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SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 8. März 20071(1)

Rechtssache C-434/05

Stichting Regionaal Opleidingen Centrum Noord-Kennemerland/West-Friesland (Horizon College)

gegen

Staatssecretaris van Financiën

Rechtssache C-445/05

Werner Haderer

gegen

Finanzamt Wilmersdorf

„Mehrwertsteuer – Befreiungen – Lehrpersonal, das einer Lehreinrichtung von einer anderen gegen Entgelt gestellt wird – Unterrichtung von Schülern in einer Lehreinrichtung durch einen selbständigen, von der Einrichtung bezahlten Lehrer“





1.        Zwei der Befreiungen von der Mehrwertsteuer nach der Sechsten Richtlinie(2) erfassen im Kern den Unterricht und eng damit verbundene Dienstleistungen, die von Lehreinrichtungen erbracht werden, sowie den von Privatlehrern erteilten Unterricht.

2.        Die beiden vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen werfen die Fragen auf, ob sich diese Befreiungen zum einen auf die Gestellung von Lehrern durch eine Schule an eine andere Schule und zum anderen auf die Erteilung von Unterricht in einer Schule durch einen selbständigen Lehrer erstrecken.

 Die Sechste Richtlinie

3.        Nach Art. 2 der Sechsten Richtlinie(3) unterliegen Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher gegen Entgelt ausführt, der Mehrwertsteuer.

4.        Nach Art. 4 Abs. 1 gilt als Steuerpflichtiger, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit, worunter nach Art. 4 Abs. 2 alle Tätigkeiten eines Dienstleistenden fallen, „selbständig ausübt“(4).

5.        Als Dienstleistung gilt nach Art. 6 Abs. 1 „jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands … ist“(5). Somit gibt es keine Liste der Dienstleistungen, die der Mehrwertsteuer unterliegen, aber durch Art. 9 Abs. 2 Buchst. c und e, worin es um den Ort bestimmter Dienstleistungen geht, wird bestätigt, dass Dienstleistungen im Zusammenhang mit Unterrichtstätigkeiten und die Gestellung von Personal grundsätzlich der Steuer unterliegen(6).

6.        In Art. 13 Teil A („Befreiungen bestimmter dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten“)(7) heißt es jedoch:

„(1) [D]ie Mitgliedstaaten … [befreien] von der Steuer:

         …

i)      die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung;

j)      den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht;

k)      die Gestellung von Personal durch religiöse und weltanschauliche Einrichtungen für die unter den Buchstaben b), g), h)[(8)] und i) genannten Tätigkeiten und für Zwecke geistigen Beistandes;

(2) a) Die Mitgliedstaaten können die Gewährung der unter Absatz 1 Buchstaben b), g), h), i), l), m) und n)[(9)] vorgesehenen Befreiungen für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, von Fall zu Fall von der Erfüllung einer oder mehrerer der folgenden Bedingungen abhängig machen:

–      Die betreffenden Einrichtungen dürfen keine systematische Gewinnerzielung anstreben; etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der erbrachten Leistungen verwendet werden.

–      Leitung und Verwaltung müssen im Wesentlichen ehrenamtlich durch Personen erfolgen, die weder selbst noch über zwischengeschaltete Personen ein unmittelbares oder mittelbares Interesse an den Ergebnissen der betreffenden Tätigkeiten haben.

–      Es müssen Preise angewendet werden, die von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder solche, die die genehmigten Preise nicht übersteigen; bei Tätigkeiten, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen Preise angewendet werden, die unter den Preisen liegen, die von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen für entsprechende Tätigkeiten gefordert werden.

–      Die Befreiungen dürfen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen zuungunsten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen führen.

b)      Von der in Absatz 1 Buchstaben b), g), h), i), l), m) und n) vorgesehenen Steuerbefreiung sind Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen ausgeschlossen, wenn

–      sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind;

–      sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.“

 Sachverhalt und innerstaatliches Verfahren in der Rechtssache C-434/05 (Horizon College)

7.        Ausweislich der Vorlageentscheidung ist die Stichting Regionaal Opleidingen Centrum Noord-Kennemerland/West Friesland (Horizon College) eine Lehreinrichtung in Alkmaar in den Niederlanden. Für die Zwecke des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst.  i der Sechsten Richtlinie ist sie eine Einrichtung, deren schulische Zielsetzung vom Mitgliedstaat anerkannt ist. Sie erbringt hauptsächlich Sekundarschul- und berufsbildenden Unterricht.

8.        Zumindest zwischen 1995 und 1999 stellte sie anderen Lehreinrichtungen bei ihr angestellte Lehrer zur Verfügung, um vorübergehende Engpässe beim Lehrpersonal auszugleichen. Nach dem Gestellungsvertrag wurde dem Lehrer die Arbeit von der anderen Einrichtung, die auch die Haftpflichtversicherung bezahlte, zugewiesen. Das Gehalt des Lehrers wurde weiterhin von Horizon College gezahlt, die der anderen Einrichtung die Selbstkosten ohne Gewinnaufschlag und Mehrwertsteuer in Rechnung stellte.

9.        Die Steuerbehörden vertraten jedoch die Auffassung, dass die erbrachte Dienstleistung nicht von den in der Sechsten Richtlinie geregelten Befreiungen erfasst werde, und erhoben deshalb Mehrwertsteuer für die Jahre 1995 bis 1999 nach.

10.      Dagegen legte Horizon College Einspruch und später Klage ein. Ihre Kassationsbeschwerde ist nun beim Hoge Raad (Oberstes Gericht) anhängig, der feststellt, dass bei vorübergehenden Engpässen beim Lehrpersonal in Lehreinrichtungen die fehlenden Lehrkräfte für die Dauer ihrer Abwesenheit ersetzt werden müssten, um das Ziel eines geordneten Unterrichts zu erreichen, und dass die Erhebung von Mehrwertsteuer zwangsläufig die Unterrichtskosten erhöhe.

11.      Der Hoge Raad stellt sich die Frage, ob diese Fallkonstellation unter den Begriff „Unterricht“ oder den Begriff der „damit eng verbundenen Dienstleistungen“ subsumiert werden kann. Er ersucht deshalb um Vorabentscheidung über folgende Fragen:

1.      Ist Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass die Erteilung von Unterricht auch die entgeltliche Gestellung eines Lehrers an eine Lehreinrichtung umfasst, damit er dort unter der Verantwortung dieser Lehreinrichtung auf vorübergehender Basis Unterricht erteilt?

2.      Wenn diese Frage verneint wird: Kann der Begriff „damit eng verbundene Dienstleistungen“ dahin ausgelegt werden, dass er auch die oben in Frage 1 umschriebene Dienstleistung umfasst?

3.      Macht es für die Beantwortung der vorgenannten Fragen einen Unterschied, ob derjenige, der den Lehrer zur Verfügung stellt, selbst auch eine Lehreinrichtung ist?

 Sachverhalt und innerstaatliches Verfahren in der Rechtssache C-445/05 (Haderer)

12.      Ausweislich des Vorlagebeschlusses unterrichtete Herr Haderer jahrelang für das Land Berlin als freier Mitarbeiter. 1990 war er bei verschiedenen Erwachsenenbildungseinrichtungen(10) insgesamt regelmäßig über 30 Wochenstunden tätig, wobei er „Schularbeitshilfe“ erteilte und Keramik- und Töpferkurse leitete.

13.      Rahmen für diese Tätigkeiten waren regelmäßig erneuerte Verträge mit der ausdrücklichen Klausel, dass sie kein arbeitsrechtliches Beschäftigungsverhältnis begründeten. Er wurde auf Stundenbasis für tatsächlich geleistete Arbeit bezahlt. Fiel ein Kurs aus irgendwelchen Gründen aus oder war er wegen Krankheit oder aus sonstigen Gründen arbeitsunfähig, hatte er keinen Anspruch auf Bezahlung. Er erhielt jedoch einen Zuschuss zu den Kosten seiner Kranken- und Rentenversicherung und eine prozentual anhand seiner Honorare bemessene Urlaubsabgeltung.

14.      Herr Haderer gab keine Umsatzsteuererklärung über seine Honorare ab. Das Finanzamt war der Ansicht, er hätte dies tun müssen, und setzte die Umsatzsteuer für ihn fest.

15.      Herr Haderer erhob dagegen Einspruch und später Klage, wobei er geltend machte, dass er erstens kein Selbständiger sei (und somit nicht unter den Begriff des Steuerpflichtigen falle) und zweitens seine Tätigkeit jedenfalls nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und/oder j der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreit sei.

16.      Seine Revision ist nun beim Bundesfinanzhof anhängig, der sich der Feststellung der Vorinstanz anschließt, dass Herr Haderer in der Tat als Selbständiger tätig gewesen sei(11), und bestätigt, dass seine Dienstleistungen nach geltendem nationalen Recht nicht von der Mehrwertsteuer befreit seien(12). Der Bundesfinanzhof stellt sich jedoch die Frage, ob die letztgenannte Tatsache völlig mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Unter anderem führt er Folgendes aus:

–        Herr Haderer sei keine Einrichtung „mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung“ im Sinne des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i, weil er nicht als solche „anerkannt“ sei.

–        Der Unterricht in den Erwachsenenbildungseinrichtungen, an denen er seine Dienstleistungen erbracht habe, werde in seiner Definition nach nationalem Recht vom Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j erfasst.

–        Gleichwohl stelle sich die Frage, ob von einem Privatlehrer erteilter Unterricht nur dann befreit sei, wenn der Lehrer die Unterrichtsleistung unmittelbar an die Schüler oder Hochschüler erbringe und von diesen bezahlt werde, oder ob die Leistung auch an eine Schule oder Hochschule erbracht werden könne.

17.      Der Bundesfinanzhof ersucht deshalb um Vorabentscheidung über folgende Frage:

Ist ein von einem Privatlehrer erteilter Schul- und Hochschulunterricht[(13)] nur dann nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG von der Steuer zu befreien, wenn der Privatlehrer seine Unterrichtsleistung direkt an die Schüler/Hochschüler als Leistungsempfänger erbringt – also von diesen bezahlt wird –, oder reicht es aus, dass der Privatlehrer seine Unterrichtsleistung an eine Schule oder Hochschule als Leistungsempfänger erbringt?

 Verfahren vor dem Gerichtshof

18.      In der Rechtssache C-434/05 haben Horizon College, die niederländische und die griechische Regierung sowie die Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht. In der Rechtssache C-445/05, haben das beklagte Finanzamt, die italienische und die griechische Regierung sowie die Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht.

19.      Die mündlichen Verhandlungen in beiden Rechtssachen sind am 14. Dezember 2006 nacheinander abgehalten worden. In der Rechtssache C-445/05 ist Herr Haderer, obwohl er eine mündliche Verhandlung beantragt hatte, nicht erschienen. Auch das Finanzamt und die deutsche Regierung haben nicht mündlich verhandelt. Die griechische Regierung und die Kommission sind dagegen gehört worden. Beide haben auch zusammen mit Horizon College und der niederländischen Regierung in der Rechtssache C-434/05 mündlich verhandelt.

 Würdigung

 Wesen der Befreiungen nach Art. 13 Teil A der Sechsten Richtlinie

20.      Es wurde festgestellt, dass dem Wesen und der Terminologie des gemeinschaftlichen Mehrwertsteuersystems ein Widerspruch innewohne, den aufzuhellen ich nachstehend versuchen werde. Ein „Steuerpflichtiger“ werde normalerweise nicht mit der Steuer belastet. Vorausgesetzt, dass alle von ihm erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen besteuert würden, könne er die betreffende Steuer aus dem wiedererlangen, was er seinen Kunden in Rechnung stelle. Wenn seine Erwerbungen jedoch „befreit“ seien, würden die Kosten dafür im Allgemeinen ein eingebettetes Mehrwertsteuerelement widerspiegeln, das nicht abgezogen oder wiedererlangt werden könne. Es wurde sogar behauptet, dass „wer dies verstehe, keine Schwierigkeiten haben werde, die Mehrwertsteuer zu verstehen“(14).

21.      Zwar mag die letzte Behauptung zumindest im Hinblick auf das volle Verständnis der Befreiungen des Art. 13 Teil A der Sechsten Richtlinie optimistisch erscheinen, doch lohnt sich gleichwohl ein Exkurs zu diesem Widerspruch, bevor die maßgeblichen Befreiungen in ihrem hier vorliegenden Zusammenhang geprüft werden.

22.      Die Mehrwertsteuer ist eine allgemeine Verbrauchsteuer, die (als „Ausgangsumsatzsteuer“) auf jede Lieferung von Gegenständen oder Dienstleistungen als Bruchteil von deren Preis erhoben wird, egal wie viele Umsätze im Herstellungs- und Vertriebsprozess bereits vorausgegangen sein mögen. Sie wird bei allen Umsätzen nach dem anwendbaren Steuersatz abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags („Vorsteuer“ oder „Eingangsumsatzsteuer“) geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat(15).

23.      Die Steuer lastet so normalerweise auf dem Endverbraucher, der, da er kein als solcher handelnder Steuerpflichtiger ist und keine steuerpflichtige Weiterlieferung vornimmt, keine Ausgangsumsatzsteuer in Rechnung stellen und keine Vorsteuer abziehen kann.

24.      Bei den Mehrwertsteuerbefreiungen kann zwischen zwei Kategorien unterschieden werden: denjenigen, bei denen ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht(16), und diejenigen ohne Recht auf Vorsteuerabzug(17).

25.      Die Befreiung eines Umsatzes mit Recht auf Vorsteuerabzug bewirkt, dass die Lieferung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienstleistungen (auf dieser Stufe) völlig von der Mehrwertsteuer befreit wird. Ist ein Umsatz ohne dieses Recht auf Vorsteuerabzug befreit, so bleibt die Mehrwertsteuer auf die Kostenelemente im Preis eingeschlossen.

26.      Zur Veranschaulichung mag folgendes hypothetische Beispiel dienen: Eine Dienstleistung wird zum Preis von 100 (vor Steuer) erbracht, ihr Kostenanteil besteht in Eingangsleistungen (Gegenstände oder Dienstleistungen), die zum steuerpflichtigen Nettopreis von 50 erworben wurden, und der anwendbare Mehrwertsteuersatz beträgt 20 %.

27.      Im Normalfall, in dem die Lieferung ein steuerbarer Umsatz ist, zahlt der Dienstleistungserbringer 60 für die Eingangsleistungen, davon 10 Mehrwertsteuer, und stellt für die Dienstleistung 120, davon 20 Mehrwertsteuer, in Rechnung. Von den 20 zieht er die 10 entrichtete Vorsteuer ab und führt den Saldo an die Steuerbehörde ab. Sein Kunde trägt, wenn er der Endverbraucher ist, die volle Mehrwertsteuerlast von 20. Ist dieser Kunde jedoch ein anderer Steuerpflichtiger, für den die Dienstleistung ein Kostenelement einer neuerlichen steuerbaren Weiterlieferung ist, so ist die Belastung von 20 wiederum über die seinen eigenen Kunden in Rechnung gestellte Ausgangsumsatzsteuer rückholbar, und seine Kosten bestehen allein im Nettopreis von 100.

28.      Handelt es sich bei der Erbringung der Dienstleistung um einen befreiten Umsatz mit Recht auf Vorsteuerabzug(18), so fällt keine Mehrwertsteuer an, aber der Dienstleistungserbringer kann auch hier die 10 betragende Vorsteuer auf die Eingangsleistungen in Abzug bringen (unter diesen Umständen also von der Steuerbehörde zurückerlangen). Die Kosten für den Kunden belaufen sich unabhängig davon, ob er ein Endverbraucher oder ein eine steuerbare Weiterlieferung erbringender Steuerpflichtiger ist, lediglich auf 100.

29.      Ist die Erbringung der Dienstleistung ein befreiter Umsatz ohne Recht auf Vorsteuerabzug, so muss der Dienstleistungserbringer entweder die Vorsteuerlast von 10 selbst tragen (wodurch sein Gewinn, falls vorhanden(19), um diesen Betrag verringert wird) oder – was wahrscheinlicher sein wird – sie, soweit es die Marktverhältnisse zulassen, auf seine Kunden abwälzen, indem er einen Preis von 110 berechnet, in dem nichts enthalten ist, was abziehbare Vorsteuer darstellen kann. Im letztgenannten Fall sind die Kosten für den Kunden, wenn er der Endverbraucher ist, höher als bei einer Befreiung des Umsatzes mit Recht auf Vorsteuerabzug, aber niedriger als ganz ohne Befreiung. Ist der Kunde ein Steuerpflichtiger, der steuerbare Weiterlieferungen erbringt, sind die Kosten jedoch höher als in den beiden anderen Fällen, da es keine abziehbare oder rückholbare Mehrwertsteuer gibt. Die Vorsteuer von 10 ist in den gezahlten Preis eingebettet. Und dann wird sich die Kostensteigerung normalerweise in dem Preis solcher Weiterlieferungen niederschlagen.

30.      Die Befreiungen in Art. 13 Teil A der Sechsten Richtlinie sind sämtlich Befreiungen ohne Recht auf Vorsteuerabzug(20). Viele davon werden vermutlich Lieferungen an Endverbraucher betreffen, für die die Kosten damit niedriger sein werden. Schul- und Hochschulunterricht z. B. wird im Allgemeinen an Schüler und Studenten erbracht, die keine Steuerpflichtigen sind und für die der Unterricht kein Kostenelement irgendeiner Weiterlieferung darstellt(21). Dies mag zum Teil erklären, weshalb die Befreiung einer Leistung von der Mehrwertsteuer intuitiv als „eine gute Sache“ wahrgenommen wird.

31.      Das ist jedoch nicht immer so. Die Aus- und Fortbildung oder Umschulung von Arbeitnehmern z. B. mag durchaus vom Arbeitgeber bezahlt werden, für den die Gebühren ein Kostenelement seiner eigenen Leistungen sind. Vorausgesetzt, die Leistungen des Arbeitgebers unterliegen – wie es der Regelfall sein wird – der Steuer, führt in solchen Fällen die Befreiung zu höheren Kosten als bei einer Mehrwertsteuerpflichtigkeit der Schulung(22), und diese Steigerung wird sich auf den Preis dieser Leistungen auswirken.

32.      Somit zeigt sich, dass Befreiungen nach Art. 13 Teil A nicht immer vorteilhaft im Sinne einer Mehrwertsteuerminderbelastung sind. Diese Erkenntnis mag die stets differenzierte Herangehensweise des Gerichtshofs an die Auslegung der Befreiungstatbestände erklären. Im Urteil Kommission/Deutschland(23) z. B. hat er in Bezug auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i einerseits ausgeführt, dass die Befreiungen eng auszulegen sind, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt(24), und andererseits, dass der Begriff der mit dem Unterricht eng verbundenen Dienstleistungen keine besonders enge Auslegung verlangt, da durch die Befreiung gewährleistet werden soll, dass der Zugang zum Unterricht nicht durch die höheren Kosten versperrt wird, die entstünden, wenn die Erbringung solcher Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterworfen wäre(25).

33.      Jedenfalls sollte bei der Auslegung der Befreiungen Umsicht walten. Ungeachtet des Grundsatzes, dass Ausnahmen von einer allgemeinen Regel normalerweise eng auszulegen sind, scheint hier weder eine grundsätzlich enge noch eine grundsätzlich weite Herangehensweise unbedingt angebracht. Die Auswirkung für die öffentliche Hand und den Privathaushalt ist nicht systematisch vorhersehbar. Genauso wenig sollte die Frage, ob die Kosten für den Zugang zu einer Dienstleistung durch Besteuerung erhöht werden, als strenges Kriterium dafür benutzt werden, ob eine Befreiung gilt. Es scheint unvermeidlich, dass die Kosten des Zugangs zu praktisch jeder befreiten Dienstleistung zumindest einen gewissen Betrag an nicht abziehbarer Vorsteuer umfassen werden. Gleichwohl kann die offenkundige Absicht, die Steuerlast von privaten Empfängern verschiedener sozialrelevanter Dienstleistungen, die oft von öffentlichen oder wohltätigen Einrichtungen erbracht werden(26), zu erleichtern, Hilfestellung bei der Auslegung der Befreiungen selbst dann leisten, wenn sie nicht für ihre Definition ausschlaggebend sein kann.

34.      Es sollte auch nicht vergessen werden, dass die Kommission im Jahr 2000 ausführte: „Die zunehmende Privatisierung von Tätigkeiten, die bisher ausschließlich dem öffentlichen Sektor vorbehalten waren, führt zu wachsenden Wettbewerbsverzerrungen zwischen steuerbefreiten, nichtsteuerpflichtigen und steuerpflichtigen Dienstleistungen. Deshalb erscheint eine Modernisierung der mehrwertsteuerlichen Behandlung dieser Dienstleistungen notwendig, die den unterschiedlichen Interessen der Beteiligten und insbesondere denen der Bürger Rechnung trägt, die diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen. … Schließlich sollten auch die Steuerbefreiungen ohne Recht auf Vorsteuerabzug für Tätigkeiten in den Bereichen Soziales, Bildung, Kultur usw. daraufhin überprüft werden, ob sie den derzeitigen Erfordernissen noch entsprechen.“(27)

35.      Bisher ist diese Mitteilung noch nicht auf fruchtbaren Boden gefallen(28). Die Antworten auf die hier vorgelegten Fragen sind deshalb in einem etwas nebulösen gesetzgeberischen Umfeld zu suchen, das überdies durch das Spannungsverhältnis zwischen einer Tendenz hin zu steuerlicher Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene und einem Wunsch nach individueller Steuerkontrolle auf Seiten der Mitgliedstaaten geprägt ist(29).

36.      Der Gerichtshof hat auch – u. a. im Urteil Kommission/Deutschland – festgestellt, dass die Steuerbefreiungen des Art. 13 der Sechsten Richtlinie autonome gemeinschaftsrechtliche Begriffe sind, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems verhindern sollen(30), und dass durch Art. 13 Teil A nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten befreit werden sollen, sondern nur diejenigen, die darin einzeln aufgeführt und genau beschrieben sind(31).

37.      Unter Berücksichtigung all dessen werde ich mich also um eine möglichst geradlinige Auslegung der fraglichen Befreiungstatbestände bemühen. Diese Herangehensweise scheint mir den Interessen der Gemeinschaftsharmonisierung und der Rechtssicherheit am dienlichsten zu sein.

 Parallelen und Unterschiede zwischen beiden Fällen

38.      Zwischen der Lage von Horizon College und der Lage von Herrn Haderer gibt es eindeutig objektive Unterschiede. Diesen Unterschieden ist überdies klar zu entnehmen, dass die Lage von Horizon College an Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und die von Herrn Haderer an Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j zu messen ist. Die Dienstleistung, die Horizon College an andere Lehreinrichtungen erbringt, kann nicht als „von Privatlehrern erteilter Unterricht“ unter Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j fallen. Genauso wenig ist Herr Haderer eine Einrichtung mit „von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter“ schulischer Zielsetzung im Sinne des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i (allerdings kann nicht behauptet werden, dass Privatpersonen niemals entsprechend definiert werden könnten(32)).

39.      Über die Unterschiede hinaus können jedoch Parallelen gezogen werden.

40.      Was die fraglichen Rechtsvorschriften betrifft, so verlangen die Buchst. i und j eine einheitliche Herangehensweise, soweit dies möglich ist. Sie fallen nicht nur unter dieselbe weite Kategorie von Befreiungen im Gemeininteresse, sondern betreffen auch dieselbe engere Kategorie Erziehung und Unterricht. Man könnte argumentieren, dass die Buchst. i und j zusammen alle Befreiungen in diesem Bereich regeln sollen(33).

41.      Auf spezifischerer Ebene steht in beiden Fällen das Vorhandensein einer zwischengeschalteten Lehreinrichtung potenziell einer Befreiung entgegen. Hätten dieselben Lehrer von Horizon College dieselben Studenten im Rahmen der eigenen Lehrtätigkeit von Horizon College unterrichtet, so wäre die Befreiung klar gewesen. Dass sie im Rahmen einer Abordnung an eine andere Schule entsprechend tätig wurden, beseitigt diese Klarheit. Gleiches gilt für Herrn Haderer. Hätte er Schülern in privatem Umfeld (ganz gleich ob seines oder ihres) unmittelbar Privatunterricht erteilt, so hätte es kein Problem gegeben. Das Problem entsteht dadurch, dass der Unterricht im Rahmen von Erwachsenenbildungseinrichtungen erteilt wurde.

42.      Aus dieser Sicht scheint es mir wichtig, in beiden Fällen zuerst die Natur der erbrachten Dienstleistung und die Identität des Dienstleistungsempfängers zu betrachten, um zu einer einheitlichen Auslegung zu gelangen. Danach werde ich bestimmte noch offene Punkte prüfen, die beiden Fällen jeweils eigen sind.

 Die Natur und der Empfänger der erbrachten Dienstleistung

43.      Eine mögliche Betrachtung könnte sein, dass nach den in den Vorlageentscheidungen beschriebenen Sachverhalten sowohl Horizon College als auch Herr Haderer eine Dienstleistung nur an die jeweilige zwischengeschaltete Lehreinrichtung und nicht an deren Schüler erbrachten. Die Schüler standen allein mit der zwischengeschalteten Einrichtung in einem Vertrags- oder vertragsähnlichen Verhältnis. Nach den Gestellungsvereinbarungen von Horizon College fand der Unterricht durch die abgestellten Lehrer sowohl unter der Aufsicht als auch unter der Verantwortung der zwischengeschalteten Einrichtung statt. Im Fall Herrn Haderers wird nicht im Einzelnen dargetan, in welchem Umfang die Bildungseinrichtungen die Aufsicht über seinen Unterricht ausübten, aber aus den beschriebenen Zahlungsvereinbarungen scheint klar, dass die Schüler für seine Dienstleistungen die Einrichtung genau so bezahlten, als ob er bei ihr angestellt gewesen wäre, und dass sie deshalb Ansprüche betreffend die Qualität dieser Dienstleistungen nur gegenüber der Einrichtung hätten.

44.      Bei einer solchen Betrachtung empfingen die Schüler die Unterrichtsleistung von den zwischengeschalteten Einrichtungen, auch wenn es die Angestellten von Horizon College und Herr Haderer waren, die den Unterricht konkret erteilten. Demgegenüber war die Dienstleistung, die Horizon College bzw. Herr Haderer an die zwischengeschalteten Einrichtungen erbrachten, an sich kein Unterricht, weil die Schüler und nicht die Einrichtungen den Unterricht empfingen. Die Dienstleistung bestand vielmehr in der Zurverfügungstellung von Personen (Personal oder Herrn Haderer persönlich), um die zwischengeschalteten Einrichtungen in die Lage zu versetzen, ihre Schüler zu unterrichten.

45.      Demzufolge könnte eine solche Dienstleistung nicht als „Unterricht“ gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst.  i oder j befreit sein.

46.      Die Kommission schlägt eine andere Betrachtung vor, die zwischen beiden Fällen unterscheidet.

47.      Ihrer Ansicht nach war die von Horizon College erbrachte Dienstleistung eine Gestellung von Personal an die zwischengeschaltete Einrichtung und damit eine Dienstleistung, die weder von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i noch von irgendeiner anderen Befreiung erfasst werde(34). Herrn Haderers Tätigkeit könne jedoch als Unterricht im Sinne des Buchst. j qualifiziert werden, weil er persönlich Unterricht erteilt habe. Die Identität des Dienstleistungsempfängers werde im Wortlaut der Befreiung wie bei manch anderen Befreiungen nicht spezifiziert. Somit sei sie insoweit nicht von Bedeutung. Die Buchst. i und j sollten zusammen im Wesentlichen die gesamte Bandbreite von Befreiungen für Unterrichtstätigkeiten abdecken, und zwar Buchst. i in Bezug auf juristische Personen und Buchst. j im Hinblick auf natürliche Personen.

48.      Hinsichtlich der Lage von Horizon College wird die Betrachtungsweise der Kommission von der griechischen und der niederländischen Regierung im Kern geteilt. Horizon College unterstreicht jedoch das Ziel, die Kosten eines im Gemeininteresse liegenden oder wohltätigen Dienstes nicht zu erhöhen(35). Sie argumentiert, die Kosten würden letztlich vom Steuerzahler getragen und der Unterricht selbst werde an die Schüler unmittelbar durch die Lehrer und nicht durch die Einrichtung als deren Arbeitgeber erbracht. Die zwischengeschaltete Einrichtung könnte gegenüber ihren Schülern ihre statutarische Pflicht ohne die Lehrer von Horizon College nicht erfüllen. Da es sich um die Unterrichtung von Schülern durch Lehrer handele, ohne dass es darauf ankomme, ob diese bei der Einrichtung, an der sie tatsächlich unterrichteten, oder bei einer anderen Einrichtung, die sie abstelle, angestellt seien, falle die Dienstleistung der Bereitstellung von Lehrern für die Zwecke des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i unter den Begriff des Unterrichts.

49.      Ich stimme jedoch insoweit der griechischen und der niederländischen Regierung sowie der Kommission zu. Stellt eine Lehreinrichtung einer anderen Lehrer zur Verfügung, die dort entsprechend den Anweisungen und unter der Verantwortung der anderen Lehreinrichtung deren Schüler unterrichten, so „liefert“ die erste Einrichtung keinen Unterricht, sondern Lehrpersonal. Und wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, bestehen der „Unterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung“, die Schüler in einer Lehreinrichtung erhalten, nicht nur in der Leistung der Lehrer kraft ihres Wissens und ihrer Fähigkeiten. Dazu gehören vielmehr die gesamten Rahmenbedingungen, die an der konkreten Lehreinrichtung, an der die Lehrer arbeiten, im Hinblick auf die Einrichtungen, die Lehrmaterialien, die technischen Mittel, die Unterrichtspolitik und die organisatorische Infrastruktur herrschen.

50.      Es mag zugegebenermaßen widersprüchlich erscheinen, dass ein Geschäft, bei dem ein Leistungserbringer nur genau seine Selbstkosten für etwas wieder hereinholt, was nicht der Mehrwertsteuer unterliegt (nämlich die Gehälter der Angestellten), der „Mehrwert“-Steuer unterliegen soll, ohne dass er selbst einen Mehrwert hinzufügt. Die Befreiung von der Mehrwertsteuer gewährleistet jedoch, wie gesehen, nicht die Freiheit von Widersprüchen. Überdies haben viele oder sogar die meisten derjenigen, die steuerbare Leistungen erbringen, Gehaltskosten, die sie bei der Berechnung ihrer Ausgangsmehrwertsteuer nicht abziehen oder unberücksichtigt lassen können, so dass es nicht billig wäre, wenn nur diejenigen, die Personal stellen, dies tun könnten. Und die Gestellung von Personal wird oft oder meist mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgen und im Wettbewerb mit anderen solchen Gestellungen stehen, so dass es nicht billig erscheinen würde, nur diejenigen zu befreien, die keinen Gewinn erzielen.

51.      Was allerdings Herrn Haderers Lage angeht, habe ich mehr Schwierigkeiten, mich der Betrachtungsweise der Kommission anzuschließen, so viel Verständnis ich auch dafür habe.

52.      In erster Linie scheint mir, dass der fragliche Sachverhalt bei einem natürlichen Verständnis des Wortlauts von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j nicht darunter subsumiert werden kann – ausgenommen vielleicht im Fall der deutschen Sprachfassung, was den Vorlagebeschluss veranlasst haben mag.

53.      In der deutschen Fassung könnte die Wendung „von Privatlehrern erteilte[r] Schul- und Hochschulunterricht“ vielleicht als Bezugnahme auf den Unterricht durch einen nicht bei einer Lehreinrichtung fest angestellten Lehrer ausgelegt werden.

54.      In allen anderen Sprachfassungen, in denen die Sechste Richtlinie ursprünglich erlassen wurde, besteht die beschriebene Dienstleistung jedoch eindeutig in der Erteilung von Privatunterricht(36), und diese Definition muss meiner Ansicht nach Vorrang vor einem nur teilweise abweichenden Wortlaut in einer einzigen Sprachfassung haben.

55.      Die typischste Fallgestaltung, die dabei angesprochen wird, ist zweifellos diejenige, dass ein Lehrer Privatstunden in seiner Wohnung oder der des Schülers oder Studenten erteilt. Dennoch erkenne ich an, dass Unterricht, der Gruppen von Einzelpersonen erteilt wird, unter den Begriff fallen kann, dass das Vertragsverhältnis nicht zwischen dem Lehrer und dem einzelnen Schüler oder Studenten bestehen muss (wie die Kommission ausgeführt hat, können durchaus die Eltern des Schülers oder Studenten Vertragspartner sein) und dass es nicht darauf ankommt, wo der Unterricht erteilt wird.

56.      Gleichwohl denke ich nicht, dass Unterricht, der einer Klasse von Schülern oder Studenten unter der Ägide einer Lehreinrichtung erteilt und von dieser Einrichtung in ihren Räumlichkeiten und unter ihrer Verantwortung organisiert wird, von dem betreffenden Wortlaut erfasst werden kann, und zwar insbesondere dann nicht, wenn die Lehreinrichtung getrennte finanzielle und vertragliche Vereinbarungen mit den Schülern oder Studenten auf der einen Seite und dem Lehrer auf der anderen Seite unterhält. Wie die italienische Regierung vorbringt, kann der Begriff des Privatunterrichts bei normalem Verständnis eine solche Gestaltung einfach nicht einschließen(37).

57.      Für die Ansicht der Kommission, dass Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j dahin ausgelegt werden sollte, dass er sämtlichen Unterricht, der Schülern oder Studenten von nicht unter Buchst. i fallenden Privatlehrern erteilt werde, unabhängig davon erfassen solle, ob er im Rahmen einer privaten Beziehung oder einer Lehreinrichtung erteilt werde, finde ich keine Stütze im Wortlaut oder in der Entstehungsgeschichte der Vorschriften.

58.      Im ursprünglichen Vorschlag der Sechsten Richtlinie(38) las sich die Befreiung für Unterrichtsleistungen wie folgt:

„die Dienstleistungen und die dazugehörigen Lieferungen von Gegenständen, die schulischen oder erzieherischen Zwecken dienen oder unmittelbar den Unterricht, die Ausbildung oder die berufliche Umschulung zum Gegenstand haben:

–        durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts,

–        durch private Unterrichtsanstalten, die der Aufsicht der zuständigen Behörden unterliegen und berechtigt sind, auf die Erlangung eines staatlich anerkannten Abschlusszeugnisses einer Schule, einer Hochschule oder eines Fachzeugnisses für einen Beruf vorzubereiten“.

59.      Diese Formulierung scheint, obwohl sie sich von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i in seiner letztlich erlassenen Fassung unterscheidet, im Wesentlichen den gleichen Bereich abzudecken und hat mit der letztgenannten Vorschrift deutlich die Zielrichtung gemeinsam, öffentlichen und öffentlich anerkannten Unterricht zu befreien, aber sonstige Unterrichtsleistungen im Privatsektor zu besteuern.

60.      Im ursprünglichen Vorschlag gab es keine Vorläufervorschrift zum derzeitigen Buchst. j. Letzterer wurde in einem relativ späten Stadium in die Richtlinie eingefügt, ohne dass irgendwelche (aufgezeichneten) Anmerkungen vorausgegangen wären, und ist somit „nicht mit einer offensichtlichen Entstehungsgeschichte belastet“(39).

61.      Zur Befreiung der Dienstleistungen von Privatlehrern in der von der Kommission vertretenen Weise wäre es relativ einfach gewesen, eine Bezugnahme auf solche Lehrer in Buchst. i aufzunehmen. Die Tatsache, dass nicht so verfahren wurde, mag für sich keine Rückschlüsse zulassen, doch die Unterschiede im Wortlaut der Buchst. i und j legen nahe, dass Buchst. j (der sich nur auf privaten Schul- und Hochschulunterricht, nicht aber auf die Ausbildung, Fortbildung oder die berufliche Umschulung bezieht und damit eng verbundene Leistungen nicht erfasst) eine eingegrenzte Ausnahme vom Grundsatz der Besteuerung aller nicht von Buchst. i erfassten Unterrichts- und Erziehungsleistungen sein sollte. Demnach bin ich der Ansicht, dass er im Interesse einer klaren, bestimmten und harmonisierten Auslegung eher nach seinem Wortlaut und nicht als Zusatz zu Buchst. i ausgelegt werden sollte.

62.      Ich bin mir bewusst, dass die Schlussfolgerung, zu der ich damit komme, nicht völlig zufriedenstellend sein mag. Denn die Mehrwertsteuerbefreiung von Dienstleistungen eines Lehrers, wenn er sie unmittelbar an Schüler oder Studenten erbringt oder bei einer Schule fest angestellt ist, aber nicht dann, wenn er mit der Schule einen Vertrag über die Unterrichtung der Schüler oder Studenten als freier Mitarbeiter schließt, erscheint widernatürlich, insbesondere, wenn man das Ziel berücksichtigt, den Zugang zum Unterricht nicht durch die Belastung der Unterrichtskosten mit der Mehrwertsteuer zu versperren. Es könnte argumentiert werden, dass Herr Haderer in seiner Lage nicht zwischen zwei Stühle fallen sollte, die ihm zusammen augenscheinlich Halt bieten sollen. Außerdem wäre es ungerecht, wenn er sich nun selbst als Schuldner einer Steuerlast wiederfände, die, wenn überhaupt, von den Erwachsenenbildungseinrichtungen, für die er arbeitete, hätte getragen werden sollen.

63.      Gleichwohl lässt sich gegen diese Einwände eine Reihe von Gegeneinwänden erheben.

64.      Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass die Liste der Befreiungen in Art. 13 Teil A Abs. 1 leider nicht systematischer Natur ist, so dass teleologische Schlüsse von einer Befreiung auf eine andere nicht unbedingt möglich sind. Aber wenn die Gestellung von Lehrpersonal an eine Lehreinrichtung nicht als „[U]nterricht, … Ausbildung, … Fortbildung oder … berufliche Umschulung“ befreit sein soll, ist es nicht unbedingt gerechtfertigt, anzunehmen, dass die Erbringung individueller Lehrleistungen an eine solche Einrichtung als „Unterricht“ befreit sein soll. Wäre dies beabsichtigt, schiene mir eine Klarstellung im Wortlaut der Befreiungen erforderlich.

65.      Überdies wird bei einer praktischen Betrachtungsweise die Art von Vereinbarung, die eine Person in Herrn Haderers Lage trifft, wohl eher eine Alternative (aus welchen Gründen auch immer) zu einem Anstellungsvertrag mit der fraglichen Lehreinrichtung als eine Alternative zu einer Privatvereinbarung mit einzelnen Schülern oder Studenten sein. Denn wäre es anders, könnte man es so sehen, dass die Lehreinrichtung eher eine Dienstleistung an den Lehrer erbringt als umgekehrt. Mir scheint jedoch, dass ein Anstellungsvertrag zu denselben Nettobezügen und Leistungen für die Lehreinrichtung (in Bezug auf Sozial- und sonstige Abgaben oder die Belastung mit verschiedenen anderen, fremd- oder eigenbestimmten Verpflichtungen, die Arbeitgeber gegenüber ihren Arbeitnehmern haben) durchaus höhere Kosten mit sich bringen kann als ein Vertrag mit einem selbständigen Dienstleistungserbringer, der nicht der Mehrwertsteuer unterliegt.

66.      In diesem Fall könnte es sein, dass die Erhebung von Mehrwertsteuer auf die Erbringung der Dienstleistung die Unterrichtskosten nicht zwangsläufig mehr erhöht als der Rückgriff auf einen herkömmlicheren Anstellungsvertrag. Während das Ziel, die Kosten des Zugangs zum Unterricht nicht zu erhöhen, im Auge behalten werden sollte(40), mag dieser Gesichtspunkt doch gegen andere abgewogen werden müssen, die dagegen sprechen, die Umgehung oder Vermeidung von Kosten vertretbarer sozialer Absicherung zuzulassen. Letztlich ist die Frage, ob der Rückgriff auf selbständige (Sub-)Unternehmer als Alternative zu Anstellungsverträgen wünschenswert ist, keine Angelegenheit, die – so oder so – über die Anwendung oder Nichtanwendung einer Mehrwertsteuerbefreiung zu regeln ist, deren allgemeines Ziel darin besteht, die Empfänger bestimmter Dienstleistungen, die als dem Gemeinwohl dienend angesehen werden, zu entlasten.

67.      Und während es sicherlich bedauerlich wäre, wenn Herr Haderer eine Last tragen müsste, die er nicht hätte tragen sollen, so besteht die Rolle des Gerichtshofs doch nicht darin, das Ergebnis der innerstaatlichen Verfahren zu bestimmen, sondern darin, das Gemeinschaftsrecht auszulegen, wie es allgemein anzuwenden ist. Es könnte immerhin möglich sein, dass Herr Haderer die Belastung mit Steuern, die er den Lehreinrichtungen, für die er arbeitete, in Rechnung hätte stellen sollen, rückwirkend und sogar noch in diesem Stadium abwälzen kann.

68.      Nach alledem bin ich der Ansicht, dass eine Gestellung von Lehrpersonal, die so geartet ist wie die Gestellung durch Horizon College, nicht als „Erziehung“ oder „Unterricht“ im Sinne des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie und Unterrichtsleistungen der Art, wie sie Herr Haderer erbracht hat, nicht als „von Privatlehrern erbrachter Unterricht“ im Sinne des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j anzusehen sind.

69.      Ich wende mich nun den noch offenen spezifischen Fragen beider Fälle zu.

 Rechtssache C-434/05, Horizon College: eng verbundene Leistungen

70.      Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie befreit nicht nur Erziehung, Unterricht, Ausbildung und Fortbildung, sondern auch damit eng verbundene Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen. Der Gerichtshof hat als eine solche Nebenleistung eine Leistung definiert, die „keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptdienstleistung des Erbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen“(41).

71.      Horizon College und die Kommission machen geltend, eine Gestellung von Lehrpersonal durch eine Lehreinrichtung an eine andere sei grundsätzlich eine eng mit dem Unterricht verbundene Dienstleistung. Würden Schüler oder Studenten von einer Lehreinrichtung unterrichtet, aus- oder fortgebildet und leide diese Einrichtung unter einer vorübergehenden Knappheit an qualifizierten Lehrern oder Ausbildern, so könne der Unterricht oder die Ausbildung erst durch die Abstellung qualifizierten Personals von einer anderen solchen Einrichtung unter optimalen Bedingungen in Anspruch genommen werden.

72.      Diese Auffassung leuchtet nach gesundem Menschenverstand sofort so ein, dass es einen wirklich sehr triftigen Grund geben müsste, um sie zurückzuweisen. Die griechische und die niederländische Regierung haben Argumente für ihre Ansicht vorgebracht, dass die Gestellung von Personal durch Horizon College nicht auf dieser Grundlage befreit werden könne, aber ich halte diese Argumente nicht für hinreichend stichhaltig.

73.      Beide Regierungen machen geltend, dass eine Befreiung ausgeschlossen sei, weil die fragliche Gestellung (des Lehrpersonals von Horizon College) nicht gegenüber den Empfängern des Unterrichts oder der Aus- bzw. Fortbildung (den Schülern oder Studenten) erfolge, sondern gegenüber dem Erbringer dieser Hauptdienstleistung (der anderen Lehreinrichtung). Die niederländische Regierung fügt hinzu, die Gestellung von Personal sei nicht mit der Erbringung des Unterrichts bzw. der Aus- oder Fortbildung durch Horizon College an deren eigene Schüler oder Studenten verbunden. Sie sei somit weder mit der an die Schüler oder Studenten der anderen Einrichtung erbrachten hauptsächlich befreiten Dienstleistung noch mit der hauptsächlich befreiten Tätigkeit von Horizon College „eng verbunden“.

74.      Insbesondere die niederländische Regierung führt eine Reihe von Urteilen(42) für die Behauptung an, dass im Wesentlichen eine Leistung, um als „eng verbunden“ zu gelten, innerhalb desselben Erbringer-Empfänger-Verhältnisses erfolgen müsse wie die hauptsächlich befreite Leistung. In keinem dieser Fälle scheint der Gerichtshof aber seine Begründung auf ein solches Kriterium gestützt zu haben. Im Urteil Card Protection Plan z. B. prüfte er die Frage des Vorliegens einer „dazugehörigen Dienstleistung“ überhaupt nicht(43), und im Urteil Kommission/Deutschland stützte er, obwohl die beiden Dienstleistungen (Hochschulunterricht für Studenten und entgeltliche Forschungstätigkeit von Universitäten) offenkundig an unterschiedliche Empfänger erbracht wurden, seine Begründung darauf, dass die Forschungstätigkeit für die Erteilung des Unterrichts in keiner Weise nötig war(44).

75.      Außerdem hat der Gerichtshof im Urteil Stichting Kinderopvang Enschede(45) klar anerkannt, dass grundsätzlich, wenn eine Einrichtung, die nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g oder h der Sechsten Richtlinie befreite Kinderbetreuungsleistungen erbringt, als Alternative auch die Vermittlung zwischen anderen Kinderbetreuungsanbietern und Personen, die einen Kinderbetreuungsdienst suchen, anbietet, diese gesonderte Dienstleistung als Vermittler als mit der Kinderbetreuung „eng verbunden“ auch dann angesehen werden kann, wenn die Einrichtung in diesem Fall nicht selbst die Kinderbetreuung gegenüber den betreffenden Empfängern erbringt.

76.      Der Gerichtshof hat in dem Urteil aber auch klar zum Ausdruck gebracht, dass für die Befreiung eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein muss.

77.      An dieser Stelle ist der Hinweis auf die Ansicht der griechischen Regierung angebracht, wonach die Gestellung von Personal durch Horizon College für steuerpflichtig erklärt werden müsse, weil dem Gerichtshof nicht genug Informationen zur Verfügung stünden, um festzustellen, ob die Gestellung tatsächlich die Voraussetzungen für eine Befreiung erfülle.

78.      Der Gerichtshof wird jedoch gefragt, ob grundsätzlich der Begriff der mit dem Unterricht oder der Aus- bzw. Fortbildung eng verbundenen Dienstleistung im Sinne des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i auch „die entgeltliche Gestellung eines Lehrers an eine Lehreinrichtung umfasst, damit er dort unter der Verantwortung dieser Lehreinrichtung auf vorübergehender Basis Unterricht erteilt“. Bei der so definierten Dienstleistung ist das meiner Ansicht nach der Fall. Konkret wird sie letztlich nur erfasst werden, wenn sie eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt, was zu entscheiden Sache des betreffenden nationalen Gerichts ist. Dass dem Gerichtshof nicht alle entscheidungserheblichen Informationen zur Verfügung stehen, erlaubt ihm weder das Urteil, dass die Dienstleistung nicht befreit sein kann, noch hindert es ihn daran, Hinweise zur Würdigung der zu erfüllenden Voraussetzungen zu geben.

79.      Diese Voraussetzungen ergeben sich aus der Regelung in der Sechsten Richtlinie selbst, wie sie im Urteil Stichting Kinderopvang Enschede erläutert wurde.

80.      Da die Hauptdienstleistung, mit der die fragliche Gestellung eng verbunden ist, in dem nicht von Horizon College selbst, sondern von der zwischengeschalteten Einrichtung erteilten Unterricht liegt, muss erstens dieser Unterricht selbst die Voraussetzungen für eine Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i erfüllen(46). Insbesondere muss es sich um „die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung“ handeln, und zwar „durch [eine] Einrichtung… des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut [ist], oder [eine] andere Einrichtung… mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung“.

81.      Zweitens muss die Gestellung von Personal nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b erster Gedankenstrich „zur Ausübung der Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung gewährt wird, unerlässlich“ sein. Das bedeutet, um die Formulierung im Urteil Stichting Kinderopvang Enschede(47) anzupassen, dass die Gestellung von Lehrpersonal durch Horizon College von einer solchen Art oder Qualität sein muss, dass ohne sie für die zwischengeschaltete Einrichtung ein gleichwertiger Dienst nicht gewährleistet wäre.

82.      Insoweit muss, wie von der niederländischen Regierung ausgeführt worden ist, das nationale Gericht ermitteln, ob eine Arbeitsvermittlung oder ein anderer Personaldienstleister (deren Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterliegen würden) einen gleichwertigen Dienst hätte leisten können. Es kann z. B. sein, dass die Personalauswahl- und -schulungsverfahren von Horizon College so gestaltet sind, dass ein außergewöhnlich hoher Standard des Lehrpersonals gewährleistet ist, oder aber, dass normalerweise eine Vermittlung der bessere Ansprechpartner für eine sehr kurzfristige Gestellung von Zeitarbeitskräften ist. Solche Faktoren müssen wie alle anderen Faktoren, die für die Qualität der erbrachten Dienstleistung erheblich sind, vom zuständigen Gericht gewürdigt werden.

83.      Drittens darf nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b zweiter Gedankenstrich die Leistung nicht im Wesentlichen dazu bestimmt sein, zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu erzielen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden. Insoweit mag, wie die niederländische Regierung ausgeführt hat, der Nachweis nicht ausreichen, dass Horizon College nicht mehr in Rechnung gestellt hat als nur die Gehaltskosten und Gehaltsnebenkosten. Hätte Horizon College die Lehrer nicht anderen Einrichtungen zur Verfügung gestellt, so hätte sie vermutlich gleichwohl deren Gehälter zahlen müssen. Der Gerichtshof hat keine Informationen darüber, ob die betroffenen Lehrer bei Horizon College teilweise beschäftigt und für den Rest der Arbeitswoche anderweitig abgestellt waren oder ob ihre Dienste in der betreffenden Zeit bei Horizon College einfach nicht gebraucht wurden. Jedenfalls führte das Geschäft selbst dann zu zusätzlichen Einkünften (und somit insgesamt zu einem Zusatzgewinn – oder einer Verlustminderung), wenn über die entsprechenden Personalselbstkosten hinaus kein spezifischer Gewinn vereinnahmt worden sein mag. Um festzustellen, ob die Gestellungsvereinbarungen im Wesentlichen dazu bestimmt waren oder ob dies eine bloße Nebenfolge war, mag eine weitere Sachverhaltsaufklärung erforderlich sein.

84.      Viertens sei darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie die Befreiung an eine Reihe weiterer Voraussetzungen knüpfen dürfen(48). Von der Aufstellung solcher zusätzlichen Voraussetzungen ist hier nicht die Rede gewesen, so dass vermutet werden darf, dass es keine gibt. Gibt es jedoch Voraussetzungen gemäß dieser Bestimmung, so ist ihre Erfüllung vom nationalen Gericht selbstverständlich zu prüfen.

85.      Was abschließend die dritte Frage des Hoge Raad angeht, so ist natürlich nötig, dass die Gestellung von Personal durch eine Einrichtung im Sinne des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i erfolgt. Dass Horizon College eine solche Einrichtung ist, scheint nicht bestritten zu sein.

 Rechtssache C-445/05, Haderer: Schul- und Hochschulunterricht

86.      In seinen schriftlichen Erklärungen an den Gerichtshof hat das beklagte Finanzamt einen konkreten Einwand gegen eine Befreiung im Falle Herrn Haderers erhoben. Seine Keramik- und Töpferkurse sowie „Schularbeitshilfe“ seien nach verschiedenen innerstaatlichen Bestimmungen kein „Schul- oder Hochschulunterricht“. Insbesondere sei das für einen solchen Unterricht notwendige Merkmal eines festliegenden Lehrplans nicht gegeben.

87.      Ich bin bereits zu der Auffassung gelangt, dass Herrn Haderers Unterricht ohnehin nicht die Voraussetzungen für eine Befreiung erfüllt. Mir erscheint jedoch die Klarstellung wichtig, dass die Befreiung nicht auf der vom Finanzamt geltend gemachten Grundlage ausgeschlossen sein sollte.

88.      Das vorlegende Gericht selbst ist der Ansicht, dass die von dem Unterricht erfassten Bereiche in der Tat unter den Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ fallen könnten, und dem ist kaum zu widersprechen. Zum einen muss „Schularbeitshilfe“ schon definitionsgemäß zu dieser Kategorie gehören. Zum anderen sind Keramik- oder Töpferkurse europaweit in Schulen ganz geläufig. Obwohl solche Kurse vielleicht keine akademische Tätigkeit im engsten Sinne sind, fördern sie doch handwerkliche und künstlerische Fertigkeiten einer Art, wie sie häufig im Schulunterricht verfolgt wird.

89.      Der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts im Sinne der Befreiung muss auf Gemeinschaftsebene definiert werden(49). Meiner Ansicht nach sollte diese Definition möglichst weit sein. Wäre sie dies nicht, so könnte der unterschiedlichste als Hilfe für Schulkinder verstandene Privatunterricht entgegen dem offenkundig mit der Befreiung verfolgten Zweck der Mehrwertsteuer unterliegen. Natürlich muss es eine Abgrenzung zwischen befreitem Unterricht und reinen Freizeittätigkeiten ohne schulischen Wert geben, doch alle Fächer oder Tätigkeiten, die gemeinhin in Schulen oder Hochschulen unterrichtet werden, müssen meiner Ansicht nach unabhängig davon unter die Befreiung fallen, ob sie einem streng vorgegebenen Plan oder Ablauf folgen.

90.      Zudem ist es erforderlich und unumgänglich, dass der Begriff des Schul- und/oder Hochschulunterrichts in den Buchst. i und j gleich definiert wird. Schlösse man sich dem Vorbringen des Finanzamts an, würden manche Formen des Unterrichts und der Aus- oder Fortbildung an öffentlichen Lehreinrichtungen so mit höchst problematischen Folgen von der Befreiung nach Buchst. i ausgeschlossen.

 Ergebnis

91.      Daher bin ich der Ansicht, dass der Gerichtshof die Fragen des Hoge Raad in der Rechtssache C-434/05 wie folgt beantworten sollte:

–        Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates ist dahin auszulegen, dass die vorübergehende Gestellung eines Lehrers an eine Lehreinrichtung, damit er unter deren Verantwortung Unterricht erteilt, keine Erbringung von Unterricht, einer Aus- oder Fortbildung oder einer beruflichen Umschulung, wohl aber grundsätzlich eine damit eng verbundene Dienstleistung ist.

–        Um für die Befreiung von der Mehrwertsteuer gemäß dieser Bestimmung in Frage zu kommen, muss die betreffende Leistung von einer Einrichtung im Sinne dieser Bestimmung erbracht werden und die Voraussetzungen des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Sechsten Richtlinie, wie sie vom Gerichtshof im Urteil Stichting Kinderopvang Enschede (C-415/04) erläutert wurden, sowie gegebenenfalls diejenigen des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. a erfüllen.

92.      In der Rechtssache C-445/05 sollte der Gerichtshof dem Bundesfinanzhof meiner Ansicht nach wie folgt antworten:

–        Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates ist dahin auszulegen, dass der Begriff des von Privatlehrern erteilten Unterrichts nicht den Fall umfasst, dass ein selbständiger Lehrer mit einer Lehreinrichtung einen Vertrag schließt über die Unterrichtung von Schülern oder Studenten im Rahmen von Kursen, die von der Einrichtung in ihren Räumlichkeiten und unter ihrer Verantwortung durchgeführt werden und für die die Schüler oder Studenten die Einrichtung und nicht den Lehrer bezahlen.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1, mehrfach geändert). Die Sechste Richtlinie wurde mit Wirkung ab dem 1. Januar 2007 und damit nach der in den vorliegenden Fällen maßgeblichen Zeit durch die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) aufgehoben und ersetzt, die nach ihrem dritten Erwägungsgrund bezweckt, ohne inhaltliche Änderungen Struktur und Wortlaut – hauptsächlich – der Sechsten Richtlinie neu zu fassen. Die dennoch vorgenommenen wenigen inhaltlichen Änderungen spielen in den vorliegenden Fällen keine Rolle.


3 – Vgl. auch Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112.


4 – Vgl. auch Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 der Richtlinie 2006/112.


5 – Vgl. auch Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112.


6 – Vgl. auch Art. 52 Buchst. a bzw. Art. 56 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2006/112.


7 – Vgl. auch Art. 132 bis 134 der Richtlinie 2006/112.


8 –      Die Buchst. b, g und h erfassen im Wesentlichen die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung, Tätigkeiten der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit und die Kinder- und Jugendbetreuung.


9 –      Die Buchst. l, m und n erfassen im Wesentlichen die Tätigkeiten politischer, gewerkschaftlicher, religiöser, patriotischer, weltanschaulicher, philanthropischer, sportbezogener oder kultureller Organisationen.


10 – Zwei Volkshochschulen und ein Elternzentrum.


11 – Obwohl der genaue Grad seiner Unabhängigkeit nach Aktenlage (vgl. oben, Nrn. 12 und 13) fraglich erscheinen mag, muss der Gerichtshof von diesem vom vorlegenden Gericht festgestellten Sachverhalt ausgehen.


12 – Die Kommission hat in ihren Erklärungen ausgeführt, dass § 4 Nr. 21 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes im Jahr 1999 dahin geändert worden sei, dass er nun die Dienstleistungen selbständiger Lehrer, die in bestimmte Voraussetzungen erfüllenden Lehreinrichtungen unterrichten, von der Mehrwertsteuer befreie.


13 –      … [Betrifft nicht die deutsche Sprachfassung.]


14 – Reugebrink, J., und van Hilten, M. E., Omzetbelasting (Deventer, 1997), S. 40, zitiert in Terra, B., und Kajus, J., A Guide to the European VAT Directives (IBFD, 2006), Band 1, S. 443.


15 – Vgl. Art. 2 der Ersten Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (ABl. 71, S. 1301) und Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112. Abzüge werden von den Art. 17 bis 20 der Sechsten Richtlinie geregelt (Art. 167 bis 192 der Richtlinie 2006/112).


16 – Dazu gehören im Wesentlichen Lieferungen an Kunden in anderen Mitgliedstaaten oder in Nichtmitgliedstaaten; diese Befreiungen sind in den Art. 14 bis 16 der Sechsten Richtlinie geregelt – vgl. auch Art. 140 bis 166 der Richtlinie 2006/112. (Als Ausnahme von der allgemeinen Regel wurden manche Mitgliedstaaten auch ermächtigt, für einige bestimmte Lieferungen „Nullsteuersätze“ beizubehalten, die in der Wirkung einer Befreiung mit Vorsteuerabzugsrecht gleichkommen.)


17 – Insbesondere Befreiungen „im Inland“ nach Art. 13 der Sechsten Richtlinie – vgl. auch Art. 132 bis 137 der Richtlinie 2006/112.


18 – Oder um eine Lieferung zum Nullsteuersatz; vgl. Fn. 16.


19 – Oft betreffen solche Befreiungen Lieferungen durch Einrichtungen ohne Gewinnerzielungsabsicht, bei denen der Unterschied zwischen den Kosten steuerbarer Eingangsleistungen und dem Preis befreiter Ausgangsleistungen hauptsächlich oder vollständig auf Personalkosten oder sonstige außerhalb des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer liegende Ausgaben zurückgehen mag.


20 – Da sie Befreiungen im Inland sind; vgl. Fn. 17. Zum Verhältnis zwischen den beiden Arten von Befreiungen vgl. das kürzlich verkündete Urteil vom 7. Dezember 2006, Eurodental (C-240/05, Slg. 2006, I-0000, Randnrn. 23 ff.), und die Schlussanträge von Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer in derselben Rechtssache (Nrn. 24 ff.).


21 – Insofern als Gebühren erhoben werden, wird die Lehreinrichtung häufig einen Vertrag mit den Eltern über die Unterrichtung ihrer Kinder schließen, aber die Wirkung bleibt die gleiche.


22 – Vgl. oben, Nr. 29.


23 – Vom 20. Juni 2002 (C-287/00, Slg. 2002, I-5811).


24 – Vgl. Randnr. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung; vgl. jüngst Urteil vom 14. Dezember 2006, VDP Dental Laboratory (C-401/05, Slg. 2006, I-0000, Randnr. 23).


25 – Vgl. Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung.


26 – Die Liste der Befreiungen in Art. 13 Teil A ist unsystematisch, sollte aber nach der Begründung des Vorschlags der Kommission für die Sechste Richtlinie die Befreiungen abdecken, „die bereits in den meisten Mitgliedstaaten Anwendung finden“ (Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 11/73, S. 7, S. 17). Die Liste, die sich ursprünglich in Art. 14 des Vorschlags fand (ebd., S. 44; ABl. 1973, C 80, S. 1), wurde im Laufe ihrer Entwicklung durch den Rat nichtsdestoweniger erheblich erweitert.


27 – Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Strategie zur Verbesserung der Funktionsweise des MwSt-Systems im Binnenmarkt, KOM(2000)348 endg., Anhang, Abschnitt 2.1.


28 – Sie erging allerdings ohnehin nach dem Zeitraum, der für die Ausgangsverfahren in diesen beiden Rechtssachen maßgeblich ist.


29 – Mit den Worten des Wirtschafts- und Sozialausschusses: „Die Mitgliedstaaten sollten es als schweren Vorwurf gegen sich selbst ansehen, dass ein Konzept, das grundsätzlich vor 33 Jahren vereinbart wurde, offenbar immer noch so weit von seiner Verwirklichung entfernt ist wie damals. Die Geschichte der MwSt.-Rechtsetzung in Europa ist eine Geschichte fortgesetzten Versagens, nicht seitens der Kommission, die mit löblicher Beharrlichkeit und unverminderten Anstrengungen versucht hat, Bewegung in die Sache zu bringen; vielmehr waren es die Mitgliedstaaten, die diese Bemühungen stets zunichte gemacht haben.“ (Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung, Strategie zur Verbesserung der Funktionsweise des MwSt.-Systems im Binnenmarkt‘“ [ABl. 2001, C 193, S. 45]).


30 – Oben in Nr. 32 angeführt, Randnr. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung. Vgl. jüngst Urteil vom 7. Dezember 2006, Kommission/Griechenland (C-13/06, Slg. 2006, I-0000, Randnr. 9).


31 – Ebd., Randnr. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung. Vgl. jüngst Urteil Eurodental (oben in Fn. 20 angeführt, Randnr. 43).


32 – Vgl. Urteile vom 11. August 1995, Bulthuis-Griffioen (C-453/93, Slg. 1995, I-2341), und vom 7. September 1999, Gregg (C-216/97, Slg. 1999, I-4947, insbesondere Randnrn. 14 bis 19).


33 – Vgl. Urteil vom 10. September 2002, Ambulanter Pflegedienst Kügler (C-141/00, Slg. 2002, I-6833, Randnr. 36), im Hinblick auf verschiedene, gemäß den Buchst. b und c befreite Arten medizinischer Behandlung.


34 – Wenngleich die Kommission nicht spezifisch auf Buchst. k (oben in Nr. 6 angeführt) eingeht, der die einzige Befreiung für die Gestellung von Personal darstellt, scheint klar, dass die fragliche Gestellung nicht die Voraussetzungen erfüllt, dass sie durch eine religiöse oder weltanschauliche Einrichtung oder für Zwecke geistigen Beistands erfolgt wäre.


35 – Neben den Urteilen vom 11. Januar 2001, Kommission/Frankreich (C-76/99, Slg 2001, I-249), und Kommission/Deutschland (oben in Nr. 32 angeführt) führt Horizon College das Urteil Ambulanter Pflegedienst Kügler (oben in Fn. 33 angeführt, Randnr. 29) und das Urteil vom 21. März 2002, Kennemer Golf Club (C-174/00, Slg. 2002, I-3293, Randnr. 19), an.


36 – „[P]rivattimer givet af undervisere“ in Dänisch, „privelessen die particulier door docenten worden gegeven“ in Niederländisch, „tuition given privately by teachers“ in Englisch, „leçons données, à titre personnel, par des enseignants“ in Französisch und „lezioni impartite da insegnanti a titolo personale“ in Italienisch.


37 – Vgl. auch das Urteil des französischen Conseil d’État (Staatsrat) vom 26. Januar 2000 in der Rechtssache 169 626 (Revue de droit fiscal Nr. 47 (2000), S. 1553), insbesondere den Antrag des Commissaire du gouvernement Goulard.


38 – Angeführt in Fn. 26; Art. 14 Teil A Abs. 1 Buchst. i des Vorschlags.


39 – Terra, B., und Kajus, J., A Guide to the Sixth VAT Directive (IBFD, 1991), Band A, S. 604 und 605.


40 – Es sei allerdings daran erinnert, dass bei einer Befreiung des Unterrichts, der von einer Einrichtung erbracht wird, in der ein Lehrer wie Herr Haderer seine Dienstleistung erbringt, die Unterrichtskosten bereits nicht rückholbare Mehrwertsteuer auf verschiedene Eingangsleistungen (zu denen Lehrausstattung und -material wie z. B. Ton gehören) enthalten werden, dass aber auf dem gegebenenfalls von der Einrichtung erzielten Gewinn gemäß dem Ziel von Art. 13 Teil A keine Mehrwertsteuer lastet.


41 – Vgl. Urteil vom 1. Dezember 2005, Ygeia (C-394/04 und C-395/04, Slg. 2005, I-10373, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).


42 – Urteile vom 25. Februar 1999, Card Protection Plan (C-349/96, Slg. 1999, I-973), Kommission/Frankreich (oben in Fn. 35 angeführt), Kommission/Deutschland (oben in Fn. 23 angeführt), vom 3. März 2005, Arthur Andersen (C-472/03, Slg. 2005, I-1719), und Ygeia (oben in Fn. 41 angeführt).


43 – Vgl. insbesondere Randnrn. 22 bis 24 des Urteils.


44 – Vgl. insbesondere Randnr. 48 des Urteils.


45 – Vom 9. Februar 2006 (C-415/04, Slg. 2006, I-1385).


46 – Vgl. Urteil Stichting Kinderopvang Enschede (Randnrn. 21 bis 23 und Tenor).


47 – Vgl. Randnrn. 25 bis 28 und Tenor.


48 – Vgl. oben, Nr. 6.


49 – Sicherlich gibt es Rechtsprechung in gewissem Umfang zu den Begriffen des Unterrichts und der Ausbildung im Zusammenhang mit dem Verbot der Diskriminierung beim Zugang zu diesen Dienstleistungen, doch mag sie nicht in vollem Umfang auf das Gebiet der Mehrwertsteuerbefreiungen übertragbar sein.