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SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 23. Oktober 20081(1)

Rechtssache C-371/07

Danfoss A/S,

AstraZeneca A/S

gegen

Skatteministeriet

(Vorabentscheidungsersuchen des Vestre Landsret [Dänemark])

„Mehrwertsteuer – Vorsteuerabzug – Entnahmen – Unentgeltliche Kantinenbewirtung für Geschäftspartner und Personal anlässlich von Sitzungen – Ausschlüsse vom Abzugsrecht“





1.        Bekanntlich ist nichts im Leben und also auch kein Mittagessen umsonst, aber gibt es das wenigstens mehrwertsteuerfrei? Im vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen des Vestre Landsret (Dänemark) geht es um die mehrwertsteuerliche Behandlung der Kantinenbewirtung von Geschäftspartnern und Personal anlässlich von Sitzungen. Ist eine solche Bewirtung, wenn sie unentgeltlich erfolgt, als Entnahme zu betrachten, auf die Mehrwertsteuer zu entrichten ist, falls Vorsteuer abgezogen werden kann? Vor dem Hintergrund einer recht komplizierten Abfolge innerstaatlicher administrativer und legislativer Maßnahmen stellt sich ferner die Frage, ob Dänemark einen Ausschluss vom Vorsteuerabzug für solche Umsätze aufgrund einer gemeinschaftsrechtlichen Standstill-Klausel beibehalten durfte.

 Einschlägige Mehrwertsteuervorschriften des Gemeinschaftsrechts

2.        Die Ausgangsverfahren betreffen Bewirtungen im Zeitraum 1994 bis 2001, so dass gemeinschaftsrechtlich die Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie einschlägig ist(2).

3.        Nach Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie(3) unterliegen „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“, der Mehrwertsteuer. Besteuerungsgrundlage ist gemäß Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a(4) in der Regel der Gesamtbetrag der erhaltenen Gegenleistung.

4.        Allerdings ist der Steuerpflichtige nach Art. 17 Abs. 2(5) berechtigt, von der von ihm geschuldeten Steuer die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden, abzuziehen, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden. Nach Art. 17 Abs. 1(6) entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht (d. h., wenn dem Steuerpflichtigen die Gegenstände geliefert bzw. die Dienstleistungen erbracht werden, und nicht, wenn er seine eigenen besteuerten Umsätze bewirkt).

5.        Ausnahmen von der allgemeinen Regel sind u. a. in Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 enthalten, die Entnahmen für den privaten Bedarf regeln – also wenn ein Steuerpflichtiger Gegenstände oder Dienstleistungen (hinsichtlich deren er zum Vorsteuerabzug berechtigt ist) selbst verwendet oder unentgeltlich zur Verfügung stellt. Solche Leistungen werden entgeltlichen Leistungen gleichgestellt und unterliegen damit der Mehrwertsteuer, obwohl der Steuerpflichtige tatsächlich keine Gegenleistung erhält.

6.        Für die Lieferung von Gegenständen bestimmt Art. 5 Abs. 6(7):

„Einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt wird die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt haben. Jedoch fallen Entnahmen für Geschenke von geringem Wert und für Warenmuster zu Zwecken des Unternehmens nicht darunter.“

7.        Für Dienstleistungen bestimmt Art. 6 Abs. 2(8):

„Dienstleistungen gegen Entgelt werden gleichgestellt:

a)      die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat;

b)      die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf oder für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke.

…“

8.        Da tatsächlich keine Gegenleistung erbracht wird, ist in derartigen Fällen die Besteuerungsgrundlage nach Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c(9)

„b)      bei den in Artikel 5 Abs[atz] 6 … genannten Umsätzen der Einkaufspreis für die Gegenstände oder für gleichartige Gegenstände oder mangels eines Einkaufspreises der Selbstkostenpreis, und zwar jeweils zu den Preisen, die im Zeitpunkt der Bewirkung dieser Umsätze festgestellt werden;

c)      bei den in Artikel 6 Absatz 2 genannten Umsätzen der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung“.

9.        Für den vorliegenden Fall ist weiterhin Art. 17 Abs. 6(10) über Ausschlüsse vom Vorsteuerabzugsrecht relevant. Die Bestimmung lautet:

„Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission vor Ablauf eines Zeitraums von vier Jahren nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie einstimmig fest, bei welchen Ausgaben die Mehrwertsteuer nicht abziehbar ist. Auf jeden Fall werden diejenigen Ausgaben vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen.

Bis zum Inkrafttreten der vorstehend bezeichneten Bestimmungen können die Mitgliedstaaten alle Ausschlüsse beibehalten, die in den in ihren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind.“

10.      Ungeachtet von Unterabs. 1 dieser Vorschrift hat der Rat nicht festgelegt, bei welchen Ausgabenarten die Mehrwertsteuer nicht abziehbar ist. Demzufolge gilt weiterhin die in Unterabs. 2 vorgesehene Standstill-Klausel.

 Einschlägige Mehrwertsteuervorschriften des dänischen Rechts

11.      Anhand der Angaben des nationalen Gerichts im Vorlagebeschluss lässt sich die Abfolge der einschlägigen legislativen und administrativen Maßnahmen sowie der gerichtlichen Entscheidungen in Dänemark wie folgt zusammenfassen.

12.      Die Mehrwertsteuer wurde in Dänemark durch das Mehrwertsteuergesetz von 1967 eingeführt. Danach war die Lieferung von Waren allgemein mehrwertsteuerpflichtig, während die Erbringung von Leistungen nur dann der Mehrwertsteuer unterlag, wenn es im Gesetz ausdrücklich festgelegt war. Dienstleistungen einer Betriebskantine unterlagen nicht der Mehrwertsteuer, so dass auch kein Recht auf Abzug der entsprechenden Vorsteuer bestand(11). Darüber hinaus waren nach § 16 Abs. 3 Buchst. a und e des Gesetzes Ausgaben für die Verpflegung von Personal und für Repräsentation nicht abzugsfähig. Den letztgenannten Ausschlusstatbeständen lag die Überlegung zugrunde, dass Lebensmittel, die das Unternehmen zur Bewirtung des Personals einkaufe, als zum Endverbrauch bestimmt zu betrachten seien (würde der Betrieb dem Personal anstelle der Sachbezüge einen höheren Geldlohn zahlen, müsste es Steuern auf den Einkauf bezahlen) und dass ein Vorsteuerabzugsrecht für Repräsentation und Geschenke, einschließlich Geschäftsessen, zu Missbrauch führen könne. Nach § 11 Abs. 1 des Gesetzes umfasste die Besteuerungsgrundlage u. a. Waren und steuerpflichtige Leistungen, die zu den in § 16 Abs. 3 genannten Zwecken verwendet wurden.

13.      Mit Wirkung vom 1. Oktober 1978 wurde das Mehrwertsteuergesetz von 1967 im Hinblick auf die Umsetzung der Sechsten Richtlinie geändert. Namentlich wurden auch Dienstleistungen allgemein der Mehrwertsteuer unterstellt. Das bedeute, so hieß es damals, dass ein Teil der Dienstleistungen, die zuvor steuerfrei gewesen und von mehrwertsteuerpflichtigen Unternehmen erbracht worden seien, nunmehr der Mehrwertsteuer unterlägen, insbesondere „Leistungen, die von … Kantinen erbracht werden (Bewirtung)“. Die Bestimmungen über die Abzugsbeschränkung für Verpflegung und Repräsentation in § 16 Abs. 3 und über die Entnahme in § 11 Abs. 1 des Mehrwertsteuergesetzes blieben unverändert.

14.      Somit wurde der Verkauf von Speisen und Getränken durch Betriebskantinen der Mehrwertsteuer unterworfen. Im November 1978 stellte der Momsnævn (Verwaltungsausschuss für Rechtsbehelfe in Mehrwertsteuersachen) fest, dass die Besteuerungsgrundlage für solche Verkäufe mindestens der Preis der Rohware zuzüglich der Lohnkosten für die Zubereitung, den Verkauf und die Verwaltung sei. Demzufolge wurde die unentgeltliche Bewirtung so gestellt, als sei sie für eine Gegenleistung in Höhe dieses Selbstkostenpreises erfolgt.

15.      1983 wurde diese Entscheidung in spezielle Verwaltungsrichtlinien für Betriebskantinen aufgenommen, in denen ferner bestimmt war, dass die Vorsteuer auf Waren, Materialien und etwaige Arbeitsleistungen, die sich auf die Zubereitung, den Verkauf oder die Verwaltung beziehen und besteuert werden, in voller Höhe abziehbar ist.

16.      Das Mehrwertsteuergesetz wurde 1994 erneut geändert. Die Abzugsbeschränkung des § 16 Abs. 3 wurde inhaltlich unverändert als § 42 Abs. 1 Nrn. 1 und 5 des Gesetzes von 1994 weitergeführt. Gleichzeitig sah der neue § 5 Abs. 2 und 3 vor:

„(2) Mit der entgeltlichen Lieferung wird die Entnahme von Waren oder Leistungen zu den in § 42 Abs. 1 und 2 genannten Zwecken gleichgestellt, sofern der Kauf oder die Herstellung dieser Waren oder Leistungen zum vollen oder teilweisen Abzug berechtigt.

(3) Mit der entgeltlichen Lieferung wird die Entnahme von Leistungen für den privaten Bedarf des Betriebsinhabers, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke gleichgestellt.“

17.      Was die unentgeltliche Kantinenbewirtung von Geschäftspartnern und Personal anlässlich von Sitzungen betrifft, bestand bereits als Folge des Verfahrens für die Berechnung der Mehrwertsteuerschuld von Kantinen keine Grundlage für die Anwendung der Entnahmevorschriften. Da diese Bewirtung so betrachtet wurde, als wäre sie gegen ein (fiktives, auf der Grundlage des Selbstkostenpreises ermitteltes) Entgelt erbracht worden, konnten die betreffenden Waren oder Leistungen nicht als zum privaten Bedarf entnommen angesehen werden, da dies voraussetzt, dass kein Entgelt entrichtet wird(12).

18.      § 42 Abs. 1 Nr. 5 des Mehrwertsteuergesetzes erhielt seinen aktuellen Wortlaut durch Änderung vom 14. Juni 1995. Mit der Bestimmung wurde klargestellt, dass sich der Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts auf „Vergnügungen, Dienstleistungen im Gaststättengewerbe, Repräsentation und Geschenke“ erstreckt; außerdem erhielten Unternehmen die Möglichkeit, 25 % der Vorsteuer auf Dienstleistungen im Hotel- und Gaststättengewerbe in Abzug zu bringen, soweit diese Ausgaben streng geschäftlichen Charakter aufwiesen. Den Materialien zufolge sollten Ausgaben für Geschäftsessen in der betriebseigenen Kantine nicht erfasst werden.

19.      1999 erklärte das Landsskatteret die Verwaltungspraxis, nach der die Mehrwertsteuer für Betriebskantinen auf der Grundlage mindestens des ermittelten Selbstkostenpreises zu berechnen war, für mit der Sechsten Richtlinie unvereinbar. Es stellte fest, dass die Mehrwertsteuer auf der Grundlage des tatsächlich erhaltenen Entgelts zu berechnen sei und dass die Entnahmevorschrift des § 5 des Mehrwertsteuergesetzes nicht auf einen Verkauf zu einem Preis unter dem ermittelten Selbstkostenpreis anwendbar sei. Ferner sei Tee oder Kaffee keine „Repräsentation“, wenn er Geschäftspartnern, wohl aber „Verpflegung“, wenn er dem Personal serviert werde, so dass er unter die entsprechende Abzugsbeschränkung falle und nach § 5 Abs. 2 des Mehrwertsteuergesetzes als Entnahme besteuert werde könne.

 Sachverhalt, Verfahren und Fragen

20.      Das nationale Gericht stellt seine Fragen im Rahmen zweier Rechtssachen, an denen die Unternehmen Danfoss A/S (im Folgenden: Danfoss) bzw. AstraZeneca A/S (im Folgenden: AstraZeneca) beteiligt sind.

21.      Danfoss, die Industrieautomatik herstellt und vertreibt, hat in verschiedenen Niederlassungen Kantinen für das Personal eingerichtet. Die Kantinen werden außerdem dazu benutzt, Geschäftspartner und Personal bei Sitzungen an den Unternehmensstandorten unentgeltlich zu bewirten.

22.      AstraZeneca vertreibt pharmazeutische Produkte in Dänemark. Im Rahmen ihrer Tätigkeiten lädt sie im Gesundheitswesen Beschäftigte zu Informationsveranstaltungen über verschiedene Erkrankungen sowie die Platzierung der Produkte und deren Einsatz bei diesen Erkrankungen ein. Je nach Dauer der Veranstaltung werden die Teilnehmer (nur Geschäftspartner) in der Kantine des Unternehmens, in der auch Speisen und Getränke an das Personal verkauft werden, unentgeltlich bewirtet.

23.      Bei Danfoss betrifft die Klage den Zeitraum vom 1. Oktober 1996 bis zum 30. September 2001, bei AstraZeneca den Zeitraum vom 1. Oktober 1994 bis zum 31. Dezember 1999.

24.      Nach der Entscheidung des Landsskatteret im Jahr 1999 (siehe oben, Nr. 19) beantragten beide Unternehmen die Erstattung der auf die bewirkten Umsätze entrichteten Mehrwertsteuer, die auf der Grundlage des ermittelten Selbstkostenpreises der unentgeltlichen Bewirtung von Geschäftspartnern und Personal berechnet worden war.

25.      Die Finanzbehörde verweigerte die Rückzahlung der verlangten Beträge (5 920 848,19 DKK im Fall von Danfoss und 825 275,00 DKK im Fall von AstraZeneca) mit der Begründung, die Bewirtung von Personal sei „Verpflegung“, die unter die Abzugsbeschränkung in § 42 Abs. 1 Nr. 1 des Mehrwertsteuergesetzes falle, und die Bewirtung von Geschäftspartnern stelle „Repräsentation“ dar, die unter § 42 Abs. 1 Nr. 5 falle. Da die Unternehmen jedoch im Einklang mit der zuvor geltenden Verwaltungspraxis die auf den Kantineneinkauf entfallende Vorsteuer voll und ganz abgezogen hätten, sei nach § 5 Abs. 2 des Mehrwertsteuergesetzes Mehrwertsteuer auf Entnahmen zu berechnen.

26.      Der Anspruch wurde daraufhin beim Landsskatteret geltend gemacht, und mit dem nunmehr beim Vestre Landsret anhängigen Verfahren werden die Entscheidungen des Landsskatteret angefochten, wonach neben Tee und Kaffee auch anlässlich von Sitzungen im Unternehmen angebotene sonstige Getränke und Speisen – soweit sie Geschäftspartnern serviert würden – „Repräsentation“ und – soweit sie Personal serviert würden – „Verpflegung“ darstellten, so dass zu Recht Mehrwertsteuer auf Entnahmen für den privaten Bedarf berechnet werde.

27.      Die Unternehmen machen geltend, die Abzugsbeschränkung für „Repräsentation“ und „Verpflegung“ im dänischen Mehrwertsteuergesetz verstoße gegen die Sechste Richtlinie. Die Finanzbehörde räumt zwar ein, dass diese Abzugsbeschränkungen nicht unter Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie fallen, trägt aber vor, sie ergäben sich aus dem Mehrwertsteuergesetz in der Fassung, die vor dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie gegolten habe, so dass sie nach der Standstill-Klausel des Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie rechtmäßig beibehalten werden könnten. Dem halten die Unternehmen entgegen, dass die Abzugsbeschränkungen auf die in Rede stehende Bewirtung erst angewandt worden seien, als die Verwaltungspraxis im Jahr 1999 für rechtswidrig erklärt worden sei – vor diesem Zeitpunkt sei entsprechend dieser Praxis die Mehrwertsteuer voll abzugsfähig gewesen.

28.      Im Übrigen machen die Unternehmen geltend, die Besteuerung als Entnahmen nach § 5 Abs. 2 des Mehrwertsteuergesetzes verstoße jedenfalls gegen Art. 6 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie, weil nach dieser Bestimmung Leistungen nur dann besteuert werden könnten, wenn sie für unternehmensfremde Zwecke erfolgten, was bei der hier in Rede stehenden Bewirtung nicht der Fall sei.

29.      Unter diesen Umständen ersucht das vorlegende Gericht um Vorabentscheidung folgender Fragen:

1.      Ist Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer auf den Einkauf für die Bewirtung von Geschäftspartnern und Personal in einer Betriebskantine anlässlich von Sitzungen nur dann versagen kann, wenn im nationalen Recht vor dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie eine Rechtsgrundlage für diese Versagung bestand und diese Rechtsgrundlage von den Steuerbehörden in der Praxis angewandt wurde mit der Folge, dass das Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer auf diesen Einkauf versagt wurde?

2.      Ist es für die Beantwortung der Frage 1 von Bedeutung, dass Betriebskantinen vor Umsetzung der Sechsten Richtlinie im Jahr 1978 nach dem geltenden nationalen Mehrwertsteuerrecht in dem betreffenden Mitgliedstaat nicht der Mehrwertsteuer unterlagen, dass die nationalen Abzugsbeschränkungsvorschriften im Zuge der Umsetzung der Sechsten Richtlinie nicht geändert wurden und dass die Abzugsbeschränkungsvorschriften für die Betriebskantinen nur deshalb relevant werden konnten, weil diese Art von Betrieben im Zuge der Umsetzung der Sechsten Richtlinie der Mehrwertsteuer unterworfen wurde?

3.      Wird ein Ausschluss des Abzugsrechts „beibehalten“ im Sinne des Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie, wenn die in Rede stehenden Ausgaben vom Zeitpunkt der Umsetzung der Sechsten Richtlinie 1978 bis zum Jahr 1999 aufgrund einer Verwaltungspraxis wie der im Ausgangsverfahren abzugsfähig waren?

4.      Ist Art. 6 Abs. 2 Buchst. a und b der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass die Bestimmung die unentgeltliche Bewirtung von Geschäftspartnern durch Unternehmen in der betriebseigenen Kantine anlässlich von Sitzungen im Unternehmen erfasst?

5.      Ist Art. 6 Abs. 2 Buchst. a und b der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass die Bestimmung die unentgeltliche Bewirtung von Personal durch Unternehmen in der betriebseigenen Kantine anlässlich von Sitzungen im Unternehmen erfasst?

30.      Danfoss, Dänemark und die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht und haben neben AstraZeneca auch mündlich verhandelt.

 Würdigung

31.      Die ersten drei Fragen des nationalen Gerichts betreffen verschiedene Aspekte der übergreifenden Problematik: „Kann Dänemark unter den dargestellten Umständen zu Recht den Abzug der Vorsteuer bei Einkäufen für die unentgeltliche Bewirtung von Geschäftspartnern und/oder Personal anlässlich von Sitzungen versagen?“ Im Kern geht es hier also darum, ob Vorsteuer abgezogen werden kann.

32.      Entsprechend betreffen die letzten beiden Fragen Aspekte der zweiten wichtigen Problematik: „Stellt eine solche Bewirtung eine Entnahme für den privaten Bedarf dar?“ Im Kern geht es hier also darum, ob Mehrwertsteuer auf die Umsätze erhoben werden kann.

33.      Mir erscheint es zweckmäßiger, diese beiden Hauptproblemkreise als solche (und in umgekehrter Reihenfolge) zu behandeln und dabei inhaltlich auf die konkreten Fragen einzugehen. Vorweg halte ich es jedoch für unerlässlich, den Rahmen zu untersuchen, in dem die betreffenden Vorschriften gelten, damit die Beziehung zwischen ihnen deutlich wird.

 Geltungsrahmen

34.      Zu den Grundsätzen des Mehrwertsteuersystems gehört, dass die Steuerlast auf der Stufe des Endverbrauchs – und zwar ausschließlich auf dieser – getragen wird. Zwar wird die Steuer auch auf allen vorgelagerten Stufen erhoben, die Abzugsregelung führt jedoch bis zu diesem Zeitpunkt dazu, dass sich die Steuer für alle an den Produktions- und Vertriebsstufen beteiligten Steuerpflichtigen neutral auswirkt. Jeder Steuerpflichtige führt an die Steuerbehörde lediglich den Mehrwertsteuerbetrag ab, den er seinen Kunden in Rechnung gestellt hat, und zwar nach Abzug der Mehrwertsteuerbeträge, die er an seine Lieferer oder Dienstleistungserbringer gezahlt hat(13).

35.      Soweit daher ein Steuerpflichtiger Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen entrichtet, die er zur Bewirkung seiner besteuerten Umsätze erwirbt bzw. in Anspruch nimmt, besteht ein grundsätzliches und allgemeines Abzugsrecht. Die Erhebung von Mehrwertsteuer ohne Zulassung des Vorsteuerabzugs käme einem kumulativen Mehrphasensteuersystem gleich, dessen Ersetzung zu den wesentlichen Zielen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems gehört(14). Bestimmungen, die Abweichungen von dieser generellen Besteuerungs- und Abzugsregelung vorsehen, sind als Ausnahmen von einem allgemeinen Grundsatz eng auszulegen(15).

36.      Das zweifellos am häufigsten angeführte Beispiel hierfür ist die Befreiung bestimmter Umsätze von der Mehrwertsteuer gemäß Art. 13 der Sechsten Richtlinie. Die Mehrwertsteuer, die auf zur Bewirkung solcher Umsätze erworbene Gegenstände und in Anspruch genommene Dienstleistungen gezahlt wurde, ist nicht abziehbar. Der Grund hierfür besteht schlicht und einfach darin, dass es keine – nicht einmal eine potenzielle, theoretische oder fiktive(16) – geschuldete Mehrwertsteuer gibt, von der Vorsteuer abgezogen werden könnte. Aus eben diesem Grund – fehlende Mehrwertsteuerschuld auf bewirkte Umsätze – konnte bei Einkäufen, die Betriebskantinen in Dänemark tätigten, keine Vorsteuer abgezogen werden, was sich erst änderte, als ihre Leistungen im Jahr 1978 der Mehrwertsteuer unterworfen wurden.

37.      Im vorliegenden Fall geht es jedoch um zwei andere Arten von Ausnahmen von der allgemeinen Regel, nämlich um die Regelungen bei Entnahmen für den privaten Bedarf (Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2) sowie die Regelungen bei Luxusausgaben und dergleichen (Art. 17 Abs. 6). Mit beiden sind unterschiedliche Regelungsmechanismen für unterschiedliche Situationen verbunden. Meines Erachtens schließen sie sich gegenseitig aus.

38.      Erstens regeln – was die Art der erfassten Fälle betrifft – die Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 die Entnahme von Gegenständen durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen oder die Erbringung von Dienstleistungen „allgemein für unternehmensfremde Zwecke“, während Art. 17 Abs. 6 Ausgaben betrifft, „die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen“. Gewiss ist der Wortlaut nicht so eindeutig, dass man darüber nicht geteilter Meinung sein könnte, und gewiss gilt für Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 nicht ausdrücklich die gleiche Begrenzung des Anwendungsbereichs wie für Unterabs. 1. Gleichwohl ist es durchaus vernünftig, die Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 dahin auszulegen, dass mit diesen Vorschriften Zwecke erfasst werden sollen, die absolut nichts mit dem steuerpflichtigen Unternehmen zu tun haben, und Art. 17 Abs. 6 dahin, dass mit dieser Vorschrift Zwecke erfasst werden sollen, die zwar dem Interesse des Unternehmens dienen, aber keinen streng geschäftlichen Charakter haben. Außerdem ist zu beachten, dass die Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 auf die tatsächliche Verwendung der Gegenstände und Dienstleistungen abzielen, während nach Art. 17 Abs. 6 bei bestimmten Arten von Ausgaben vermutet werden darf, dass sie zu bestimmten Zwecken erfolgen.

39.      Vielleicht lässt sich diese Unterscheidung anhand eines Beispiels verdeutlichen. Wenn ein Bauunternehmer einige seiner Arbeitnehmer mit der Errichtung eines Anbaus für sein Privathaus beauftragt, für den Materialien aus seinem Lagerbestand verwendet werden, handelt es sich dabei objektiv um die Verwendung von Unternehmensressourcen zu Zwecken, die keinerlei Bezug zu dem Unternehmen aufweisen, und damit um einen Sachverhalt, der unter die Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 fällt. Wenn derselbe Unternehmer einen potenziellen Kunden jedoch zu einem Essen, edlen Weinen und erlesenen Spirituosen in ein Drei-Sterne-Restaurant einlädt, mag dies zwar zu ansehnlichen Umsätzen führen und daher seinem Unternehmenszweck dienen, jedoch gilt dies zu einem gewissen Grad auch als eine Vergnügung, so dass dieser Sachverhalt unter Art. 17 Abs. 6 fällt – und zwar unabhängig davon, ob es tatsächlich zu einer Auftragserteilung kommt, und sogar unabhängig davon, ob den einzelnen Beteiligten das Essen auch tatsächlich schmeckt.

40.      Zweitens – und insoweit entscheidend – besteht ein offensichtlicher Unterschied zwischen den beiden Regelungsmechanismen. Art. 17 Abs. 6 ermöglicht den Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug, die Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 hingegen sehen die Erhebung von Mehrwertsteuer vor, wenn Vorsteuer abziehbar ist.

41.      Im letztgenannten Fall ist die Abziehbarkeit der Vorsteuer zwar nur in den Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 Buchst. a ausdrücklich als Voraussetzung genannt, ich meine jedoch, dass diese Voraussetzung zwangsläufig auch bei Art. 6 Abs. 2 Buchst. b impliziert ist. Sie ist dort eigentlich nur deshalb nicht ausdrücklich aufgeführt, weil diese Vorschrift im Wesentlichen auf vom Personal erbrachte Dienstleistungen ausgerichtet ist und weil auf Personalkosten (in Form von Gehältern) keine Mehrwertsteuer anfällt. Soweit eine komplexe Leistung jedoch als Dienstleistung einzustufen ist(17), dürften die verwendeten Gegenstände in der Regel der Mehrwertsteuer unterlegen haben. Besteuerungsgrundlage für alle in Art. 6 Abs. 2 bezeichneten Leistungen ist „der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung“ (Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c). Wollte man in diese Besteuerungsgrundlage auch Ausgaben für Leistungen einbeziehen, bei denen die Mehrwertsteuer nicht abziehbar war, so liefe dies nicht nur der Systematik der Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 insgesamt, sondern auch dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer für die Steuerpflichtigen zuwider.

42.      Demzufolge ist Voraussetzung für eine Besteuerung nach den Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie nicht nur, dass die Entnahme bzw. die Verwendung für den privaten Bedarf erfolgt, sondern auch, dass die Mehrwertsteuer, mit der die entsprechenden Ausgaben belastet sind, abziehbar ist. Ein solcher Tatbestand ist daher unvereinbar mit einem gegebenenfalls nach Art. 17 Abs. 6 zulässigen Ausschluss des Abzugsrechts.

43.      Um auf mein Beispiel des Anbaus für das Privathaus des Bauunternehmers zurückzukommen: Für die verwendeten Materialien dürfte die Vorsteuer bereits abgezogen worden sein, jedoch muss nunmehr auf eben diese Ausgaben sowie auf die Ausgaben zur Bereitstellung der Arbeitskräfte Mehrwertsteuer erhoben werden, damit der Bauunternehmer einer Privatperson, die sich die gleichen Gegenstände und Dienstleistungen verschafft, mehrwertsteuerlich (fast) gleichgestellt ist. Wenn er hingegen seinen potenziellen Kunden zu einem extravaganten Essen einlädt, ist er schlichtweg nicht berechtigt, die in der Restaurantrechnung enthaltene Mehrwertsteuer abzuziehen. Auch insoweit ist er einem Privatverbraucher gleichgestellt, allerdings aufgrund eines anderen Regelungsmechanismus. In beiden Fällen wird die Mehrwertsteuer definitiv auf der Stufe des Endverbrauchs erhoben. Es wäre jedoch offensichtlich nicht nachvollziehbar, dem Unternehmer das Recht auf Vorsteuerabzug – sei es hinsichtlich seines Baumaterials, sei es hinsichtlich seiner Restaurantrechnung – zu versagen, ihn dann aber aufgrund einer Entnahme zum privaten Bedarf nochmals zur Entrichtung von Mehrwertsteuer auf den gleichen Betrag zu verpflichten.

44.      Meines Erachtens ist unbedingt im Auge zu behalten, dass die beiden Regelungsmechanismen sich gegenseitig ausschließen, denn es gibt gewisse Anhaltspunkte dafür, dass die dänischen Behörden von der Möglichkeit einer parallelen Anwendung ausgehen. Die Beurteilung, ob dies nach den dänischen Rechtsvorschriften zulässig ist, ist Sache des nationalen Gerichts, eine solche Rechtslage wäre jedoch meiner Meinung nach mit der Sechsten Richtlinie völlig unvereinbar.

45.      Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen, dass nicht alle Ausgaben, die teilweise, jedoch nicht in vollem Umfang zu Unternehmenszwecken dienen, zwangsläufig vom Abzugsrecht ausgeschlossen sind. Ausgeschlossen werden dürfen lediglich Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen sowie Kategorien, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sechsten Richtlinie im nationalen Recht vorgesehen waren(18). Andere Ausgaben zu Zwecken, die teilweise, aber nicht in vollem Umfang dem steuerpflichtigen Unternehmen dienen, müssen entsprechend ihren dominierenden Bestandteilen entweder als Entnahmen oder als zu besteuernde Umsätze des Unternehmens eingestuft werden(19). Auf diesen Gesichtspunkt komme ich nunmehr im Rahmen der vierten und der fünften Frage des nationalen Gerichts zu sprechen.

 Fragen 4 und 5: Stellt die unentgeltliche Kantinenbewirtung von Geschäftspartnern und/oder Personal anlässlich von Sitzungen eine Entnahme dar?

46.      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass – auch wenn das nationale Gericht nur Art. 6 Abs. 2 anführt und somit annimmt, dass die Kantinenbewirtung eine Dienstleistung und keine Lieferung von Gegenständen darstellt – diese Einstufung von den jeweiligen Umständen abhängt, unter denen die einzelnen Umsätze durchgeführt werden. Wenn das dominierende Element einfach nur die Lieferung von Nahrungsmitteln ist (in der mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte von Danfoss mitgeteilt, zumindest in einigen Fällen habe die streitige Bewirtung darin bestanden, dass Sandwiches in der Kantine zubereitet und im Sitzungsraum serviert worden seien)(20), wird Art. 5 Abs. 6 einschlägig sein. Möglicherweise lässt sich auch nach Art. 6 Abs. 2 Buchst. a und b differenzieren, je nachdem, ob die insoweit erbrachten Dienstleistungen im Wesentlichen in der Zurverfügungstellung von Gegenständen (etwa Mikrowellenherde) oder in Dienstleistungen „im eigentlichen Sinne“ bestehen, etwa im Servieren von Speisen. Selbstverständlich ist es Sache des nationalen Gerichts, diese Fragen anhand des Sachverhalts zu entscheiden, soweit sie für die rechtliche Würdigung von Belang sind – ich erwähne sie hier nur der Vollständigkeit halber.

47.      Zum Glück ist diese Unterscheidung für den hier zu untersuchenden Aspekt des vorliegenden Falles nur in begrenztem Maß praktisch relevant. Wie die Kommission hervorgehoben hat, betrifft das Ersuchen ausdrücklich die Begriffe „privater Bedarf des Steuerpflichtigen oder Bedarf seines Personals“ und „unternehmensfremde Zwecke“, die allen drei Bestimmungen gemeinsam sind(21). Im Folgenden werde ich daher die Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 zusammen prüfen.

48.      Wie der Gerichtshof im Urteil Hotel Scandic Gåsabäck(22) festgestellt hat, stellen diese Vorschriften bestimmte Umsätze, für die der Steuerpflichtige keine tatsächliche Gegenleistung erhalten hat, entgeltlich ausgeführten Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen gleich. Der Zweck dieser Bestimmungen besteht darin, sicherzustellen, dass der Steuerpflichtige, der für seinen privaten Bedarf oder den seines Personals einen Gegenstand entnimmt oder eine Dienstleistung erbringt, und der Endverbraucher, der einen Gegenstand oder eine Dienstleistung gleicher Art erwirbt, gleichbehandelt werden. Die Art. 5 Abs. 6 und Art. 6 Abs. 2 Buchst. a lassen es nicht zu, dass ein Steuerpflichtiger, der beim Kauf eines seinem Unternehmen zugeordneten Gegenstands die Mehrwertsteuer abziehen konnte, der Zahlung der Mehrwertsteuer entgeht, wenn er diesen Gegenstand dem Vermögen seines Unternehmens für seinen privaten Bedarf oder den seines Personals entnimmt, und daher gegenüber dem Endverbraucher, der den Gegenstand unter Zahlung von Mehrwertsteuer erwirbt, ungerechtfertigte Vorteile genießt. Ebenso wenig lässt es Art. 6 Abs. 2 Buchst. b zu, dass ein Steuerpflichtiger oder Angehörige seines Personals Dienstleistungen des Steuerpflichtigen, für die eine Privatperson Mehrwertsteuer hätte zahlen müssen, steuerfrei erhalten.

49.      Allerdings hat der Gerichtshof anerkannt, dass Ausgaben für Unterkunft, Bewirtung, Empfänge und Aufführungen streng geschäftlichen Charakter haben können und infolgedessen, soweit der streng geschäftliche Charakter nachgewiesen werden kann und soweit die Ausgaben ein Kostenelement besteuerter Umsätze sind, gemäß dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer zu einem Recht auf Vorsteuerabzug führen müssen(23).

50.      Angesichts dessen dürften die Kosten für Kantinenessen oder Sandwich-Platten, die Geschäftspartnern in der Mittagspause einer ganztägigen Sitzung (oder sogar ohne Unterbrechung der Sitzung) unentgeltlich serviert werden, wohl zu Zwecken des Unternehmens entstanden sein – um den Hunger zu stillen oder um sich die mit dem Aufsuchen einer anderen Esslokalität verbundenen Umstände und Zeitverluste und die entsprechenden Effizienzeinbußen für die Sitzung zu ersparen –, während dies bei den Kosten eines Mittagessens in einem nahegelegenen Restaurant, zu dem der Teilnehmer nach Beendigung der Sitzung eingeladen wird, anstatt dafür selbst aufkommen zu müssen, wohl eher nicht gilt. Beim erstgenannten Sachverhalt ist daher ein Recht auf Abzug der Vorsteuer als Kostenelement der vom Unternehmen bewirkten steuerbaren Umsätze anzunehmen, während beim letztgenannten Sachverhalt, falls die Vorsteuer abgezogen wird, von einer Leistung für den privaten Bedarf im Sinne von Art. 6 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie auszugehen ist.

51.      Der Gerichtshof hat außerdem festgestellt, dass unentgeltliche Dienstleistungen eines Arbeitgebers an Arbeitnehmer unter bestimmten Umständen nicht unter Art. 6 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie fallen, obwohl sie grundsätzlich dem privaten Bedarf der Arbeitnehmer und nicht dem Unternehmenszweck des Arbeitgebers dienen. Er hat dies für die Beförderung von Arbeitnehmern von der Wohnung zur Arbeitsstätte mit einem betrieblichen Kfz entschieden. Der Gerichtshof hat darauf hingewiesen, dass es beispielsweise bei wechselnden Arbeitsstätten oder bei Schwierigkeiten, andere geeignete Verkehrsmittel zu benutzen, geboten sein kann, dass der Arbeitgeber die Beförderung selbst übernimmt. Diese Leistung wird dann nicht zu „unternehmensfremden Zwecken“ erbracht(24).

52.      Entsprechende Überlegungen können für andere Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen gelten. Die meisten Arbeitnehmer haben hinsichtlich der Bekleidung, die sie am Arbeitsplatz tragen, (innerhalb gewisser Grenzen) freie Wahl. Der Einkauf der Bekleidung erfolgt für ihren privaten Bedarf. Stellt ihnen der Arbeitgeber Kleidung zur Verfügung, die er im Rahmen seines Unternehmens erworben hat, so handelt es sich um die Entnahme von Gegenständen aus dem Unternehmen für den privaten Bedarf, die mehrwertsteuerlich nach Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie zu beurteilen ist. Einige Arbeitnehmer müssen jedoch aufgrund des Wesens ihrer Tätigkeit einheitliche Kleidung oder Schutzbekleidung tragen. Wird diese vom Arbeitgeber gestellt, geschieht dies für die Zwecke des Unternehmens.

53.      Ebenso gehört es normalerweise nicht zur unternehmerischen Tätigkeit eines Arbeitgebers, die Arbeitnehmer unentgeltlich zu verpflegen. Verpflegung dient normalerweise ihrem privaten Bedarf. In der Regel haben sie dabei in gewissem Umfang freie Wahl – vergleichbar mit der Wahl ihrer Kleidung oder des Verkehrsmittels für die Beförderung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Auch hier besteht jedoch die Möglichkeit, dass die Anforderungen des Arbeitsplatzes dem Arbeitnehmer diese Wahl nehmen und ihn sogar verpflichten, beispielsweise eine feststehende Mahlzeit, die durchaus nicht immer seinem Geschmack entsprechen mag, an seinem Arbeitsplatz gemeinsam mit Geschäftspartnern oder anderen mit ihm eine Schulung absolvierenden Kollegen einzunehmen. In derartigen Fällen erfüllt er konkrete Anforderungen, die in erster Linie den Zwecken des Unternehmens seines Arbeitgebers und nicht seinem privaten Bedarf dienen. Die unentgeltliche Bewirtung durch den Arbeitgeber ist dann nicht als Leistung für den privaten Bedarf einzustufen.

54.      Selbstverständlich ist es Sache des nationalen Gerichts, im Ausgangsverfahren zu entscheiden, ob im Fall von Geschäftspartnern und im Fall des Personals die unentgeltliche Bewirtung mit Kantinenessen oder Sandwich-Platten tatsächlich in erster Linie den Zwecken des Unternehmens oder dem privaten Bedarf der Bewirteten dient, jedoch sprechen – wie die Kommission hervorhebt – alle Angaben im Vorlagebeschluss dafür, dass Ersteres anzunehmen ist.

 Fragen 1 bis 3: Kann Dänemark zulässigerweise eine Abzugsbeschränkung aufgrund Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie anwenden?

55.      Nach Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie können die Mitgliedstaaten alle Ausschlüsse vom Abzugsrecht beibehalten, „die in den in ihren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind“.

56.      Die ersten drei Fragen des nationalen Gerichts zielen also im Kern darauf ab, ob der Ausschluss vom Abzugsrecht a) im innerstaatlichen Recht Dänemarks b) zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sechsten Richtlinie vorgesehen war. Allerdings gebietet die Logik, diese beiden Punkte in umgekehrter Reihenfolge zu prüfen.

 Wann ist die Sechste Richtlinie in Kraft getreten?

57.      Die Wendung „zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie“ ist überraschend ungenau. Im Gegensatz zu Richtlinien aus neuerer Zeit enthält die Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie keine Vorschrift zur Festlegung eines konkreten Zeitpunkts für das Inkrafttreten. Auch dem Wortlaut der einschlägigen Vertragsbestimmung lässt sich ein Zeitpunkt des „Inkrafttretens“ nicht mit absoluter Sicherheit entnehmen. Damals lautete Art. 191 Abs. 2 des EWG-Vertrags: „Die Richtlinien und Entscheidungen werden denjenigen, für die sie bestimmt sind, bekanntgegeben und werden durch diese Bekanntgabe wirksam.“ Aber ist der Zeitpunkt des Wirksamwerdens von Richtlinien derselbe wie der Zeitpunkt ihres Inkrafttretens? Heute legt Art. 254 EG für zwei Arten von Richtlinien einen Zeitpunkt des „Inkrafttretens“ fest, behält jedoch für andere Richtlinien die Regelung bei, dass sie durch die Bekanntgabe „wirksam“ werden. Darin mag eine absichtliche semantische Unterscheidung zum Ausdruck kommen, allerdings enthält der Vertrag keine Hinweise, worin diese Unterscheidung bestehen könnte.

58.      Zwei Anhaltspunkte deuten darauf hin, dass tatsächlich der Zeitpunkt, zu dem die Mitgliedstaaten die Sechste Richtlinie spätestens zur Anwendung zu bringen hatten (ursprünglich der 1. Januar 1978, dann für alle Mitgliedstaaten außer Belgien und dem Vereinigten Königreich der 1. Januar 1979(25)), und nicht ein konkreter Zeitpunkt des Inkrafttretens maßgeblich ist.

59.      Erstens hat der Gerichtshof selbst, zumindest was Frankreich betrifft (das ebenso wie Dänemark die längere Frist bis zur Anwendung in Anspruch nehmen durfte), den 1. Januar 1979 als maßgeblich bezeichnet(26).

60.      Zweitens ist in Art. 176 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112, also der Neufassung von Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie, an die Stelle der Wendung „zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie“ die Formulierung „am 1. Januar 1979 beziehungsweise im Falle der nach diesem Datum der Gemeinschaft beigetretenen Mitgliedstaaten am Tag ihres Beitritts“ getreten.

61.      Allerdings kann ich mir diese Betrachtungsweise nur schwer zu eigen machen.

62.      Bereits aus dem Wesen einer Richtlinie folgt, dass der Zeitpunkt ihres Inkrafttretens in der Regel nicht derselbe Zeitpunkt ist, bis zu dem sie umgesetzt werden muss. Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle, wie auch im Fall der Sechsten Richtlinie, bedarf es hierzu einer Überprüfung und Anpassung der Rechtsvorschriften und Verwaltungspraktiken der Mitgliedstaaten(27). Da dieser Prozess einige Zeit in Anspruch nimmt, gibt es zwangsläufig einen Zeitraum, während dessen die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, sich auf das betreffende Ziel hinzubewegen, ohne dass sie es bereits erreicht haben müssen. Von den Mitgliedstaaten kann daher ein Hinbewegen auf ein Ziel – ein Wegbewegen ist nicht zulässig(28) – erst verlangt werden, wenn aufgrund eines Anfangszeitpunkts (ob dieser nun als Zeitpunkt des Wirksamwerdens oder als Zeitpunkt des Inkrafttretens bezeichnet wird) die Richtlinie Anwendung findet. Erst wenn die Umsetzungsfrist abgelaufen ist, kann dem Mitgliedstaat vorgeworfen werden, er habe seine Pflicht zur Erreichung des Ziels verletzt(29).

63.      Unbestreitbar waren die Mitgliedstaaten ab dem Zeitpunkt, zu dem ihnen die Sechste Richtlinie bekannt gegeben wurde, zu Maßnahmen verpflichtet, um die durch die Richtlinie vorgeschriebene Harmonisierung in ihren Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erreichen. Von diesem Zeitpunkt an durften sie auch keine Maßnahmen mehr erlassen, die geeignet sind, das vorgeschriebene Ziel ernstlich in Frage zu stellen(30). Angesichts des in Art. 17 Abs. 2 verankerten Grundsatzes der Abziehbarkeit der Vorsteuer und der begrenzten Ausnahmemöglichkeiten (die als solche eng auszulegen sind) in der Standstill-Klausel des Art. 17 Abs. 6 war es meines Erachtens zwangsläufig unzulässig, nach Wirksamwerden der Richtlinie, aber vor Ablauf der Frist für ihre vollständige Umsetzung neue Abzugsbeschränkungen einzuführen.

64.      Demzufolge meine ich, dass der Zeitpunkt, zu dem die Sechste Richtlinie im Sinne von Art. 17 Abs. 6 in Kraft getreten ist, der Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe an die Mitgliedstaaten, nämlich der 23. Mai 1977(31), war und dass lediglich vor diesem Zeitpunkt bestehende Abzugsbeschränkungen von der Standstill-Klausel erfasst werden können.

65.      Ich bin mir darüber im Klaren, dass diese Auffassung zu der Konsequenz führt, dass sich der Gerichtshof bei der Bezeichnung des 1. Januar 1979 als den für Frankreich maßgeblichen Zeitpunkt geirrt hat und dass mit der Richtlinie 2006/112 tatsächlich eine Änderung der Standstill-Klausel erfolgt ist.

66.      Zur erstgenannten Konsequenz stelle ich fest, dass der Gerichtshof in den mir bekannten Urteilen(32) seine Auffassung, maßgeblicher Zeitpunkt sei der 1. Januar 1979, nicht näher begründet hat. Im Übrigen hat es auch nicht den Anschein, als wenn sich in jenen Fällen an dem Ergebnis oder an der Würdigung etwas hätte ändern können, wenn der Gerichtshof vom 23. Mai 1977 als maßgeblichem Zeitpunkt ausgegangen wäre. Da es im vorliegenden Fall jedoch in gewissem Grad um Änderungen geht, die zwischen diesen beiden Zeitpunkten in den dänischen Mehrwertsteuervorschriften vorgenommen wurden, mag es angebracht sein, dass der Gerichtshof seinen Standpunkt jetzt klarstellt – gleichviel, ob meine Sichtweise richtig ist oder nicht.

67.      In Bezug auf die zweitgenannte Konsequenz bin ich der Auffassung, dass die Beibehaltung eines Ausschlusses, der bis 2006 nicht unter die Standstill-Klausel fiel und daher unzulässig war, nicht rückwirkend durch eine 2007 in Kraft getretene Änderung zulässig werden konnte. Wenn der Ausschluss von 1977 bis 2006 unzulässig war, kann außerdem meines Erachtens auch nicht von einer zulässigen Beibehaltung ab 2007 (bezogen auf einen vor 1977 gelegenen Zeitraum) ausgegangen werden. Sollte meine Sichtweise jedoch richtig sein, mag eine klärende Änderung von Art. 176 der Richtlinie 2006/112 erforderlich sein.

 War die nationale Abzugsbeschränkung zum maßgeblichen Zeitpunkt vorgesehen, so dass sie als in der Folgezeit beibehalten betrachtet werden kann?

68.      Zunächst ist zu beachten, dass Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie den Mitgliedstaaten lediglich die Befugnis zur Beibehaltung bestehender Ausschlüsse vom Abzugsrecht gibt und dass diese Bestimmung eng auszulegen ist(33).

69.      Der Begriff des Beibehaltens eines bestehenden Ausschlusses beinhaltet, dass der zum maßgeblichen Zeitpunkt herrschende Zustand aufrechterhalten wird. Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Regelung eines Mitgliedstaats, der bestehende Ausschlusstatbestände nach dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie ändert, indem er diese Tatbestände einschränkt, und dadurch der in Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie normierten allgemeinen Abzugsregelung näher kommt, durch die Ausnahmevorschrift des Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 gedeckt ist(34). Hingegen stellt eine Änderung, die die bestehenden Ausschlusstatbestände erweitert und sich damit vom Ziel der Richtlinie entfernt, keine nach Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 zulässige Ausnahme dar und verstößt gegen Art. 17 Abs. 2(35).

70.      Aus diesen beiden Feststellungen in Verbindung mit dem Gebot einer engen Auslegung von Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 folgt, dass ein Mitgliedstaat, sobald er bestehende Ausschlusstatbestände nach Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie eingeschränkt hat, später nicht wieder zum status quo ante zurückkehren kann. Mit anderen Worten: Hat der Mitgliedstaat seine Vorschriften erst einmal der allgemeinen Abzugsregelung der Richtlinie angenähert, kann er nicht wieder zurück und sich von der Regelung entfernen.

71.      Wenn die Sechste Richtlinie, wie ich meine, am 23. Mai 1977 in Kraft getreten ist, stellt sich die Frage, ob der Ausschlusstatbestand, der jetzt angewendet werden soll, zu diesem Zeitpunkt wirklich bestanden hat, denn er war – der von den Verfahrensbeteiligten unbestrittenen Darstellung des nationalen Rechts durch das vorlegende Gericht zufolge – zwar einerseits in den Rechtsvorschriften ausdrücklich vorgesehen, konnte aber andererseits bei Leistungen der hier streitigen Art keine Wirkung entfalten, weil auf diese Leistungen keine Mehrwertsteuer erhoben wurde, von der die Vorsteuer hätte abgezogen werden können.

72.      Meines Erachtens braucht dieses Problem im Rahmen des vorliegenden Falles jedoch nicht gelöst zu werden. Dies wäre nur erforderlich, wenn das Vorabentscheidungsersuchen Umsätze beträfe, die bei Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie befreit waren und danach einfach besteuert wurden, so dass ein bisher ruhender Befreiungsausschluss aktiviert worden wäre. Das ist indessen nicht der Fall. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft Umsätze, die nach dem 23. Mai 1977 steuerbar wurden, bei denen dann jedoch sofort auch ein Abzugsrecht entstand.

73.      Daher verhält es sich entweder so, dass der Ausschlusstatbestand bei Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie nicht bestanden hat, weil er keine Wirkung entfalten und in der Folgezeit nicht eingeführt werden konnte, oder dass der Ausschlusstatbestand zum maßgeblichen Zeitpunkt bestanden hat, die Kantinenbewirtung dann jedoch aufgrund der im November 1978 eingeführten Verwaltungspraktiken nicht mehr unter diesen Tatbestand fiel, so dass er später nicht erweitert werden konnte, um diese Leistungen wieder zu erfassen.

74.      Dass der Abzug aufgrund einer Verwaltungspraxis anstatt einer gesetzlichen Bestimmung zugelassen wurde, ist insoweit unerheblich. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs „umfasst der Begriff ‚innerstaatliche Rechtsvorschriften‘ im Sinne von Artikel 17 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Sechsten Richtlinie nicht nur Rechtsetzungsakte im eigentlichen Sinne, sondern auch die Verwaltungsakte und Verwaltungspraktiken der Behörden des betroffenen Mitgliedstaats“(36).

75.      Falls entgegen meiner Auffassung davon ausgegangen wird, dass die Sechste Richtlinie am 1. Januar 1979 in Kraft getreten ist, ist die Sache noch einfacher. Zu diesem Zeitpunkt konnte aufgrund der erwähnten Verwaltungspraxis bei der Kantinenbewirtung die Vorsteuer bereits uneingeschränkt abgezogen werden. Nach Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie durfte in der Folgezeit im nationalen Recht keine Beschränkung dieses Rechts mehr eingeführt werden.

 Ergebnis

76.      Nach alldem bin ich der Meinung, dass der Gerichtshof in Beantwortung der Fragen des Vestre Landsret in folgendem Sinne entscheiden sollte:

–        Zu Frage 4: Art. 5 Abs. 6 und/oder Art. 6 Abs. 2 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie erfassen die unentgeltliche Bewirtung von Geschäftspartnern durch ein steuerpflichtiges Unternehmen in der betriebseigenen Kantine, wenn die Bewirtung in erster Linie unternehmensfremden Zwecken dient. Solche Lieferungen oder Dienstleistungen können aber auch in erster Linie Zwecken des Unternehmens dienen, insbesondere wenn sie dazu bestimmt sind, die Effizienz von Sitzungen, an denen die Bewirteten teilnehmen, zu steigern, so dass solche Fälle nicht von den genannten Vorschriften erfasst werden.

–        Zu Frage 5: Dieselben Vorschriften erfassen die unentgeltliche Bewirtung von Arbeitnehmern durch ein steuerpflichtiges Unternehmen in der betriebseigenen Kantine, wenn die Bewirtung in erster Linie dem privaten Bedarf der Arbeitnehmer dient. Solche Lieferungen oder Dienstleistungen können aber auch in erster Linie Zwecken des Unternehmens des Arbeitgebers dienen, insbesondere wenn den Arbeitnehmern aufgrund der Unternehmenszwänge eine Wahl genommen wird, die sie andernfalls gehabt hätten, und sie die Bewirtung in Anspruch nehmen müssen, so dass solche Fälle nicht von den genannten Vorschriften erfasst werden.

–        Lieferungen oder Dienstleistungen dürfen gemäß Art. 5 Abs. 6 und/oder Art. 6 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie auf jeden Fall nur dann einer Lieferung oder Dienstleistung gegen Entgelt gleichgestellt werden, wenn die im Fall einer solchen Gleichstellung die Besteuerungsgrundlage bildenden Gegenstände oder Dienstleistungen zu einem vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt haben.

–        Zu den Fragen 1 bis 3: Nach Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie darf ein Mitgliedstaat keine Abzugsbeschränkung für Ausgaben „beibehalten“, bei denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie aufgrund einer Verwaltungspraxis ein Abzugsrecht anerkannt war, selbst wenn die Abzugsbeschränkung in den nationalen Rechtsvorschriften theoretisch vorgesehen war. Sobald ein Mitgliedstaat nach Inkrafttreten der Richtlinie den Abzug der Mehrwertsteuer bei bestimmten Ausgaben zugelassen hat, darf er diese Ausgaben später nicht wieder vom Abzugsrecht ausschließen, selbst wenn ein solcher Ausschluss bei Inkrafttreten der Richtlinie vorgesehen war.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, vielfach geändert, im Folgenden: Sechste Richtlinie). Sie wurde mit Wirkung vom 1. Januar 2007 ersetzt durch die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1), die im Interesse der Klarheit und Wirtschaftlichkeit eine Neufassung der Struktur und des Wortlauts der anwendbaren Gemeinschaftsvorschriften über die Mehrwertsteuer bezweckt, jedoch ohne dass dies grundsätzlich zu inhaltlichen Änderungen des geltenden Rechts führen soll (3. Erwägungsgrund). Soweit daher im Folgenden auf Bestimmungen der Richtlinie 2006/112 verwiesen wird, impliziert dies nicht, dass die entsprechenden Vorschriften der Sechsten Richtlinie in ihrem Wortlaut identisch sind.


3 – Vgl. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie 2006/112.


4 – Vgl. Art. 73 der Richtlinie 2006/112.


5 – Vgl. Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112.


6 – Vgl. Art. 167 der Richtlinie 2006/112.


7 – Vgl. Art. 16 der Richtlinie 2006/112.


8 – Vgl. Art. 26 der Richtlinie 2006/112.


9 – Vgl. Art. 74 f. der Richtlinie 2006/112.


10 – Vgl. Art. 176 der Richtlinie 2006/112.


11 – Danfoss, eine der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, trägt – insoweit unwidersprochen – vor, dass von Restaurants erbrachte Dienstleistungen der Mehrwertsteuer unterlegen hätten, so dass die Vorsteuer grundsätzlich habe abgezogen werden können.


12 – Ich stelle jedoch fest, dass diese Leistungen in der Praxis mehrwertsteuerlich offenbar genauso behandelt wurden, wie dies der Fall gewesen wäre, wenn sie als Entnahmen angesehen worden wären.


13 – Der Grundsatz als solcher ist in Art. 2 der Ersten Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (ABl. L 71, S. 1301) und jetzt in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 verankert.


14 – Vgl. den achten Erwägungsgrund der in Fn. 13 angeführten Ersten Richtlinie.


15 – Vgl. z. B. Urteil vom 8. Januar 2002, Metropol und Stadler (C-409/99, Slg. 2002, I-81, Randnrn. 58 f.).


16 – Im Gegensatz etwa zu Tatbeständen wie Ausfuhren, grenzüberschreitende Umsätze, Umsätze zum Nullsatz oder Erwerbe zum Zweck beabsichtigter, dann tatsächlich aber nicht stattfindender steuerbarer Umsätze, bei denen jeweils ein Abzugsrecht entsteht, selbst wenn der Abzug nicht von einer tatsächlichen Mehrwertsteuer auf bewirkte Umsätze erfolgen kann.


17 – Komplexe Leistungen, die aus der Lieferung von Gegenständen und der Erbringung von Dienstleistungen bestehen, sind nach den dominierenden Bestandteilen einzustufen; vgl. z. B. Urteil vom 27. Oktober 2005, Levob Verzekeringen und OV Bank (C-41/04, Slg. 2005, I-9433, Randnr. 27).


18 – Kategorien, die entsprechend der ursprünglichen Absicht nicht länger als bis 1981 relevant sein sollten – vgl. oben, Nrn. 9 f., und unten, Nrn. 62 ff.


19 – Falls sie in vollem Umfang als steuerbefreite Umsätze einzustufen sind, besteht kein Abzugsrecht (siehe oben, Nr. 36); falls sie teils als steuerbefreite Umsätze und teils als zu besteuernde Umsätze einzustufen sind, ergibt sich der abziehbare Anteil aus der Pro-rata-Regelung nach Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie.


20 – Im Urteil vom 2. Mai 1996, Faaborg-Gelting Linien (C-231/94, Slg. 1996, I-2395, Randnrn. 12 bis 14), hat der Gerichtshof differenziert zwischen Nahrungsmitteln zum Mitnehmen und Speisen, neben denen Dienstleistungen erbracht werden, die den Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalten sollen; vgl. auch Urteil vom 10. März 2005, Hermann (C-491/03, Slg. 2005, I-2025, Randnrn 18 bis 28).


21 – Vgl. entsprechend Urteil vom 16. Oktober 1997, Fillibeck (C-258/95, Slg. 1997, I-5577, Randnr. 20).


22 – Urteil vom 20. Januar 2005 (C-412/03, Slg. 2005, I-743, Randnr. 23) unter Verweisung auf die Urteile vom 6. Mai 1992, De Jong (C-20/91, Slg. 1992, I-2847, Randnr. 15), vom 26. September 1996, Enkler (C-230/94, Slg. 1996, I-4517, Randnrn. 33 und 35), Fillibeck, in Fn. 21 angeführt, Randnr. 25, vom 8. März 2001, Bakcsi (C-415/98, Slg. 2001, I-1831, Randnr. 42), und vom 17. Mai 2001, Fischer und Brandenstein (C-322/99 und C-323/99, Slg. 2001, I-4049, Randnr. 56).


23 – Vgl. Urteil vom 19. September 2000, Ampafrance und Sanofi (C-177/99 und C-181/99, Slg. 2000, I-7013, insbesondere Randnrn. 56 bis 58).


24 – Urteil Fillibeck, in Fn. 21 angeführt, Randnrn. 19 bis 34.


25 – Vgl. Art. 1 der Sechsten Richtlinie bzw. Art. 1 der Neunten Richtlinie 78/583/EWG des Rates vom 26. Juni 1978 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern (ABl. L 194, S. 16).


26 – Vgl. Urteile Ampafrance und Sanofi, in Fn. 23 angeführt, Randnrn. 5 und 9, vom 14. Juni 2001, Kommission/Frankreich (C-345/99, Slg. 2001, I-4493, Randnr. 6), und vom 14. Juni 2001, Kommission/Frankreich (C-40/00, Slg. 2001, I-4539, Randnrn. 5 und 9).


27 – Eine Ausnahme bildet namentlich die Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 204, S. 37), in der ein Zeitpunkt des Inkrafttretens, aber keine Umsetzungsfrist festgelegt ist – da in jener Richtlinie lediglich ein von den Mitgliedstaaten einzuhaltendes Informationsverfahren vorgesehen ist, bestand grundsätzlich keine Notwendigkeit zu einer Anpassung der einzelstaatlichen Vorschriften.


28 – Urteil vom 18. Dezember 1997, Inter-Environnement Wallonie (C-129/96, Slg. 1997, I-7411), und die darauf aufbauende spätere Rechtsprechung.


29 – Vgl. auch Prechal, S., Directives in EC Law, Oxford EC Law Library, 2. Aufl., 2004, S. 18 ff.


30 – Vgl. Urteil Inter-Environnement Wallonie, in Fn. 28 angeführt, Randnr. 45.


31 – Ausweislich der EUR-Lex-Datenbank der Kommission.


32 – In Fn. 26 angeführt.


33 – Vgl. oben, Nr. 35 und Fn. 15.


34 – Urteile Kommission/Frankreich (C-345/99, in Fn. 26 angeführt, Randnrn. 22 bis 24) sowie Metropol und Stadler, in Fn. 15 angeführt, Randnr. 45.


35 – Urteile Kommission/Frankreich (C-40/00, in Fn. 26 angeführt, Randnrn. 17 bis 20) sowie Metropol und Stadler, in Fn. 15 angeführt, Randnr. 46.


36 – Urteil Metropol und Stadler, in Fn. 15 angeführt, Randnr. 49.