Available languages

Taxonomy tags

Info

References in this case

References to this case

Share

Highlight in text

Go

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

VERICA TRSTENJAK

vom 9. Dezember 2008(1)

Rechtssache C-572/07

RLRE Tellmer Property s.r.o.

gegen

Finanční ředitelství v Ústí nad Labem

(Vorabentscheidungsersuchen des Krajský soud v Ústí nad Labem

[Tschechische Republik])

„Steuerrecht – Harmonisierung – Umsatzsteuern – Auslegung der Art. 6 und 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Grundsatz der Steuerneutralität – Steuerbefreiungen nach der Sechsten Richtlinie – Befreiung der Vermietung von Grundstücken – Vermietung einer Wohnung oder eines nicht zu Wohnzwecken genutzten Raums – Mit der Vermietung zusammenhängende Reinigung von Gemeinschaftsräumen eines Mietshauses“





I –    Einleitung

1.        Mit seiner Vorlage zur Vorabentscheidung nach Art. 234 EG stellt das Krajský soud (Regionalgericht) v Ústí nad Labem (im Folgenden: vorlegendes Gericht) dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zwei Fragen betreffend die Auslegung von Art. 6 und 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Sechste Richtlinie)(2).

2.        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft RLRE Tellmer Property sro (im Folgenden: Klägerin) und der nationalen Finanzverwaltung (Finančni ředitelství, im Folgenden: Beklagte), bei der es um den Umfang der Befreiung der Einkünfte aus der Vermietung von Wohnungen von der Mehrwertsteuer geht. Die Parteien des Ausgangsverfahrens streiten im Einzelnen darüber, ob die mit der Vermietung von Wohnungen zusammenhängende Reinigung von Gemeinschaftsräumen eines Mietshauses eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, die der Mehrwertsteuer unterliegt.

II – Normativer Rahmen

A –    Gemeinschaftsrecht

3.        Nach Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen im Inland erbrachte entgeltliche Dienstleistungen grundsätzlich der Mehrwertsteuer.

4.        Art. 6 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie bestimmt Folgendes:

„Als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands im Sinne des Artikels 5 ist.

Diese Leistung kann unter anderem bestehen

–        in der Abtretung eines unkörperlichen Gegenstands, gleichgültig, ob in einer Urkunde verbrieft oder nicht;

–        in der Verpflichtung, eine Handlung zu unterlassen oder eine Handlung oder einen Zustand zu dulden;

–        in der Ausführung eines Dienstes auf Grund einer behördlichen Anordnung oder kraft Gesetzes.“

5.        Die Befreiung der Vermietung von Wohnungen von der Mehrwertsteuer regelt Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie wie folgt:

„Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, von der Steuer:

b) die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken mit Ausnahme

1. der Gewährung von Unterkunft im Hotelgewerbe entsprechend den gesetzlichen Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten oder in Sektoren mit ähnlicher Zielsetzung, einschließlich der Vermietung in Ferienlagern oder auf als Campingplätze erschlossenen Grundstücken,

2. der Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen,

3. der Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen,

4. der Vermietung von Schließfächern.

Die Mitgliedstaaten können weitere Ausnahmen vom Geltungsbereich dieser Vorschrift vorsehen …“

B –    Nationales Recht

6.        Die Anwendung der Mehrwertsteuer in der Tschechischen Republik ist seit dem Beitritt zur Europäischen Union im Gesetz Nr. 235/2004 über die Mehrwertsteuer geregelt. § 56 Abs. 4 dieses Gesetzes, der die Überschrift „Übertragung und Vermietung von Grundstücken, Gebäuden, Wohnungen und von nicht zu Wohnzwecken genutztem Raum, Vermietung sonstiger Vorrichtungen“ trägt, regelt die Befreiung von der Mehrwertsteuer bei der Vermietung von Eigentum wie folgt:

„Die Vermietung von Grundstücken, Gebäuden, Wohnungen und von nicht zu Wohnzwecken genutztem Raum ist von der Mehrwertsteuer befreit. Die Befreiung findet keine Anwendung auf die kurzzeitige Vermietung von Gebäuden, die Vermietung eines Raums oder Platzes für das Abstellen von Fahrzeugen, die Vermietung von Schließfächern oder von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen. Unter einer kurzzeitigen Vermietung ist die Vermietung einschließlich sämtlicher beweglicher Innenausstattung, gegebenenfalls außerdem Strom-, Heizungs-, Klimatisierungs-, Gas- oder Wasserversorgung, für längstens 48 Stunden ohne Unterbrechung zu verstehen.“

III – Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

7.        Die Klägerin ist Eigentümerin von Häusern mit Mietwohnungen. Neben der regulären Mietzahlung erhält sie von ihren Mietern eine Gegenleistung für die – gesondert in Rechnung gestellte – Reinigung von Gemeinschaftsräumen, die sie durch ihre eigenen Hausmeister durchführen lässt.

8.        Nachdem die nationalen Steuerbehörden eine zu niedrige Festsetzung der Mehrwertsteuer festgestellt hatten, beschlossen sie, für die Klägerin für den Monat Mai des Jahres 2006 die Mehrwertsteuer um zusätzlich 155 911 CZK für die aufgrund ihrer Reinigungstätigkeit bezogenen Vergütungen zu erhöhen. Nachdem die Finanzdirektion von Ústí nad Labem am 5. Februar 2007 die Entscheidung des Finanzamts Litvínov vom 20. September 2006 bestätigt hatte, reichte die Klägerin eine Klage beim vorlegenden Gericht ein.

9.        Die Klägerin macht geltend, dass diese wirtschaftliche Tätigkeit von der Mehrwertsteuer befreit sei. Sie ist der Ansicht, dass die Vermietung und die Dienstleistungen, die mit der Nutzung der vermieteten Wohnung zusammenhingen, unteilbare Dienstleistungen darstellten. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf das Gemeinschaftsrecht, insbesondere auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, woraus hervorgehe, dass unteilbare Leistungen einer einzigen Mehrwertsteuerregelung unterlägen, im vorliegenden Fall also der von der Mehrwertsteuer befreiten Vermietung.

10.      Das vorlegende Gericht räumt Unsicherheiten bei der Auslegung der einschlägigen Rechtsnormen ein, wobei diese Unsicherheiten nicht nur das tschechische Recht, sondern auch das Gemeinschaftsrecht beträfen. Es hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.         Sind Art. 6 (Dienstleistungen) und Art. 13 (Befreiungen [im Inland]) der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern − Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage dahin auszulegen, dass zum einen die Vermietung einer Wohnung (gegebenenfalls eines nicht zu Wohnzwecken genutzten Raums) und zum anderen die mit ihr zusammenhängende Reinigung von Gemeinschaftsräumen als selbständige, voneinander trennbare Umsätze angesehen werden können?

2.         Wenn … die erste Frage verneint wird, stellt sich die Frage, ob die Bestimmungen des Art. 13 der genannten Richtlinie, insbesondere seine Einleitung und Teil B Buchst. b, die Anwendung der Mehrwertsteuer auf die Vergütung für die Reinigung von Gemeinschaftsräumen eines Mietshauses mit Wohnungen, erstens, verlangen, zweitens, ausschließen oder, drittens, der Entscheidung des Mitgliedstaats überlassen.

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

11.      Der Vorlagebeschluss mit Datum vom 18. Dezember 2007 ist am 24. Dezember 2007 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen.

12.      Schriftliche Erklärungen haben die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Regierungen der Tschechischen Republik und der Hellenischen Republik sowie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften innerhalb der in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs genannten Frist eingereicht.

13.      In der mündlichen Verhandlung vom 6. November 2008 sind die Prozessbevollmächtigten der Klägerin des Ausgangsverfahrens, der Regierungen der Tschechischen Republik und der Hellenischen Republik sowie der Kommission erschienen, um Ausführungen zu machen.

V –    Wesentliche Argumente der Parteien

14.      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung die heutige Praxis der Abrechnung von Reinigungsleistungen in der Tschechischen Republik erläutert. Zudem hat sie die Auffassung vertreten, die Vermietung von Räumen und die Reinigung von Gemeinschaftsräumen stellten eine Gesamtleistung dar, die der Mehrwertsteuer nicht unterliege. Ferner hat sie auf die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung des Begriffs der „Vermietung von Grundstücken“ durch den Gerichtshof hingewiesen, um voneinander abweichende Auslegungen in den Mitgliedstaaten zu vermeiden.

15.      Die Beklagte des Ausgangsverfahrens erklärt unter Verweis auf die Regelungen des Mietrechts im tschechischen Bürgerlichen Gesetzbuch, dass eine Unterkunft als Gegenstand eines Mietvertrags sich aus einer Ansammlung von Räumen zusammensetze, die aufgrund ihrer technischen und funktionellen Merkmale sowie aufgrund ihrer Ausstattung alle Voraussetzungen zum Wohnen erfülle. Sie macht geltend, dass Gemeinschaftsräume in rechtlicher und praktischer Hinsicht nicht zu Wohnzwecken vermietet werden könnten. Aus diesem Grund schlägt die Beklagte vor, die erste Vorlagefrage zu bejahen.

16.      Im Zusammenhang mit der zweiten Vorlagefrage bezweifelt die Beklagte die Notwendigkeit einer Auslegung der Sechsten Richtlinie im Rahmen der vorliegenden Rechtssache, da die in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht erlassene nationale Gesetzgebung eine eindeutige Antwort darauf gebe, und zwar dahin gehend, dass die Vermietung von Grundstücken von der Mehrwertsteuer befreit sei, dies aber nicht für jene Dienstleistungen gelte, die als unabhängige Dienstleistungen erbracht werden, auch wenn sie einen Zusammenhang mit der steuerbefreiten Leistung aufweisen.

17.      Die tschechische Regierung ist der Auffassung, dass die Fragen des vorlegenden Gerichts dahin gehend zu verstehen seien, dass dieses den Gerichtshof darum ersuche, zu beurteilen, ob in einer Situation, in der der Vermieter dem Mieter neben der eigentlichen Vermietung eine Dienstleistung in Form der Reinigung von Gemeinschaftsräumen eines Mietshauses anbiete, die fragliche Reinigungsleistung und die Vermietung gemeinsam eine komplexe Dienstleistung darstellten und ob diese als solche unter die in Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen falle.

18.      Ferner erinnert die tschechische Regierung an den Hauptzweck des Begriffs der Gesamtleistung, der darin bestehe, einer unnötigen Beeinträchtigung des Mehrwertsteuersystems vorzubeugen, die aus einer künstlichen Aufspaltung einer wirtschaftlich einheitlichen Dienstleistung resultieren könnte. Diesem Zweck würde nicht Rechnung getragen, wenn man im Ausgangsfall von einer solchen Gesamtleistung ausginge.

19.      Die tschechische Regierung schlägt daher vor, die Vorlagefragen dahin gehend zu beantworten, dass dem nationalen Gericht die Beurteilung obliegt, ob eine Dienstleistung, die in der Erbringung von Reinigungsleistungen besteht, und eine Dienstleistung, die in der Vermietung von Wohnungen besteht, im Ganzen die Voraussetzungen einer Gesamtleistung im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs erfüllen. Dessen ungeachtet vertritt sie, angesichts der konkreten Umstände, die Auffassung, dass dies im Ausgangsfall nur verneint werden könne.

20.      Sollte das nationale Gericht dennoch zu einem anderen Ergebnis kommen, ist die tschechische Regierung der Meinung, dass eine Übertragung des Begriffs der Gesamtleistung auf den Ausgangsfall im Widerspruch zu den Grundsätzen der Steuerneutralität und der engen Auslegung der in der Sechsten Richtlinie enthaltenen Ausnahmebestimmungen steht.

21.      Die Kommission trägt zum einen vor, dass die Befreiungen in Art. 13 der Sechsten Richtlinie autonome Begriffe des Gemeinschaftsrechts seien, die autonom ausgelegt werden müssten. Da diese Befreiungen zudem Ausnahmecharakter hätten, müssten sie auch eng ausgelegt werden. Ferner fragt sich die Kommission im Hinblick auf das Urteil Faalborg-Gelting Linien(3), ob die Reinigung von Gemeinschaftsräumen eines Mietshauses nicht als eine Nebenleistung gegenüber der Hauptleistung der Vermietung betrachtet werden könnte.

22.      Dementsprechend schlägt die Kommission dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen dahin gehend zu beantworten, dass die Mehrwertsteuerbefreiung für die Vermietung von Wohnungen gemäß Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie zwar ausschließlich auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Vermietung Anwendung finde, jedoch eine in der Reinigung von Gemeinschaftsräumen bestehende Dienstleistung unter die oben genannte Befreiung fallen könne, sofern diese als Nebenleistung Bestandteil des Mietvertrags sei. Dem nationalen Richter obliege es, festzustellen, ob die Reinigung von Gemeinschaftsräumen Bestandteil der Vermietung sei, wobei er gegebenenfalls sowohl den Wortlaut des Mietvertrags als auch die etablierte Praxis beurteilen müsse.

23.      Die griechische Regierung lehnt eine weite Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie ab. Ihrer Meinung nach hätte eine Bevorzugung der Rechtsauffassung der Klägerin zur Folge, dass jede Aufwendung mit dem Ziel der Verbesserung der Nutzungsbedingungen des Mietobjekts in den Anwendungsbereich der oben genannten Bestimmung fiele. Daher schlägt die griechische Regierung vor, die Vorlagefragen dahin gehend zu beantworten, dass die Vermietung einer Wohnung oder eines nicht zu Wohnzwecken genutzten Raums als eine von der Reinigung von Gemeinschaftsräumen verschiedene Dienstleistung betrachtet werden müsse. Es handele sich um zwei unterschiedliche Leistungen, wobei die eine – die Vermietung – von der Mehrwertsteuer befreit sei, während die andere – die Reinigung von Gemeinschaftsräumen – der Mehrwertsteuer unterliege.

VI – Rechtliche Würdigung

A –    Einleitende Ausführungen

24.      Die Erweiterungen der Europäischen Union um zehn neue Mitgliedstaaten am 1. Mai 2004 und um weitere zwei am 1. Januar 2007 stellen wichtige Ereignisse in der Geschichte dieses Integrationssystems mit weitgehenden geopolitischen Folgen dar. Neben der Erlangung des Status als Mitgliedstaat mit den damit einhergehenden Rechten haben die Erweiterungen für die neuen Mitgliedstaaten allerdings auch die Verpflichtung zur Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstands („acquis communautaire“), einschließlich der mehrwertsteuerrechtlichen Regelungen, in die eigenen nationalen Rechtsordnungen mit sich gebracht(4). Der Beitritt zur Europäischen Union bedeutete somit gleichzeitig den Beitritt zum gemeinsamen Mehrwertsteuersystem, einem harmonisierten System der Besteuerung von Umsätzen, das im Wesentlichen ein fiskalisches sowie ein wirtschaftspolitisches Ziel verfolgt.

25.      Während Ersteres im Zusammenhang mit der finanziellen Ausstattung der Gemeinschaft durch Eigenmittel steht(5), besteht der wirtschaftspolitische Zweck der Harmonisierung darin, die durch unterschiedliche Mehrwertsteuersysteme bedingten Faktoren auszuschalten, die geeignet sind, die Wettbewerbsbedingungen sowohl auf nationaler Ebene als auch auf Gemeinschaftsebene zu verfälschen(6). Um die Wirksamkeit dieses gemeinsamen Mehrwertsteuersystems sicherzustellen, ist daher eine einheitliche Umsetzung und Auslegung der Mehrwertsteuerrichtlinien notwendig, einschließlich der in der Sechsten Richtlinie enthaltenen Befreiungen(7), um die es in der vorliegenden Rechtssache geht.

26.      Die Vorlagefragen sind auf die Auslegung der Regelung über die Mehrwertsteuerbefreiung für die Vermietung von Grundstücken in Art. 13 Teil B Buchst. b gerichtet. Dabei zielt die erste Frage im Wesentlichen darauf, ob die Reinigung von Gemeinschaftsräumen in einem Mietshaus vom Begriff der „Vermietung“ umfasst ist, mit der Folge, dass die Vergütung, die ein Vermieter vom Mieter für die Verrichtung dieser Tätigkeit erhält, ebenso wie der Mietzins als von der Mehrwertsteuerpflicht befreit anzusehen ist. Die zweite Frage ist nur für den Fall gestellt, dass ein entsprechender begrifflicher Zusammenhang zwischen beiden Dienstleistungen vom Gerichtshof verneint wird, und betrifft die Grundsatzfrage, ob eine Besteuerungspflicht sich aus dem Gemeinschaftsrecht oder aus dem nationalen Recht ableiten lässt.

B –    Zur ersten Frage

1.      Der Begriff der „Vermietung“ im Sinne des Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie

27.      Eine Beantwortung der Frage, ob die Reinigung von Gemeinschaftsräumen vom Begriff der „Vermietung“ gedeckt ist, erfordert zunächst eine Auslegung der Sechsten Richtlinie und insbesondere ihres Art. 13 Teil B Buchst. b, wobei nicht nur auf die in der Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte üblichen Auslegungsmethoden, sondern auch auf die für das Mehrwertsteuerrecht der Gemeinschaft charakteristischen Auslegungsmaximen zurückzugreifen ist(8). Die genaue Einordnung eines steuerbaren Umsatzes ist wiederum mittels einer Gesamtbetrachtung aller Umstände anzustellen, unter denen der Umsatz erfolgt(9).

28.      Aus der Systematik der Sechsten Richtlinie ergibt sich einerseits, dass sie den Anwendungsbereich für die Mehrwertsteuer sehr weit fasst, indem sie in Art. 2, der die steuerbaren Umsätze betrifft, neben der Einfuhr von Gegenständen die im Inland gegen Entgelt ausgeführten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen nennt und in Art. 4 Abs. 1 als Steuerpflichtigen definiert, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit selbständig ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis(10). Der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit erfasst nach Art. 4 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden.

29.      Andererseits sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Art. 13 der Sechsten Richtlinie umschrieben sind, eng auszulegen, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt(11).

30.      Darüber hinaus hat der Gerichtshof im Hinblick auf die in Art. 13 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiungen in ständiger Rechtsprechung erklärt, dass diese eigenständige Begriffe des Gemeinschaftsrechts darstellen und daher eine gemeinschaftsrechtliche Definition erfordern(12).

31.      Zwar definiert Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie den Begriff der „Vermietung von Grundstücken“ nicht und verweist auch nicht auf seine Definition in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten(13). Gleichwohl hat der Gerichtshof diesen Begriff in zahlreichen Urteilen unter Berücksichtigung des Sachzusammenhangs sowie nach den Zielsetzungen und der Systematik dieser Richtlinie(14) dahin definiert, dass „dem Mieter vom Vermieter eines Grundstücks auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, dieses Grundstück in Besitz zu nehmen und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen“(15). Zugleich hat der Gerichtshof aber betont, dass der Ausdruck „Vermietung und Verpachtung“ in Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts weiter als die entsprechenden Begriffe der einzelnen Rechte zu verstehen ist(16).

32.      Die Reinigungsleistungen, die die Klägerin ihren Mietern gegenüber erbringt, entsprechen – streng betrachtet und unter Zugrundelegung der oben genannten Auslegungsmaximen – nicht der obigen Definition der „Vermietung“ im Sinne des Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie. Die gegen Entgelt verrichtete Tätigkeit der Reinigung von Gemeinschaftsräumen geht eindeutig über die bloße entgeltliche Überlassung von Räumen zu Nutzungszwecken hinaus. Sie impliziert nämlich eine aktive Tätigkeit, in diesem Fall des Vermieters selbst, die sich grundlegend von der vom Gerichtshof in den Urteilen „Goed Wonen“(17) und Temco Europe(18) als „passiv“ eingestuften Tätigkeit der Vermietung von Grundstücken unterscheidet.

2.      Zusammenhängende Dienstleistungen im Sinne der Rechtsprechung

33.      Dessen ungeachtet wäre es aus der Sicht des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich denkbar, auch solche Reinigungsleistungen als „Vermietung“ im Sinne des Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie einzuordnen, vorausgesetzt, es handelte sich dabei nur um eine Nebenleistung innerhalb einer aus mehreren Leistungen zusammengesetzten Gesamtleistung, so dass die Umsätze, die durch beide Tätigkeiten erzielt würden, als einheitlicher Umsatz anzusehen wären.

34.      Wie der Gerichtshof abermals erklärt hat, ist die Frage, ob ein aus mehreren Leistungen bestehender Umsatz als einheitlicher Umsatz oder als mehrere eigene und selbständige Einzelleistungen anzusehen ist, die getrennt zu beurteilen sind, aus mehrwertsteuerlicher Sicht u. a. für die Anwendung des Steuersatzes, aber auch für die Anwendung der in der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiungen von besonderer Bedeutung(19).

35.      Die Sechste Richtlinie enthält keine besondere Bestimmung darüber, unter welchen Bedingungen mehrere zusammenhängende Leistungen als eine Gesamtleistung zu behandeln sind. Vielmehr ergeben sich die maßgeblichen Beurteilungskriterien unmittelbar aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs.

36.      Bei der Ermittlung des Wesens einer zusammengesetzten Leistung stehen sich zwei Ziele gegenüber. Zum einen gilt es, die verschiedenen Einzelleistungen ihrem Charakter entsprechend differenziert zu beurteilen. Zum anderen gilt es, das Funktionieren des Mehrwertsteuersystems nicht dadurch zu gefährden, dass wirtschaftlich einheitliche Dienstleistungen künstlich aufgespalten werden(20). Eine zu starke Aufspaltung einer Gesamtleistung in gesondert zu qualifizierende Einzelleistungen verkompliziert nämlich die Anwendung der Mehrwertsteuervorschriften(21). In jedem Fall ist bei der Prüfung ein objektiver Maßstab anzulegen. Auf die subjektive Sicht des Leistungserbringers und/oder -empfängers kommt es nicht an.

37.      Aus Art. 2 der Sechsten Richtlinie ergibt sich, dass jeder Umsatz in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten ist(22), jedoch sind unter bestimmten Umständen mehrere formal unterschiedliche Einzelleistungen, die getrennt erbracht werden und damit jede für sich zu einer Besteuerung oder Befreiung führen könnten, als ein einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind(23).

38.      Dies ist z. B. der Fall, wenn schon nach einer anhand objektiver Kriterien durchgeführten Analyse festgestellt wird, dass eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder die anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen(24). Insbesondere ist eine Leistung als Neben- und nicht als Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen(25). Eine einheitliche Leistung liegt auch dann vor, wenn der Steuerpflichtige zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre(26).

39.      Betrachtet man die Sach- und Rechtslage, die dem Ausgangsverfahren zugrunde liegt, so spricht meines Erachtens wenig für eine Einstufung der streitgegenständlichen Dienstleistung als Nebenleistung.

40.      Zwar trifft es zu, dass die Reinigung von Gemeinschaftsräumen in der Regel eine wesentliche Voraussetzung für eine normale Nutzung des Mietobjekts ist. Gleichwohl betrifft diese Tätigkeit, wie die griechische Regierung und die Beklagte zu Recht ausführen, nicht die spezifisch zu Wohnzwecken überlassenen Räume, die den eigentlichen Gegenstand eines Mietvertrags darstellen, sondern lediglich die für jede Person zugänglichen, nicht als Unterkunft geeigneten Gemeinschaftsräume innerhalb eines Mietshauses. Entsprechendes gilt für die Vermietung von Räumen zu sonstigen Zwecken, etwa von Büroräumen, die eine Bürotätigkeit nur innerhalb der dafür vorgesehenen Wände erlauben. Insofern lässt sich bereits sowohl eine räumliche als auch eine zweckbestimmte Begrenzung der streitgegenständlichen Dienstleistung feststellen.

41.      Abgesehen davon liegt keine Aufspaltung einer einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Leistung vor, wenn zwischen der wirtschaftlichen Tätigkeit der Vermietung von Wohnungen und der Tätigkeit der Reinigung von Gemeinschaftsräumen unterschieden wird. Beide Tätigkeiten sind nicht so eng miteinander verbunden, dass eine Abgrenzung wirklichkeitsfremd erschiene, zumal für gewöhnlich der Regelungsautonomie der Vertragsparteien überlassen bleiben wird, wer diese Aufgabe im konkreten Fall zu übernehmen hat. Wie die tschechische Regierung mit Hinweis auf die heutige Praxis in der Tschechischen Republik darlegt(27), kann die Reinigung von Gemeinschaftsräumen im Prinzip auf drei verschiedene Weisen geregelt werden: (1) die Mieter übernehmen diese Aufgabe selbst; (2) die Reinigungsleistungen werden von einem Dritten erbracht, der sie den Mietern anschließend in Rechnung stellt; (3) die Reinigung von Gemeinschaftsräumen wird vom Vermieter sichergestellt, sei es über eigene Angestellten (z. B. Hausmeister) oder über ein eigens damit beauftragtes Reinigungsunternehmen. An der Vielzahl möglicher Fallkonstellationen wird deutlich, dass weder das Recht auf Nutzung noch die tatsächliche Möglichkeit des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Wohnungen ernsthaft gefährdet werden, wenn die Reinigungsleistungen ausnahmsweise nicht vom Vermieter übernommen werden.

3.      Zum Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer

42.      Diese Vielzahl möglicher Varianten ist auch unter dem Gesichtspunkt der Steuerneutralität und der kohärenten Anwendung der Bestimmungen der Sechsten Richtlinie relevant. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass die Beachtung des Grundsatzes der Steuerneutralität gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine wesentliche Rolle u. a. auch bei der Anwendung der in Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiungen spielt(28).

43.      Der Grundsatz der Steuerneutralität, der in Art. 2 der Ersten Richtlinie(29) Ausdruck gefunden hat und im Übrigen dem Gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrunde liegt, wie sich auch der vierten und der fünften Begründungserwägung der Sechsten Richtlinie entnehmen lässt, besagt, dass alle wirtschaftlichen Tätigkeiten gleich zu behandeln sind(30). Der Gerichtshof hat diesen Grundsatz in den Urteilen Cimber Air(31) und Jyske Finans(32) dahin gehend präzisiert, dass er es nicht zulässt, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze tätigen, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden.

44.      Legt man die erste der in Nr. 41 dieser Schlussanträge genannten Fallkonstellationen zugrunde, so kommt man zu dem Schluss, dass die Reinigung von Gemeinschaftsräumen nicht der Mehrwertsteuer unterliegen kann, da es sich dabei weder um eine Lieferung von Gegenständen noch um eine Dienstleistung im Sinne des Art. 2 der Sechsten Richtlinie handelt.

45.      Legt man hingegen die zweite Fallkonstellation zugrunde, so ist festzustellen, dass diese wirtschaftliche Tätigkeit, wie jede andere Dienstleistung auch, der Mehrwertsteuer unterliegt. Als solche weist sie keinen Bezug zur Vermietung auf und muss daher vor dem Hintergrund des bereits erwähnten Grundsatzes, wonach jeder Umsatz in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten ist(33), steuerrechtlich anders behandelt werden und zwar dahin gehend, dass auf sie die Mehrwertsteuerbefreiung gemäß Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie nicht angewandt werden darf. Darauf weisen sowohl das vorlegende Gericht in seinem Vorlagebeschluss(34) als auch die tschechische Regierung(35) zutreffend hin.

46.      Die dritte Fallkonstellation, die Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, unterscheidet sich bei objektiver Betrachtung von der zweiten Variante allein darin, dass derjenige, der die Reinigungsleistungen erbringt, zugleich der Vermieter ist. Es stellt sich daher die Frage, ob es gerechtfertigt ist, allein wegen der Personenidentität von Vermieter und Leistungserbringer in der Reinigung von Gemeinschaftsräumen von vornherein eine unselbständige Nebenleistung gegenüber der Vermietung anzunehmen. Dieser Umstand kann, wie der Gerichtshof im Urteil Henriksen(36) angedeutet hat, zwar unter Umständen ein Indiz für das Vorliegen eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs darstellen, ist jedoch für sich allein nicht ausschlaggebend. Denn genauso gut lässt sich die Tatsache, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens die Reinigungsleistungen gesondert und keinen,auch den Mietzins einschließenden Gesamtpreis in Rechnung stellt, als Indiz für das Vorliegen einer selbständigen Leistung anführen. Wie der Gerichtshof im Urteil CPP(37) nämlich festgestellt hat, kommt dem Umstand, dass ein Dienstleistender zusammengesetzte Leistungen entweder gegen Zahlung eines Gesamtpreises oder gegen getrennte Rechnungen erbringt, Indizwirkung zu. Folgerichtig spricht auch die gesonderte Inrechnungstellung der Reinigungsleistungen im Ausgangsfall gegen das Vorliegen einer einheitlichen Leistung.

47.      Der tschechischen Regierung ist darin zuzustimmen, dass diese dritte Variante um weitere Elemente beliebig ergänzt werden kann, mit der Folge, dass eine Einzelfallentscheidung sich zunehmend schwieriger gestaltet. So ist etwa eine Situation vorstellbar, in der ein Vermieter Reinigungsleistungen auch in anderen, nicht von ihm vermieteten Mietshäusern erbringt. Trotzdem wäre aber die Dienstleistung, die dieser erbringt, von ihrem Wesen her dieselbe wie die im Ausgangsfall. Meines Erachtens würde es deshalb sowohl dem Grundsatz der Steuerneutralität(38) als auch der Kohärenz des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems widersprechen, wenn die oben beschriebenen Varianten unterschiedlich behandelt würden, je nachdem, ob der Vermieter oder ein Dritter die fraglichen Reinigungsleistungen übernimmt. Die Ungewissheit, die mit jedem Einzelfall verbunden wäre, würde die Anwendung der Mehrwertsteuervorschriften unnötig verkomplizieren(39) und die Entscheidungen der nationalen Finanzbehörden entsprechend weniger vorhersehbar für den Steuerzahler machen.

4.      Historische und teleologische Auslegung der Mehrwertsteuerbefreiung

48.      Die vom vorlegenden Gericht angeführten sozialpolitischen Erwägungen vermögen die vorstehenden Schlussfolgerungen für sich allein nicht zu entkräften. Sie lassen sich nicht ohne weiteres als Argument für eine Mehrwertsteuerbefreiung der Reinigung von Gemeinschaftsräumen ins Feld führen. Dem vorlegenden Gericht ist zwar darin zuzustimmen, dass ohne die Mehrwertsteuer auf die Reinigung von Gemeinschaftsräumen eine Wohnung billiger ist. Tatsächlich scheint die Ausnahmebestimmung in Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie entstehungsgeschichtlich u. a. auch auf sozialpolitischen Erwägungen zu beruhen. So war in den meisten Mitgliedstaaten jedenfalls die Vermietung von Wohnraum vor der Harmonisierung durch die Sechste Richtlinie aus sozialen Gründen nicht mehrwertsteuerpflichtig(40). Daran sollte in der Sechsten Richtlinie festgehalten werden, um eine Verteuerung von Wohnraummiete zu vermeiden.

49.      Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat allerdings, wie bereits eine Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie anhand des Wortlauts(41) und des systematischen Zusammenhangs(42) sowie unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Steuerneutralität(43) belegt, die in Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung ausdrücklich auf den Tatbestand der „Vermietung“ im engeren Sinne beschränken und nur auf jene Dienstleistungen ausdehnen wollen, die bei objektiver Betrachtung Teil einer noch als „Vermietung“ anzusehenden Gesamtleistung sind. Diese Voraussetzungen sind allerdings nicht in jedem Fall und, wie bereits gesehen, auch nicht im vorliegenden Fall gegeben.

50.      Es darf zudem nicht übersehen werden, dass es einen weiteren Grund für die Befreiung der Vermietung von Grundstücken gibt. Wie Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Blasi(44) herausgearbeitet hat, geht ein bereits genutztes Grundstück nicht aus einem Produktionsprozess hervor. Nach der erstmaligen Erschließung und der Errichtung eines Gebäudes wird ein Grundstück in der Regel eher passiv genutzt, ohne dass ein Mehrwert hinzugefügt wurde. Deswegen ist nur die erstmalige Lieferung eines erschlossenen Baugrundstücks sowie die Lieferung eines Gebäudes vor dem Erstbezug der Mehrwertsteuer unterworfen, während die weitere Übertragung eines bereits zuvor bezogenen Gebäudes und auch dessen Vermietung nicht der Mehrwertsteuer unterworfen sind. Diese Rechtfertigung für die Steuerbefreiung kann allerdings im Fall einer aktiven Tätigkeit(45) wie der Reinigung von Gemeinschaftsräumen nicht eingreifen.

5.      Ergebnis

51.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen bin ich der Auffassung, dass es grundsätzlich geboten ist, den Umsatz, den ein Vermieter bei der Reinigung von Gemeinschaftsräumen tätigt, von der in Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiung auszunehmen und der Mehrwertsteuer zu unterwerfen, wobei ich nicht von vornherein ausschließen möchte, dass insbesondere die vertragliche Ausgestaltung des jeweiligen Mietvertrags, die Hausordnung des jeweiligen Mietobjekts oder die etablierte Rechtspraxis in einem bestimmten Mitgliedstaat ausnahmsweise eine andere als die in diesen Schlussanträgen abstrakt vorgenommene Bewertung nahelegen können. Inwiefern dies auf den konkreten Fall zutrifft, hat das nationale Gericht, dem die Anwendung der Antworten auf den ihm vorliegenden Sachverhalt obliegt, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen zu prüfen.

52.      Demnach sollte auf die erste Vorlagefrage geantwortet werden, dass Art. 6 und 13 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass die Vermietung einer Wohnung (gegebenenfalls eines nicht zu Wohnzwecken genutzten Raums) auf der einen und die mit ihr zusammenhängende Reinigung von Gemeinschaftsräumen auf der anderen Seite grundsätzlich als selbständige, voneinander trennbare Umsätze anzusehen sind. Es ist allerdings Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, inwiefern die vertragliche Ausgestaltung des jeweiligen Mietvertrags, die Hausordnung des jeweiligen Mietobjekts und die etablierte Rechtspraxis im jeweiligen Mitgliedstaat ausnahmsweise eine andere Bewertung zulassen.

C –    Zur zweiten Frage

53.      Angesichts der vorgeschlagenen Antwort auf die erste Frage braucht die zweite Frage nur für den Fall beantwortet zu werden, dass das vorlegende Gericht nach Würdigung aller Umstände des Ausgangsverfahrens der Auffassung sein sollte, dass die Vermietung von Wohnungen und zum anderen die mit ihr zusammenhängende Reinigung von Gemeinschaftsräumen ausnahmsweise nicht als selbständige, voneinander trennbare Umsätze angesehen werden können.

54.      In diesem Fall wäre vom Vorliegen einer Gesamtleistung auszugehen, die den Tatbestand der „Vermietung von Grundstücken“ gemäß Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie erfüllen würde. Dementsprechend würde diese Richtlinienbestimmung die Anwendung der Mehrwertsteuer auf die Vergütung für die Reinigung von Gemeinschaftsräumen eines Mietshauses mit Wohnungen ausschließen.

55.      Daher sollte die zweite Vorlagefrage dahin beantwortet werden, dass sofern das nationale Gericht davon ausgehen sollte, dass die Vermietung von Wohnungen und die mit ihr zusammenhängende Reinigung von Gemeinschaftsräumen ausnahmsweise nicht als selbständige, voneinander trennbare Umsätze angesehen werden können, die Reinigung von Gemeinschaftsräumen als Teil einer „Vermietung von Grundstücken“ im Sinne des Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie anzusehen ist, mit der Folge, dass die Anwendung der Mehrwertsteuer auf die Vergütung für diese Tätigkeit ausgeschlossen ist.

VII – Ergebnis

56.      Entsprechend den vorangehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen wie folgt zu beantworten:

1.         Art. 6 und 13 der Sechsten Richtlinie sind dahin auszulegen, dass die Vermietung einer Wohnung (gegebenenfalls eines nicht zu Wohnzwecken genutzten Raums) auf der einen und die mit ihr zusammenhängende Reinigung von Gemeinschaftsräumen auf der anderen Seite grundsätzlich als selbständige, voneinander trennbare Umsätze anzusehen sind.

Es ist allerdings Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, inwiefern insbesondere die vertragliche Ausgestaltung des jeweiligen Mietvertrags, die Hausordnung des jeweiligen Mietobjekts und die etablierte Rechtspraxis im jeweiligen Mitgliedstaat ausnahmsweise eine andere Bewertung zulassen.

2.         Sollte das nationale Gericht davon ausgehen, dass beide wirtschaftliche Tätigkeiten nicht als selbständige, voneinander trennbare Umsätze angesehen werden können, so ist die Reinigung von Gemeinschaftsräumen als Teil einer „Vermietung von Grundstücken“ gemäß Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie anzusehen, mit der Folge, dass die Anwendung der Mehrwertsteuer auf die Vergütung für diese Tätigkeit ausgeschlossen ist.


1 – Originalsprache: Deutsch.


2 – ABl. L 145, S. 1.


3 – Urteil vom 2. Mai 1996, Faalborg-Gelting Linien (C-231/94, Slg. 1996, I-2395).


4 – Siehe dazu Albert, J.-L., L’IVA nella prospettiva dell’ampliamento dell’Unione Europea, Fiscalità e globalizzazione, Turin 2007, S. 53 f., der auf die Anpassungsschwierigkeiten der Beitrittsstaaten angesichts der Vielfalt an althergebrachten nationalen Regelungen im Bereich der Mehrwertsteuer hinweist, was die Einführung von Übergangsregelungen für bestimmte Sektoren des Dienstleistungsmarkts notwendig gemacht hat.


5 – Terra, B./Kajus, J., A guide to the European VAT Directives – Introduction to European VAT 2008, Band 1, Kapitel 3, 3.1.1, S. 87, und Communier, J.-M., Droit fiscal communautaire, Brüssel 2001, S. 194 f., sehen den Hauptgrund für eine weitere Harmonisierung im Bereich der Mehrwertsteuer im Beschluss des Rates vom 21. April 1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften. Dieser Beschluss sah vor, dass ab dem Jahr 1975 der Haushalt der Gemeinschaft, zusätzlich zu den Zöllen und den Abschöpfungen aus der Agrarwirtschaft, durch einen Teil der Mehrwertsteuer finanziert werden sollte. Der Eigenmittelbeschluss legt die grundsätzlichen Bestimmungen für die Finanzierung des Haushalts der Gemeinschaften fest. Der Beschluss, zuletzt in der Fassung des Beschlusses des Rates vom 7. Juni 2007 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 163, S. 17), wird in der Regel im Rat einstimmig angenommen und von allen Mitgliedstaaten ratifiziert. Der Beschluss vom 7. Juni 2007 bestimmt in seinem Art. 2 Abs. 1 Buchst. b, dass zu den in den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union einzusetzenden Eigenmitteln Einnahmen zählen, die sich aus der Anwendung eines für alle Mitgliedstaaten einheitlichen Satzes auf die nach Gemeinschaftsvorschriften bestimmte einheitliche Mehrwertsteuereigenmittelbemessungsgrundlage eines jeden Mitgliedstaats ergeben. Die für diese Zwecke heranzuziehende Bemessungsgrundlage darf 50 % des in Abs. 7 definierten Bruttonationaleinkommens eines jeden Mitgliedstaats nicht überschreiten. Siehe zum Funktionieren des Eigenmittelsystems den Bericht der Kommission „Finanzierung der Europäischen Union“ vom 6. September 2004, KOM(2004) 505 endg.


6 – In diesem Sinne Voß, R., „Steuerrecht“, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Band 2, Teil J, Randnrn. 184 und 185; Communier, J.-M., a. a. O. (Fn. 5), S. 192; Pinheira, G., A fiscalidade directa na União Europeia, Coimbra 1998, S. 22, wobei Letztere den wirtschaftspolitischen Zweck der Harmonisierung zum einen in der Verwirklichung des Binnenmarkts durch die Abschaffung von Diskriminierungen und Wettbewerbsverzerrungen bei der Anwendung der nationalen Steuersysteme und zum anderen in der Integration der nationalen Volkswirtschaften sieht. Reich, M./König, B., Europäisches Steuerrecht, Zürich 2006, S. 16, weisen darauf hin, dass das in Art. 93 EG verankerte Harmonisierungskonzept hauptsächlich auf die Beseitigung der wettbewerbshindernden Elemente des Warenverkehrs ausgerichtet ist.


7 – Der Gerichtshof hat mehrmals die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiungen betont und dabei auf die elfte Begründungserwägung zur Sechsten Richtlinie hingewiesen, aus der hervorgeht, dass es „im Hinblick auf eine gleichmäßige Erhebung der eigenen Mittel in allen Mitgliedstaaten erforderlich ist, eine gemeinsame Liste der Steuerbefreiungen aufzustellen“. Der Gerichtshof hat daraus geschlossen, dass die in Art. 13 Teil B der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen, auch wenn diese Bestimmung auf die von den Mitgliedstaaten festgelegten Befreiungstatbestände verweist, eigenständigen Begriffen des Gemeinschaftsrechts entsprechen müssen, damit die Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer einheitlich nach Gemeinschaftsregeln festgelegt werden kann (vgl. Urteile vom 4. Oktober 2001, „Goed Wonen“, C-326/99, Slg. 2001, I-6831, Randnr. 47, vom 12. September 2000, Kommission/Irland, C-358/97, Slg. 2000, I-6301, Randnr. 51, und vom 8. März 2001, Försäkringaktiebolaget Skandia, C-240/99, Slg. 2001, I-1951, Randnr. 23). Cornia, C., „Le locazioni di immobili ai fini Iva tra interpretazione della norma e riqualificazione della fattispecie“, Rassegna tributaria, 2005, Heft 2, S. 647, weist ebenfalls auf die Notwendigkeit einer einheitlichen Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiungen hin.


8 – Vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer vom 4. Mai 2004, Temco Europe (C-284/03, Slg. 2004, I-11237, Nr. 1), und von Generalanwältin Kokott vom 14. Oktober 2004, Fonden Marselisborg Lystbådehavn (C-428/02, Slg. 2005, I-1527, Nr. 16). Haunold, P., Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen – Die Besteuerung grenzüberschreitender Dienstleistungen, Wien 1997, S. 47 und 49, weist darauf hin, dass der Gerichtshof sich bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts aller klassischen Auslegungsmethoden (Wortinterpretation, systematische, teleologische und historische Interpretation) bedient. Eine Besonderheit der Auslegung von Mehrwertsteuerrichtlinien durch den Gerichtshof bestehe darin, dass Ausnahmen grundsätzlich eng auszulegen seien, weil sie eine Ausnahme von der allgemeinen Verbrauchsbesteuerung darstellen und daher zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnten. Dies gelte im Besonderen bei der Anwendung der in der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen, aber auch bei der Auslegung von anderen Mehrwertsteuerregelungen, die Ausnahmen von bestimmten Grundsätzen vorsehen. Nach Auffassung des Autors ist die grundsätzlich enge Auslegung von Ausnahmebestimmungen allerdings nur eine Unterart der systematischen und teleologischen Interpretation.


9 – Urteile Faaborg-Gelting Linien (oben in Fn. 3 angeführt, Randnr. 12), vom 18. Januar 2001, Stockholm Lindöpark (C-150/99, Slg. 2001, I-493, Randnr. 26), und vom 12. Juni 2003, Sinclair Collins (C-275/01, Slg. 2003, I-5965, Randnr. 26).


10 – Vgl. Urteile vom 26. März 1987, Kommission/Niederlande (235/85, Slg. 1987, 1471, Randnr. 6), vom 15. Juni 1989, Stichting Uitvoering Financiële Acties/Staatssecretaris van Financiën (348/87, Slg. 1989, 1737, Randnr. 10), vom 4. Dezember 1990, van Tiem (C-186/89, Slg. 1990, I-4363, Randnr. 17), vom 12. September 2000, Kommission/Irland (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 27), und vom 16. September 2008, Isle of Wight Council u. a. (C-288/07, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 28). In seinen Schlussanträgen vom 15. März 1988, Kommission/Italien (122/87, Slg. 1988, 2685), hat Generalanwalt Vilaça auf den weiten Anwendungsbereich der Sechsten Richtlinie hingewiesen. Wie er zutreffend dargelegt hat, bringen die Art. 2 und 4 der Sechsten Richtlinie den den Aufbau des Mehrwertsteuerrechts der Gemeinschaft beherrschenden allgemeinen Grundsatz zum Ausdruck, der in den Begründungserwägungen der Ersten und der Sechsten Richtlinie niedergelegt ist. Nach der fünften Begründungserwägung der Ersten Richtlinie wird „die größte Einfachheit und Neutralität eines Mehrwertsteuersystems … erreicht, wenn die Steuer so allgemein wie möglich erhoben wird und wenn ihr Anwendungsbereich alle Produktions- und Vertriebsstufen sowie den Bereich der Dienstleistungen umfasst“.


11 – Urteile Stichting Uitvoering Financiële Acties (oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 13), vom 11. August 1995, Bulthuis-Griffioen (C-453/93, Slg. 1995, I-2341, Randnr. 19), vom 5. Juni 1997, SDC (C-2/95, Slg. 1997, I-3017, Randnr. 20), vom 7. September 1999, Gregg (C-216/97, Slg. 1999, I-4947, Randnr. 12), Kommission/Irland (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 52), Stockholm Lindöpark (oben in Fn. 9 angeführt, Randnr. 25), „Goed Wonen“ (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 46), und vom 8. Dezember 2005, Jyske Finans (C-280/04, Slg. 2005, I-10683, Randnr. 21).


12 – Urteile Stichting Uitvoering Financiële Acties (oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 11), Bulthuis-Griffioen (oben in Fn. 11 angeführt, Randnr. 18), SDC (oben in Fn. 11 angeführt, Randnr. 21), Kommission/Irland (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 51), vom 16. Januar 2003, Maierhofer (C-315/00, Slg. 2003, I-563, Randnr. 25), Sinclair Collins (oben in Fn. 9 angeführt, Randnr. 22), vom 18. November 2004, Temco Europe (C-284/03, Slg. 2004, I-11237, Randnr. 16), und vom 3. März 2005, Fonden Marselisborg Lystbådehavn (C-428/02, Slg. 2005, I-1527, Randnr. 27).


13 – Urteile vom 4. Oktober 2001, „Goed Wonen“ (C-326/99, Slg. 2001, I-6831, Randnr. 44) und vom 12. Juni 2003, Sinclair Collins (C-275/01, Slg. 2003, I-5965, Randnr. 24).


14 – Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. November 2004, Temco Europe (C-284/03, Slg. 2004, I-11237, Randnr. 18), und vom 3. März 2005, Fonden Marselisborg Lystbådehavn (C-428/02, Slg. 2005, I-1527, Randnr. 28).


15 – Urteile Kommission/Irland (oben in Fn. 7 angeführt, Randnrn. 52 bis 57), vom 9. Oktober 2001, Mirror Group (C-409/98, Slg. 2001, I-7175, Randnr. 31), „Goed Wonen“ (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 55), vom 9. Oktober 2001, Cantor Fitzgerald International (C-108/99, Slg. 2001, I-7257, Randnr. 21), und Temco Europe (oben in Fn. 14 angeführt, Randnr. 19). Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer hat in den Nrn. 20 und 21 seiner Schlussanträge vom 4. Mai 2004 in der Rechtssache Temco Europe die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Bestimmung der von der Mehrwertsteuer befreiten Vermietung von Grundstücken folgendermaßen zusammengefasst: „(1) Der Eigentümer eines Grundstücks überlässt einer anderen Person (2) unter Ausschluss weiterer Personen (3) den Gebrauch und die Nutzung des Grundstücks (4) für den vereinbarten Zeitraum (5) gegen Zahlung eines Mietzinses. Für die Beurteilung, ob eine bestimmte Vereinbarung dieser Definition entspricht, sind alle Merkmale des Vorgangs sowie die Umstände zu berücksichtigen, unter denen er erfolgt; maßgebend ist dabei sein objektiver Inhalt, unabhängig von der Bezeichnung, die die Parteien dem Vorgang gegeben haben“.


16 – Aus diesem Grund hat der Gerichtshof im Urteil „Goed Wonen“ (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 59) festgestellt, dass Art. 13 Teil B Buchst. b und Teil C Buchst. a der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift nicht entgegensteht, die es bei der Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiung zulässt, dass die Begründung – für eine vereinbarte Dauer und gegen Vergütung – eines dinglichen Rechts, das seinem Inhaber ein Nutzungsrecht an einem Grundstück gibt (im Ausgangsverfahren ging es um Nießbrauch), der Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken gleichgestellt wird.


17 – Vgl. Urteil „Goed Wonen“ (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 52), in dem der Gerichtshof ausgeführt hat, dass obwohl die Vermietung von Grundstücken grundsätzlich zum Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne von Art. 4 der Sechsten Richtlinie gehört, sie normalerweise eine verhältnismäßig passive Tätigkeit darstellt, die nicht zu einer signifikanten Wertschöpfung führt.


18 – Vgl. Urteil Temco Europe (oben in Fn. 14 angeführt, Randnr. 27). Generalanwalt Jacobs hat in seinen Schlussanträgen vom 25. September 1997, Blasi (C-346/95, Slg. 1998, I-481, Nr. 15), die Vermietung von Grundstücken ebenfalls als eine „relativ passive Tätigkeit“ bezeichnet.


19 – Urteile vom 25. Februar 1999, CPP (C-349/96, Slg. 1999, I-973, Randnr. 27), vom 27. Oktober 2005, Levob Verzekeringen und OV Bank (C-41/04, Slg. 2005, I-9433, Randnr. 18), und vom 21. Februar 2008, Part Service (C-425/06, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 49).


20 – Vgl. Urteil CPP (oben in Fn. 19 angeführt, Randnr. 29).


21 – Der Aspekt der Praktikabilität spielt eine wesentliche Rolle bei der Beurteilung der Frage, ob im Einzelfall eine Gesamtleistung oder zwei selbständige Leistungen vorliegen. Wie Generalanwältin Kokott in Fn. 23 ihrer Schlussanträge vom 12. Mai 2005, Levob Verzekeringen und OV Bank (oben in Fn. 19 angeführt), zutreffend darlegt, klingt in einigen Schlussanträgen sogar eine Tendenz an, in dieser Lage der Praktikabilität den Vorrang vor der Genauigkeit zu geben. Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Cosmas vom 1. Februar 1996, Faaborg-Gelting Linien (C-231/94, Nr. 14), Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 25. April 1996, Dudda (C-327/94, Slg. 1996, I-4595, Nr. 35), und Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 11. Juni 1998, CPP (oben in Fn. 19 angeführt, Nrn. 47 ff.).


22 – Oben in Fn. 19 angeführte Urteile CPP (Randnr. 29), Levob Verzekeringen und OV Bank (Randnr. 20) und Part Service (Randnr. 50).


23 – Urteil Part Service (oben in Fn. 19 angeführt, Randnr. 51).


24 – Vgl. in diesem Sinne Urteile CPP (oben in Fn. 19 angeführt, Randnr. 30), vom 15. Mai 2001, Primback (C-34/99, Slg. 2001, I-3833, Randnr. 45), Levob Verzekeringen und OV Bank (oben in Fn. 19 angeführt, Randnr. 21) und Part Service (oben in Fn. 19 angeführt, Randnr. 52).


25 – Vgl. oben in Fn. 19 angeführte Urteile CPP (Randnr. 29) und Part Service (Randnr. 52).


26 – Oben in Fn. 19 angeführte Urteile Levob Verzekeringen und OV Bank (Randnr. 22) und Part Service (Randnr. 53).


27 – Siehe S. 5 des Schriftsatzes der tschechischen Regierung.


28 – Vgl. Urteil „Goed Wonen“ (oben in Fn. 7 angeführt, Randnr. 56), in dem der Gerichtshof seine Entscheidung, die Gewährung eines Rechts wie des Nießbrauchs im Rahmen der Anwendung des Art. 13 Teil B Buchst. b und Teil C Buchst. a der Sechsten Richtlinie der Vermietung und Verpachtung gleichzustellen, mit der „Beachtung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer“ und dem „Erfordernis einer kohärenten Anwendung der Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, insbesondere der korrekten, einfachen und einheitlichen Anwendung der vorgesehenen Befreiungen“, begründete. Vgl. auch Urteil vom 11. Juni 1998, Fischer (C-283/95, Slg. 1998, I-3369, Randnr. 28). Cornia, C., a. a. O. (Fn. 7), S. 647, ist der Ansicht, dass die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts im Rahmen der Mehrwertsteuerbefreiungen aus der Notwendigkeit resultiere, die Steuerneutralität im Wettbewerb zu gewährleisten. Die Steuerneutralität verlange, dass Umsätze, die aus der Sicht des Endverbrauchers gleich sind, dieselbe mehrwertsteuerliche Behandlung erhalten. Birkenfeld, W., Mehrwertsteuer der EU, 4. Auflage, Bielefeld 2001, S. 32 und 33, erklärt, dass der Gerichtshof aus Gründen der Steuerneutralität Begriffe weit auslege, mit denen die Grundlagen der Steuer festgestellt werden (Steuerpflichtiger, wirtschaftliche Tätigkeit, Lieferung, Gegenleistung). Aus demselben Grund lege der Gerichtshof Befreiungstatbestände und Abweichungen von der Besteuerungsgrundlage eng aus. Lohse, C., „Der Neutralitätsgrundsatz im Mehrwertsteuerrecht“, EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis (Hrsg. von Achat/Tumpel), Wien 2001, S. 58 und 59, erklärt, dass der Neutralitätsgrundsatz geeignet sei, den Anwendungsbereich von Steuerbefreiungen durch enge Auslegung ihrer Tatbestandsmerkmale zu begrenzen. Umgekehrt führe er dazu, dass die den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer begründenden Tatbestandsmerkmale weit auszulegen seien.


29 – Art. 2 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (Erste Richtlinie), ABl. Nr. 71, S. 1301, besagt Folgendes: „(1) Das Gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht auf dem Grundsatz, dass auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist.


(2) Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.“


30 – Vgl. Urteile vom 20. Juni 1996, Wellcome Trust (C-155/94, Slg. 1996, I-3013, Randnr. 38), und vom 3. Dezember 1998, Belgocodex (C-381/97, Slg. 1998, I-8153, Randnr. 18).


31 – Urteil vom 16. September 2004, Cimber Air (C-382/02, Slg. 2004, I-8379, Randnrn. 23 und 24).


32 – Urteil Jyske Finans (oben in Fn. 11 angeführt, Randnr. 39).


33 – Siehe Nr. 37 dieser Schlussanträge.


34 – Siehe Randnr. 6 des Vorlagebeschlusses.


35 – Siehe Randnr. 13 des Schriftsatzes der tschechischen Regierung.


36 – Urteil vom 13. Juli 1989, Henriksen (173/88, Slg. 1989, 2763, Randnr. 16). Im Mittelpunkt dieser Rechtssache stand die Frage, ob der Begriff der „Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen“ in Art. 13 Teil B Buchst. b Nr. 2 der Sechsten Richtlinie, der eine Ausnahme von der allgemeinen Steuerbefreiung für die „Vermietung und Verpachtung von Grundstücken“ vorsieht, die in Art. 13 Teil B Buchst. b derselben Richtlinie enthalten ist, die Vermietung aller für das Abstellen von Fahrzeugen bestimmten Flächen einschließlich geschlossener Garagen umfasst. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass diese Vermietung dann nicht von der Steuerbefreiung ausgeschlossen werden kann, wenn sie mit der steuerfreien Vermietung von Grundstücken, die für einen anderen Gebrauch bestimmt sind, eng verbunden ist. Seiner Ansicht nach besteht dann ein einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang, „wenn der Platz für das Abstellen von Fahrzeugen und das für einen anderen Gebrauch bestimmte Grundstück Teil ein und desselben Gebäudekomplexes sind und diese beiden Gegenstände von ein und demselben Vermieter an ein und denselben Mieter vermietet werden“.


37 – Urteil CPP (oben in Fn. 19 angeführt). In Randnr. 31 dieses Urteils hat der Gerichtshof erklärt, dass dem Umstand, dass ein Gesamtpreis in Rechnung gestellt wird, zwar keine entscheidende Bedeutung zukommt, dass es jedoch für das Vorliegen einer einheitlichen Leistung sprechen kann, wenn ein Leistungserbringer seinen Kunden eine aus mehreren Teilen zusammengesetzte Dienstleistung gegen Zahlung eines Gesamtpreises erbringt. Notwendigerweise müsste im Umkehrschluss daraus folgen, dass die gesonderte Inrechnungstellung für einen Teil der zusammengesetzten Dienstleistung gegen das Vorliegen einer einheitlichen Leistung sprechen kann.


38 – Siehe Nr. 42 dieser Schlussanträge.


39 – Ibáñez García, I., „Las exenciones en el IVA: Pecado original del impuesto comunitario“, Noticias de la Unión Europea, 2003, Nr. 226, S. 103 f.; derselbe, „El IVA en la actividad inmobiliaria: cuestiones pendientes“, Gaceta jurídica de la Unión Europea y de la competencia, 2008, Nr. 4, S. 43 f., kritisiert die Rechtsunsicherheit, die die Liste von Ausnahmen und Befreiungen von der Mehrwertsteuerpflicht angesichts ihrer komplexen Anwendung in der Praxis schafft. Der Autor sieht darin eine Einschränkung des Grundsatzes der Steuerneutralität. Von besonderem Interesse für den Fall, der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegt, sind die theoretischen Erwägungen von Scholsem, J.-C., La T.V.A. européenne face au phénomène immobilier, Lüttich 1976, Randnr. 55, S. 93 und 94. Der Autor untersucht unterschiedliche hypothetische Besteuerungsmodelle für Mietverhältnisse. Nach einem ersten Modell könnten alle Umsätze im Zusammenhang mit der Vermietung, einschließlich der Vermietung selbst, der Mehrwertsteuer unterliegen. Seiner Meinung nach würde diese Lösung am ehesten dem Grundsatz der Steuerneutralität entsprechen. Eine andere Lösung, die wohl der der Sechsten Richtlinie entspricht, befreit die Vermietung von Grundstücken von der Mehrwertsteuer aus sozialpolitischen Gründen, was seiner Ansicht nach zwar im Widerspruch zur Steuerneutralität steht, was er aber noch als gerechtfertigt ansieht. Von dieser Befreiung jedenfalls ausgenommen wären aber die „Instandhaltungs- und Reparaturkosten“, wobei der Autor als Begründung für diese Einschränkung den Gesichtspunkt der „administrativen Einfachheit“ anführt.


40 – Vgl. den Vorschlag der Kommission für die Sechste Richtlinie (Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beiheft 11/73, S. 17). Vgl. dazu die Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Fonden Marselisborg Lystbådehavn (oben in Fn. 8 angeführt, Nr. 46). Communier, J.-M., a. a. O. (Fn. 5), S. 230, weist darauf hin, dass die in Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie enthaltenen Befreiungen sich durch allgemeine politische Erwägungen erklären, die den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft gemeinsam sind. Nach Auffassung von Scholsem, J.-C., a. a. O. (Fn. 39), Randnr. 163, S. 264, spiegelt Art. 13 Teil B Buchst. b die bereits vor Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie in allen Mitgliedstaaten mit bestimmten Varianten bestehende Regelung wider.


41 – Siehe Nr. 32 dieser Schlussanträge.


42 – Siehe Nrn. 28 und 29 dieser Schlussanträge.


43 – Siehe Nrn. 42 bis 47 dieser Schlussanträge.


44 – Schlussanträge des Generalanwalts in der Rechtssache Blasi (oben in Fn. 18 angeführt, Nrn. 15 und 16).


45 – Siehe Nr. 32 dieser Schlussanträge.