, jedoch in einer gewissen Unabhängigkeit operierten. Die vom Gerichtshof erstellte Definition des Begriffs der festen Niederlassung unterliege nicht Kriterien des nationalen Rechts, sondern der Voraussetzung, dass diese Niederlassung über genügend Personal- und Sachmittel verfüge, um eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig betreiben zu können. Überdies bleibe die Mehrwertsteuer trotz weitgehender Harmonisierung eine nationale Steuer, so dass die Zuerkennung der Eigenschaft Steuerpflichtiger ausschließlich Sache der innerstaatlichen Gesetzgebung des jeweiligen Mitgliedstaats sei. Aus diesen Erwägungen sei zu schließen, dass eine feste Niederlassung auch dann als selbständiger, von ihrem Stammbetrieb verschiedener Steuerpflichtiger anzusehen sei, wenn sie Teil eines Rechtssubjekts mit „ein und derselben unteilbaren Rechtspersönlichkeit“ sei.

34.   Ich teile nicht die Ansichten dieser Verfahrensbeteiligten. Ebenso wie die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften bin ich der Auffassung, dass innerhalb ein und derselben rechtlichen Einheit erbrachte Dienstleistungen selbst dann nicht der Mehrwertsteuer unterliegen können, wenn ihre Kosten auf die verschiedenen festen Niederlassungen aufgeteilt werden. Ich stütze mich hierbei auf die nachstehenden Erwägungen.

35.   Die Sechste Richtlinie fasst zwar den Anwendungsbereich für die Mehrwertstuer sehr weit, da dieser sich auf alle wirtschaftlichen Tätigkeiten und alle Vertriebs- und Handelsstufen erstreckt(16). So erfasst Artikel 2 Nummer 1 dieser Richtlinie alle Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher in einem Mitgliedstaat gegen Entgelt ausführt. Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass Leistungen wie Beratung, Management, Personalaus- und -fortbildung, Datenverarbeitung sowie Bereitstellung und Betreuung von Anwendersoftware steuerpflichtige Umsätze im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie sein können, wenn sie von einem Steuerpflichtigen gegen Entgelt erbracht werden(17).

36.   Dies kommt auch in Artikel 4 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie zum Ausdruck, in dem als Steuerpflichtiger definiert wird, „wer“ eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig und unabhängig von ihrem Ort gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis ausübt. Wie die portugiesische Regierung zu Recht bemerkt, erfasst der Begriff des Steuerpflichtigen somit nicht nur natürliche und juristische Personen, sondern gegebenenfalls auch eine Einheit ohne Rechtspersönlichkeit(18).

37.   Aus den vorgenannten Merkmalen ergibt sich ferner, dass das Vorliegen eines mehrwertsteuerpflichtigen Vorgangs eine objektive Realität darstellt, da dieser Vorgang nicht von dem mit ihm verfolgten Zweck oder seinem Ergebnis abhängt. Er ist auch nicht an Kriterien einer bestimmten Form oder der rechtlichen Wirkung einer Vereinbarung zwischen dem Erbringer einer Leistung und dem Leistungsempfänger gebunden, die unter den Mitgliedstaaten verschieden sein können. So ist, wie die italienische Regierung ausführt, entschieden worden, dass das Bestehen einer entgeltlichen Dienstleistung nicht von der Durchsetzbarkeit der Verpflichtungen des Dienstleistenden abhängen kann, so dass ein Rechtsverhältnis im Sinne des genannten Urteils Tolsma auch dann vorliegt, wenn die Verpflichtung des Leistenden nicht vollstreckbar ist(19).

38.   Indessen kann es im Hinblick auf das Mehrwertsteuersystem der Gemeinschaft meines Erachtens nicht innerhalb ein und derselben rechtlichen Einheit Rechtssubjekte geben, die selbständig genug sind, um zwei Steuerpflichtige entstehen zu lassen, wie die italienische und die portugiesische Regierung geltend machen. Zum einen ist schwer vorstellbar, dass eine feste Niederlassung im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie unabhängig von ihrer Muttergesellschaft handelt. Zum anderen ist eine feste Niederlassung im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie kein von ihrer Muttergesellschaft getrennter Steuerpflichtiger.

39.   Zum erstgenannten Punkt ist zu bemerken, dass der in Artikel 4 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie verwendete Begriff „selbständig“, der die Eigenschaft Steuerpflichtiger bedingt, in Absatz 4 Unterabsatz 1 dieses Artikels nur negativ definiert wird. Danach besteht keine Selbständigkeit, wenn ein Unterordnungsverhältnis wie bei einem Arbeitsvertrag zwischen einem Lohn- oder Gehaltsempfänger und seinem Arbeitgeber vorliegt. Diese Bestimmung nennt drei Kriterien, die an eine Abhängigkeit hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie in der Verantwortlichkeit anknüpfen.

40.   Aufgrund dieser Kriterien hat der Gerichtshof festgestellt, dass Notare und Gerichtsvollzieher selbständig tätig sind, da sie für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln, frei die Modalitäten für die Ausübung ihrer Arbeit regeln und das Entgelt selbst vereinnahmen, das ihr Einkommen darstellt(20). Er hat ferner festgestellt, dass die Tätigkeit der Steuereinnehmer in Spanien, die von den örtlichen Gebietskörperschaften ernannt werden, um für sie die Steuern einzuziehen, als selbständige mehrwertsteuerpflichtige Wirtschaftstätigkeit anzusehen ist(21). Insbesondere hat er ausgeführt, dass in diesem Fall kein Unterordnungsverhältnis hinsichtlich der Vergütungsbedingungen besteht, „da die Steuereinnehmer insofern das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit tragen, als der Gewinn, den sie aus ihr ziehen, nicht nur vom Betrag der eingezogenen Steuern abhängt, sondern auch von den mit dem Einsatz der für ihre Arbeit benötigten Arbeitskräfte und sachlichen Mitteln verbundenen Ausgaben“(22).

41.   Der Gerichtshof hat anhand derselben Kriterien im oben genannten Urteil Heerma festgestellt, dass der Betroffene steuerpflichtig war. Es ging darum, ob die Vermietung eines Gebäudes an eine niederländische Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch einen Gesellschafter dieser Gesellschaft ein mehrwertsteuerpflichtiger Vorgang ist. Die niederländische Regierung machte geltend, Herr Heerma könne nicht als Steuerpflichtiger im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie angesehen werden, da die betreffende Vermietung nur ein Geschäft in geschlossenem Kreis darstelle; der Vermieter, der zugleich Gesellschafter sei, sei nämlich für die Einhaltung der sich für die mietende Gesellschaft aus dem Mietvertrag ergebenden Verpflichtungen mitverantwortlich.

42.   Nach Ansicht des Gerichtshofes bestand zwischen Herrn Heerma und der mietenden Gesellschaft kein Verhältnis der Unterordnung, das dem in Artikel 4 Absatz 4 Unterabsatz 1 der Sechsten Richtlinie genannten entspräche. Vielmehr handelte Herr Heerma bei der Vermietung eines körperlichen Gegenstandes an die Gesellschaft selbst dann im eigenen Namen, für eigene Rechnung und auf eigenes Risiko, wenn er zugleich Geschäftsführer der mietenden Gesellschaft war. Der Gerichtshof hat zudem erklärt, dass diese niederländische Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwar keine Rechtspersönlichkeit aufweise, jedoch in tatsächlicher Hinsicht die Selbständigkeit einer Gesellschaft besitze und selbständig wirtschaftliche Tätigkeiten ausübe, so dass sie für deren Ausübung als Mehrwertsteuerpflichtige zu behandeln sei(23).

43.   In Anbetracht dieser Kriterien und deren Anwendung in der Rechtsprechung ist schwer vorstellbar, dass innerhalb ein und derselben rechtlichen Einheit eine feste Niederlassung selbständig genug sein kann, um für eigene Rechnung, in eigener Verantwortlichkeit und mit alleiniger Übernahme der wirtschaftlichen Risiken ihrer Tätigkeit zu handeln. Wie die portugiesische Regierung betont, hängt die Steuerpflicht zwar nicht davon ab, dass das Unternehmen Rechtspersönlichkeit besitzt. Dies dürfte im vorliegenden Fall jedoch nicht ausschlaggebend sein. Es handelt sich hier nämlich darum, ob eine feste Niederlassung, die Teil einer rechtlichen Einheit mit Rechtspersönlichkeit ist, gegenüber dieser Einheit als selbständig im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Sechsten Richtlinie angesehen werden kann und einem beliebigen anderen Mehrwertsteuerpflichtigen gleichzustellen ist, für den die Muttergesellschaft Dienstleistungen erbringt. Im hier in Rede stehenden Fall steht meines Erachtens die fehlende eigene Rechtspersönlichkeit der Zweitniederlassung der Möglichkeit entgegen, dass diese Niederlassung selbständig handelt.

44.   Eine Bestätigung dessen findet sich im oben genannten Urteil DFDS, in dem sich der Gerichtshof mit dem Begriff der Selbständigkeit im Verhältnis zwischen einer als Reisebüro tätigen Gesellschaft dänischen Rechts und ihrer englischen Filiale befasst hat. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass Letztere nicht als selbständig anzusehen sei, obwohl die Tochtergesellschaft eine eigene Rechtspersönlichkeit besaß und Eigentümerin ihrer Geschäftsräume war; es ergab sich nämlich aus dem Vorlagebeschluss, insbesondere daraus, dass die DFDS das gesamte Gesellschaftskapital ihrer Tochtergesellschaft hielt, und aus verschiedenen Vertragsverpflichtungen, die dieser von ihrer Muttergesellschaft auferlegt wurden, dass die Tochtergesellschaft als bloße Hilfsperson der DFDS handelte(24).

45.   Wenn eine Filiale, die eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, aufgrund der tatsächlichen Beziehungen, die sie mit ihrer Muttergesellschaft verbinden, als bloße Hilfsperson derselben anzusehen ist, kann eine feste Niederlassung, die Teil der Gesellschaft ist, umso weniger eine selbständige Einheit darstellen und als selbständiger Steuerpflichtiger behandelt werden. Wie die Kommission vorträgt, können Leistungen, die innerhalb eines Konzerns zwischen einem Stammbetrieb und einer Zweitniederlassung erbracht werden, die im Niederlassungsstaat nicht als eigene nach dem Recht dieses Staates gegründete rechtliche Einheit eingetragen ist, grundsätzlich nicht als der Mehrwertsteuer unterliegende Leistungen angesehen werden(25).

46.   Die Beziehungen zwischen einer Muttergesellschaft und einer Zweigstelle wie der FCE IT können diesen Grundsatz gut verdeutlichen. Von Natur aus ist Letztere nur eine Betriebsstelle ohne Rechtspersönlichkeit. Sie wird nicht für eigene Rechnung, sondern als verlängerter Arm des Kreditinstituts tätig, das Dank seiner Zulassung im Herkunftsstaat aufgrund der Richtlinie 2000/12 berechtigt ist, seine Tätigkeiten in einem anderen Mitgliedstaat durch eine Zweigstelle auszuüben(26). Diese Zweigstelle hat zudem kein eigenes Vermögen(27). Prüft man zudem das Risikokriterium, so ist auch hierbei festzustellen, dass die Zweigstelle nicht selbst die wirtschaftlichen Risiken trägt, die mit der Tätigkeit eines Kreditinstituts verbunden sind, wie dies z. B. bei Nichtrückzahlung eines Darlehens durch einen Kunden der Fall ist. Das Risiko lastet auf dem Kreditinstitut als Ganzem, dessen finanzielle Stabilität und Zahlungsfähigkeit deshalb im Herkunftsmitgliedstaat überwacht wird.

47.   Dienstleistungen, die die Muttergesellschaft gegenüber einer derartigen festen Niederlassung erbringt, sind somit als Leistungen zu betrachten, die das Unternehmen im Rahmen seiner internen Politik durch seine eigene Belegschaft für seine verschiedenen Betriebsstellen durchführen lässt. Wenn die betreffende Betriebsstelle in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist, so ändert dies nichts daran, dass es sich um Leistungen handelt, die ein Unternehmen mit seinem eigenen Personal für seine eigenen Zwecke erbringt.

48.   Dieser letztgenannte Gesichtspunkt führt zu der zweiten Frage, bei der ich anderer Meinung bin als die italienische und die portugiesische Regierung. Im Gegensatz zu diesen Regierungen bin ich nämlich nicht der Auffassung, dass eine feste Niederlassung im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie ein selbständiger, von der gebietsfremden Muttergesellschaft verschiedener Steuerpflichtiger ist.

49.   Mit Artikel 9 Absatz 1 in Verbindung mit der siebten Begründungserwägung der Sechsten Richtlinie soll ein allgemeiner Anknüpfungspunkt für die Dienstleistungen geschaffen werden, um Kompetenzkonflikte zwischen Mitgliedstaaten und Doppel- oder Nichtbelastungen mit der Mehrwertsteuer zu vermeiden. Nach Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie unterliegt eine Dienstleistung nach der Auslegung durch die Rechtsprechung der Steuer an dem Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, außer wenn dieser Anknüpfungspunkt nicht zu einer steuerlich sinnvollen Lösung führt oder wenn er einen Konflikt mit einem anderen Mitgliedstaat zur Folge hat(28). Der Gerichtshof hat daraus geschlossen, dass die Zuordnung einer Dienstleistung zu einer anderen Niederlassung des Unternehmens als dem Sitz dieses Unternehmens nur dann in Betracht kommt, wenn diese Niederlassung einen hinreichenden Grad an Beständigkeit und eine Struktur hat, die von der personellen und technischen Ausstattung her die Erbringung der betreffenden Leistung ermöglicht(29).

50.   Daher soll die Zuordnung der Dienstleistung zu dieser festen Niederlassung lediglich dem wesentlichen Grundsatz des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems Rechnung tragen, wonach bei der Anwendung dieses Systems möglichst weitgehend die wirtschaftliche Realität zu berücksichtigen ist(30). Artikel 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie soll demnach in Anbetracht der finanziellen Interessen der Mitgliedstaaten, die mit der Erhebung der Mehrwertsteuer verbunden sind, und der Unterschiede, die noch zwischen den nationalen Regelungen bezüglich der Steuersätze und -befreiungen bestehen können, den Ort des steuerbaren Umsatzes bestimmen, wenn dieser grenzüberschreitender Natur ist.

51.   Dass eine feste Niederlassung auf Dauer über alle Personal- und Sachmittel verfügt, deren es bedarf, um die Dienstleistungen für die Kunden des Unternehmens zu erbringen, berechtigt daher meines Erachtens nicht zu der Annahme, dass sie ihre Tätigkeit im Sinne von Artikel 4 Absätze 1 und 4 der Sechsten Richtlinie unabhängig von der Muttergesellschaft ausübt und als gesonderter Steuerpflichtiger zu betrachten ist.

52.   Diese Auffassung der portugiesischen Regierung wird durch das genannte Urteil DFDS widerlegt, aus dem klar hervorgeht, dass eine feste Niederlassung ihrem Wesen nach eine Zweitniederlassung ist, der gegenüber der Muttergesellschaft keine Selbständigkeit zukommt(31). Dieses Ergebnis hinsichtlich einer Tochtergesellschaft, die mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet war und somit eine von der Muttergesellschaft verschiedene rechtliche Einheit darstellte, jedoch tatsächlich nur als deren Hilfsperson tätig war, trifft wohl umso mehr auf eine feste Niederlassung zu, die keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt und lediglich als Betriebsstelle anzusehen ist.

53.   Würde man sich der Auffassung der portugiesischen Regierung anschließen, so hätte dies, wie die Regierung des Vereinigten Königreichs bemerkt, zur Folge, dass die Bestimmungen des Artikels 9 Absatz 1 ins Leere gingen. Wäre nämlich die feste Niederlassung selbst ein von der Muttergesellschaft getrennter selbständiger Steuerpflichtiger, so würde es genügen, die Bestimmungen des Artikels 22 der Sechsten Richtlinie anzuwenden, wonach jeder Steuerpflichtige in dem Staat einzutragen ist, in dem er seine Tätigkeit ausübt.

54.   Artikel 1 der Richtlinie 79/1072(32) dürfte dies bestätigen. Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass ein Unternehmen, das eine feste Niederlassung im Aufnahmemitgliedstaat hat, in diesem Staat als Steuerpflichtiger gilt. Die genannte Bestimmung erhärtet somit im Umkehrschluss die Auffassung, dass eine feste Niederlassung kein selbständiger, von dem Unternehmen, dem es angehört, getrennter Steuerpflichtiger ist, sondern die Zuordnung dieses Unternehmens an den Aufnahmestaat zulässt. Die italienische Regierung legt die genannte Regel demnach meines Erachtens unrichtig aus, wenn sie sich auf diese stützt, um eine feste Niederlassung als selbständigen Steuerpflichtigen zu behandeln(33).

55.   Aus all diesen Erwägungen geht zudem hervor, dass – wie die Regierung des Vereinigten Königreichs in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – ein und dieselbe rechtliche Einheit nur ein einziges Steuersubjekt darstellen kann.

56.   Eine erste Bestätigung dieser Auffassung findet sich in Artikel 4 Absatz 4 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie, wonach es vorbehaltlich der Konsultation des in Artikel 29 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausschusses für Mehrwertsteuer jedem Mitgliedstaat freisteht, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Wie die Regierung des Vereinigten Königreichs bemerkt, kann diese Bestimmung im Umkehrschluss dahin verstanden werden, dass ein und dieselbe Rechtsperson nur ein einziger Steuerpflichtiger sein kann.

57.   Zu dem gleichen Schluss führen auch mehrere Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, die sich auf Fälle beziehen, in denen ein Steuerpflichtiger für das eigene Unternehmen Gegenstände liefert oder Dienstleistungen erbringt. Hierbei ist auf Artikel 28a Absatz 5 Buchstabe b hinzuweisen, wonach „die von einem Steuerpflichtigen vorgenommene Verbringung eines Gegenstands seines Unternehmens in einen anderen Mitgliedstaat“ einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellt ist. In Übereinstimmung mit der Meinung der Kommission, jedoch im Gegensatz zu der portugiesischen Regierung neige ich eher der Ansicht zu, dass die Einfügung dieser Bestimmung durch den Gesetzgeber im Umkehrschluss zeigt, dass eine derartige Verbringung grundsätzlich keine Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt darstellt.

58.   Dieselbe Feststellung ergibt sich für die Dienstleistungen, da die Mitgliedstaaten nach Artikel 6 Absatz 3 der Sechsten Richtlinie zur Vorbeugung gegen Wettbewerbsverzerrungen vorbehaltlich der Konsultation des Ausschusses für Mehrwertsteuer auch die Durchführung einer Dienstleistung durch einen Steuerpflichtigen für das eigene Unternehmen in den Fällen einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichstellen können, in denen die Durchführung einer derartigen Dienstleistung durch einen anderen Steuerpflichtigen ihn nicht zum vollen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hätte.

59.   Diese Bestimmung bezieht sich darauf, dass ein Unternehmen wie im vorliegenden Fall Tätigkeiten ausübt, die von der Mehrwertsteuer befreit sind. Bei steuerfreien Tätigkeiten erhöht sich der Betrag, den das Unternehmen seinen Kunden für die Dienstleistung in Rechnung stellt, nicht um die Mehrwertsteuer, so dass das Unternehmen keine Erstattung von Vorsteuer für die Ausübung der genannten Tätigkeiten verlangen kann. Für diesen Fall hat der Gemeinschaftsgesetzgeber somit in Artikel 6 Absatz 3 der Sechsten Richtlinie vorgesehen, dass ein Mitgliedstaat vorbehaltlich der Konsultation des Ausschusses für Mehrwertsteuer beschließen kann, dass Dienstleistungen, die das betreffende Unternehmen für eine feste Niederlassung erbringt, zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen mehrwertsteuerpflichtig sind, da das Unternehmen die Mehrwertsteuer nicht an seine Kunden hätte weitergeben können, wenn es diese Dienstleistungen von einem anderen Steuerpflichtigen empfangen hätte.

60.   Wenn die Sechste Richtlinie mehrere Bestimmungen enthält, die ausdrücklich vorsehen, wann Dienstleistungen eines Steuerpflichtigen für seine beruflichen oder privaten Zwecke Dienstleistungen gegen Entgelt gleichzustellen sind, so zeigt dies, dass derartige Leistungen abgesehen von solchen Sonderfällen keine der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsätze sind.

61.   Meines Erachtens können auch die in Artikel 7 des OECD-Musterabkommens vorgesehenen Bedingungen für die Besteuerung der im Niederlassungsstaat durch eine feste Niederlassung erzielten Gewinne diese Auffassung nicht in Frage stellen. Diese Regelung auf dem Gebiet der direkten Steuer ist für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems nicht relevant. Die direkten Steuern fallen bekanntlich unter die Entscheidungshoheit der Mitgliedstaaten. Diese können daher vorsehen, dass die in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassenen Unternehmen auch in Bezug auf die Gewinne der Steuer unterliegen, die sie im Rahmen von Tätigkeiten in einem anderen Mitgliedstaat erzielen. Die Staaten können auch die Besteuerung von Unternehmen vorsehen, die in ihrem Hoheitsgebiet eine Tätigkeit mit Hilfe einer festen Niederlassung ausüben.

62.   Artikel 7 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens, der in Artikel 4 Absatz 2 des von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 293 EG geschlossenen Übereinkommens 90/436/EWG(34) übernommen wurde, bezweckt eine vereinbarungsgemäße Verteilung der Steuerkompetenz der Unterzeichnerstaaten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Unternehmensgewinnen, wenn die betreffenden Unternehmen grenzüberschreitend tätig sind. Nach der in Absatz 1 dieses Artikels vorgesehenen Regelung besteuert der Niederlassungsstaat des Unternehmens alle Gewinne desselben, außer wenn das Unternehmen in einem anderen Unterzeichnerstaat mittels einer Betriebsstätte(35) tätig ist. In diesem Fall ermöglicht der anhaltende Verbleib der Zweitniederlassung im Gebiet des Aufnahmestaats deren Zuordnung zu der Steuerhoheit dieses Staates. Die Gewinne, die das Unternehmen mit Hilfe der genannten Betriebsstätte erzielt, unterliegen daher der Steuer des Staates, in dem die Betriebsstätte belegen ist. Nach Artikel 7 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens werden dieser Betriebsstätte die Gewinne zugerechnet, die sie hätte erzielen können, wenn sie „als selbständiges Unternehmen … im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre“.

63.   Wie aus dieser Bestimmung hervorgeht, kommt sie nur dann zur Anwendung, wenn die Zweitniederlassung kein selbständiges Unternehmen darstellt, das im Verkehr mit der Muttergesellschaft völlig unabhängig ist. Mit ihr soll somit dieser Betriebsstätte der Gewinnanteil zugewiesen werden, den das Unternehmen mit dessen Hilfe erzielt hat, als wenn die Betriebsstätte fiktiv ein selbständiges Unternehmen gewesen wäre. Wenn die Betriebsstätte eines gebietsfremden Unternehmens jedoch bei den direkten Steuern zum Zweck der Berechnung der Steuer auf die Unternehmensgewinne wie ein selbständiges Unternehmen behandelt wird, so kann dies nicht zu dem Schluss führen, dass diese Betriebsstätte als ein selbständiges Unternehmen im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu betrachten ist.

64.   Zum einen stützt sich dieses System nämlich auf gemeinschaftsweit harmonisierte Begriffe – wie den des Steuerpflichtigen –, deren Inhalt nicht nach Maßgabe der nationalen Bestimmungen für die direkte Besteuerung der Unternehmensgewinne variieren kann, ohne die Zielsetzung der Sechsten Richtlinie in Frage zu stellen. Zum anderen beruht das „Arm’s-Length-Prinzip“ des Artikels 7 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens auf einer rechtlichen Fiktion, da es die Betriebsstätte als selbständiges Unternehmen behandelt, obgleich diese kein derartiges Unternehmen ist. Im gemeinsamen Mehrwertsteuersystem ist die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität jedoch ein grundlegendes Kriterium(36). Insbesondere aufgrund dieses Prinzips muss die Besteuerungsgrundlage für die Erhebung der Mehrwertsteuer der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung für die erbrachte Dienstleistung und nicht einem nach objektiven Maßstäben geschätzten Wert entsprechen(37). Es widerspräche somit diesem System, wenn man sich auf eine rechtliche Fiktion stützen und einen internen Vorgang so behandeln würde, als läge ein Umsatz zwischen zwei selbständigen Einheiten vor.

65.   Ebenso wenig kann meines Erachtens die Anrechnung der Kosten der betreffenden Dienstleistungen auf die im Aufnahmestaat mit Hilfe der Betriebsstätte erzielten Gewinne erkennen lassen, dass ein Rechtsverhältnis im Sinne der Rechtsprechung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer vorliegt. Diese Anrechnung der Kosten der genannten Dienstleistungen auf den Gewinnanteil des Unternehmens, der auf dessen Betriebsstätte entfällt, ist für die betroffenen Staaten das folgenrichtige angemessene Gegenstück zu der dargelegten Gewinnzuweisung. Es geht auch um die zwischen den Staaten vorzunehmende Aufteilung der Gemeinkosten des Unternehmens für seine Geschäftstätigkeit. So bestimmt Artikel 7 Absatz 3 des OECD-Musterabkommens, dass bei der Ermittlung der Gewinne einer Betriebsstätte die für deren Geschäftstätigkeit entstandenen Aufwendungen einschließlich der Geschäftsführungs- und allgemeinen Verwaltungskosten, zum Abzug zugelassen werden, gleichgültig, ob sie in dem Staat, in dem die Betriebsstätte liegt, oder in einem anderen Staat entstanden sind. Wenn somit die Kosten der für die Betriebsstätte erbrachten Dienstleistungen dieser zugerechnet werden, so ist dies lediglich auf die Berechnung der im Niederlassungsstaat steuerbaren Gewinne zurückzuführen und beweist ebenso wenig, dass diese Betriebsstätte eine gegenüber der Muttergesellschaft selbständige Einheit darstellt.

66.   Das vorlegende Gericht fragt in diesem Zusammenhang, welche Bedeutung einem Cost-Sharing-Agreement zukommen könnte. Es erläutert jedoch nicht näher, was im vorliegenden Fall darunter zu verstehen ist und insbesondere welche Art von Vereinbarung der Begriff „Agreement“ hier erfassen soll. Selbst wenn das Unternehmen indessen im Rahmen seiner internen Politik mit einer Abmachung geregelt hätte, wie die Geschäftsführungs- und allgemeinen Verwaltungskosten sowie die Kosten, die durch die Erbringung von Dienstleistungen, wie sie hier vorliegen, entstehen, auf seine festen Niederlassungen aufzuteilen sind, so würde auch dies jedenfalls nicht belegen, dass diese Niederlassungen selbständige Einheiten darstellen.

67.   Schließlich ist zu bemerken, dass das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, wie die Regierung des Vereinigten Königreichs in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, in Anbetracht der finanziellen Folgen, die sich aus ihm für die Wirtschaftsteilnehmer ergeben können, sicher und in seiner Anwendung voraussehbar sein muss. Das Merkmal der eigenen Rechtspersönlichkeit einer Zweitniederlassung kann diesem Erfordernis gerecht werden. Es ermöglicht Unternehmen eines Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat tätig werden wollen, zu wissen, dass die mit ihren Zweitniederlassungen ausgetauschten Dienstleistungen grundsätzlich nicht der Mehrwertsteuer unterliegen, wenn sie ihr Niederlassungsrecht durch eine feste Niederlassung und nicht durch eine Gesellschaft ausüben, die nach der Regelung des Aufnahmestaats als selbständige rechtliche Einheit eingetragen wird.

68.   Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass die Artikel 2 Nummer 1 und 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass abgesehen von den in der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen Dienstleistungen einer gebietsfremden ansässigen Muttergesellschaft für eine Zweitniederlassung in einem Mitgliedstaat, die in diesem Staat nicht als selbständige rechtliche Einheit eingetragen ist und die eine feste Niederlassung im Sinne des genannten Artikels 9 Absatz 1 darstellt, nicht als der Mehrwertsteuer unterliegende Umsätze angesehen werden können, selbst wenn diese Niederlassung mit den Kosten der betreffenden Dienstleistungen belastet worden ist.

C –    Zur zweiten Vorlagefrage

69.   Die zweite Vorlagefrage ist dahin auszulegen, dass das vorlegende Gericht wissen möchte, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Belastung einer derartigen Zweitniederlassung mit den Kosten solcher Dienstleistungen unabhängig von ihrem Umfang und von der Erzielung eines Unternehmensgewinns als Gegenleistung im Sinne von Artikel 2 der Sechsten Richtlinie angesehen werden kann.

70.   Diese Frage ist für den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens nur dann entscheidungserheblich, wenn angenommen wird, dass die in Rede stehenden Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterliegen. Da ich dem Gerichtshof vorgeschlagen habe, zu entscheiden, dass diese Dienstleistungen keine mehrwertsteuerpflichtigen Leistungen darstellen können, stellt sich nicht die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Kostenzuweisung dem Vorgang einen entgeltlichen Charakter verleiht. Daher braucht diese Frage nicht geprüft zu werden.

D –    Zur dritten Vorlagefrage

71.   Mit der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen geklärt wissen, ob eine Praxis eines Mitgliedstaats gegen den Grundsatz der Niederlassungsfreiheit des Artikels 43 EG verstößt, nach der Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterliegen, die für eine feste Niederlassung von einer Muttergesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat erbracht werden.

72.   Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission schlagen vor, diese Frage zu bejahen. Sie machen geltend, dass eine derartige Praxis eine im Gegensatz zum EG-Vertrag stehende Ungleichbehandlung sei, wenn sie – wie es hier der Fall zu sein scheine – die festen Niederlassungen gebietsfremder Unternehmen und nicht solche Niederlassungen inländischer Unternehmen betreffe. Selbst wenn die genannte Praxis unterschiedslos auf feste Niederlassungen ansässiger und gebietsfremder Unternehmen angewandt würde, wäre sie ihres Erachtens eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, die keineswegs durch ein Allgemeininteresse zu rechtfertigen wäre, da eine derartige Praxis im Widerspruch zur Sechsten Richtlinie stehe.

73.   Nach Ansicht der italienischen und der portugiesischen Regierung dagegen verstößt die genannte Praxis nicht gegen den Vertrag, da diese Praxis mit der Sechsten Richtlinie im Einklang stehe.

74.   Ich habe meinerseits starke Zweifel an der Zulässigkeit dieser Vorlagefrage. Sie lässt nämlich keine entscheidungserhebliche Bedeutung für das Ausgangsverfahren erkennen. Die Mehrwertsteuer ist im Gegensatz zu den direkten Steuern insbesondere durch die Sechste Richtlinie Gegenstand einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene. Wird festgestellt, dass eine nationale Rechtsvorschrift oder Praxis gegen diese Richtlinie verstößt, so braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob sie die fundamentalen Freiheiten des Vertrages, wie die Niederlassungsfreiheit, verletzt. Zudem hat das vorlegende Gericht nicht dargelegt, weshalb diese Frage geprüft werden soll.

75.   Daher braucht die dritte Vorlagefrage meines Erachtens nicht beantwortet zu werden.

V –    Ergebnis

76.   Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen der Corte Suprema di Cassazione wie folgt zu beantworten:

Die Artikel 2 Nummer 1 und 9 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage sind dahin auszulegen, dass abgesehen von den in dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen Dienstleistungen einer gebietsfremden Muttergesellschaft für eine Zweitniederlassung in einem Mitgliedstaat, die in diesem Staat nicht als selbständige rechtliche Einheit eingetragen ist und die eine feste Niederlassung im Sinne des genannten Artikels 9 Absatz 1 darstellt, nicht als der Mehrwertsteuer unterliegende Umsätze angesehen werden können, selbst wenn diese Niederlassung mit den Kosten der betreffenden Dienstleistungen belastet worden ist.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – [Fußnote betrifft nicht die deutsche Fassung.]


3 – Richtlinie vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG im Hinblick auf die Beseitigung der Steuergrenzen (ABl. L 376, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).


4 – Im Folgenden: FCE Bank.


5 – Das vorlegende Gericht bezieht sich insbesondere auf das Urteil vom 3. März 1994 in der Rechtssache C-16/93 (Tolsma, Slg. 1994, I-743), worin der Gerichtshof ausgeführt hat, dass der für das Vorliegen einer entgeltlichen Dienstleistung im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert in Form eines Rechtsverhältnisses bestehen müsse. Es ging dabei um die Frage, ob ein Musikant, der auf öffentlichen Wegen spielt und eine Spende von Passanten erhält, eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne von Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie erbringt. Der Gerichtshof hat nach einer in der Folge des Öfteren in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung entschieden, dass eine Leistung nur dann steuerbar sei, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis bestehe, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht würden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bilde. Nach Ansicht des Gerichtshofes lagen diese Voraussetzungen in der genannten Rechtssache nicht vor, da die von Passanten gespendeten Gelder nicht als Gegenleistung für eine erbrachte Dienstleistung angesehen werden könnten. Es habe nämlich zwischen den Parteien keine Vereinbarung bestanden, da die Passanten freiwillig eine Vergütung gezahlt hätten, deren Höhe sie selbst bestimmt hätten. Somit habe zwischen der musikalischen Darbietung und den dadurch veranlassten Zahlungen kein notwendiger Zusammenhang bestanden, da die Passanten nicht darum gebeten hätten, dass ihnen Musik zu Gehör gebracht werde; außerdem hätten sie die Beträge nicht aufgrund der musikalischen Darbietung, sondern aus persönlichen Motiven gezahlt.


6 – Vom OECD-Steuerausschuss am 29. April 2000 aktualisiert (Band I, im Folgenden: OEDC-Musterabkommen).


7 – Artikel 7 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens sieht Folgendes vor: „Übt ein Unternehmen eines Vertragsstaats seine Geschäftstätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte aus, so werden … in jedem Vertragsstaat dieser Betriebsstätte die Gewinne zugerechnet, die sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Geschäftstätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre.“


Artikel 7 Absatz 3 bestimmt:


„Bei der Ermittlung der Gewinne einer Betriebsstätte werden die für diese Betriebsstätte entstandenen Aufwendungen, einschließlich der Geschäftsführungs- und allgemeinen Verwaltungskosten, zum Abzug zugelassen, gleichgültig, ob sie in dem Staat, in dem die Betriebsstätte liegt, oder anderswo entstanden sind.“


8 – Rechtssache C-498/99 (Slg. 2002, I-7173, Randnrn. 21 und 22).


9 – Siehe Vorlageentscheidung, Nr. 5.1.


10 – Ebenda, Nr. 5.5.


11 – Richtlinie vom 20. März 2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (ABl. L 126, S. 1).


12 – Hervorhebung von mir.


13 – Vgl. Urteile vom 4. Juli 1985 in der Rechtssache 168/84 (Berkholz, Slg. 1985, 2251, Randnr. 18), vom 20. Februar 1997 in der Rechtssache C-260/95 (DFDS, Slg. 1997, I-1005, Randnr. 20), vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-190/95 (ARO Lease, Slg. 1997, I-4383, Randnr. 15) und vom 7. Mai 1998 in der Rechtssache C-390/96 (Lease Plan Luxembourg, Slg. 1998, I-2553, Randnr. 24).


14 – Vgl. u. a. Urteil vom 1. April 2004 in der Rechtssache C-286/02 (Bellio F.lli, Slg. 2004, I-3465, Randnr. 27 und die dort zitierte Rechtsprechung.


15 – Richtlinie vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige (ABl. L 331, S. 11).


16 – Vgl. Urteil vom 15. Juni 1989 in der Rechtssache 348/87 (Stichting Uitvoering Financiële Acties, Slg. 1989, 1737, Randnr. 10).


17 – Vgl. in diesem Sinn Urteil vom 14. November 2000 in der Rechtssache C-142/99 (Floridienne und Berginvest, Slg. 2000, I-9567, Randnr. 19).


18 – Vgl. bezüglich einer niederländischen Gesellschaft bürgerlichen Rechts Urteil vom 27. Januar 2000 in der Rechtssache C-23/98 (Heerma, Slg. 2000, I-419, Randnr. 8).


19 – Vgl. Urteil Town and County Factors (Randnr. 21) zu der Frage, ob eine entgeltliche Dienstleistung der Mehrwertsteuer unterliegt, wenn der Leistende hinsichtlich der Erbringung dieser Dienstleistung nur eine Ehrenschuld eingeht.


20 – Vgl. Urteil vom 26. März 1987 in der Rechtssache 235/85 (Kommission/Niederlande, Slg. 1987, 1471, Randnr. 14).


21 – Vgl. Urteil vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-202/90 (Ayuntamiento de Sevilla, Slg. 1991, I-4247, Randnrn. 11 bis 15).


22 – Ebenda, Randnr. 13.


23 – Vgl. Urteil Heerma (Randnr. 8).


24 – Vgl. Urteil DFDS (Randnr. 26).


25 – Diese Auffassung der Kommission kommt auch in ihrem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich des Ortes der Dienstleistung (KOM[2003] 822 endg.) zum Ausdruck, da sie vorgeschlagen hat, in Artikel 6 der letztgenannten Richtlinie folgenden Absatz 6 hinzuzufügen:


„Verfügt eine Rechtsperson über mehr als eine feste Niederlassung, so werden von diesen Niederlassungen untereinander erbrachte Dienstleistungen nicht als Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie behandelt.“


Es ist aufschlussreich, dass der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschluss in seiner Stellungnahme zu dem genannten Vorschlag diesen Punkt nicht als Änderung der Sechsten Richtlinie, sondern als Hinweis darauf verzeichnet, wie die Richtlinie angewendet werden sollte (Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich des Ortes der Dienstleistung KOM(2003) 822 endg. – 2003/0329 CNS (ABl. 2004, C 117, S. 15).


26 – Durch die Harmonisierung der Zulassungs- und Kontrollbedingungen für den Zugang zur Tätigkeit eines Kreditinstituts und für deren Ausübung soll es jedem durch die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats zugelassenen und kontrollierten Kreditinstitut ermöglicht werden, die durch diese Zulassung abgedeckten Tätigkeiten im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats durch eine Zweigstelle oder im Wege des Dienstleistungsverkehrs auszuüben (vgl. vierzehnte Begründungserwägung und Artikel 18 der Richtlinie 2000/12).


27 – Der Aufnahmemitgliedstaat kann nach Artikel 13 der Richtlinie 2000/12 auch nicht verlangen, dass die Zweigstelle eines zugelassenen Kreditinstituts ein Dotationskapital besitzt.


28 – Vgl. Urteile Berkholz (Randr. 17), vom 2. Mai 1996 in der Rechtssache C-231/94 (Fauborg-Gelting Linien, Slg. 1996, I-2395, Randnr. 16) sowie ARO Lease (Randnr. 15), DFDS (Randnr. 19) und Lease Plan Luxemburg (Randnr. 24).


29 – Vgl. die oben in Fußnote 13 zitierte Rechtsprechung.


30 – Vgl. in diesem Sinne Urteil DFDS (Randnr. 23).


31 – Ebenda, Randnr. 25.


32 – Dieser bereits zitierte Artikel bestimmt:


„Für die Anwendung dieser Richtlinie gilt als nicht im Inland ansässiger Steuerpflichtiger derjenige Steuerpflichtige nach Artikel 4 Absatz 1 der [Sechsten] Richtlinie, der … in diesem Land weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung, von wo aus die Umsätze bewirkt worden sind, … gehabt hat …“


33 – Die Kommission erklärt hierzu, dass gegen die Italienische Republik ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet worden sei, da die gesetzliche Regelung dieses Mitgliedstaats verlange, dass ein Unternehmen, das eine feste Niederlassung in Italien habe, sich in diesem Staat erneut für die Umsätze eintragen lasse, die es dort unmittelbar vom Ausland aus tätige (Nr. 21 der schriftlichen Erklärungen der Kommission).


34 – Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (ABl. 1990, L 225, S. 10).


35 – Der Begriff „Betriebsstätte“ wird in Artikel 5 des OECD-Musterabkommens definiert. Danach bezeichnet dieser Begriff eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Er umfasst u. a. einen Ort der Leitung, eine Zweigniederlassung, eine Geschäftsstelle, eine Fabrikationsstätte und eine Werkstätte.


36 – Vgl. Urteil DFDS (Randnr. 23).


37 – Vgl. Urteile vom 23. November 1988 in der Rechtssache 230/87 (Naturally Yours Cosmetics, Slg. 1988, 6365, Randnr. 16), vom 2. Juni 1994 in der Rechtssache C-33/93 (Empire Stores, Slg. 1994, I-2329, Randnr. 18), vom 22. Oktober 1998 in der Rechtssache C-308/96 (Madgett und Baldwin, Slg. 1998, I-6229, Randnr. 40) und vom 3. Juli 2001 in der Rechtssache C-380/99 (Bertelsmann, Slg. 2001, I-5163, Randnr. 22).