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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PAOLO MENGOZZI

vom 28. Januar 20101(1)

Verbundene Rechtssachen C-538/08 und C-33/09

X Holding BV

gegen

Staatssecretaris van Financiën


und


Oracle Nederland BV

gegen

Inspecteur van de Belastingdienst Utrecht-Gooi

(Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden und des Gerechtshof Amsterdam [Niederlande])

„Mehrwertsteuer – Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie – Art. 6 Abs. 2 und Art. 17 Abs. 2 und 6 der Sechsten Richtlinie – Vorsteuerabzugsrecht – Ausschlüsse in nationalen Vorschriften, die vor der Sechsten Richtlinie bestanden – Änderungen von Vorschriften nach Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie – Verwendung der Gegenstände und Dienstleistungen für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen“





 I – Einleitung

1.        Mit den Vorlagefragen der vorliegenden verbundenen Rechtssachen wird der Gerichtshof ersucht, Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems(2) sowie Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie auszulegen.

2.        Die Fragen sind im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten vorgelegt worden, in denen im Wesentlichen bestimmte Arten von Ausgaben, die mehrwertsteuerpflichtige Personen zugunsten ihrer Mitarbeiter tätigen, in Frage stehen, für die die niederländische Regelung, die vor Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie erlassen worden war, ein Vorsteuerabzugsrecht teilweise ausschließt.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Gemeinschaftsrecht

3.        Art. 11 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie bestimmte:

„Soweit Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke des Unternehmens verwendet werden, wird der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a)      die Mehrwertsteuer, die ihm für an ihn gelieferte Gegenstände und an ihn erbrachte Dienstleistungen in Rechnung gestellt wird;

…“

4.        Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie bestimmte:

„Bestimmte Gegenstände und bestimmte Dienstleistungen können vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen werden, und zwar insbesondere die Gegenstände und Dienstleistungen, die ganz oder teilweise für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen oder seines Personals verwendet werden können.“

5.        Art. 2 der Sechsten Richtlinie bestimmt:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1.      Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;

2.      die Einfuhr von Gegenständen.“

6.        Art. 6 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie bestimmt:

„Dienstleistungen gegen Entgelt werden gleichgestellt:

a)      die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand zum vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat;

b)      die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen durch den Steuerpflichtigen für seinen privaten Bedarf oder für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke.

Die Mitgliedstaaten können Abweichungen von diesem Absatz vorsehen, sofern solche Abweichungen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen.“

7.        Art. 17 Abs. 2 und 6 der Sechsten Richtlinie bestimmt:

„(2) Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a)      die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden,

(6) Der Rat legt auf Vorschlag der Kommission vor Ablauf eines Zeitraums von vier Jahren nach dem Inkrafttreten dieser Richtlinie einstimmig fest, bei welchen Ausgaben die Mehrwertsteuer nicht abziehbar ist. Auf jeden Fall werden diejenigen Ausgaben vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossen, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben, wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen.

Bis zum Inkrafttreten der vorstehend bezeichneten Bestimmungen können die Mitgliedstaaten alle Ausschlüsse beibehalten, die in den in ihren zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie bestehenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen sind.“

B –    Nationales Recht

8.        Art. 2 Wet op de omzetbelasting 1968 (niederländisches Gesetz über die Umsatzsteuer von 1968, im Folgenden: Umsatzsteuergesetz) bestimmt:

„Von der Steuer, die für die Lieferung von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungen geschuldet wird, wird die Steuer abgezogen, die für die Lieferung von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungen, die für den Unternehmer bestimmt sind, für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen durch den Unternehmer und für die Einfuhr von Gegenständen, die für den Unternehmer bestimmt sind, geschuldet wird.“

9.        Art. 15 des Umsatzsteuergesetzes bestimmt:

„1. Die in Art. 2 genannte Steuer, die vom Unternehmer in Abzug gebracht wird, entspricht

a)      der Steuer, die auf einer gemäß den geltenden Vorschriften von anderen Unternehmern erstellten Rechnung im Veranlagungszeitraum für dem Unternehmer gelieferte Gegenstände oder ihm erbrachte Dienstleistungen in Rechnung gestellt wurde;

…“

10.      Art. 16 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes bestimmt:

„Der in Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 1 genannte Abzug kann in bestimmten Fällen ganz oder teilweise durch Königliche Verordnung ausgeschlossen werden, um zu vermeiden, dass Gegenstände und Dienstleistungen, die Luxusausgaben, dem Bedarf von Personen, die keine Unternehmer sind, … zuzuordnen sind, ganz oder teilweise von der Steuer befreit werden.“

11.      Gemäß Art. 1 des Besluit uitsluiting aftrek omzetbelasting 1968 (Königliche Verordnung von 1968 über den Ausschluss des Vorsteuerabzugs, im Folgenden: Königliche Verordnung von 1968) in der vom 1. Januar 1969 bis zum 31. Dezember 1979 geltenden Fassung war der in Art. 15 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes genannte Abzug unzulässig, wenn und soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für folgende Zwecke verwendet wurden:

„1. …

a)      Werbegeschenke oder andere Zuwendungen an Personen, die in Bezug auf diese Zuwendungen, wenn sie zur Entrichtung der entsprechenden Mehrwertsteuer verpflichtet wären, nicht zum vollen Vorsteuerabzug oder zumindest zum Abzug eines wesentlichen Teils der Vorsteuer berechtigt wären;

b)      für die Verabreichung von Speisen und Getränken, die Verschaffung von Wohnraum, die Auszahlung von Naturallohn, die Bereitstellung von Sport-, Entspannungs- oder privaten Transportmöglichkeiten für das Personal des Unternehmers oder für andere persönliche Zwecke seines Personals.

2.      Mit ‚Werbegeschenken‘ oder ‚anderen Zuwendungen‘ sind alle Leistungen gemeint, die der Unternehmer Dritten im Rahmen seiner Geschäftsbeziehungen oder als Schenkung erbringt, ohne dass er hierfür eine Vergütung erhält bzw. für eine Vergütung, die unter den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. im Fall von Dienstleistungen unter ihrem Selbstkostenpreis ohne Mehrwertsteuer liegt.“

12.      Art. 2 der Königlichen Verordnung von 1968 bestimmt:

„Hat der Unternehmer für eine der in Art. 1 [Abs. 1] Buchst. b oder c genannten Leistungen eine Vergütung in Rechnung gestellt und wird für diese Vergütung Mehrwertsteuer geschuldet, ist ein Abzug in Höhe der für diese Leistung geschuldeten Steuer zulässig.“

13.      Art. 3 der Königlichen Verordnung von 1968 in seiner bis zum 31. Dezember 1979 geltenden Fassung bestimmte:

„Liegt der Gesamtwert der Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der Selbstkostenpreis ohne Mehrwertsteuer aller Leistungen im Sinne von Art. 1 [Abs. 1] Buchst. b oder c, die der Unternehmer im Laufe eines Geschäftsjahrs einer bestimmten Person erbracht hat, bei höchstens 250 Gulden, ist die vorliegende Verordnung auf die fraglichen Leistungen nicht anwendbar.“

14.      Mit Wirkung vom 1. Januar 1980 wurde die Königliche Verordnung von 1968 geändert, um eine Sonderregelung für die Verabreichung von Speisen und Getränken einzuführen, während die übrigen Bestimmungen der genannten Verordnung unverändert blieben.

15.      Daher war die Verabreichung von Speisen und Getränken seit dem 1. Januar 1980 von Art. 1 Abs. 1 Buchst. c der Königlichen Verordnung von 1968 ausgeschlossen. Art. 3 der Königlichen Verordnung wurde in Art. 4 umbenannt, und es wurde ein neuer Art. 3 eingefügt, der den Vorsteuerabzug für die Verabreichung von Speisen und Getränken ausschloss. Der Betrag, der im früheren Art. 3 (neuer Art. 4) genannt wurde, wurde von 250 Gulden auf 500 Gulden angehoben.

16.      Folglich haben die neuen Bestimmungen der genannten Verordnung den folgenden Inhalt:

Artikel 3

„1.      Verwendet der Unternehmer die Gegenstände und Dienstleistungen, um seinem Personal Speisen und Getränke anzubieten, und stellt er für diese Leistung einen Betrag in Rechnung, der unterhalb des in Abs. 2 festgelegten Betrags liegt, ist der Abzug in Höhe von 6 % der Differenz zwischen diesem Betrag und dem in Rechnung gestellten Betrag ausgeschlossen.

2.      Der in Abs. 1 genannte Betrag entspricht den um 25 % erhöhten Anschaffungskosten der Speisen und Getränke ohne Mehrwertsteuer. Hat der Unternehmer die Speisen und Getränke selbst hergestellt, sind an Stelle der Anschaffungskosten der Speisen und Getränke die Anschaffungskosten der verwendeten Ausgangsstoffe zu berücksichtigen.“

Artikel 4

„1.      Liegt der Gesamtwert der Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der Selbstkostenpreis ohne Mehrwertsteuer aller Leistungen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. b oder c, die der Unternehmer im Laufe eines Geschäftsjahrs einer bestimmten Person erbracht hat, und der in Art. 3 Abs. 1 genannte Anteil des Differenzbetrags, der sich auf diese Person bezieht, bei höchstens 500 Gulden, werden die fraglichen Leistungen und dieser Anteil des genannten Differenzbetrags bei der Anwendung der vorliegenden Verordnung nicht berücksichtigt.

2.      Bei der Berechnung des in Abs. 1 genannten Gesamtwerts wird der in Art. 3 Abs. 1 genannte Differenzbetrag nicht berücksichtigt, wenn der Abzug für die Verabreichung von Speisen und Getränken an das Personal des Unternehmers aufgrund von Art. 3 ausgeschlossen ist.“

II – Die Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen

A –    Rechtssache C-538/08, X Holding

17.      X Holding kaufte im Zeitraum vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 1999 bei Autohändlern 34 Personenkraftwagen. Sie behielt die Fahrzeuge für einen bestimmten Zeitraum, um sie danach zu verkaufen.

18.      X Holding brachte die ihr bei der Anschaffung der Fahrzeuge in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer vollumfänglich in Abzug. Im Wege der Anmeldung entrichtete sie die Mehrwertsteuer, die für die Lieferung der einzelnen Fahrzeuge anfiel.

19.      Am 10. Juli 2001 wurde eine Prüfung eingeleitet, mit der die Richtigkeit der Mehrwertsteueranmeldungen, die X Holding im Laufe der fraglichen Jahre abgegeben hatte, untersucht werden sollte. Mit Bericht vom 13. November 2002 stellte die Finanzinspektion fest, dass der überwiegende Teil der erworbenen Fahrzeuge keinen betrieblichen Zwecken zugeordnet gewesen sei und X Holding daher zu Unrecht ein Vorsteuerabzugsrecht in Anspruch genommen habe. Daher erging ein Mehrwertsteuernacherhebungsbescheid über 887 852 NLG (402 889 Euro).

20.      X Holding erhob Einspruch gegen diesen Bescheid. Bei der erneuten Prüfung des Sachverhalts stellte die Finanzinspektion fest, dass vier der 34 Fahrzeuge ausschließlich für gewerbliche Zwecke erworben und im Rahmen des Unternehmens verwendet worden seien. Angesichts dieser Sachlage wurde der Vorsteuerabzug für den Erwerb dieser vier Fahrzeuge anerkannt. Daher wurde der Mehrwertsteuernacherhebungsbescheid geändert und der Betrag der geschuldeten Mehrwertsteuer auf 856 605 NLG (388 710 Euro) herabgesenkt.

21.      Gegen diese Entscheidung erhob X Holding Klage vor dem Gerechtshof te Amsterdam. Dieser entschied, dass die 30 Fahrzeuge, die Gegenstand des Mehrwertsteuernacherhebungsbescheids waren, sowohl für gewerbliche als auch für persönliche Zwecke verwendet worden seien. Daher bestätigte der Gerechtshof den Mehrwertsteuernacherhebungsbescheid.

22.      Der Hoge Raad der Nederlanden hat im Rahmen der Kassationsbeschwerde, die bei ihm gegen die Entscheidung des Gerechtshof eingelegt worden war, festgestellt, dass nach Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie die Mitgliedstaaten bestimmte Gegenstände und bestimmte Dienstleistungen vom Vorsteuerabzug ausschließen könnten, und zwar insbesondere die Gegenstände und Dienstleistungen, die ganz oder teilweise für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen oder seines Personals verwendet werden könnten. Demnach erlaube diese Bestimmung den Mitgliedstaaten, bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen auszuschließen, sie erlaube ihnen jedoch nicht, alle diese Gegenstände auszuschließen, soweit sie für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen verwendet würden. Die eingeräumte Möglichkeit gelte nämlich nur für Ausschlüsse in Bezug auf Arten von Ausgaben, die sich nach der Natur des Gegenstands oder der Dienstleistung bestimmten und nicht nach deren Verwendung oder den Einzelheiten der Verwendung.

23.      Die in Art. 1 Abs. 1 Buchst. c der Königlichen Verordnung von 1968 aufgenommene Abzugsbeschränkung beziehe sich auch auf Gegenstände und Dienstleistungen für andere persönliche Zwecke des Personals und auf die Auszahlung von Naturallohn. Diese Abzugsbeschränkung sei im Ganzen nicht hinreichend bestimmt und zu weit, da sich die Regelung auf alle Gegenstände beziehe, die dem privaten Gebrauch zugeordnet seien. In der genannten Bestimmung seien jedoch einige Arten von Gegenständen und Dienstleistungen genauer definiert. Dies gelte u. a. für Gegenstände und Dienstleistungen, die für die Bereitstellung von privaten Transportmöglichkeiten verwendet würden. Aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung gehe hervor, dass der nationale Gesetzgeber bei Gegenständen und Dienstleistungen, die für die Bereitstellung von privaten Transportmöglichkeiten verwendet würden, jedenfalls auch im Auge gehabt habe, dass ein Steuerpflichtiger einem Mitarbeiter einen Personenkraftwagen (auch) für den privaten Bedarf zur Verfügung stelle.

24.      Der Hoge Raad hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen, und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.       Sind Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie und Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat, der von der in diesen Artikeln eingeräumten Möglichkeit (der Beibehaltung) des Ausschlusses des Vorsteuerabzugs in Bezug auf Arten von Ausgaben, die als „Bereitstellung von privaten Transportmöglichkeiten“ beschrieben werden, Gebrauch machen wollte, die Voraussetzung erfüllt hat, eine Art von hinreichend bestimmten Gegenständen und Dienstleistungen zu nennen?

2.      Wenn die erste Frage bejaht wird: Ist nach Art. 6 Abs. 2 und Art. 17 Abs. 2 und 6 der Sechsten Richtlinie eine nationale Vorschrift wie die in Rede stehende zulässig, die vor Inkrafttreten der Richtlinie erlassen wurde und nach der ein Steuerpflichtiger die bei der Anschaffung bestimmter Gegenstände und der Inanspruchnahme bestimmter Dienstleistungen, die teilweise für geschäftliche und teilweise für private Zwecke verwendet werden, gezahlte Mehrwertsteuer nicht vollständig abziehen kann, nämlich nur soweit die Mehrwertsteuer der Verwendung für geschäftliche Zwecke zurechenbar ist?

B –    Rechtssache C-33/09, Oracle Nederland

25.      Oracle ist ein weltweiter Lieferant von Datenbankprodukten für Unternehmen.

26.      Im Mai 2005 lieferte Oracle seinem Personal gegen Bezahlung Speisen und Getränke, für die das Unternehmen einen entrichteten Vorsteuerbetrag in Höhe von 3 977 Euro auswies, der auch in seiner Steuermeldung aufgeführt wurde. Im selben Zeitraum mietete Oracle einen DJ für ein Fest, das für die Mitarbeiter ausgerichtet wurde, und es erteilte einen Auftrag zur Wohnungssuche für einen seiner Angestellten. Für diese Ausgaben wurde Mehrwertsteuer in Höhe von 850 Euro bzw. 380 Euro entrichtet. Schließlich überreichte Oracle unternehmensfremden Dritten als Werbegeschenk einen Golfpass, für den das Unternehmen in seiner Steuermeldung für Mai 2005 Mehrwertsteuer in Höhe von 256 Euro auswies.

27.      Der Rechtsstreit zwischen Oracle und dem Inspecteur van de Belastingdienst Utrecht-Gooi betrifft die Vorsteuer, die für die vorstehend genannten Ausgaben geschuldet wird, wobei der Inspecteur der Auffassung ist, dass ein Vorsteuerabzug nach dem Umsatzsteuergesetz und der Königlichen Verordnung von 1968 für die dort angeführten Arten von Ausgaben ausgeschlossen werden müsse.

28.      Diese Auffassung wurde von Oracle vor der Rechtbank Haarlem beanstandet. Die Rechtbank gab der Klage teilweise statt, soweit die Ausgaben für den Golfpass betroffen waren, die „Werbegeschenke“ hielt sie jedoch für eine Ausgabenart, die nicht ausreichend bestimmt sei, um das Vorsteuerabzugsrecht einschränken zu können. Im Übrigen wies die Rechtbank Haarlem die Klage ab.

29.      Sowohl Oracle als auch die niederländische Steuerverwaltung legten gegen das Urteil der Rechtbank Haarlem Berufung ein.

30.      In diesem Zusammenhang machte Oracle u. a. geltend, dass die maßgeblichen Bestimmungen der niederländischen Regelung, die das Vorsteuerabzugsrecht in Bezug auf die fraglichen Gegenstände und Dienstleistungen ausschlössen oder beschränkten, gegen Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie und Art. 6 Abs. 2 und 6 der Sechsten Richtlinie verstießen. Dagegen beruft sich die niederländische Steuerverwaltung darauf, dass der Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts auf einer nationalen Vorschrift beruhe, die vor Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie eingeführt worden sei und in Übereinstimmung mit der Option, die den Mitgliedstaaten durch Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie eingeräumt werde, weiterhin anwendbar sei.

31.      Angesichts dieser Sachlage hat der Gerechtshof te Amsterdam beschlossen, das Verfahren auszusetzen, und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Sind Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie und Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat, der von der in diesen Artikeln eingeräumten Möglichkeit (der Beibehaltung) des Ausschlusses des Vorsteuerabzugs in Bezug auf Arten von Ausgaben, die als Ausgaben

–        für „die Verabreichung von Speisen und Getränken an das Personal des Unternehmers“;

–        für „die Zwecke von Werbegeschenken oder anderen Zuwendungen an Personen, die in Bezug auf diese Zuwendungen, wenn ihnen die Umsatzsteuer dafür in Rechnung gestellt wird oder würde, nicht zum vollen oder einem erheblichen Abzug der Vorsteuer berechtigt sind oder wären“;

–        für „die Beschaffung von Wohnraum … für das Personal des Unternehmers“;

–        für „Zwecke von Sport und Vergnügungen … für das Personal des Unternehmers“

beschrieben sind, Gebrauch machen wollte, die Voraussetzung erfüllt hat, eine Art von hinreichend bestimmten Gegenständen und Dienstleistungen zu nennen?

2.      Wenn die erste Frage in Bezug auf eine der erwähnten Arten von Ausgaben bejaht wird: Ist nach Art. 6 Abs. 2 und Art. 17 Abs. 2 und 6 der Sechsten Richtlinie eine nationale Vorschrift wie die in Rede stehende zulässig, die vor Inkrafttreten der Richtlinie erlassen wurde und nach der ein Steuerpflichtiger die Umsatzsteuer, die beim Bezug bestimmter Waren und Dienstleistungen entrichtet worden ist, weil dafür ein Entgelt einschließlich Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt worden ist, nicht vollständig abziehen kann, d. h. nur bis zum Betrag der für diese Leistung geschuldeten Steuer?

3.      Wenn in Bezug auf „die Verabreichung von Speisen und Getränken“ der Voraussetzung genügt ist, eine Art von hinreichend bestimmten Gegenständen und Dienstleistungen zu nennen: Steht Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie einer Änderung eines bestehenden Ausschlusses des Vorsteuerabzugs entgegen, wenn bei dieser Änderung davon ausgegangen werden kann, dass grundsätzlich die Tragweite des Ausschlusses eingeschränkt wird, dabei jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, dass in einem Einzelfall in einem einzelnen Jahr insbesondere durch den pauschalen Charakter der geänderten Regelung der Anwendungsbereich der Beschränkung des Abzugs erweitert wird?

III – Verfahren vor dem Gerichtshof

32.      Gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union haben die griechische und die niederländische Regierung sowie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften in den Rechtssachen C-538/08 und C-33/09 schriftliche Erklärungen eingereicht. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C-33/09 hat ebenfalls schriftliche Erklärungen in der genannten Rechtssache eingereicht.

33.      Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 17. Juni 2009 sind die Rechtssachen C-538/08 und C-33/09 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

34.      In der Sitzung vom 3. Dezember 2009 haben die Klägerin des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C-33/09, die griechische und die niederländische Regierung sowie die Kommission mündliche Ausführungen gemacht.

IV – Rechtliche Analyse

35.      Da sich die ersten beiden Vorlagefragen in der Rechtssache C-33/09 in ihrem Wortlaut nur dadurch von den Vorlagefragen in der Rechtssache C-538/08 unterscheiden, dass es in den Ausgangsverfahren um unterschiedliche Gegenstände und Dienstleistungen geht, sind diese Fragen meiner Meinung nach zusammen zu prüfen. Nur die dritte Vorlagefrage der Rechtssache C-33/09 ist gesondert zu prüfen.

A –    Zur jeweils ersten Vorlagefrage in beiden Rechtssachen

36.      Mit ihrer jeweils ersten Frage möchten die vorlegenden Gerichte wissen, ob Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie und Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einem Mitgliedstaat unter Berücksichtigung des Wortlauts der betreffenden Arten von Gegenständen und Dienstleistungen erlauben, verschiedene Arten von Gegenständen oder Dienstleistungen, die in seiner vor Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie anwendbaren nationalen Regelung aufgeführt sind, vom Vorsteuerabzug auszuschließen.

37.      Zunächst ist daran zu erinnern, dass der in Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie klar und eindeutig genannte Grundsatz des Rechts auf Vorsteuerabzug durch die Ausnahmebestimmung des Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie gemildert wird. Aufgrund dieser Bestimmung sind die Mitgliedstaaten berechtigt, ihre zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sechsten Richtlinie bestehenden Regelungen über den Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts beizubehalten, bis der Rat die in diesem Artikel vorgesehenen Bestimmungen erlässt(3).

38.      Da der Rat jedoch keinen der ihm von der Kommission gemäß Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie vorgelegten Vorschläge angenommen hat, können die Mitgliedstaaten ihre Regelungen über den Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts beibehalten, bis der Gemeinschaftsgesetzgeber eine Gemeinschaftsregelung über die Ausschlüsse vom Vorsteuerabzugsrecht erlässt und so die schrittweise Harmonisierung des nationalen Rechts im Bereich der Mehrwertsteuer verwirklicht. Bis heute enthält also das Gemeinschaftsrecht keine Bestimmung, die die vom Vorsteuerabzugsrecht ausgeschlossenen Ausgaben aufzählt(4).

39.      Mit anderen Worten enthält Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie eine „Stand-still“-Klausel, nach der die innerstaatlichen Ausschlusstatbestände vom Vorsteuerabzugsrecht, die vor dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie galten, beibehalten werden(5).

40.      Wie der Gerichtshof jedoch auch festgestellt hat, setzt Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie voraus, dass die Ausschlüsse, die die Mitgliedstaaten nach dieser Bestimmung beibehalten dürfen, nach der Zweiten Richtlinie, die der Sechsten Richtlinie vorausging, rechtmäßig waren(6).

41.      Zwar sah Art. 11 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie das Vorsteuerabzugsrecht vor, doch Abs. 4 dieser Vorschrift erlaubte den Mitgliedstaaten, bestimmte Gegenstände und bestimmte Dienstleistungen vom Vorsteuerabzug auszuschließen, und zwar insbesondere die Gegenstände und Dienstleistungen, die ganz oder teilweise für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen oder seines Personals verwendet werden können(7).

42.      Dies ist der Hintergrund für die Frage der vorlegenden Gerichte, ob die niederländische Regelung, die vor dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie bestand (d. h. vor dem 1. Januar 1978), die bestimmten Gegenstände oder Dienstleistungen, die sie vom Vorsteuerabzugsrecht ausschloss, hinreichend genau definierte.

43.      Zwar obliegt es im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens grundsätzlich nicht dem Gerichtshof, das nationale Recht auszulegen, um zu entscheiden, ob dessen Inhalt zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Sechsten Richtlinie mit der Sechsten und der Zweiten Richtlinie vereinbar war, doch der Gerichtshof kann dem vorlegenden Gericht im Geist der Zusammenarbeit mit den nationalen Gerichten alle Hinweise geben, die er für erforderlich hält, um ihm eine sachdienliche Antwort zu geben(8).

44.      Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Frage, was unter bestimmten Gegenständen oder bestimmten Dienstleistungen im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie und der Rechtsprechung zu verstehen ist.

45.      Hierzu hat der Gerichtshof im Urteil Royscot festgestellt, dass das Vereinigte Königreich zu Recht von der in Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie enthaltenen Befugnis Gebrauch gemacht hatte, indem es bestimmte Gegenstände wie Kraftfahrzeuge vom Vorsteuerabzugsrecht ausschloss, auch wenn es sich um rein geschäftliche Ausgaben handelte(9).

46.      Somit hat der Gerichtshof die Natur der Gegenstände (oder Dienstleistungen) bewertet, um die Ausgaben zu bestimmen, die dem in Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie enthaltenen Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts unterlagen, wobei er das Kriterium der Verwendung der genannten Gegenstände (oder Dienstleistungen), d. h. die Frage, ob sie für geschäftliche und/oder für private Zwecke verwendet werden können, bei dieser Bewertung nicht berücksichtigt hat.

47.      Diese im Urteil Royscot vertretene Auslegung hat der Gerichtshof im Urteil Uudenkaupungin kaupunki(10) im Wesentlichen aufrechterhalten. In dem zuletzt genannten Urteil hat der Gerichtshof nämlich aus den Randnrn. 21 bis 25 des Urteils Royscot ? die, wie dargelegt, die Auslegung von Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie betrafen ? ausdrücklich abgeleitet, dass die Untersuchung der Entstehungsgeschichte von Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie zeigt, dass die Möglichkeit, die den Mitgliedstaaten durch Unterabs. 2 dieser Bestimmung eingeräumt wird, nur Anwendung „auf die Beibehaltung der Ausschlüsse in Bezug auf Arten von Ausgaben findet, die sich nach der Natur des erworbenen Gegenstands oder der erworbenen Dienstleistung bestimmen und nicht nach deren Verwendung oder den Einzelheiten dieser Verwendung“(11).

48.      Die Frage, ob dieses Kriterium der Definition der fraglichen Gegenstände oder Dienstleistungen unter Zugrundelegung ihrer Natur andere Kriterien ausschließt, ist von der Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen sowie von der niederländischen und der griechischen Regierung in der mündlichen Verhandlung aufgeworfen worden. Die genannten Beteiligten haben nämlich geltend gemacht, dass der Gerichtshof in Randnr. 28 seines Urteils PARAT Automotive Cabrio anerkannt habe, dass der Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts auch durch den Zweck, d. h. die Zielrichtung, der betreffenden Gegenstände oder Dienstleistungen gerechtfertigt sein könne, was eine Weiterentwicklung der Rechtsprechung im Urteil Uudenkaupungin kaupunki darstelle. Die genannten Beteiligten sind der Auffassung, diese Feststellung im Urteil PARAT Automotive Cabrio für das Ausgangsverfahren C-33/09 führe dazu, dass der Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts, den die niederländische Regelung für Werbegeschenke vorsehe, gerechtfertigt sein könne.

49.      Meiner Meinung nach versuchen die Kommission sowie die niederländische und die griechische Regierung, aus Randnr. 28 des Urteils PARAT Automotive Cabrio Schlussfolgerungen abzuleiten, die über den tatsächlichen Inhalt des genannten Urteils hinausgehen. Aus den im Folgenden dargelegten Gründen bin ich nämlich der Ansicht, dass das Urteil nicht so ausgelegt werden kann, wie dies von der Kommission und der niederländischen sowie der griechischen Regierung in den vorliegenden Rechtssachen geltend gemacht wird.

50.      Ich erinnere daran, dass der Gerichtshof, der mit der Frage der Auslegung von Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie befasst war, in Randnr. 28 des Urteils PARAT Automotive Cabrio festgestellt hat, dass in dieser Vorschrift „keine Ermächtigung eines Mitgliedstaats dahin gehend gesehen werden [kann], eine Beschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug beizubehalten, die allgemein auf jede Ausgabe für den Erwerb von Gegenständen unabhängig von ihrer Art und ihrem Zweck Anwendung finden kann“(12).

51.      Ausgehend vom Wortlaut weise ich schon hier darauf hin, dass sich der Begriff „ihrem Zweck“ entgegen der von der Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen vertretenen Auffassung, jedoch in Übereinstimmung mit der Antwort, die die Kommission in der mündlichen Verhandlung auf eine dahin gehende klare Frage des Gerichtshofs gegeben hat, nicht auf „den Gegenstand“, sondern auf die Ausgabe für den Erwerb eines Gegenstands bezieht. Dies geht aus der Urteilsfassung in der Verfahrenssprache sowie z. B. aus der französischen und der italienischen Urteilsfassung hervor(13). Diese Auslegung ergibt sich auch im Hinblick auf Randnr. 27 des Urteils PARAT Automotive Cabrio, in der auf die in Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie aufgeführten Ausgaben, nämlich Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen, verwiesen wird, die dieser Bestimmung zufolge in jedem Fall vom Vorsteuerabzugsrecht auszuschließen sind. Die beiden zuletzt genannten Ausgabenarten sind nämlich eindeutig durch ihren Zweck definiert. Dies ist der Hintergrund für den Verweis auf den Zweck der Ausgabe in Randnr. 28 des Urteils.

52.      Unabhängig von dieser Feststellung und auf einer grundsätzlicheren Ebene bestärken mich der Zusammenhang, in dem Randnr. 28 des Urteils PARAT Automotive Cabrio steht, und das Verhältnis zwischen Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie und Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie in der Auffassung, dass die Aufnahme des Begriffs „ihrem Zweck“ nicht dahin gehend verstanden werden darf, dass der Gerichtshof dem in Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie enthaltenen Kriterium, bestimmte Gegenstände oder Dienstleistungen unter Zugrundelegung ihrer Natur zu definieren, ein Kriterium hinzufügen wollte, das auf dem Zweck (im Sinne der Zielrichtung) der Gegenstände oder Dienstleistungen oder sogar der Ausgaben für den Erwerb der Gegenstände oder Dienstleistungen beruht.

53.      Es ist nämlich zunächst daran zu erinnern, dass der Gerichtshof im Urteil PARAT Automotive Cabrio u. a. mit der Frage befasst war, ob eine innerstaatliche Maßnahme allgemeiner Art, die vor dem Beitritt der Republik Ungarn zur Europäischen Union erlassen worden war und mit der das Recht auf vollständigen Abzug der Vorsteuer für einen mit Geldern aus dem Staatshaushalt subventionierten Erwerb von Gegenständen beschränkt wurde, mit Art. 17 der Sechsten Richtlinie vereinbar war. Angesichts der allgemeinen Natur der innerstaatlichen Maßnahme, die alle Arten von Gegenständen erfasste, stellte sich jedoch logischerweise nicht die hier zu entscheidende Frage, ob die Art der Gegenstände und Dienstleistungen, die in der nationalen Regelung genannt werden, hinreichend bestimmt ist.

54.      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass Art. 28 des Urteils PARAT Automotive Cabrio nur eine Auslegung von Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie enthält und nicht die Frage nach der Auslegung des Begriffs „bestimmte Gegenstände und bestimmte Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie betrifft.

55.      Diese Würdigung wird meines Erachtens durch Randnr. 29 dieses Urteils bestätigt, wonach sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift der Wille des Gemeinschaftsgesetzgebers ergibt, „nur den Ausschluss bestimmter Gegenstände oder Dienstleistungen von der Abzugsregelung zuzulassen, nicht aber allgemeine Ausschlüsse von dieser Regelung“.

56.      Wie ich nämlich bereits in den Nrn. 41 und 42 der vorliegenden Schlussanträge hervorgehoben habe, ist es für die Zulässigkeit einer nationalen Regelung, die wie die fragliche Regelung der Ausgangsverfahren den Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts vorsieht und vor der Sechsten Richtlinie erlassen wurde, nicht nur erforderlich, dass sie sich auf Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie stützt, sondern sie muss auch mit der zum Zeitpunkt des Erlasses der genannten Regelung geltenden Zweiten Richtlinie, insbesondere deren Art. 11 Abs. 4, vereinbar sein.

57.      Meiner Meinung nach folgt hieraus, dass die Randnrn. 28 und 29 des Urteils PARAT Automotive Cabrio nur klarstellen, dass Art. 17 Abs. 6 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie den Mitgliedstaaten zwar erlaubt, für Ausgaben, die ihrer Natur oder ihrem Zweck nach bestimmt sind, das Vorsteuerabzugsrecht auszuschließen, er jedoch die Mitgliedstaaten nicht von ihrer unmittelbar oder mittelbar auf Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie beruhenden Verpflichtung befreit, die Natur der Gegenstände oder Dienstleistungen, auf die sich die Ausgaben richten, hinreichend zu definieren, da andernfalls die Tragweite einer Ausnahmebestimmung zum Vorsteuerabzugsrecht unangemessen erweitert würde(14).

58.      In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung im Urteil Uudenkaupungin kaupunki ist demnach in den Ausgangsverfahren zu prüfen, ob die Ausgabenarten, die durch die fragliche Regelung vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind, hinreichend bestimmt definiert sind, d. h., ob sie nach der Natur der erworbenen Gegenstände oder Dienstleistungen eingegrenzt sind.

59.      Allgemein weise ich darauf hin, dass die Königliche Verordnung von 1968 neben den besonderen Ausgabenarten, die sie vom Vorsteuerabzugsrecht ausschließt, auch Gegenstände und Dienstleistungen betrifft, die für jegliche sonstigen persönlichen Zwecke des Unternehmenspersonals verwendet werden. Der Wortlaut dieser Ausschlussbestimmung deutet darauf hin, dass sie sich auf die private Verwendung der Gegenstände und Dienstleistungen und nicht auf ihre Natur stützt, so dass sie den Anforderungen von Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie in seiner Auslegung durch den Gerichtshof nicht gerecht wird.

60.      Wie jedoch die griechische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen festgestellt hat, betreffen die Ausgangsverfahren keine Gegenstände oder Dienstleistungen dieser Gattung, sondern Gegenstände oder Dienstleistungen, die der Steuerpflichtige für genauer eingegrenzte Zwecke seines Personals verwendete, die als Ausgabenarten in der Königlichen Verordnung von 1968 genannt sind.

61.      Daher ist zu prüfen, ob diese Ausgabenarten im Hinblick auf die Anforderungen von Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie hinreichend bestimmt sind.

62.      Was die Rechtssache C-538/08 betrifft, geht es um die in Art. 1 Abs. 1 Buchst. c der Königlichen Verordnung von 1968 genannte Ausgabenart, die Gegenstände und Dienstleistungen erfasst, die der Arbeitgeber zum Zweck der Bereitstellung von „privaten Transportmöglichkeiten“ für sein Personal verwendet.

63.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts geht aus der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung eindeutig hervor, dass der nationale Gesetzgeber bei Gegenständen und Dienstleistungen, die für die Bereitstellung von privaten Transportmöglichkeiten verwendet würden, jedenfalls auch im Auge gehabt habe, dass ein Steuerpflichtiger einem Mitarbeiter ein Fahrzeug (auch) für den privaten Bedarf zur Verfügung stelle.

64.      Es sei darauf hingewiesen, dass diese Ausgabenart in zweifacher Hinsicht weiter ist als diejenige, die der Gerichtshof im Urteil Royscot zu prüfen hatte, als er festgestellt hat, dass der Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts für den Erwerb von Kraftfahrzeugen mit Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie vereinbar ist. Erstens erfasst nämlich die Ausgabenart, die in Art. 1 Abs. 1 Buchst. c der Königlichen Verordnung von 1968 genannt ist, Gegenstände und Dienstleistungen, die zur Bereitstellung privater Transportmöglichkeiten verwendet werden. Zweitens ist diese Ausgabenart nicht auf Personenkraftwagen beschränkt, sondern sie kann auch, wie das vorlegende Gericht zu Recht vorgetragen hat, die Bereitstellung eines Fahrzeugs erfassen, das das Personal des Steuerpflichtigen vom Wohnsitz zum Arbeitsplatz befördert.

65.      Dies bedeutet jedoch nicht, dass die fragliche Ausgabenart zu weit gefasst ist.

66.      Erstens gibt es kaum Zweifel, dass diese Ausgabenart dazu führen kann, alle oder praktisch alle Gegenstände und Dienstleistungen vom Vorsteuerabzugsrecht auszuschließen und auf diese Weise die allgemeine Regelung in Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie gegenstandslos zu machen(15).

67.      Zweitens ist die fragliche Ausgabenart, da sie die Bereitstellung einer privaten Transportmöglichkeit zugunsten des Personals des Steuerpflichtigen beinhaltet, zweifellos eine hinreichend genaue Bestimmung der Gegenstände, auf die sich die streitigen Ausgaben des Ausgangsverfahrens beziehen, das ? wie dargelegt ? den Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug für den Erwerb von Fahrzeugen, die teilweise für den privaten Bedarf des Personals verwendet werden, durch den Steuerpflichtigen betrifft.

68.      Was die in der Rechtssache C-33/09 in Frage stehenden Ausgabenarten betrifft, bin ich ebenfalls der Auffassung, dass die Ausgabenarten „Verabreichung von Speisen und Getränken an das Personal des Unternehmers“ sowie „Beschaffung von Wohnraum … für das Personal des Unternehmers“ den Anforderungen von Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie genügen.

69.      Erstens bin ich entgegen den Ausführungen, die die Klägerin des Ausgangsverfahrens in jener Rechtssache zur Ausgabenart der Verabreichung von Speisen und Getränken vorgetragen hat, nicht der Ansicht, dass die Gegenstände und Dienstleistungen, die von dieser Ausgabenart erfasst werden, einzeln und/oder abschließend aufgeführt werden müssen. Aus den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts geht eindeutig hervor, dass Nahrungsmittel sowie Gegenstände und Dienstleistungen, die der Herstellung und Zubereitung von Speisen und Getränken dienen, von dieser Ausgabenart erfasst sind. Daher ist diese Art von Gegenständen und Dienstleistungen meiner Ansicht nach hinreichend bestimmt und implizit ihrer Natur nach definiert.

70.      Außerdem hat der Gerichtshof im Urteil Danfoss und AstraZeneca nicht entschieden, dass es grundsätzlich nicht zulässig ist, einen Ausschluss des Rechts auf Vorsteuerabzug für Einkäufe und Ähnliches betreffend „die Verpflegung des Betriebsinhabers und des Personals“ auf den Geltungsbereich der Ausnahmebestimmung des Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie zu stützen.

71.      Zweitens schließe ich mich im Hinblick auf die Ausgabenart „Beschaffung von Wohnraum … für das Personal des Unternehmers“ der Beurteilung an, die das vorlegende Gericht vorgenommen hat und wonach die Bereitstellung einer Unterkunft zugunsten von Mitarbeitern des Arbeitgebers als solche, jedoch auch die Kosten, die dadurch entstehen, dass Vermittlungs- oder Maklerdienste in Anspruch genommen werden, die eine solche Bereitstellung ermöglichen, von dieser Ausgabenart erfasst sind. Meiner Meinung nach ist auch diese Ausgabenart hinreichend bestimmt und definiert die betreffenden Gegenstände und Dienstleistungen implizit durch Verweis auf deren Natur.

72.      Dagegen habe ich erhebliche Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit der beiden anderen streitigen Ausgabenarten, nämlich Ausgaben für „Zwecke von Sport und Vergnügungen … für das Personal des [Steuerpflichtigen]“ gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. c der Königlichen Verordnung von 1968 sowie Ausgaben für „die Zwecke von Werbegeschenken oder anderen Zuwendungen an Personen, die in Bezug auf diese Zuwendungen, wenn ihnen die Umsatzsteuer dafür in Rechnung gestellt wird oder würde, nicht zum vollen oder einem erheblichen Abzug der Vorsteuer berechtigt sind oder wären“, gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Königlichen Verordnung.

73.      Diese Ausgabenarten sind nämlich nach Maßgabe ihres Zwecks ? d. h. ihrer Zielrichtung ? bestimmt, ohne dass darüber hinaus die Natur der betreffenden Gegenstände oder Dienstleistungen objektiv ? und sei es nur allgemein ? eingegrenzt ist oder werden kann. Insbesondere liegen entgegen dem Vorbringen der niederländischen Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Ausgabenart Werbegeschenke sich auf Luxusartikel beschränkt. Vielmehr scheint dieses Vorbringen durch Art. 1 Abs. 2 der Königlichen Verordnung von 1968 widerlegt zu werden, wonach mit „Werbegeschenken“ oder „anderen Zuwendungen“ „alle Leistungen gemeint [sind], die der Unternehmer Dritten im Rahmen seiner Geschäftsbeziehungen oder als Schenkung erbringt“.

74.      Angesichts der vorstehenden Erwägungen bin ich der Ansicht, dass Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie und Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass ein Mitgliedstaat, der von der in diesen Artikeln eingeräumten Möglichkeit des Ausschlusses des Vorsteuerabzugs in Bezug auf Arten von Ausgaben Gebrauch gemacht hat, die als Ausgaben

–        für „die Bereitstellung von privaten Transportmöglichkeiten für das Personal des Arbeitgebers“,

–        für „die Verabreichung von Speisen und Getränken an das Personal des Arbeitgebers“,

–        für „die Beschaffung von Wohnraum für das Personal des Arbeitgebers“

beschrieben sind, die Voraussetzung erfüllt hat, eine Art von hinreichend bestimmten Gegenständen und/oder Dienstleistungen durch ? auch nur impliziten ? Verweis auf die Natur dieser Gegenstände und/oder Dienstleistungen zu nennen.

Dagegen ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, wenn ein Mitgliedstaat das Vorsteuerabzugsrecht für Ausgabenarten ausschließt, die als Ausgaben

–        für „Zwecke von Sport und Vergnügungen für das Personal des Arbeitgebers“,

–        für „die Zwecke von Werbegeschenken oder anderen Zuwendungen an Personen, die in Bezug auf diese Zuwendungen, wenn ihnen die Umsatzsteuer dafür in Rechnung gestellt wird oder würde, nicht zum vollen oder einem erheblichen Abzug der Vorsteuer berechtigt sind oder wären“

beschrieben sind.

B –    Zur jeweils zweiten Vorlagefrage in beiden Rechtssachen

75.      Mit ihrer jeweils zweiten Frage möchten die vorlegenden Gerichte mit weitgehend gleichlautenden Formulierungen im Wesentlichen wissen, ob in dem Fall, dass ein vollständiger Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts für eine oder mehrere der Ausgabenarten, die im Rahmen der Beantwortung der ersten Vorlagefragen geprüft wurden, zulässig ist, die Bestimmungen der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einem teilweisen Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts, wie er sich aus der vor dem Inkrafttreten der genannten Richtlinie erlassenen nationalen Regelung ergibt, entgegenstehen.

76.      Angesichts der allgemeinen Natur der den Mitgliedstaaten durch Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie eingeräumten Möglichkeit, alle Ausschlüsse des Vorsteuerabzugsrechts beizubehalten, die ihre vor dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie geltenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorsehen, und angesichts des Grundsatzes a maiore ad minus kann ich keine Gründe erkennen, die einen Mitgliedstaat daran hindern könnten, die Tragweite eines Ausschlusses des Vorsteuerabzugsrechts schon beim Erlass dieses Ausschlusses zu beschränken.

77.      Eine solche Möglichkeit scheint mir mit dem Geist der Sechsten Richtlinie vereinbar. Denn wenn der Gerichtshof anerkannt hat, dass Art. 17 der Sechsten Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran hindert, die Tragweite oder den Geltungsbereich der Ausschlüsse einzuschränken, die nach dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie bestanden und deren Abschaffung Ziel des Art. 28 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie ist(16), folgt hieraus logischerweise, dass die Bestimmungen der Sechsten Richtlinie und insbesondere ihr Art. 17 Abs. 2 erst recht nicht einer schon vordem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie erlassenen nationalen Regelung entgegenstehen, die den teilweisen Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts vorsieht.

78.      Daher bin ich der Ansicht, dass Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie dahin gehend auszulegen ist, dass er einem Mitgliedstaat erlaubt, einen teilweisen Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts in Bezug auf Ausgaben für bestimmte Gegenstände oder Dienstleistungen, der durch eine vor dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie erlassene nationale Regelung eingeführt wurde, beizubehalten.

C –    Zur dritten Vorlagefrage in der Rechtssache C-33/09

79.      Die dritte Frage, die das vorlegende Gericht in der Rechtssache C-33/09 gestellt hat, betrifft nur den Sonderfall des teilweisen Ausschlusses des Vorsteuerabzugsrechts für die Ausgabenart „Verabreichung von Speisen und Getränken“ an das Personal des Steuerpflichtigen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. c der Königlichen Verordnung von 1968.

80.      Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einem Mitgliedstaat untersagt, einen teilweisen Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts in Bezug auf die Ausgabenart „Verabreichung von Speisen und Getränken“ zu ändern, wenn bei dieser Änderung davon ausgegangen werden kann, dass grundsätzlich die Tragweite des Ausschlusses eingeschränkt wird, dabei jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, dass in einem Einzelfall in einem einzelnen Jahr insbesondere durch den pauschalen Charakter der geänderten Regelung der Anwendungsbereich der Beschränkung des Abzugs erweitert wird.

81.      Es steht fest, dass die Königliche Verordnung von 1968 in Bezug auf die genannte Ausgabenart ? die mir hinreichend bestimmt erscheint, wie ich oben bei der Prüfung der ersten Vorlagefragen dargelegt habe ? nach Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie geändert wurde.

82.      Ebenso steht fest, und dies geht auch aus der Vorlageentscheidung hervor und ist von der Klägerin des Ausgangsverfahrens in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof eingeräumt worden, dass die vorgenommenen Änderungen, die sich auf den Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts für Ausgaben im Zusammenhang mit der Verabreichung von Speisen und Getränken beziehen, die Tragweite des Ausschlusses allgemein eingeschränkt haben.

83.      Nach der Rechtsprechung ist eine solche Einschränkung der Tragweite eines Ausschlusses des Vorsteuerabzugsrechts jedoch vom Geltungsbereich der Ausnahmevorschrift des Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie gedeckt, auch wenn sie nach dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie erlassen wurde(17). Wie nämlich bereits dargelegt worden ist, ist die Einschränkung der Tragweite einer solchen Ausnahmebestimmung vom Grundsatz des Rechts auf Vorsteuerabzug gemäß Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie mit dem Ziel der Richtlinie vereinbar.

84.      Diese allgemeine Beurteilung scheint mir nicht durch die vom vorlegenden Gericht angeführte, jedoch im Ausgangsverfahren unstreitig nicht relevante Möglichkeit entkräftet, dass die neue pauschale Regelung des teilweisen Ausschlusses, die nach dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie eingeführt wurde, aufgrund der Anwendungsmodalitäten der neuen Regelung in Ausnahmefällen zu einem wirtschaftlich ungünstigeren Ergebnis als die frühere Regelung führen kann.

85.      In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass ein solcher Fall dem vorlegenden Gericht zufolge und nach den schriftlichen Erklärungen der niederländischen Regierung nur eintreten kann, wenn der Steuerpflichtige seinen Mitarbeitern Speisen und Getränke anbietet, ohne sich an ihrer Zubereitung oder an der Ermöglichung ihres Verzehrs zu beteiligen, und gleichzeitig die Grenze von 500 NLG (etwa 227 Euro) pro Mitarbeiter im Laufe eines Geschäftsjahrs überschritten wird.

86.      Die bloße Möglichkeit, dass sich ein solcher Fall konkretisiert, kann meiner Meinung nach jedoch nicht dazu führen, dass die Anwendung der Ausnahmevorschrift des Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie ausgeschlossen wird, da die nach Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie vorgenommene Änderung für die Steuerpflichtigen im Allgemeinen günstiger als die vor diesem Zeitpunkt geltende Regelung ist, wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat. Auch das nachweisliche Vorliegen eines solchen Einzel- oder Ausnahmefalls hätte nämlich keine Auswirkungen auf den Grundsatz, dass die Änderung der nationalen Regelung, die nach dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie erlassen wurde, den zuvor bestehenden Geltungsbereich der Ausschlüsse eingeschränkt hat.

87.      Vielmehr bin ich der Ansicht, dass, wie auch die Kommission zu Recht geltend gemacht hat, ein Gericht, das mit dem vom vorlegenden Gericht angeführten, derzeit hypothetischen Ausnahmefall befasst wäre, nach dem Gemeinschaftsrecht verpflichtet wäre, sein innerstaatliches Recht so weit wie möglich im Licht des Wortlauts und des Zwecks der Sechsten Richtlinie auszulegen, um die mit ihr angestrebten Ergebnisse zu erreichen(18).

88.      Folglich bin ich der Auffassung, dass Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er einem Mitgliedstaat erlaubt, einen Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts in Bezug auf eine Ausgabenart, wie z. B. im Ausgangsrechtsstreit Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Verabreichung von Speisen und Getränken an seine Mitarbeiter, nach dem Inkrafttreten der genannten Richtlinie zu ändern, wenn bei dieser Änderung davon ausgegangen werden kann, dass grundsätzlich die Tragweite des Ausschlusses eingeschränkt wird, dabei jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, dass in einem für den Ausgangsrechtsstreit nicht maßgeblichen Einzelfall in einem einzelnen Jahr insbesondere durch den pauschalen Charakter der geänderten Regelung der Anwendungsbereich der Beschränkung des Abzugs erweitert wird.

V –    Ergebnis

89.      Angesichts der vorstehenden Erwägungen schlage ich vor, die Vorlagefragen des Hoge Raad der Nederlanden und des Gerechtshof Amsterdam wie folgt zu beantworten:

1.         Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage sind dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat, der von der in diesen Artikeln eingeräumten Möglichkeit des Ausschlusses des Vorsteuerabzugs in Bezug auf Arten von Ausgaben, die als Ausgaben

–        für „die Bereitstellung von privaten Transportmöglichkeiten für das Personal des Arbeitgebers“,

–        für „die Verabreichung von Speisen und Getränken an das Personal des Arbeitgebers“,

–        für „die Beschaffung von Wohnraum für das Personal des Arbeitgebers“

         beschrieben sind, Gebrauch gemacht hat, die Voraussetzung erfüllt hat, eine Art von hinreichend bestimmten Gegenständen und/oder Dienstleistungen durch ? auch nur impliziten ? Verweis auf die Natur dieser Gegenstände und/oder Dienstleistungen zu nennen.

         Dagegen ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, wenn ein Mitgliedstaat das Vorsteuerabzugsrecht für Ausgabenarten ausschließt, die als Ausgaben

–        für „Zwecke von Sport und Vergnügungen für das Personal des Arbeitgebers“,

–        für „die Zwecke von Werbegeschenken oder anderen Zuwendungen an Personen, die in Bezug auf diese Zuwendungen, wenn ihnen die Umsatzsteuer dafür in Rechnung gestellt wird oder würde, nicht zum vollen oder einem erheblichen Abzug der Vorsteuer berechtigt sind oder wären“.

2.         Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie ist dahin auszulegen, dass er einem Mitgliedstaat erlaubt, einen teilweisen Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts in Bezug auf Ausgaben für bestimmte Gegenstände oder Dienstleistungen, der durch eine vor dem Inkrafttreten der Sechsten Richtlinie erlassene nationale Regelung eingeführt wurde, beizubehalten.

3.         Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie ist dahin auszulegen, dass er einem Mitgliedstaat erlaubt, einen Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts in Bezug auf eine Ausgabenart, wie z. B. im Ausgangsrechtsstreit in der Rechtssache C-33/09 Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Verabreichung von Speisen und Getränken zugunsten seiner Mitarbeiter, nach dem Inkrafttreten der genannten Richtlinie zu ändern, wenn bei dieser Änderung davon ausgegangen werden kann, dass grundsätzlich die Tragweite des Ausschlusses eingeschränkt wird, dabei jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, dass in einem für den Ausgangsrechtsstreit nicht maßgeblichen Einzelfall in einem einzelnen Jahr insbesondere durch den pauschalen Charakter der geänderten Regelung der Anwendungsbereich der Beschränkung des Abzugs erweitert wird.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – ABl. 71, S. 1303. Diese Richtlinie wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1978 durch die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) aufgehoben.


3 – Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Januar 2002, Metropol und Stadler (C-409/99, Slg. 2002, I-81, Randnrn. 43 und 44), vom 11. Dezember 2008, Danfoss und AstraZeneca (C-371/07, Slg. 2008, I-0000, Randnrn. 27 und 28), sowie vom 23. April 2009, PARAT Automotive Cabrio (C-74/08, Slg. 2009, I-0000, Randnrn. 17 und 21) und Puffer (C-460/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 83).


4 – Vgl. u. a. Urteile vom 14. Juni 2001, Kommission/Frankreich (C-345/99, Slg. 2001, I-4493, Randnr. 20), sowie Danfoss und AstraZeneca (oben in Fn. 3 angeführt, Randnr. 29).


5 – Vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile Danfoss und AstraZeneca (oben in Fn. 3 angeführt, Randnr. 30) und vom 22. Dezember 2008, Magoora (C-414/07, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 35).


6 – Vgl. Urteil vom 5. Oktober 1999, Royscot u. a. (C-305/97, Slg. 1999, I-6671, Randnr. 21).


7 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Royscot (oben in Fn. 6 angeführt, Randnr. 22) und PARAT Automotive Cabrio (oben in Fn. 3 angeführt, Randnr. 29).


8 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Magoora (oben in Fn. 5 angeführt, Randnrn. 32 f.).


9 – Vgl. Urteil Royscot (oben in Fn. 6 angeführt, Randnrn. 23 und 25). Vgl. auch Urteil vom 14. Juli 2005, Charles und Charles-Tijmens (C-434/03, Slg. 2005, I-7037, Randnr. 34).


10 – Urteil vom 30. März 2006 (C-184/04, Slg. 2006, I-3039).


11 – Ebd. (Randnr. 49) (Hervorhebung nur hier).


12 – Hervorhebung nur hier.


13 – Die italienische Fassung ist in dieser Hinsicht besonders klar: „… a qualunque spesa legata all’acquisto di beni, indipendentemente dalla sua natura o dal suo oggetto“.


14 – Für die Gründungsstaaten der Europäischen Gemeinschaft und die bis zum 1. Januar 1978 beigetretenen Mitgliedstaaten, die ihre Regelung zum Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts erlassen haben, als die Zweite Richtlinie noch in Kraft war, ist Art. 11 Abs. 4 der Zweiten Richtlinie noch immer unmittelbar maßgeblich. Bei den Mitgliedstaaten, die der Gemeinschaft nach der Aufhebung der Zweiten Richtlinie durch die Sechste Richtlinie beigetreten sind, wird das Kriterium „bestimmte Gegenstände und bestimmte Dienstleistungen“ dagegen nur mittelbar angewandt oder, anders ausgedrückt, im Rahmen der Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie berücksichtigt.


15 – Vgl. hierzu u. a. Urteile Royscot (oben in Fn. 6 angeführt, Randnr. 24) sowie Charles und Charles-Tijmens (oben in Fn. 9 angeführt, Randnr. 33).


16 – Vgl. Urteile Kommission/Frankreich (oben in Fn. 4 angeführt, Randnrn. 21 f.), vom 8. Januar 2002, Metropol und Stadler (C-409/99, Slg. 2002, I-81, Randnr. 45), Danfoss und AstraZeneca (oben in Fn. 3 angeführt, Randnr. 32) sowie Magoora (oben in Fn. 5 angeführt, Randnr. 36).


17 – Urteile Kommission/Frankreich (oben in Fn. 17 angeführt, Randnr. 22), Danfoss und AstraZeneca (oben in Fn. 3 angeführt, Randnr. 32), Magoora (oben in Fn. 5 angeführt, Randnr. 36) und Puffer (oben in Fn. 3 angeführt, Randnr. 85).


18 – Vgl. u. a. zu dieser Verpflichtung Urteil Magoora (oben in Fn. 5 angeführt, Randnr. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).