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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PHILIPPE LÉGER

vom 15. Juni 20061(1)

Rechtssache C-72/05

Hausgemeinschaft Jörg und Stefanie Wollny

gegen

Finanzamt Landshut

(Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts München [Deutschland])

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie – Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a – Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c – Nutzung eines Teils eines in vollem Umfang seinem Unternehmen zugeordneten Gebäudes durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf – Gleichstellung dieser privaten Nutzung mit einer Dienstleistung gegen Entgelt – Bestimmung der Besteuerungsgrundlage – Begriff ‚Betrag der Ausgaben‘ des Steuerpflichtigen für die Erbringung dieser Dienstleistung“






1.     Im vorliegenden Vorabentscheidungsverfahren soll geklärt werden, was die Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer ist, die ein Steuerpflichtiger für die private Nutzung eines Teils eines in vollem Umfang seinem Unternehmen zugeordneten Gebäudes schuldet.

2.     Erwirbt oder errichtet ein Steuerpflichtiger ein Gebäude, das er ganz seinem Unternehmen zuordnen, aber teilweise auch privat nutzen will, ist er zum Abzug der gesamten auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge berechtigt.

3.     In Bezug auf den privat genutzten Teil des Gebäudes befindet sich der Steuerpflichtige jedoch in einer einem Endverbraucher vergleichbaren Lage. Die Sechste Richtlinie 77/388/EWG(2) sieht für diesen Fall ein Verfahren für die Rückführung des entsprechenden, vom Steuerpflichtigen abgezogenen Teils der Mehrwertsteuer vor.

4.     Zu diesem Zweck stellt die Sechste Richtlinie die rechtliche Fiktion auf, dass diese private Nutzung eine entgeltliche Dienstleistung ist, die der Steuerpflichtige sich selbst erbringt.

5.     Im vorliegenden Fall wird der Gerichtshof gebeten, die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer für diese Dienstleistung zu bestimmen. Das Finanzgericht München möchte wissen, ob die Bemessungsgrundlage allein anhand der die fortschreitende Abnutzung des Gebäudes widerspiegelnden allgemeinen Abschreibungsregeln zu bestimmen ist oder ob der Zeitraum für die „Berichtigung der Vorsteuerabzüge“ zugrunde gelegt werden kann.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Gemeinschaftsrecht

1.      Die Sechste Richtlinie

6.     Die Mehrwertsteuer ist eine Verbrauchsteuer, die allgemein auf Gegenstände und Dienstleistungen erhoben wird. Das Mehrwertsteuersystem der Gemeinschaft beruht auf dem Grundsatz, dass Gegenstände und Dienstleistungen einer zu deren Preis genau proportionalen Steuer unterliegen, die bei allen Umsätzen auf der Produktions- und Vertriebsebene geschuldet wird, aber nur den Endverbraucher belasten darf.

7.     Um die Steuerpflichtigen, von denen die Steuer erhoben wird, nicht mit ihr zu belasten, sieht die Sechste Richtlinie einen Abzugsmechanismus vor, der die „Neutralität“ der Steuer gegenüber den Steuerpflichtigen gewährleisten soll.

8.     Die Sechste Richtlinie enthält außerdem Vorschriften, die sicherstellen sollen, dass dieses System auch dann gilt, wenn ein Steuerpflichtiger einen Gegenstand sowohl für betriebliche Zwecke als auch für seinen privaten Bedarf nutzt. Folgende Bestimmungen sind für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits maßgeblich.

9.     Nach Artikel 2 Nummer 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“.

10.   Artikel 6 Absatz 2 Unterabsatz 1 Buchstabe a der Richtlinie stellt „die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat“, einer Dienstleistung gegen Entgelt gleich.

11.   Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie, um den es im vorliegenden Rechtsstreit in erster Linie geht, legt die Bemessungsgrundlage für einen solchen Fall fest. Er bestimmt, dass diese „bei den in Artikel 6 Absatz 2 genannten Umsätzen der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung“ ist.

12.   Artikel 17 Absatz 2 der Richtlinie sieht vor:

„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a)      die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden,

…“

13.   Artikel 20 der Sechsten Richtlinie betrifft die Berichtigung dieses Abzugs. Danach wird der ursprüngliche Vorsteuerabzug insbesondere dann berichtigt, wenn er höher oder niedriger ist als der, zu dessen Vornahme der Steuerpflichtige berechtigt war, oder wenn sich die Faktoren, die bei der Festsetzung des Abzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben.

14.   Artikel 20 bestimmt außerdem:

„...

(2)      Für Investitionsgüter wird eine Berichtigung vorgenommen, die sich auf einen Zeitraum von fünf Jahren einschließlich des Jahres, in dem die Güter erworben oder hergestellt wurden, erstreckt. Die jährliche Berichtigung betrifft nur ein Fünftel der Steuer, mit der diese Güter belastet waren. Die Berichtigung erfolgt unter Berücksichtigung der Änderungen des Anspruchs auf Vorsteuerabzug in den folgenden Jahren gegenüber dem Anspruch für das Jahr, in dem die Güter erworben oder hergestellt wurden.

Abweichend von Absatz 1 können die Mitgliedstaaten für die Berichtigung einen Zeitraum von fünf vollen Jahren festlegen, der mit der erstmaligen Verwendung der Güter beginnt.

Bei Grundstücken, die als Investitionsgüter erworben wurden, kann der Zeitraum für die Berichtigung bis auf 20 Jahre verlängert werden.

(3)      Bei Lieferung eines Investitionsgutes innerhalb des Berichtigungszeitraums ist dieses so zu behandeln, als ob es bis zum Ablauf des Berichtigungszeitraums weiterhin für eine wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen verwendet worden wäre. Diese wirtschaftliche Tätigkeit gilt als steuerpflichtig, wenn die Lieferung des genannten Investitionsgutes steuerpflichtig ist; sie gilt als steuerfrei, wenn die Lieferung steuerfrei ist. Die Berichtigung wird in diesen Fällen für den gesamten noch verbleibenden Berichtigungszeitraum auf einmal vorgenommen.

...“

B –    Nationales Recht

15.   § 3 Absatz 9a Nummer 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG)(3) stellt die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, einer Leistung gegen Entgelt gleich.

16.   Die Bemessungsgrundlage für Leistungen im Sinne des § 3 Absatz 9a Nummer 1 wird in § 10 UStG definiert. In seiner bis 30. Juni 2004 geltenden Fassung bestimmte dieser, dass der Umsatz bei diesen Leistungen „nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben“, bemessen wird.

17.   In seiner ab 1. Juli 2004 geltenden Fassung sieht § 10 UStG vor:

„(4)      Der Umsatz wird bemessen

2.      … nach den bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Ausgaben, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Zu diesen Ausgaben gehören auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, soweit das Wirtschaftsgut dem Unternehmen zugeordnet ist und für die Erbringung der sonstigen Leistung verwendet wird. Betragen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten mindestens 500 Euro, sind sie gleichmäßig auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a entspricht;

…“

18.   § 15a UStG betrifft die Berichtigung des Vorsteuerabzugs. Er bestimmt in seinem Absatz 1:

„Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen. Bei Grundstücken einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile, bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Boden tritt an die Stelle des Zeitraums von fünf Jahren ein solcher von zehn Jahren.“

II –  Sachverhalt

19.   Im Jahr 2003 errichtete die aus Jörg und Stefanie Wollny bestehende Hausgemeinschaft deutschen Rechts(4) (im Folgenden: Klägerin) ein Gebäude, das sie in vollem Umfang dem Unternehmen zuordnete. 20,33 % dieses Gebäudes werden von den Räumen einer Steuerkanzlei, die an einen der Gemeinschafter der Klägerin vermietet werden, und die übrigen 79,67 % von der privaten Wohnung der beiden Gemeinschafter eingenommen. Die Vermietung zur betrieblichen Nutzung unterliegt der Mehrwertsteuer, da die Klägerin auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze verzichtet hat(5).

20.   In ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für Dezember 2003 sowie für Januar bis März 2004 machte die Klägerin die gesamte ihr im Zusammenhang mit den Kosten für die Herstellung des Gebäudes in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer geltend.

21.   Bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die auf die private Nutzung entfallende Mehrwertsteuer stützte sie sich darauf, dass der Abschreibungszeitraum für ein Gebäude nach dem Einkommensteuergesetz 50 Jahre beträgt. Sie setzte daher als Besteuerungsgrundlage monatlich jeweils 1/12 von 2 % der auf den privat genutzten Teil des Gebäudes entfallenden Herstellungskosten an.

22.   Das Finanzamt Landshut entschied hingegen, dass für die Besteuerungsgrundlage auf den in § 15a UStG nach Maßgabe des Artikels 20 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Zeitraum für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge abzustellen sei. Es berichtigte daher die Berechnung der Klägerin und setzte als monatliche Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer für die private Nutzung eines Teils des Gebäudes 1/12 von 10 % der insoweit entstandenen Herstellungskosten an.

23.   Die Einsprüche der Klägerin gegen die auf der Grundlage der in der vorstehenden Nummer dargelegten Berechnung erlassenen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide wies das Finanzamt Landshut zurück. Hiergegen erhob die Klägerin Klage beim Finanzgericht München.

III – Die Vorlagefrage

24.   Nach Ansicht des Finanzgerichts München hängt die Entscheidung des Rechtsstreits von der Bestimmung der Besteuerungsgrundlage für die private Nutzung eines Gebäudes ab, das insgesamt dem Unternehmen zugeordnet ist. Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie definiere den Begriff „Betrag der Ausgaben“ nicht. Wie dieser Begriff auszulegen sei, sei unklar.

25.   Einerseits habe der Gerichtshof im Urteil Enkler(6) entschieden, dass bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlage nach dieser Vorschrift nur die Ausgaben heranzuziehen seien, die – wie die Abschreibungen für die Abnutzungen des Gegenstands oder die Ausgaben des Steuerpflichtigen, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigt haben – mit dem Gegenstand selbst verknüpft seien(7).

26.   Dies könnte für den Standpunkt der Klägerin sprechen, und zwar in dem Sinne, dass die private Nutzung eines abnutzbaren Gebäudeteils durch die abschnittsweise Besteuerung seiner Herstellungskosten über den gesamten Abschreibungszeitraum erfasst werde. Es könnte auch die Auffassung der Klägerin bestätigen, dass der Kaufpreis des Grundstücks, sofern er zum Vorsteuerabzug berechtigt habe, nicht in die Besteuerungsgrundlage einbezogen werden dürfe, weil das Grundstück, auf dem das Gebäude errichtet worden sei, nicht abnutzbar sei.

27.   Für diese Auffassung könnte auch die Bedeutung des Begriffes „Ausgaben“ sprechen, der einen Wertverzehr des Gegenstands infolge seiner Verwendung voraussetze. Einen vollständigen Wertverzehr eines Gebäudes nach zehn Jahren könne es aber nicht geben.

28.   Andererseits habe der Gerichtshof auch entschieden, dass Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie die Gleichbehandlung eines Steuerpflichtigen, der einen Gegenstand des Unternehmens für seinen privaten Bedarf verwende, und eines Endverbrauchers sicherstellen solle(8). Diese Vorschrift diene somit der Rückgängigmachung des für den privat verwendeten Teil des Gegenstands vorgenommenen Vorsteuerabzugs, weil ein Endverbraucher mit der entsprechenden Mehrwertsteuer belastet würde.

29.   Die Zielsetzung des Artikels 6 Absatz 2 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie spräche somit eher für eine Verteilung des Gesamtbetrags der Kosten für die Anschaffung oder Herstellung des Gegenstands auf den nach deutschem Recht geltenden Zeitraum für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge, d. h. auf zehn Jahre. Denn so könnte ein „unversteuerter Endverbrauch“ vermieden werden, d. h. eine Situation, in der der Vorsteuerabzug nicht vollständig korrigiert würde.

30.   Zu einem unversteuerten Endverbrauch könnte es z. B. kommen, wenn das Gebäude nach Ablauf des zehnjährigen Zeitraums für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge steuerfrei veräußert würde(9). In einem solchen Fall hätte der Steuerpflichtige, wenn die Besteuerungsgrundlage unter Zugrundelegung der Abschreibungsdauer des Gebäudes, d. h. von 50 Jahren, ermittelt werde, nach zehn Jahren nur ein Fünftel des Mehrwertsteuerbetrags entrichtet, die er als Vorsteuer abgezogen hat. Dies widerspräche dem Zweck des Artikels 6 Absatz 2 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie.

31.   Die Zielsetzung dieser Vorschrift rechtfertige es auch, den Kaufpreis des Grundstücks, sofern er zum Vorsteuerabzug berechtigt habe, in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, da ein Endverbraucher zum Zeitpunkt des Erwerbs ebenfalls mit der Mehrwertsteuer belastet werde.

32.   Gegen diese Erwägungen spreche jedoch, dass der Gerichtshof die Bedeutung dieser Zielsetzung im Urteil Seeling(10) dadurch relativiert habe, dass er entschieden habe, dass es die Folge einer bewussten Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers sei, wenn der Vorsteuerabzug bei dem in Artikel 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Berichtigungszeitraum nur teilweise berichtigt werden könne(11).

33.   Das Finanzgericht München hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Wie ist der Begriff „Betrag der Ausgaben“ in Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 77/388/EWG auszulegen? Umfasst der Betrag der Ausgaben für die privat genutzte Wohnung in einem dem Unternehmen insgesamt zugeordneten Gebäude (neben den laufenden Aufwendungen) auch entsprechend den jeweiligen innerstaatlichen Regelungen die jährlichen Abschreibungen für Abnutzung von Gebäuden und/oder den in Anlehnung an den jeweiligen innerstaatlichen Vorsteuerabzugs-Berichtigungszeitraum berechneten jährlichen Anteil der Anschaffungs- und Herstellungskosten, die zum Mehrwertsteuerabzug berechtigt haben?

IV – Würdigung

34.   Da die Mehrwertsteuer eine Verbrauchsteuer darstellt, die von den Steuerpflichtigen erhoben wird, aber nur den Endverbraucher belasten darf, ist der Steuerpflichtige berechtigt, von der von seinen Kunden geforderten und dem Staat geschuldeten Steuer die von ihm selbst im Rahmen der Anschaffung von Gegenständen und Dienstleistungen, die für die Ausübung seiner wirtschaftlichen Tätigkeit erforderlich sind, getragene Vorsteuer abzuziehen(12). Demnach darf ein Steuerpflichtiger die Vorsteuer nur insoweit abziehen, als diese Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner Tätigkeiten, die selbst der Mehrwertsteuer unterliegen müssen, verwendet werden.

35.   Werden die von einem Steuerpflichtigen erworbenen Gegenstände oder Dienstleistungen von diesem für Tätigkeiten verwendet, die von der Mehrwertsteuer befreit sind oder nicht in deren Anwendungsbereich fallen, kann es grundsätzlich weder zur Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum Abzug der Vorsteuer kommen(13).

36.   Verwendet ein Steuerpflichtiger ein Investitionsgut sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke, hat er im Hinblick auf die Mehrwertsteuer die Wahl, diesen Gegenstand in vollem Umfang dem Unternehmensvermögen zuzuordnen oder ihn in vollem Umfang in seinem Privatvermögen zu belassen, wodurch er dem Mehrwertsteuersystem vollständig entzogen wird, oder auch ihn nur im Umfang der tatsächlichen unternehmerischen Verwendung in sein Unternehmen einzubeziehen(14).

37.   Entscheidet sich der Steuerpflichtige dafür, ein Investitionsgut, das sowohl für unternehmerische als auch für private Zwecke verwendet wird, insgesamt seinem Unternehmen zuzuordnen, so ist die bei der Anschaffung oder Herstellung dieses Gegenstands geschuldete Vorsteuer nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich vollständig und sofort abziehbar. Diese Auslegung der Sechsten Richtlinie hat der Gerichtshof wiederholt bestätigt(15), so kürzlich als Große Kammer im Urteil Charles und Charles-Tijmens(16).

38.   Ein Steuerpflichtiger, der sich dafür entscheidet, ein Gebäude in vollem Umfang seinem Unternehmen zuzuordnen und einen Teil dieses Gebäudes für seinen privaten Bedarf zu nutzen, ist daher berechtigt, die auf die gesamten Kosten der Anschaffung oder Herstellung dieses Gebäudes entrichtete Vorsteuer abzuziehen.

39.   Soweit er sich jedoch, was den für den privaten Bedarf verwendeten Teil des Gegenstands betrifft, in einer einem Endverbraucher vergleichbaren Lage befindet, ist er verpflichtet, die dieser Verwendung entsprechende Mehrwertsteuer zu entrichten. Diese Verpflichtung findet sich in Artikel 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie, der bestimmt, dass diese Verwendung einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt wird, die der Steuerpflichtige sich selbst gegenüber erbringt.

40.   Da es in diesem Fall kein Geschäft mit einem Dritten und auch keine von diesem gezahlte Gegenleistung gibt, die die Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer darstellen könnten, sieht Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie vor, dass die Besteuerungsgrundlage „der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung“ ist.

41.   Im vorliegenden Verfahren möchte das Finanzgericht München wissen, ob dieser Begriff dahin zu verstehen ist, dass er neben den laufenden Aufwendungen nur die Abnutzung des Gebäudes berücksichtigt, die gemäß den nationalen Abschreibungsregeln nach der gewöhnlichen Lebensdauer des Gegenstands berechnet wird.

42.   Das vorlegende Gericht möchte also mit seiner Vorlagefrage der Sache nach wissen, ob Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer für die private Nutzung eines Teils eines Gebäudes, das vom Steuerpflichtigen in vollem Umfang seinem Unternehmen zugeordnet worden ist, jährlich auf einen Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten festgesetzt wird, der sich nach dem gemäß Artikel 20 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Zeitraum für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge bestimmt.

43.   Nach den Darlegungen des vorlegenden Gerichts geht es bei der Antwort auf diese Frage um drei Gesichtspunkte.

44.   Der erste dieser Gesichtspunkte ist offensichtlich der vom Steuerpflichtigen für die private Verwendung jährlich entrichtete Mehrwertsteuerbetrag. Darf der Betrag der Ausgaben nur die Abnutzung des Gebäudes berücksichtigen, entspricht die Mehrwertsteuerbelastung im vorliegenden Fall jährlich 2 % der Herstellungskosten des privat genutzten Gebäudeteils, weil der in den nationalen Vorschriften vorgesehene Abschreibungszeitraum 50 Jahre beträgt. Andernfalls entspricht die Bemessungsgrundlage 10 % dieser Kosten, weil der Zeitraum für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge im innerstaatlichen Recht auf zehn Jahre festgelegt ist.

45.   Der zweite Gesichtspunkt, der sich unmittelbar aus dem ersten ergibt, ist die Gefahr eines unversteuerten Endverbrauchs, z. B. bei einer steuerfreien Veräußerung nach Ablauf des Zeitraums zur Berichtigung der Vorsteuerabzüge. Diese Gefahr besteht nicht, wenn die Besteuerungsgrundlage unter Bezugnahme auf diesen nationalen Berichtigungszeitraum bestimmt wird, weil der Steuerpflichtige nach Ablauf dieses Zeitraums die gesamte als Vorsteuer abgezogene Mehrwertsteuer entrichtet hat, die auf den privat genutzten Gebäudeteil entfällt.

46.   Der dritte Gesichtspunkt ist die Frage der Einbeziehung der Kosten für den Erwerb des Grundstücks, auf dem das Gebäude errichtet ist, sofern dieser Erwerb der Mehrwertsteuer unterlag und der Käufer die Vorsteuer abgezogen hat. Ist der „Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung“ nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie dahin zu verstehen, dass nur die Abnutzung des Gebäudes gemeint ist, sind die Anschaffungskosten des Grundstücks u. U. von der Besteuerungsgrundlage auszunehmen, weil das Grundstück, auf dem das Gebäude errichtet ist, grundsätzlich nicht der Abnutzung unterliegt.

47.   Im vorliegenden Verfahren stehen sich drei Auffassungen gegenüber.

48.   Die Klägerin meint, der Betrag der Ausgaben nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie sei so zu verstehen, dass neben den laufenden Aufwendungen nur die jährlichen Abschreibungen für die Abnutzung von Gebäuden entsprechend den jeweiligen innerstaatlichen Regelungen erfasst seien.

49.   Der Begriff „Ausgaben“ setze voraus, dass der Steuerpflichtige eine Vermögensminderung erleide. Eine solche Vermögensminderung erleide er bei der Anschaffung oder Herstellung eines Gebäudes nicht, weil den damit verbundenen Kosten der Gegenwert des Gebäudes gegenüberstehe. Eine Vermögensminderung und somit Ausgaben im Sinne des Artikels 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie entstünden erst mit dem Wertverzehr des Gebäudes. Dieser richte sich jedoch nicht nach dem Berichtigungszeitraum des Artikels 20 der Sechsten Richtlinie, sondern nach der Nutzungsdauer.

50.   Die Anschaffungskosten für das Grundstück, auf dem das Gebäude errichtet sei, dürften nicht in die Besteuerungsgrundlage einbezogen werden, weil dieses sich nicht mit der Zeit abnutze.

51.   Die deutsche Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs machen hingegen geltend, dass Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie einer Regelung wie der streitigen deutschen nicht entgegenstehe.

52.   In dieser Vorschrift sei nicht genau definiert, was der Begriff „Betrag der Ausgaben“ erfasse. Daraus sei zu schließen, dass die Mitgliedstaaten über einen Spielraum für die Konkretisierung dieses Begriffes verfügten. Die fragliche nationale Regelung entspreche dem mit dieser Vorschrift verfolgten Zweck, nämlich sicherzustellen, dass der Steuerpflichtige, der einen Unternehmensgegenstand für seinen privaten Bedarf verwende, und ein Endverbraucher, der den gleichen Gegenstand erwerbe, gleichbehandelt würden.

53.   In Anbetracht dieser Zielsetzung sei der Begriff „Ausgaben“ so zu verstehen, dass die Kosten für die Anschaffung oder Herstellung des Gebäudes und gegebenenfalls der Kaufpreis des Grundstücks, sofern er zum Vorsteuerabzug berechtigt habe, erfasst seien. Dieser Zielsetzung entspreche es auch, die auf den privat genutzten Gebäudeteil entfallenden Herstellungskosten über den Zeitraum für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge zu verteilen, weil dies die Gefahr eines unversteuerten Endverbrauchs vermeide.

54.   Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften vertritt eine vermittelnde Auffassung. Anders als die deutsche Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs meint sie, dass sich die Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht nach den innerstaatlichen Regeln über die Berichtigung der Vorsteuerabzüge richten könne. Zum einen gebe es keinen zwingenden Grund, Artikel 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie im Rahmen des Artikels 6 Absatz 2 Buchstabe a dieser Richtlinie heranzuziehen. Zum anderen sei die Bedeutung der Gefahr eines unversteuerten Endverbrauchs vom Gerichtshof im Urteil Seeling relativiert worden.

55.   Entgegen der Auffassung der Klägerin könne sich die Verteilung der Anschaffungs- und Herstellungskosten jedoch auch nicht nach den nationalen ertragsteuerlichen Abschreibungsregeln richten, weil diese in der Europäischen Union erheblich voneinander abwichen. Darüber hinaus würden mit diesen Regeln besondere, außerhalb des Mehrwertsteuersystems liegende Zwecke verfolgt. Nach Ansicht der Kommission muss die Verteilung nach objektiven, allgemein anerkannten, rechnerischen und auf die Mehrwertsteuer bezogenen Gesichtspunkten erfolgen. Außerdem müsse die Besteuerungsgrundlage auch die Anschaffungskosten von Grund und Boden einbeziehen.

56.   Ich bin mit der deutschen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs der Meinung, dass Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie es nicht verbietet, die auf den vom Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf genutzten Gebäudeteil entfallenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf den gemäß Artikel 20 der Sechsten Richtlinie festgelegten Zeitraum für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge zu verteilen.

57.   Bevor ich die Gründe für meine Auffassung darlege, sollte ich kurz auf den Zusammenhang zwischen den Fristen in Artikel 20 Absatz 2 und Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie eingehen.

58.   Wie die Klägerin und die Kommission ausführen, ergibt sich aus der Sechsten Richtlinie kein zwingender Grund für die Heranziehung des Berichtigungszeitraums des Artikels 20 Absatz 2 im Rahmen des Artikels 6 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie.

59.   Artikel 20 der Sechsten Richtlinie betrifft den Fall, dass ein Steuerpflichtiger, der ein und denselben Gegenstand sowohl zu betrieblichen Zwecken als auch für seinen privaten Bedarf verwendet, entschieden hat, diesen Gegenstand nur in dem Umfang seinem Unternehmen zuzuordnen, als er ihn zu betrieblichen Zwecken nutzt. In diesem Fall ist er zum Abzug der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für diesen Gegenstand entrichteten Vorsteuer nur anteilig zum betrieblich genutzten Gebäudeteil berechtigt.

60.   Artikel 20 soll die Berichtigung dieses Abzugs ermöglichen, wenn sich die Verwendung des Gegenstands durch den Steuerpflichtigen gegenüber dessen ursprünglicher Erklärung geändert hat oder wenn der Abzug auf einer fehlerhaften Erklärung beruhte.

61.   Artikel 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie sieht vor, dass diese Berichtigung nur innerhalb einer bestimmten Frist erfolgen kann, die grundsätzlich fünf Jahre beträgt. Bei Grundstücken kann diese Frist jedoch verlängert werden. Nach der ursprünglichen Fassung der Sechsten Richtlinie konnte diese Frist auf zehn Jahre verlängert werden. Seit Inkrafttreten der Richtlinie 95/7 kann sie auf 20 Jahre verlängert werden.

62.   Hat der Steuerpflichtige wie im vorliegenden Fall entschieden, das Gebäude in vollem Umfang dem Unternehmen zuzuordnen und damit in den Genuss des Abzugs der gesamten auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entrichteten Vorsteuer zu gelangen, findet Artikel 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie Anwendung. Die private Nutzung eines Teils des Gebäudes wird, wie ausgeführt, einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt. Nach dieser Vorschrift entrichtet der Steuerpflichtige die Mehrwertsteuer auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, die auf den für seinen privaten Bedarf genutzten Gebäudeteil entfallen.

63.   Verringert oder vergrößert sich dieser Gebäudeteil im Lauf der Zeit, so ist der Berichtigungsmechanismus des Artikels 20 der Sechsten Richtlinie nicht anwendbar. Dieser Änderung wird im betreffenden Besteuerungszeitraum insoweit Rechnung getragen, als sich der Anteil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, der bei der Bestimmung der Besteuerungsgrundlage nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie berücksichtigt wird, entsprechend ändert.

64.   Wird das insgesamt dem Unternehmen zugeordnete Gebäude jedoch veräußert, erweisen sich die in Artikel 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Fristen als relevant. Denn nach Artikel 20 Absatz 3 der Richtlinie ist das Gebäude, wenn diese Veräußerung innerhalb des Zeitraums für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge nach Artikel 2 Absatz 2 erfolgt, so zu behandeln, als ob es bis zum Ablauf dieses Zeitraums weiterhin für eine wirtschaftliche Tätigkeit des Betroffenen verwendet worden wäre; der Abzug der Vorsteuer auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das Gebäude kann nachträglich berichtigt werden.

65.   Aus diesen Bestimmungen ergibt sich im Umkehrschluss auch, dass eine solche nachträgliche Berichtigung nicht mehr möglich ist, wenn das Gebäude nach Ablauf dieses Zeitraums veräußert wird. In einem solchen Fall besteht daher die Gefahr eines unversteuerten Endverbrauchs.

66.   Insbesondere um dieser Gefahr zu begegnen, meinen die deutsche Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs, dass es möglich sein müsse, die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer für die private Nutzung eines insgesamt dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes unter Zugrundelegung des Zeitraums für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge zu berechnen, wie er im nationalen Recht nach Maßgabe des Artikels 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie festgelegt worden sei.

67.   Der Auffassung der beiden Regierungen kann man sich meines Erachtens anschließen, und zwar aus folgenden Gründen. Erstens lässt Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie den Mitgliedstaaten einen Spielraum für seine Umsetzung. Zweitens entspricht die Ermittlung der streitigen Besteuerungsgrundlage unter Zugrundelegung des Zeitraums für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge der Zielsetzung des Artikels 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie. Drittens steht diese Ermittlung auch im Einklang mit dem von der Sechsten Richtlinie verfolgten Ziel der Harmonisierung der Bemessungsgrundlage.

68.   Zum ersten Punkt: Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie sieht, wie ausgeführt, vor, dass die Besteuerungsgrundlage bei den in Artikel 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie genannten Umsätzen „der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung“ ist. Wie das vorlegende Gericht festgestellt hat, wird dieser Begriff in der Sechsten Richtlinie nicht definiert.

69.   Dem Wortlaut dieses Artikels 6 Absatz 2 sind jedoch folgende Informationen zu entnehmen. Der Begriff „dépense“ (Ausgabe) wird als „un emploi d’argent, spécialement à des fins autres que le placement“ (Verwendung von Geld, vor allem zu anderen Zwecken als der Geldanlage)(17) definiert. Der Ausdruck „Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung“ ist seinem Wortsinn nach also relativ weit und vage(18). Er kann meines Erachtens dahin verstanden werden, dass die gesamten Aufwendungen gemeint sind, die notwendig waren oder sind, um die Erbringung der Dienstleistung zu ermöglichen. Dieser Begriff kann daher so ausgelegt werden, dass er neben den laufenden Aufwendungen die gesamten Kosten der Anschaffung oder der Herstellung der Gegenstände bezeichnet, die mit dieser Dienstleistung zusammenhängen.

70.   Sodann führt der Umstand, dass die Verwendung eines Unternehmensgegenstands durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt wird, d. h. einem länger andauernden Umsatz, nach den Gesetzen der Logik zu der Annahme, dass die Erhebung der Mehrwertsteuer auf diese Kosten zeitlich gestreckt werden muss.

71.   Aus dieser Gleichsetzung und dem vom Gesetzgeber mit Artikel 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie verfolgten Ziel könnte außerdem abgeleitet werden, dass diese zeitliche Streckung über die gesamte Lebensdauer des Gegenstands zu erfolgen hätte. Denn nach ständiger Rechtsprechung soll diese Vorschrift die Gleichbehandlung des Steuerpflichtigen und des Endverbrauchers sicherstellen(19). Damit soll verhindert werden, dass ein Steuerpflichtiger, der beim Kauf eines seinem Unternehmen zugeordneten Gegenstands die Vorsteuer abziehen konnte, der Zahlung der Mehrwertsteuer entgeht, wenn er diesen Gegenstand für private Zwecke aus seinem Unternehmensvermögen entnimmt, und so gegenüber dem gewöhnlichen Verbraucher, der beim Erwerb des Gegenstands Mehrwertsteuer zahlt, ungerechtfertigte Vorteile genießt(20).

72.   Die Streckung über die gesamte gewöhnliche Nutzungsdauer des Gegenstands bietet auch den Vorteil, dass die Besteuerungsgrundlage angepasst werden kann, wenn sich bezüglich des vom Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf entnommenen Teils des Gegenstands Änderungen ergeben. Die Besteuerungsgrundlage nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie ist daher, wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, vom Gerichtshof im Urteil Enkler so ausgelegt worden, dass die Ausgaben erfasst sind, die – wie die Abschreibungen für die Abnutzung des Gegenstands oder die Ausgaben des Steuerpflichtigen, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigt haben – mit dem Gegenstand selbst verknüpft sind(21).

73.   Im vorliegenden Rechtsstreit stellt sich die Frage, ob diese Auslegung des Artikels 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie die einzige ist, die mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Mit anderen Worten geht es darum, zu prüfen, ob die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Vorschrift über einen Entscheidungsspielraum verfügen, der sie berechtigt, die Erhebung der Mehrwertsteuer, die für die private Verwendung des Gegenstands anfällt, über einen kürzeren Zeitraum, nämlich den für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge, zu strecken.

74.   Meines Erachtens verfügen die Mitgliedstaaten über einen solchen Spielraum.

75.   Anders als andere Bestimmungen der Sechsten Richtlinie(22) verweist Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c für die Ermittlung seines Sinnes und seiner Tragweite nicht auf das nationale Recht. Der Begriff „Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung“ stellt daher einen autonomen Begriff des Gemeinschaftsrechts dar, dessen Bestimmung nicht in das Ermessen jedes einzelnen Mitgliedstaats gestellt werden kann(23).

76.   Die Sechste Richtlinie enthält allerdings nicht alle Angaben, die nötig wären, um diesem Begriff in der gesamten Europäischen Union einen einheitlichen Inhalt zu geben. Weder der Wortlaut des Begriffes noch das System, zu dem er gehört, lassen meiner Ansicht nach die sichere Feststellung zu, dass die Kosten der Anschaffung oder Herstellung des fraglichen Gegenstands zwangsläufig auf die gesamte gewöhnliche Nutzungsdauer zu verteilen seien. Zudem bestimmt die Sechste Richtlinie nicht, auf welcher Grundlage die Abschreibung des Gegenstands zu berechnen ist.

77.   Es ist daher zu prüfen, ob die Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die streitige Mehrwertsteuer unter Zugrundelegung des Zeitraums für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge mit den Zielen des Artikels 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie und der Richtlinie in Einklang steht.

78.   Wie ausgeführt, soll Artikel 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie sicherstellen, dass ein Steuerpflichtiger, der dem Unternehmen einen Gegenstand entnimmt, nachdem er die gesamte auf die entsprechenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten entrichtete Vorsteuer abziehen konnte, und ein Endverbraucher, der bei der Anschaffung oder der Herstellung des gleichen Gegenstands die Mehrwertsteuer zu tragen hätte, gleichbehandelt werden.

79.   Die Bestimmung der Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer für die private Verwendung unter Zugrundelegung des Zeitraums für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge, die verhindern soll, dass bei einer Veräußerung vor Ablauf dieses Zeitraums ein unversteuerter Endverbrauch verbleibt, entspricht diesem Ziel.

80.   An diesem Befund ändert das Urteil Seeling meines Erachtens nichts.

81.   Zwar hat die deutsche Regierung in jener Rechtssache vorgetragen, dass bei einer von der Mehrwertsteuer befreiten Veräußerung des Gebäudes nach Ablauf des Zeitraums für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge die Gefahr eines unversteuerten Endverbrauchs bestehe. Der Gerichtshof hat hierzu entschieden, dass der Umstand, dass bei diesem Berichtigungszeitraum der Vorsteuerabzug nur teilweise korrigiert werden könne, die Folge einer bewussten Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers sei und dass dieser Zeitraum bei Grundstücken, die als Investitionsgüter erworben worden seien, auf 20 Jahre verlängert worden sei, um der wirtschaftlichen Lebensdauer dieser Investitionsgüter Rechnung zu tragen(24).

82.   Die Tragweite dieser Antwort ist meines Erachtens jedoch anhand des Zusammenhangs zu beurteilen, in dem sie gegeben wurde.

83.   Zum in der Rechtssache Seeling maßgeblichen Zeitpunkt war nach deutschem Recht die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer für die private Nutzung eines insgesamt dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes unter Zugrundelegung der Abnutzung des Gegenstands zu berechnen. Die deutsche Regierung wollte die Rechtsprechung in Frage stellen, nach der ein Steuerpflichtiger, der sich dafür entscheidet, ein Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuzuordnen, und später einen Teil dieses Gebäudes für seinen privaten Bedarf verwendet, zum Abzug der auf die gesamten Anschaffungs- oder Herstellungskosten dieses Gebäudes entrichteten Vorsteuerbeträge berechtigt ist.

84.   Dabei stützte sie sich auf Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie, wonach die Vermietung eines Grundstücks grundsätzlich von der Mehrwertsteuer befreit ist, so dass ein Abzug der als Vorsteuer entrichteten Mehrwertsteuer nicht zulässig ist. Sie trug vor, dass Artikel 6 Absatz 2 Unterabsatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie die Nutzung eines Unternehmensgegenstands für den privaten Bedarf einer Dienstleistung gleichstelle und diese Nutzung unter dem Aspekt des Endverbrauchs einer Vermietung sachlich am nächsten komme, so dass der Steuerbefreiungstatbestand nach Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie entsprechend anwendbar sei.

85.   Für diese Auffassung führte sie an, dass das Unterbleiben des Vorsteuerabzugs den Vorteil biete, dass bei einer steuerfreien Veräußerung des Gebäudes nach Ablauf des Zeitraums für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge von zehn Jahren ein unversteuerter Endverbrauch vermieden werde.

86.   Im Urteil Seeling ist der Gerichtshof dem auf Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie gestützten Vorbringen der deutschen Regierung nicht gefolgt. Er hat entschieden, dass die für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen erfolgende Verwendung einer Wohnung in einem Gebäude, das der Steuerpflichtige insgesamt seinem Unternehmen zugeordnet habe, nicht unter diese Bestimmung falle, weil sie keine echte Vermietung im Sinne dieser Vorschrift darstelle(25).

87.   In diesem Zusammenhang hat er festgestellt, dass es die Folge einer bewussten Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers sei und nicht dazu führen könne, dass eine weite Auslegung des Artikels 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie geboten wäre, wenn die Tatsache, dass der Steuerpflichtige ein Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuordnen und somit die für die gesamten Herstellungskosten geschuldeten Vorsteuerbeträge abziehen könne, zur Folge haben könne, dass ein Letztverbrauch nicht versteuert werde, weil bei dem in Artikel 20 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Berichtigungszeitraum der Vorsteuerabzug, der im Zeitpunkt der Herstellung eines Gebäudes erfolge, nur teilweise korrigiert werden könne.

88.   Mit der deutschen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs bin ich der Ansicht, dass der Gerichtshof im Urteil Seeling das Ziel des Artikels 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie inhaltlich nicht in Frage stellen wollte.

89.   Ich verstehe dieses Urteil als eine erneute Bestätigung der ständigen Rechtsprechung, nach der ein Steuerpflichtiger, der sich dafür entscheidet, ein Gebäude insgesamt seinem Unternehmen zuzuordnen, und später einen Teil dieses Gebäudes für seinen privaten Bedarf verwendet, zum einen zum Abzug der auf die gesamten Herstellungskosten dieses Gebäudes entrichteten Vorsteuerbeträge berechtigt ist und zum anderen, als Gegenstück zu diesem Recht, verpflichtet ist, die Mehrwertsteuer auf den Betrag der für diese Verwendung angefallenen Ausgaben zu entrichten.

90.   In diesem Urteil zeigt der Gerichtshof zwar die Grenzen der Fähigkeit dieses Systems auf, die vollständige Gleichbehandlung eines Steuerpflichtigen und eines Endverbrauchers zu gewährleisten, stellt aber meines Erachtens den Grundsatz, dass es dem nationalen Gesetzgeber obliegt, so weit wie möglich zu verhindern, dass der Endverbrauch nicht versteuert wird, nicht in Frage.

91.   Daher dürfte nicht zu bestreiten sein, dass die Absicht der deutschen Regierung, bei einer Veräußerung des Gegenstands nach Ablauf des Zeitraums zur Berichtigung der Vorsteuerabzüge einen unversteuerten Endverbrauch zu verhindern, mit dem Ziel des Artikels 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie in Einklang steht.

92.   Hiergegen könnte eingewendet werden, dass die deutsche Regierung durch die Verkürzung des Zeitraums für die Rückführung der Mehrwertsteuer auf den Zeitraum für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge ebenfalls die Gefahr eines unversteuerten Endverbrauchs hervorrufe. Denn die deutsche Regierung hat ausgeführt, dass die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht mehr für die Besteuerungsgrundlage herangezogen würden, wenn der Betroffene das Gebäude nach dem Zeitraum von zehn Jahren weiterhin privat nutze. Die private Nutzung werde dann nur noch auf der Grundlage der laufenden Aufwendungen für das Gebäude besteuert.

93.   Dieser Ausschluss der Anschaffungs- oder Herstellungskosten von der Besteuerungsgrundlage erscheint durchaus gerechtfertigt, weil die abgezogene Vorsteuer vollständig entrichtet worden ist. Diese Entwicklung ist allerdings auf der Grundlage des im Zehnjahreszeitraum privat genutzten Gebäudeteils berechnet worden. Nutzt der Steuerpflichtige nach Ablauf dieses Zeitraums einen größeren Teil des Gebäudes für seinen privaten Bedarf, so ist davon auszugehen, dass die Nutzung dieses zusätzlichen Teils zu privaten Zwecken nicht versteuert wird. Diese Frage bleibt hier noch offen.

94.   Ich glaube jedoch nicht, dass diese etwaige Lücke im System der Vereinbarkeit der streitigen deutschen Regelung mit dem Ziel des Artikels 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie entgegensteht.

95.   Die Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer unter Zugrundelegung des Zeitraums für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge weist nämlich unter dem Gesichtspunkt einer stärkeren Gleichbehandlung des Steuerpflichtigen und des Endverbrauchers einen weiteren Vorteil auf: Der vom Steuerpflichtigen jährlich für die private Nutzung entrichtete Mehrwertsteuerbetrag erhöht sich. Diese Erhöhung trägt dazu bei, den Unterschied zwischen den beiden Sachverhalten zu verringern, der darauf beruht, dass der Steuerpflichtige aufgrund der Begleichung der Steuerschuld in Raten gegenüber dem Endverbraucher, der die gesamte Belastung durch die Mehrwertsteuer bei der Anschaffung oder Herstellung des Gegenstands zu tragen hat, einen Liquiditätsvorteil hat.

96.   Schließlich hält sich die Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer unter Zugrundelegung des Zeitraums für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge meiner Ansicht nach in im Hinblick auf das Ziel der Sechsten Richtlinie vertretbaren Grenzen.

97.   Wie aus ihrem Titel hervorgeht, soll mit dieser Richtlinie die Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer einheitlich nach Gemeinschaftsvorschriften bestimmt werden(26). Die Reichweite dieses Zieles wird in der neunten Begründungserwägung der Sechsten Richtlinie in ihrer ursprünglichen Fassung jedoch maßvoll ausgedrückt: dort heißt es, dass die Richtlinie auf „vergleichbare“ Ergebnisse in allen Mitgliedstaaten abzielt. In Anbetracht des den Mitgliedstaaten in Artikel 20 der Sechsten Richtlinie eingeräumten Entscheidungsspielraums bin ich der Ansicht, dass die streitige nationale Regelung dem gerecht wird.

98.   Der Verweis auf Artikel 20 erscheint mir im Rahmen dieser Beurteilung relevant. Wie Artikel 20 sind auch die Artikel 6 Absatz 2 und 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie auf einen Sachverhalt anwendbar, bei dem ein Gegenstand, der zum Abzug der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entrichteten Vorsteuer berechtigt hat, später eine Verwendung findet, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Es handelt sich um ergänzende Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, die die Fälle behandeln, in denen ein Gegenstand gemischt, d. h. gleichzeitig zu betrieblichen Zwecken und für den privaten Bedarf, genutzt wird.

99.   Außerdem wirken sich die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Mechanismen wirtschaftlich ähnlich aus(27). Es geht in beiden Fällen um die Entrichtung von Mehrwertsteuer, die der Steuerpflichtige abziehen durfte, die er aber letztlich zu tragen hat.

100. Den Mitgliedstaaten wird in Artikel 20 der Sechsten Richtlinie für die Festlegung des Zeitraums für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge bei Grundstücken ein relativ weiter Spielraum gewährt; sie können einen Zeitraum von fünf bis zwanzig Jahren vorsehen.

101. In Anbetracht des Zusammenhangs zwischen dem Mechanismus des Artikels 20 und dem des Artikels 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie steht die Bestimmung der Besteuerungsgrundlage für die private Nutzung eines insgesamt dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes unter Zugrundelegung des Zeitraums für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge meiner Ansicht nach nicht im Widerspruch zu dem mit der Sechsten Richtlinie verfolgten Ziel der Harmonisierung der Bemessungsgrundlage.

102. Die von der Kommission vorgeschlagene Lösung, die Mitgliedstaaten aufzufordern, nach objektiven und allgemein anerkannten Kriterien Regeln für die Abschreibung von Gebäuden über deren gesamte nutzbare Lebensdauer aufzustellen, wäre zwar u. U. geeignet, zu einer einheitlicheren Bemessungsgrundlage zu führen.

103. Doch auch wenn eine solche Lösung wünschenswert erscheinen mag, steht sie meines Erachtens in Anbetracht des Inhalts der Sechsten Richtlinie nicht der Auffassung entgegen, dass die streitige deutsche Regelung den den Mitgliedstaaten für die Bestimmung der Besteuerungsgrundlage nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie belassenen Entscheidungsspielraum nicht überschreitet.

104. Darüber hinaus hat die Regierung des Vereinigten Königreichs in der mündlichen Verhandlung erhebliche Zweifel an der Eignung der von der Kommission vertretenen Lösung, zu einer stärkeren Harmonisierung zu führen, geweckt; sie hat geltend gemacht, dass es keine gemeinsamen Abschreibungsregeln gebe. In der Tat stellt man bei einer Prüfung der Rechnungslegungsstandards, die das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union im Jahr 2002(28) angenommen haben, um die Vergleichbarkeit der Abschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen zu verbessern, fest, dass verschiedene Abschreibungsmethoden angewandt werden können, um das Abschreibungsvolumen eines Vermögenswerts systematisch über seine Nutzungsdauer zu verteilen(29).

105. Abschließend ist noch auf die Frage einzugehen, ob die Anschaffungskosten des Grundstücks, auf dem das Gebäude errichtet ist, sofern auf diese Kosten Mehrwertsteuer erhoben wurde und der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt war, in die Besteuerungsgrundlage einzubeziehen sind oder nicht.

106. Mit der deutschen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission bin ich der Auffassung, dass diese Kosten in einem solchen Fall in die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer für die private Nutzung einzubeziehen sind.

107. Zum einen findet sich in Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie kein entscheidender Grund dafür, sie auszuschließen. Der Begriff „Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung“ erfasst seinem Wortlaut nach alle Kosten, die anfallen, um diese Dienstleistung erbringen zu können. Die Anschaffungskosten des Grundstücks, auf dem das fragliche Gebäude errichtet worden ist, gehören grundsätzlich zu diesen Kosten.

108. Zum anderen widerspräche ihr Ausschluss von der Besteuerungsgrundlage offensichtlich dem Ziel des Artikels 6 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie, der, wie ausgeführt, die Gleichbehandlung des Steuerpflichtigen und des Endverbrauchers sicherstellen soll. Da der Endverbraucher beim Erwerb eines Baugrundstücks mit der Mehrwertsteuer auf diese Kosten belastet wird, stünde es im Widerspruch zu diesem Ziel, den Steuerpflichtigen davon zu entlasten.

109. Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens ist nicht eindeutig erwiesen, ob der Erwerb des Grundstücks, auf dem das Gebäude errichtet worden ist, durch die Klägerin der Mehrwertsteuer unterlag und ob diese die Vorsteuer abgezogen hat. Die Antwort auf diese Frage hängt von einer Tatsachenwürdigung ab, die Sache des nationalen Gerichts ist.

110. Nach alledem schlage ich vor, auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer für die private Nutzung eines Teils eines Gebäudes, das vom Steuerpflichtigen in vollem Umfang seinem Unternehmen zugeordnet worden ist, jährlich auf einen Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten festgesetzt wird, der sich nach dem gemäß Artikel 20 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Zeitraum für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge bestimmt. Diese Besteuerungsgrundlage muss gegebenenfalls die Anschaffungskosten des Grundstücks, auf dem das Gebäude errichtet ist, enthalten.

V –    Ergebnis

111. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich vor, auf die vom Finanzgericht München vorgelegte Frage zu antworten:

Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der Fassung der Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer für die private Nutzung eines Teils eines Gebäudes, das vom Steuerpflichtigen in vollem Umfang seinem Unternehmen zugeordnet worden ist, jährlich auf einen Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten festgesetzt wird, der sich nach dem gemäß Artikel 20 der Sechsten Richtlinie 77/388 in der geänderten Fassung vorgesehenen Zeitraum für die Berichtigung der Vorsteuerabzüge bestimmt. Diese Besteuerungsgrundlage muss die Anschaffungskosten des Grundstücks, auf dem das Gebäude errichtet ist, enthalten, sofern dieser Erwerb der Mehrwertsteuer unterworfen war und der Steuerpflichtige die Vorsteuer abgezogen hat.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 (ABl. L 102, S. 18, im Folgenden: Sechste Richtlinie).


3 – BGBl. 1993 I S. 565.


4 – Die Klägerin hat diesen Begriff in der mündlichen Verhandlung als eine von mindestens zwei Personen gebildete Gemeinschaft, die ein Haus haben und es vermieten, definiert.


5 – Nach Artikel 13 Teil B Buchstabe b der Sechsten Richtlinie sind die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, von Ausnahmen abgesehen, von der Mehrwertsteuer befreit; nach Artikel 13 Teil C Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie können die Mitgliedstaaten ihren Steuerpflichtigen jedoch das Recht einräumen, für eine Besteuerung dieser Umsätze zu optieren.


6 – Urteil vom 26. September 1996 in der Rechtssache C-230/94 (Slg. 1996, I-4517).


7 – Ebenda, Randnr. 36.


8 – Vgl. u. a. Urteil Enkler, Randnr. 35.


9 – Das vorlegende Gericht gibt die Grundlage für diese Befreiung nicht an. Es handelt sich wohl um Artikel 13 Teil B Buchstabe g der Sechsten Richtlinie, wonach die Mitgliedstaaten unter den von ihnen festgelegten Bedingungen die Lieferungen von Gebäuden befreien, wenn sie nach dem Erstbezug erfolgen.


10 – Urteil vom 8. Mai 2003 in der Rechtssache C-269/00 (Slg. 2003, I-4101).


11 – Ebenda, Randnr. 54.


12 – Urteil vom 4. Oktober 1995 in der Rechtssache C-291/92 (Armbrecht, Slg. 1995, I-2775, Randnr. 27).


13 – Urteil vom 30. März 2006 in der Rechtssache C-184/04 (Uudenkaupungin kaupunki, Slg. 2006, I-0000, Randnr. 24).


14 – Urteil vom 14. Juli 2005 in der Rechtssache C-434/03 (Charles und Charles-Tijmens, Slg. 2005, I-7037, Randnr. 23 und die dort zitierte Rechtsprechung).


15 – Vgl. Urteil Seeling, Randnr. 41 und die dort zitierte Rechtsprechung.


16 – Randnr. 24.


17 – Vgl. LePetit Robert, Dictionnaire de la langue française, Paris, Éditions Dictionnaires Le Robert, 1996, S. 595.


18 – Vgl., was den Ausdruck „montant des dépenses“ betrifft, andere Sprachfassungen der Sechsten Richtlinie: „Betrag der Ausgaben“ im Deutschen, „uitgaven“ im Niederländischen, „the full cost“ im Englischen, „udgifter“ im Dänischen und „spese sostenute“ im Italienischen.


19 – Urteil Enkler, Randnr. 35.


20 – Ebenda, Randnr. 33.


21 – Randnr. 36. In dieser Rechtssache war der Gerichtshof aufgerufen, sich zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer für die private Nutzung eines in vollem Umfang dem Unternehmen zugeordneten Wohnmobils während bestimmter Zeiträume des Jahres zu äußern. Er entschied, dass der Teil der Ausgaben, wie er sie in Randnr. 36 definiert hatte, zu berücksichtigen sei, der zu den Gesamtausgaben im selben Verhältnis stehe wie die Dauer der tatsächlichen Verwendung des Gegenstands für unternehmensfremde Zwecke zur Gesamtdauer seiner tatsächlichen Verwendung (Randnr. 37).


22 – Vgl. Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b der Sechsten Richtlinie zum Begriff „Baugrundstücke“ und Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie zu den „ärztlichen und arztähnlichen Berufen“.


23 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Februar 1977 in der Rechtssache 51/76 (Verbond van Nederlandse Ondernemingen, Slg. 1977, 113, Randnrn. 10 und 11).


24 – Urteil Seeling, Randnrn. 54 und 55.


25 – Ebenda, Randnrn. 49 bis 52.


26 – Urteil vom 8. Juni 2000 in der Rechtssache C-400/98 (Breitsohl, Slg. 2000, I-4321, Randnr. 48).


27 – Urteil Uudenkaupungin kaupunki, Randnr. 30.


28 – Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (ABl. L 243, S. 1).


29 – Siehe z. B. die Paragrafen 47 und 62 des internationalen Rechnungslegungsstandards IAS 16, Sachanlagen, im Anhang der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission vom 29. September 2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung Nr. 1606/2002 (ABl. L 261, S. 1).